628/AB XXIII. GP

Eingelangt am 31.05.2007
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BM für Wirtschaft und Arbeit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara PRAMMER

 

Parlament

1017 Wien

 

 

                                                                                                                           Wien, am 29. Mai 2007

 

                                                                                                                           Geschäftszahl:

                                                                                            BMWA-10.101/0068-IK/1a/2007

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 635/J betreffend ArbeitnehmerInnenschutz, welche die Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen am 10. April 2007 an mich richteten, stelle ich fest:

 

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG und entsprechende Verordnungen haben grundsätzlich das präventive Ziel, den Arbeitnehmer/innen ein Arbeitsleben ohne Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten oder arbeitsbedingte Erkrankungen zu      sichern. Die Einhaltung der ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften über das gesamte Arbeitsleben leistet daher im Ergebnis einen wesentlichen Beitrag zur beschwerdefreien Verlängerung des aktiven Erwerbslebens. Von dieser allgemeinen Zielsetzung abgesehen werden die Anforderungen an eine alternsgerechte Gestaltung der     Arbeitswelt im ArbeitnehmerInnenschutzrecht auch im Besonderen berücksichtigt.

 

§ 6 ASchG verpflichtet die Arbeitgeber/innen, bei der Übertragung von Aufgaben an Arbeitnehmer/innen deren Eignung in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit zu berücksichtigen. Dabei ist insbesondere auf Konstitution und Körperkräfte, Alter und Qualifikation Rücksicht zu nehmen.

 

Weiters ist insbesondere die Verpflichtung der Arbeitgeber/innen zur Auseinandersetzung mit möglichen Gefahren in der Betriebsstätte und deren Dokumentation, zur Information und Unterweisung der Beschäftigten sowie zur Gesundheitsüber-wachung am Arbeitsplatz zu nennen. § 4 Abs. 2 ASchG normiert, dass Arbeitgeber/innen besonders gefährdete oder schutzbedürftige Arbeitnehmer/innen sowie die Eignung der Arbeitnehmer/innen im Hinblick auf Konstitution, Körperkraft, Alter und Qualifikation bei der Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen und Belastungen berücksichtigen müssen.

 

Die Tätigkeit der Präventivfachkräfte (Arbeitsmediziner/innen und Sicherheitsfachkräfte) trägt ebenfalls wesentlich zur Gesundheitsförderung im Betrieb und zur     alternsgerechten Arbeitsplatz- und Tätigkeitsgestaltung bei.

 

Von der Arbeitsinspektion wird in den Jahren 2007 und 2008 eine Schwerpunkt-aktion zum Thema „Evaluierung und alternsgerechtes Arbeiten“ durchgeführt. Dabei werden die Erfahrungen und Erkenntnisse der nordischen Länder, vor allem Finnlands, im hohen Maße berücksichtigt.

 

Betriebe sollen informiert, beraten und letztendlich dahingehend überprüft werden, ob und wie sie das Thema altersgerechtes Arbeiten bei der Evaluierung (Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen und Festlegung von Maßnahmen gem. § 4 ASchG) berücksichtigt haben, z.B. in Bezug auf die Adaptierung der Lichtverhält-nisse, größere Beschriftungen, verstärkten Einsatz technischer Hebehilfen, Anpassung der Arbeitsplätze an den individuellen Aktionsradius z.B. des Schulter- und Hüftgelenkes, Reduktion von Hitze- oder Kältearbeitsplätzen, altersverträgliche Gruppenarbeit und Pausenorganisation, psychosozial und psychomental verträgliche Arbeitsplanung, Tätigkeits- und Belastungswechsel, Reduktion der Schichtarbeit und Nachtschichten und weiters durch arbeitsmedizinische Gesundheitsprogramme im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung.

 

 

Antwort zu den Punkten 2 der Anfrage:

 

Soweit diesbezügliche Regelungen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit fallen, sind derzeit keine Änderungen geplant.

 

 

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

 

Eine Novellierung des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes betreffend Aspekte des Arbeitsschutzes ist derzeit nicht geplant. Sollte es aber gemeinsame Vorschläge der Sozialpartner dazu geben, bin ich gern bereit, diese näher zu

prüfen.

 

 

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

 

Auf gesetzlicher Ebene sind neue Rahmenbedingungen zum Arbeitsschutz nicht beabsichtigt, doch sind Durchführungsverordnungen zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG) geplant, wie z.B. Novellen zur Verordnung über die Gesundheitsüberwachung sowie der Grenzwerteverordnung und neue Verordnungen zum Schutz der Arbeitnehmer/innen vor der Gefährdung durch elektromagnetische Felder und durch optische Strahlung.

 

Auf europäischer Ebene sind von der Europäischen Kommission derzeit legistische Initiativen in den Bereichen Ergonomie am Arbeitsplatz, biologische Arbeitsstoffe (insbesondere der Prävention von Nadelstichverletzungen in Krankenanstalten) und karzinogene Arbeitsstoffe geplant.

 

 

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

 

Die Jahresarbeitspläne der Arbeitsinspektion sehen für die nächsten Jahre folgende Themenschwerpunkte vor:

2007

·        Manuelle Lasthandhabung

·        Systematische Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Organisation

·        Sicherungsmaßnahmen bei Erdbauarbeiten

·        Alternsgerechtes Arbeiten

 

2008

·        Explosionsschutzdokument

·        Unterweisung und Information bei Reinigungspersonal

·        Selbst fahrende Arbeitsmittel

·        Alternsgerechtes Arbeiten (Fortsetzung)

 

Europäische Kampagnen aller Mitgliedstaaten werden sich in den nächsten Jahren auf die Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen bei der Arbeit sowie auf die Information insbesondere von Kleinbetrieben über geeignete betriebliche Gefahrenermittlungen und –beurteilungen beziehen.

 

Im Februar 2007 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung über eine Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz für die Jahre 2007-2012 vorgelegt. Im Rahmen einer neuen 5-Jahres-Strategie sollen Arbeitsunfälle bis 2012 EU–weit um 25 Prozent und Berufskrankheiten generell reduziert werden. Die neue Strategie umfasst Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene. Nationale Strategien sollen sich auf vor allem Hochrisikobranchen konzentrieren.

 

 

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

 

Hier ist die „Rahmenvereinbarung zu arbeitsbedingtem Stress“ der EU-Sozialpartner aus dem Jahre 2004 besonders zu begrüßen und hervorzuheben. Sie wurde von den österreichischen Sozialpartnern vollinhaltlich als Leitlinie übernommen. Damit werden die Intentionen meiner Politik im präventiven Arbeitsschutz unterstützt,   nämlich systematische Zusammenhänge (z.B. Mängel in der Organisation, Führungskräfteverhalten oder im Informationsmanagement) bei der Evaluierung zu erkennen und daraus folgend systematische Maßnahmen zur Reduktion der psychosozialen Belastungen umzusetzen.

 

Bei den Routineüberprüfungen durch die Arbeitsinspektion wird auf die Evaluierung der psychosozialen Belastungen eingegangen. Auch auf der Website der Arbeitsinspektion gibt es bereits seit Jahren Informationen für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen über Tools zur systematischen Erfassung der psychosozialen Be-lastungen z.B. den Impulstest, als Mittel zur Analyse der konkreten Stress- und Ressourcenfaktoren.

 

Die im letzten Jahr veröffentlichte Broschüre „Schwere Arbeit - leicht gemacht, ein Leitfaden zur Umsetzung der Evaluierung in der stationären Altenpflege“ enthält Fragen und Kapitel auch zu psychosozialen Themen wie Stress, Mobbing, Gewalt am Arbeitsplatz und Betriebliche Gesundheitsförderung. Der Leitfaden, der in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer NÖ, der AUVA, Leiter/innen und Beschäftigten von Pflegeheimen, Gewerkschaftsvertreter/innen und dem Land Niederösterreich entstanden ist, ist ein gutes Beispiel dafür, wie die überbetriebliche Zusammenarbeit der verschiedenen am Arbeitsschutz beteiligten Organisationen mit Betrieben, in diesem Fall Alten- und Pflegeheime, positive Ergebnisse ermöglichen. Der Leitfaden wurde im Rahmen der Schwerpunktaktion der Arbeitsinspektion in Pflegeheimen im Jahr 2006 bei diversen Veranstaltungen vorgestellt, kann von der Website der Arbeitsinspektion heruntergeladen werden und wird auch nach wie vor an Betriebe verteilt.

 

 

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

 

Die jeglicher Grundlage entbehrende Behauptung, die Arbeitsinspektion sei in den vergangenen Jahren zu einer „Beratungs- statt Kontrollinstitution degradiert“ worden, weise ich mit Nachdruck zurück: Wie die folgenden Zahlen - die im Übrigen dem  Hohen Haus in den jährlichen Tätigkeitsberichten der Arbeitsinspektion vorliegen und auch auf der Website der Arbeitsinspektion allgemein zugänglich sind - zeigen, widerspricht diese Behauptung schlicht den Tatsachen. Vielmehr hat sich seit dem Inkrafttreten des Arbeitnehmerschutz-Reformgesetzes mit 1.1.2002, auf das diese Frage vermutlich anspielt, obwohl es zur Gänze auf einer Sozialpartnereinigung beruht, die Anzahl der von der Arbeitsinspektion erstatteten Aufforderungen kaum verändert und hat jene der Strafanzeigen in diesem Zeitraum zugenommen:

 

 

2000

2001

2002

2003

2004

2005

Strafanzeigen

1.282

1.443

2.008

1.505

1.814

1.971

Aufforderungen

22.057

21.641

21.884

22.010

22.132

22.229

 

Zutreffend ist, dass in diesem Zeitraum erfreulicherweise auch die Beratungstätigkeit der Arbeitsinspektion zugenommen hat. Ich halte es allerdings für absolut unangebracht, im Zusammenhang mit einer qualitativ hochwertigen Beratungstätigkeit durch Experten und Expertinnen - und die Mitarbeiter/innen der Arbeitsinspektion gehören wohl zu den bestqualifizierten Fachleuten auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes - von einer „Degradierung“ zu sprechen. Im Übrigen wird durch die Beratungstätigkeit

der Arbeitsinspektion in Richtung auf eine optimale, praxisgerechte und –angepasste Umsetzung der Arbeitsschutzvorschriften deren Kontrolltätigkeit nicht ersetzt, sondern vielmehr erweitert: Die Arbeitsinspektion kontrolliert in beratender Weise – ein Weg, der im Übrigen auch von den Arbeitsinspektionen in den nordischen Ländern erfolgreich beschritten wird.

 

Dass Information und kompetente Beratung ganz wesentlich zur Akzeptanz und damit zur sinnvollen und nachhaltigen Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen beitragen, ist allgemein bekannt und wird in der Praxis der Arbeitsinspektion ständig bestätigt – sehr deutlich unter anderem durch eine im Jahr 2006 von der Arbeitsinspektion durchgeführte Schwerpunktaktion zum Explosionsschutz in den Branchen Tischlereien und KFZ-Lackierereien:

 

Bei dieser Aktion wurden gezielt Betriebe, die durch die Arbeitsinspektion informiert und beraten worden waren, mit Betrieben, die nicht durch die Arbeitsinspektion    informiert und beraten worden waren, verglichen. In Phase 1 wurden in 190 Betrieben Beratungen durch Arbeitsinspektor/innen durchgeführt und weitere 190 Betriebe auf elektronischem Weg informiert. In Phase 2 wurden die 380 Betriebe aus Phase 1 neuerlich überprüft. Außerdem wurden 190 weitere Betriebe überprüft, die in Phase 1 weder beraten noch informiert worden waren.

 

Die Aktion hat gezeigt, dass die umfassende Beratung vor Ort durch die Arbeitsinspektion zu einer statistisch signifikant besseren Umsetzung der überprüften Hauptkriterien des Explosionsschutzes geführt hat. Beispielsweise liegt die Erhöhung der Realisierung der Dokumentation in der Stichprobe durch Beratung vor Ort bei den Kfz-Lackierereien in der Schwankungsbreite von 12 % bis 39 %; bei den Tischlereien

von 11 % bis 36 %.

 

Zu den von Ihnen kritisierten „angemeldeten Kontrollen“ erinnere ich zunächst daran,  dass die entsprechende gesetzliche Regelung im Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz auf einer Sozialpartnereinigung auf höchster Ebene zustande gekommen ist und außerdem das jederzeitige, unangemeldete Betretungsrecht der Arbeitsinspektion in keiner Weise eingeschränkt, sondern vielmehr – ganz im Gegenteil – den Er-messensspielraum der Mitarbeiter/innen der Arbeitsinspektion in Richtung auf Kundenorientierung und Bürgernähe, aber auch im Interesse effizienter Kontrollen, erweitert hat. Jede Arbeitsinspektorin, jeder Arbeitsinspektor entscheidet selbst, ob eine Ankündigung einer Kontrolle erfolgt. Bei Verdacht auf Gefahr für Leben oder Gesundheit der Beschäftigten oder auf schwer wiegende Übertretungen ist die Anmeldung von Amtshandlungen nach wie vor ausdrücklich gesetzlich verboten. Die Möglichkeit der Arbeitsinspektor/innen, Amtshandlungen anzukündigen, hat im Übrigen keineswegs zu dem von Ihnen befürchteten Rückgang bei der Aufdeckung von Missständen geführt, wie das nachstehende Diagramm zeigt:

 

 

Zur Frage, ob „schärfere, österreichweit einheitliche Sanktionen bei mehrmaligen Verstößen eingeführt werden“, ist zunächst klarzustellen, dass die in den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften enthaltenen Sanktionen für das gesamte Bundesgebiet gelten und praktisch durchgehend für Wiederholungsfälle höhere Strafdro-hungen vorsehen, wobei mehrmalige Wiederholungen nach den Regeln des Verwaltungsstrafrechts bei der Strafbemessung als verschärfend zu berücksichtigen sind.

 

Eine allgemeine Verschärfung der geltenden Strafbestimmungen (beispielsweise im ASchG derzeit bei erstmaliger Übertretung Geldstrafe von 145 € bis 7.260 €, im Wiederholungsfall 290 € bis 14.350 €) ist derzeit nicht vorgesehen. Im Zusammenhang mit der Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen sieht das Regierungsprogramm – basierend auf einer Sozialpartnereinigung – aber Maßnahmen gegen Verletzungen des Arbeitszeitrechts vor, die in den derzeit in meinem Haus unter Beteiligung der Sozialpartner in Ausarbeitung stehenden Entwurf einer Novelle zum Arbeitszeitgesetz einfließen werden.

 

 

 

 

 

 

Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

 

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Reduzierung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten entsprechend der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012, auf nationaler Ebene einer aktiven Beteiligung

aller kompetenten Stellen bedarf, also einer akkordierten und gezielten Maßnahmensetzung aller Sozialpartner, aller Versicherungsträger, aller Arbeitsaufsichtsbehörden (Arbeitsinspektion, Verkehrs-Arbeitsinspektion, Land- und Forstinspektionen der Länder, Landes- und Gemeindebedienstetenschutzstellen) und aller beteiligten Ressorts.

 

Im Übrigen erfolgt bei allen legistischen Vorhaben selbstverständlich eine Einbeziehung der Sozialpartner im Begutachtungsverfahren. Über andere Vorhaben werden die Sozialpartner jährlich im Rahmen des Arbeitnehmerschutzbeirats im Bundes-ministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie jedes zweite Jahr im Rahmen der österreichweiten Tagung aller Amtsleiter/innen der Arbeitsinspektorate, zu der die Interessenvertretungen eingeladen werden, informiert. Auf regionaler Ebene sind die Interessenvertretungen im Rahmen der in jedem Bundesland zweimal jährlich stattfindenden Aussprachen der Arbeitsinspektorate gemäß § 3 Abs. 5 des Arbeits-inspektionsgesetzes in die Maßnahmen eingebunden.