661/AB XXIII. GP
Eingelangt am 13.06.2007
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ. BMVIT-9.500/0003-I/PR3/2007 DVR:0000175
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 656/J-NR/2007 betreffend Fluggastentschädigung nach der VO (EG) Nr. 261/2004 – Schlichtungsstelle in Österreich – Beschwerden von Fluggästen, die die Abgeordneten Mag. Johann Maier und GenossInnen am 13. April 2007 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Frage 1:
Welche Einrichtungen wurden in den EU-Mitgliedsstaaten auf Basis der VO (EG) Nr. 261/2004 als Beschwerdestellen (von Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2) benannt (Ersuche um namentliche Bekanntgabe)?
Antwort:
Die offizielle Liste der Beschwerdestellen finden Sie unter folgender Internetadresse:
http://ec.europa.eu/transport/air_portal/passenger_rights/doc/2005_01_31_national_enforcement_bodies_en.pdf
Frage 2:
Welche Mittel stehen dieser Beschwerdestelle (Art. 16 Abs. 2) im BM für Verkehr, Innovation und Technologie zur Wahrung der Fluggastrechte zur Verfügung, wenn einzelne Luftfahrtunternehmen (Airlines) die Bestimmungen dieser unmittelbar geltenden EU-Verordnung nicht einhalten?
Antwort:
Gemäß § 139a Luftfahrtgesetz (LFG) können Fluggäste unbeschadet der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte Streit- oder Beschwerdefälle wegen behaupteter Verstöße gegen Ge- oder Verbote aus der Verordnung an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie herantragen, der eine einvernehmliche Lösung anstrebt oder den Parteien seine Ansicht zum herangetragenen Fall mitteilt. In diesem Verfahren sind die Luftfahrtunternehmen zur Mitwirkung, zur Erteilung aller für die Beurteilung der Sachlage erforderlichen Auskünfte sowie zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen verpflichtet.
Kommt ein Luftfahrtunternehmen in einem Streitbeilegungsverfahren seiner Pflicht zur Mitwirkung, Auskunftserteilung und Vorlage von erforderlichen Unterlagen nicht nach, so ist dieser Verstoß gegen die Verpflichtungen des § 139a Abs.1 LFG mit Verwaltungsstrafe sanktioniert ( § 169 Abs.1 Z 1 LFG).
§ 169 Abs.1 Z 3 lit. g LFG legt allgemein fest, dass derjenige, der der Verordnung zuwiderhandelt oder zuwiderzuhandeln versucht, wenn nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt, eine Verwaltungsübertretung begeht. Diese ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen. Liegen erschwerende Umstände vor, so kann neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden.
Frage 3:
In welchen Mitgliedsstaaten wurden auf Basis der VO (EG) Nr. 261/2004 noch keine wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Strafbestimmungen bei Nichteinhaltung von Bestimmungen dieser Verordnung festgelegt (Art. 16 Abs. 3 der VO)?
Antwort:
Darüber liegen mir keine Informationen vor.
Fragen 4 bis 7:
Wie viele Beschwerden wegen Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung von Flügen gab es in den benannten Beschwerdestellen der EU-Mitgliedsstaaten bis zum Stichtag 31.12.2006 seit Inkrafttreten dieser VO (Aufschlüsselung nach Jahren und Airlines)?
Wie viele von diesen Beschwerden wurden erledigt?
Wie wurden diese Beschwerden jeweils erledigt?
Wie viele der obigen Beschwerden wurden bei diesen benannten Beschwerdestellen in der EU von österreichischen Fluggästen erhoben?
Antwort:
Diesbezüglich liegen keine Zahlen vor.
Fragen 8 bis 11:
Wie viele Beschwerden wegen Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung von Flügen gab es bei der benannten österreichischen Beschwerdestelle bis zum Stichtag 31.12.2006 seit Inkrafttreten dieser VO (Aufschlüsselung nach Jahren und Airlines)?
Wie viele von diesen Beschwerden wurden positiv erledigt (Ersuche jeweils um Aufschlüsselung nach Airlines)?
Wie viele Beschwerden wurden seitdem nicht erledigt (Aufschlüsselung nach Airlines)?
Warum konnten diese Beschwerden nicht erledigt werden?
Wie lautete jeweils die Begründung dafür?
Welche behördlichen Maßnahmen wurden deswegen durch die zuständigen Behörden gegenüber einzelnen Airlines ergriffen (Aufschlüsselung auf Airlines)?
Antwort:
Vom 17. Februar 2005 bis 30. Juni 2006 waren die Aufgaben in der Beschwerdebehandlung zwischen dem BMVIT und dem BMSGK geteilt:
Das BMVIT war Beschwerdestelle gemäß Art. 16 Abs.1 der Verordnung betreffend Abflüge von Luftfahrtunternehmen aus Österreich und Landungen von EU-Luftfahrtunternehmen aus Drittstaaten. Beschwerdestelle gemäß Art. 16 Abs. 2 war das BMSGK.
Dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie wurden in diesem Zeitraum rund 260 Beschwerden übermittelt, die mögliche Verstöße gegen Verpflichtungen aus der Verordnung enthielten.
Ca. 70% der Beschwerden betrafen Annullierungen, ca. 15% Nichtbeförderung und ca. 15% Verspätungen von Flügen.
Ein Großteil der Annullierungsfälle von Flügen erfolgte aufgrund technischer Gebrechen. In diesen Fällen ist jeweils zu prüfen, ob die Annullierung auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückgeht, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (vgl. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung). Das Luftfahrtunternehmen hat den Nachweis des technischen Gebrechens zu erbringen (z.B. durch Vorlage der Eintragungen in technischen Wartungsbüchern). Als besonders schwierig erwies sich die Prüfung der Vermeidbarkeit des außergewöhnlichen Umstandes.
Vielfach wurden auch mangelhaft erbrachte Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 der Verordnung (z.B. Mahlzeiten, Erfrischungen, Hotelunterbringung, Telefongespräche, e-mails) beklagt.
Ca. ein Drittel der Beschwerden betraf Flüge außerhalb Österreichs (d.h. Abflüge oder Landungen außerhalb Österreichs), zu deren Streitschlichtung die Behörden der betroffenen Länder einschreiten. Diese Beschwerden müssen meist in Berichtsform gebracht und in die englische Sprache übersetzt werden, um sie der zuständigen ausländischen Beschwerdestelle in einem anderen Mitgliedstaat zur Streitschlichtung übermitteln zu können. Das vorliegende Sprachproblem wurde in der Verordnung nicht geregelt, es bleibt zur Lösung den Mitgliedstaaten überlassen. Die Mitgliedstaaten einigten sich untereinander darauf, Beschwerden jeweils in der Landessprache und in Englisch zu bearbeiten, andere Möglichkeiten scheitern in den Mitgliedstaaten an Kostenfragen (für Übersetzungen).
Mit dem Inkrafttreten der Novelle zum Luftfahrtgesetz (LFG) am 1. Juli 2006 (BGBl. Nr. 88/2006) hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie auch die Funktion der Beschwerdestelle gemäß Art. 16 Abs.2 der Verordnung übernommen.
Seither ist das BMVIT auch für die Entgegennahme und Erstprüfung von Beschwerden zuständig: es erfolgt Auskunftserteilung über die Inhalte der Verordnung, Prüfung der Anwendbarkeit der Verordnung in einem bestimmten Fall sowie allenfalls Mitteilung an Anfragende, wo sie eine Beschwerde abgeben können, falls der Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt.
Im zweiten Halbjahr 2006 sind rund 390 Beschwerden eingegangen, wovon ein Großteil bereits erledigt werden konnte.
Von den einlangenden Beschwerden sind rund 40% vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie als zuständige Schlichtungsstelle zu bearbeiten. Davon betreffen ca. 75 % Annullierungen, ca.20 % Verspätungen und ca. 5 % Nichtbeförderung.
Ca. 50% der Beschwerden betreffen Vorfälle bei Abflügen bzw. Landungen in Ländern außerhalb Österreichs, wobei die Streitschlichtung in diesen Fällen der zuständigen ausländischen Beschwerdestelle obliegt. Diese Beschwerden werden einer Prüfung unterzogen, ob ein möglicher Verstoß gegen die Verordnung vorliegen könnte, bejahenden falls in Berichtsform gebracht und in englischer Übersetzung an die zuständige Behörde im jeweiligen Mitgliedstaat übermittelt.
In den übrigen 10 % der Fälle ist die Verordnung nicht anwendbar.
Es ergeben sich Probleme bei der Bearbeitung der Beschwerden vor allem dadurch, dass die Verordnung Unklarheiten in sich birgt, die der europaweiten Interpretation bedürfen. Daher haben die Mitgliedstaaten bereits seit dem Jahr 2005 eine Vielzahl von Fragen an die Europäische Kommission herangetragen. Diese hat in der Folge dazu gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ein entsprechendes Informationsdokument erarbeitet, das im Sommer 2006 den Beschwerdestellen in den Mitgliedstaaten als internes Dokument zur Verfügung gestellt wurde. Dies hat eine Arbeitserleichterung im Sinne einer Art gemeinsamer Leitlinie gebracht. Seit dem Erscheinen ist das Dokument von der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten kontinuierlich inhaltlich weiterentwickelt worden.
Fragen 12 und 13:
In wie vielen Fällen mussten seit Inkrafttreten dieser EU-Verordnung auf Österreichs Flughäfen bzw. durch Airlines in Österreich „Betreuungsleistungen“ erbracht werden (Aufschlüsselung nach Airlines)?
Wie viele sonstige Schadenersatzansprüche oder Regressansprüche nach den Art. 12 und 13 der Verordnung sind in Ihrem Ressort gegen Airlines bekannt geworden?
Wie wurden diese erledigt (ersuche jeweils um Aufschlüsselung nach Airlines)?
Antwort:
Diesbezüglich liegen keine Zahlen vor.
Fragen 15 bis 17:
Wann erfolgten durch zuständige Behörden Kontrollen bei allen Österreich anfliegenden Airlines (auf den einzelnen österreichischen Zivilflughäfen), ob die Bestimmungen der VO (EG) Nr. 261/2004 tatsächlich eingehalten werden?
Welche Ergebnisse erbrachten diese behördlichen Kontrollen (Aufschlüsselung nach Airlines)?
Welche behördlichen Maßnahmen mussten ergriffen werden?
Antwort:
Es werden in unregelmäßigen Zeitabständen stichprobenartige Überprüfungen durchgeführt und gegebenenfalls lenkende Maßnahmen gesetzt.
Frage 18:
Ist es weiterhin richtig, dass durch Airlines halbleere Flüge aus wirtschaftlichen Gründen gestrichen werden und die Fluglinie einen technischen Defekt (z.B. Flugsicherheitsmängel) meldet, um keine Entschädigungen bzw. Ausgleichszahlungen an Fluggäste leisten zu müssen?
Antwort:
Es liegen keine Beweise vor, aus denen sich ableiten ließe, dass Luftfahrtunternehmen Flüge aus wirtschaftlichen Gründen streichen und einen technischen Defekt zur Vermeidung von Ausgleichszahlungen melden würden.
Fragen 19 und 20:
Welche Definition eines „technischen Gebrechens“ ist bei Beschwerden von Fluggästen heranzuziehen?
Wann liegt aus Sicht des Ressorts bei einem technischen Gebrechen ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der EU-Verordnung Nr. 261/2004 vor?
Antwort:
Die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission haben eindeutig festgestellt, dass bezüglich der näheren Beurteilung der Frage eines technischen Defektes die Sicherheit der Luftfahrzeuge oberstes Gebot ist und dass die Sicherheit garantiert sein muss.
Jedes Luftfahrtunternehmen ist verpflichtet, sämtliche von den Herstellern sowie von den Behörden vorgeschriebenen technischen Wartungsarbeiten und Überprüfungen regelmäßig durchzuführen. Diese unterliegen auch permanenten strengen Kontrollen. Durch die gewissenhafte Erfüllung der behördlichen Wartungsauflagen wird dem von der Verordnung geforderten Sorgfältigkeitsmaßstab entsprochen.
Fragen 21 und 22:
Welche aktuellen Probleme sehen Sie national bei der Vollziehung dieser EU-Verordnung?
Liegt aus Sicht des Ressorts noch immer ein zu breiter Interpretationsspielraum bei der Auslegung der Verordnung vor?
Wenn ja, wie kann eine Konkretisierung (im Sinne von mehr Rechtssicherheit) erfolgen?
Antwort:
Bei der Vollziehung der Verordnung gibt es europaweit noch Auslegungsprobleme aufgrund unklarer Formulierungen der Verordnung. Diesbezüglich ist von einer fortschreitenden Verbesserung insofern auszugehen, als die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sich gemeinsam bemühen, eine einheitliche Interpretation zu erarbeiten: Es gibt - wie in der Beantwortung zu den Fragen 8 bis 11 ausgeführt - bereits ein internes Informationsdokument der Europäischen Kommission zu Auslegungsfragen und in der jüngst veröffentlichten Mitteilung der EK - KOM (2007)168endg. – kündigt die Europäische Kommission eine weitere Präzisierung der unklaren Aspekte der Verordnung an. Eine verbindliche Konkretisierung kann jedoch letztlich nur durch Gerichtsentscheidungen erfolgen.
Fragen 23 und 24:
Welche konkreten Ergebnisse erbrachten die angekündigten Überprüfungen der EU-Mitgliedsstaaten durch die EU-Kommission?
In welchen Mitgliedsstaaten werden die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nicht eingehalten und Beschwerden von Fluggästen nicht verordnungsgemäß behandelt (z.B. Spanien)?
Antwort:
Darüber liegen mir keine näheren Informationen vor.
Fragen 25 und 26:
Welche Haltung nimmt Österreich konkret zu den angekündigten Vorschlägen der EU-Kommission hinsichtlich des weiteren Ausbaus des Konsumentenschutzes im Luftverkehr ein?
Wie ist der aktuelle Stand der europäischen Diskussion?
Antwort:
Unter Berücksichtigung des immer freier werdenden Wettbewerbes wird es aus Sicht des BMVIT als unerlässlich angesehen, auch bezüglich des Ausbaus der Konsumentenschutzinteressen verstärkte Maßnahmen zu setzen. In diesem Zusammenhang gibt es auch auf europäischer Ebene verschiedene Maßnahmenprogramme. So gehören neben der Stärkung der allgemeinen Konsumentenrechte im Sinne der „Fluggastrechte-Verordnung“ auch verbesserte Rahmenbedingungen bezüglich der Beförderung von Personen mit eingeschränkter Mobilität zur Zielsetzung der EU. Diesbezüglich kam es unter britischer Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2005 informell zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat zu einer Einigung. Das Europäische Parlament hat anschließend am 14.12.2005 seine Stellungnahme in 1. Lesung abgegeben und das Abstimmungsergebnis spiegelt den Kompromiss wider.
Die Verordnung wurde anlässlich des Verkehrsministerrates am 8. Juni 2006 angenommen.
Die offizielle Unterzeichnung erfolgte am 5. Juli 2006. Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität tritt am 26. Juli 2008 in Kraft (mit Ausnahme der Artikel 3 und 4, die die Beförderungspflicht für die Luftfahrtunternehmen regeln, die ab dem 26. Juli 2007 gelten).
Mit freundlichen Grüßen
Werner Faymann