669/AB XXIII. GP

Eingelangt am 15.06.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0045-Pr 1/2007

 

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 666/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gerichtliche Finanzstrafverfahren im Jahr 2006“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Einleitend halte ich fest, dass ich die Fragen anhand der mir übermittelten Berichte der Oberstaatsanwaltschaften bzw. Staatsanwaltschaften (beruhend auf den vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellten Auswertungen der elektronischen Verfahrensregister) sowie den Informationen aus den befassten Fachabteilungen meines Hauses beantworte, wobei in Teilbereichen für die vollständige bzw. detaillierte Beantwortung der Fragen kein entsprechendes Zahlenmaterial zur Verfügung stand. Die Ermittlung der exakten Zahlen mit vertretbarem Aufwand war innerhalb der Beantwortungsfrist nicht in allen Fällen möglich. Ich ersuche daher um Verständnis, dass die Ausführungen zu den Anfragepunkten 1. und 2. sowie 5. bis einschließlich 8. keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können.

Vereinzelt haben die Staatsanwaltschaften darauf hingewiesen, dass bezüglich der Fragen 5. und 7. (Erlassung eines Haftbefehles bzw. Verhängung der Unter­suchungs­haft) nicht berücksichtigt werden konnte, ob dies überwiegend wegen Finanzvergehen oder wegen anderer Delikte erfolgte.

Zu 1:

Der folgenden Auflistung können die Anzahl der Anzeigen wegen gerichtlich strafbarer Finanzdelikte, die Anzahl der Fälle in denen sich eine Zuständigkeit des Landesgerichts ergab und die Anzahl der Anzeigen von der Finanzmarktaufsicht entnommen werden.

Oberstaatsanwaltschaft Wien:

Staatsanwaltschaft Wien

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

164

Zuständigkeit des Landesgerichtes

*)

Anzeigen von der FMA

0

*) In wie vielen Fällen sich eine Zuständigkeit der Gerichte ergab, konnte mangels Kennung im Register nicht ermittelt werden.

Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

10

Zuständigkeit des Landesgerichtes

9

Anzeigen von der FMA

1


Staatsanwaltschaft St. Pölten

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

13

Zuständigkeit des Landesgerichtes

10

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft Eisenstadt

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

16

Zuständigkeit des Landesgerichtes

14

Anzeigen von der FMA

-

 

Staatsanwaltschaft Korneuburg

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

17

Zuständigkeit des Landesgerichtes

16

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft Krems/Donau

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

5

Zuständigkeit desLandesgerichtes

4

Anzeigen von der FMA

0

 

Oberstaatsanwaltschaft Linz:

Staatsanwaltschaft Linz

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

21

Zuständigkeit des Landesgerichtes

16

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft Salzburg

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

30

Zuständigkeit des Landesgerichtes

26

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft Wels

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

7

Zuständigkeit des Landesgerichtes

7

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft Steyr

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

5

Zuständigkeit des Landesgerichtes

5

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

7

Zuständigkeit des Landesgerichtes

7

Anzeigen von der FMA

0

 


Oberstaatsanwaltschaft Graz:

Staatsanwaltschaft   Graz

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

24

Zuständigkeit des Landesgerichtes

11

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft   Klagenfurt

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

15

Zuständigkeit des Landesgerichtes

15

Anzeigen von der FMA

0

 

Staatsanwaltschaft    Leoben

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

6

Zuständigkeit des Landesgerichtes

3

Anzeigen von der FMA

0

 

 

Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck:

Staatsanwaltschaft Innsbruck

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

31

Zuständigkeit des Landesgerichtes

27

Anzeigen von der FMA

0


Staatsanwaltschaft Feldkirch

2006

Anzeigen an die Staatsanwaltschaft

8

Zuständigkeit des Landesgerichtes

8

Anzeigen von der FMA

0

 

Zu 2.:

Nachstehend ist ersichtlich in wie vielen Fällen es – differenziert nach Staatsanwaltschaften - zu Einstellungen der Verfahren gekommen ist.

Allerdings haben nur wenige Staatsanwaltschaften in ihren Berichten eine Differenzierung der Einstellungen nach der StPO bzw. nach §§ 201 oder 202 FinStrG vornehmen können, sodass von einer gesonderten Auswertung Abstand genommen werden musste:

Oberstaatsanwaltschaft Wien:

Staatsanwaltschaft Wien

2006

Einstellungen

24

 

Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt

2006

Einstellungen

3

 

Staatsanwaltschaft St. Pölten

2006

Einstellungen

3

 

Staatsanwaltschaft Eisenstadt

2006

Einstellungen

1

 

Staatsanwaltschaft Korneuburg

2006

Einstellungen

1

 

Staatsanwaltschaft Krems/Donau

2006

Einstellungen

1

 

Oberstaatsanwaltschaft Linz:

Staatsanwaltschaft Linz

2006

Einstellungen

1

 

Staatsanwaltschaft Salzburg

2006

Einstellungen

2

 

Staatsanwaltschaft Wels

2006

Einstellungen

0

 

Staatsanwaltschaft Steyr

2006

Einstellungen

0

 

Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis

2006

Einstellungen

0

 

 


Oberstaatsanwaltschaft Graz:

Staatsanwaltschaft Graz

2006

Einstellungen

4

 

Staatsanwaltschaft Klagenfurt

2006

Einstellungen

2

 

Staatsanwaltschaft Leoben

2006

Einstellungen

3

 

 

Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck:

Staatsanwaltschaft Innsbruck

2006

Einstellungen

5

 

Staatsanwaltschaft Feldkirch

2006

Einstellungen

0

Zu 3 und 4:

Im Jahr 2006 erfolgten österreichweit 119 rechtskräftige Verurteilungen wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG. Die Art der verhängten Strafen (bedingte und unbedingte Geld- und Freiheitsstrafen) können der nachfolgenden graphischen Darstellung entnommen werden. Eine Aufschlüsselung der Verurteilungen auf die einzelnen Strafgerichte bzw. Staatsanwaltschaften steht mir nicht zur Verfügung.

Zu 5.:

Die Anzahl der Verfahren mit Haftbefehlen und Festnahmen wegen des Verdachtes auf Abgabenhinterziehung können der nachstehenden Tabelle entnommen werden.

Die Anzahl der berichteten Festnahme-Fälle wurde jeweils in Klammer gesetzt. In den Fällen, in denen die Zahl der betroffenen Personen gesondert berichtet wurde, wurde sie mit einem Schrägstrich nachgesetzt.

Die Staatsanwaltschaft Wien konnte aus dem elektronischen Register die Zahl der erlassenen Haftbefehle und die Zahl der Festnahmen nur ansatzweise - auf Grund der Registerkennung "azv" (Ausschreibung zur Verhaftung) - auswerten. Dieser Schritt wird im Register nur ausnahmsweise gesetzt. Es ist daher davon auszu­gehen, dass eine deutlich höhere Anzahl von Haftbefehlen erlassen wurde.


Staatsanwaltschaft   

2006

Wien

mindestens 4

Wiener Neustadt

0

St. Pölten

0

Eisenstadt

3 / 7P (3 / 7P)

Korneuburg

4 / 8P (- / 6P)

Krems an der Donau

1(0)

Linz

1(1)

Salzburg

0

Wels

0

Steyr

0

Ried im Innkreis

0

Graz

2 / 3P

Klagenfurt

1 / 6P

Leoben

0

Innsbruck

0

Feldkirch

0

 

Zu 6.:

Nachstehend die Zahl der Verfahren mit offenen Haftbefehlen, wobei die Staatsanwaltschaft Wien die Zahl der offenen Haftbefehle mit vertretbarem Aufwand nicht erheben konnte. In den Fällen, in denen die Zahl der betroffenen Personen gesondert berichtet wurde, wurde sie mit einem Schrägstrich nachgesetzt.


Staatsanwaltschaft   

2006

Wien

-

Wiener Neustadt

0

St. Pölten

0

Eisenstadt

0

Korneuburg

1 / 2P

Krems an der Donau

1

Linz

0

Salzburg

-

Wels

0

Steyr

0

Ried im Innkreis

-

Graz

1

Klagenfurt

0

Leoben

0

Innsbruck

0

Feldkirch

0

 

Zu 7.:

Die Anzahl der Verfahren in denen Untersuchungshaften zu verhängen waren, meldeten die staatsanwaltschaftlichen Behörden wie folgt:

Staatsanwaltschaft   

2006

Wien

11

Wiener Neustadt

0

St. Pölten

0

Eisenstadt

3 / 7P

Korneuburg

3 / 5P

Krems an der Donau

0

Linz

0

Salzburg

0

Wels

0

Steyr

0

Ried im Innkreis

0

Graz

2 / 3P

Klagenfurt

1 / 6P

Leoben

0

Innsbruck

0

Feldkirch

0

In den Fällen, in denen die Zahl der betroffenen Personen gesondert berichtet wurde, wurde sie mit einem Schrägstrich nachgesetzt.

Zu 8.:

Die Tabelle gibt Aufschluss über die Anzahl der Verfahren mit Haus- und Personendurchsuchungen, wobei die Staatsanwaltschaften Wien und Eisenstadt die Anzahl der vollzogenen Haus- und Personendurchsuchungen mit vertretbarem Aufwand nicht ermitteln konnten.

Staatsanwaltschaft   

2006

Wien

-

Wiener Neustadt

1

St. Pölten

1

Eisenstadt

-

Korneuburg

2

Krems an der Donau

1

Linz

1

Salzburg

4

Wels

2

Steyr

0

Ried im Innkreis

0

Graz

2

Klagenfurt

1 / 2P

Leoben

0

Innsbruck

4

Feldkirch

0

 

Zu 9 bis 12:

Nach den mir vorliegenden Informationen waren im Jahr 2006 keine Amtshaftungsverfahren anhängig, denen als führendes Delikt ein gerichtliches Finanzstrafverfahren zu Grunde lag.

Zu 13:

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesministerium für Justiz zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten eingesetzte Expertenkommission unter dem Vorsitz der Vizepräsidentin des Verfassungsgerichshofs, Dr. Brigitte Bierlein, in ihrem im April 2004 vorgelegten Bericht eine stärkere Ausdifferenzierung des Sanktionensystems des FinStrG bei besonders strafwürdigen Fällen qualifizierter Abgabenhinterziehung und des Schmuggels,  die zu einer nachhaltigen Schädigung des Gemeinwesens führen, vorgeschlagen hat.

Als Reaktion auf die Vorschläge der „Bierlein-Kommission“ wurde mit dem Steuerreformgesetz 2005 (BGBl. I Nr. 57/2004) zusätzlich zu den bereits bestehenden Qualifikationen für die gewerbsmäßigen Begehung von Steuerstraftaten und für die Fälle bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels eine neue Qualifikationsstufe für einen 500.000 € übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag in § 38 Abs. 1 Finanzstrafgesetz eingeführt. In diesem Fall ist nunmehr neben der nach § 38 Abs. 1 FinStrG primär angedrohten Geldstrafe bis zum Dreifachen des strafbestimmenden Wertbetrages eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorgesehen.

Durch das am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 (BGBl. I Nr. 103/2005) wurde eine weitere Qualifkation in § 38 Abs. 1 vorletzter Satz Finanzstrafgesetz aufgenommen, sodass bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 3.000.000 € zusätzlich zur primär angedrohten Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sieben Jahren verhängt werden kann.

Durch diese Änderungen wurde im Sinne der Vorschläge der „Bierlein-Kommission“ das Ziel verfolgt, durch die Steigerung der Präventivwirkung eine effizientere Betrugsbekämpfung zu ermöglichen und die Schädigung der Allgemeinheit bei besonders schadensintensiver Deliktsbegehung („Tax Compliance“) abzuwehren.

Insgesamt erscheinen die durch das Steuerreformgesetz 2005 und das Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 bewirkten Strafverfschärfungen ausreichend, um auf besonders schadensintensive Erscheinungsformen des Schmuggels,  Abgabenhinterziehung, der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben sowie der Abgabenhehlerei angemessen reagieren zu können.

Zur Ahndung von Finanzstraftaten ist zudem auf das am 1.1.2006 in Kraft getretene Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG (BGBl. I Nr. 151/2005) zu verweisen, das eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen und bestimmten Gesellschaften (Personenhandelsgesellschaften, eingetragene Erwerbsgesellschaften, Europäische wirtschaftliche Interessensvereinigung) für die in ihrem Einflussbereich begangenen Straftaten vorsieht. Durch die mit dem Abgabenänderungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 161/2005, eingeführte Bestimmung des § 28a FinStrG ist das VbVG auch auf Finanzvergehen anwendbar.  Diese Regelung wird dadurch ergänzt, dass durch Änderungen im Einkommenssteuergesetz 1988 (§ 20 Abs. 1 Z 5) und im Körperschaftssteuergesetz 1988 (§ 12 Abs. 1 Z 4) klargestellt ist, dass Verbandsgeldbußen nicht steuerlich abzugsfähig sind. Weitere legistische Maßnahmen für den Bereich des gerichtlichen Finanzstrafrechtes wurden im Jahr 2006 nicht ergriffen.

Derzeit wird unter der Federführung des BMF an einer Änderung des Finanzstrafgesetzes gearbeitet, mit der die Bestimmungen des Finanzstrafverfahrens den Erfordernissen des Strafprozessreformgesetzes (BGBl. I Nr. 19/2004) angepasst werden sollen.

Zu 14:

Die durch das Einführen einer weiteren Qualifikationsstufe durch das Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 bewirkte Verschärfung des § 38 Abs. 1 FinStrG ist erst am 1.1.2006 in Kraft getreten, sodass es derzeit verfrüht wäre, eine Bewertung darüber vorzunehmen, inwieweit sich diese Neuregelung bewährt hat oder in diesen Fällen Auswirkungen auf die Sanktionspraxis festzustellen sind.

Zu 15:

Weitergehende Überlegungen zum Verhältnis zwischen den Finanzstraftaten und den Delikten des allgemeinen Strafrechtes können erst mittelfristig im Rahmen einer Überarbeitung des Finanzstrafrechtes in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Finanzen angestellt werden. Ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung dieses Vorhaben kann derzeit realistischerweise nicht genannt werden.

. Juni 2007

 

(Dr. Maria Berger)