690/AB XXIII. GP

Eingelangt am 21.06.2007
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BM für Gesundheit, Familie und Jugend

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: BMGFJ-11001/0063-I/A/3/2007

Wien, am      20. Juni 2007

 

 

 

Sehr geehrter Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 670/J der Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde wie folgt:

 

Frage 1:

Das vernetzte Vorgehen der verschiedenen in die Behandlung involvierten Berufsgruppen (indikationsstellender/-e Arzt/Ärztin, einstellender/-e Arzt/Ärztin, behandelnder/-e Arzt/Ärztin, Amtsarzt/Amtsärztin, psychosoziale Begleitbetreuung, betreuende Drogenhilfeeinrichtung) ist ein wesentliches Kriterium für das Gelingen einer Substitutionsbehandlung. Insofern stellt die Entbindung des/der Arztes/Ärztin von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht gegenüber den anderen in die Substitutionsbehandlung eingebundenen Stellen einen wesentlichen Bestandteil der Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Durchführung einer Substitutionstherapie dar und dient der Vorbeugung der mit dieser Behandlungsform verbundenen Risiken.

 

Da es sich bei der Suchterkrankung um eine Erkrankung im psychosozialen Kontext handelt, sind die psychosozialen Umstände und Erfordernisse des Patienten oder der Patientin in die Diagnostik entsprechend mit einzubeziehen. Zu berücksichtigen sind ferner die spezifischen Risiken, die sich aus der Verwendung suchtgifthaltiger Arzneimittel im Bereich der Suchtbehandlung ergeben: Missbrauch von in der Substitutionsbehandlung eingesetzten Arzneimitteln führt einerseits zu einer spezifischen Gesundheitsbelastung Betroffener insb. bei injizierendem Gebrauch. Wirkungskumulierung bei unkontrolliertem Beikonsum erhöht das Mortalitätsrisiko, da die unkontrolliert konsumierten Suchtmittel bzw. deren Interaktionen konsumentenseits

regelmäßig nicht eingeschätzt werden können. Andererseits besteht das Risiko der Diversion des Substitutionsmittels in den Schwarzmarkt, sodass sich Risiken für andere Personen vor allem dann ergeben, wenn das verschriebene Substitutionsmittel an Dritte weitergegeben wird; die behandlungswidrige und illegale Weitergabe des Substitutionsmittels durch Substitutionspatienten gefährdet andere Personen und damit die öffentliche Sicherheit. Die Weitergabe an Dritte kann zu primärer Abhängigkeit von dem Arzneimittel und damit zu erhöhter Gefahr tödlicher Zwischenfälle führen.

 

Dem entsprechend sind alle diese Aspekte bei der Substitutionsbehandlung, welche weit über die ärztliche Verschreibung des suchtgifthaltigen Arzneimittels  hinausgeht, nicht nur im ärztlichen und amtsärztlichen Bereich, sondern auch in der psychosozialen bzw. psychotherapeutischen Begleitbetreuung gegebenen Falls zu operativ berücksichtigen. Die Entbindung, welche bereits auch im Substitutionserlass, GZ 21.551/6-VIII/B/12/98, vorgesehen war, liegt somit nicht nur im Interesse des/der Patienten/-in an einer effektiven Behandlung, sondern auch der Sicherheit der Behandlung insgesamt und damit auch im Interesse des Schutzes Dritter. Insofern waren im Rahmen der in Rede stehenden Verordnung vor dem Hintergrund der Spezifität der Therapie Suchtkranker mit suchtgifthaltigen Arzneimitteln die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Diese umfassen auch die Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheit.

 

Fragen und 2 und 4:

Im Hinblick auf die gebotene Anwendungssicherheit suchtgifthaltiger Arzneimittel werden von der Suchtgiftverordnung Methadon und Buprenorphin auf Grund der diesen Stoffen zukommenden, der Anwendungssicherheit förderlichen, pharmakologischen Eigenschaften als Mittel der ersten Wahl in der Substitutionsbehandlung vorgesehen. Der Einsatz anderer suchtgifthaltiger Arzneimittel ist jedoch nicht ausgeschlossen, sondern an die ärztlich festgestellte Unverträglichkeit von Methadon und Buprenorphin geknüpft. Andererseits stellt die Priorisierung bestimmter, erfahrungsgemäß als eher anwendungssicher geltender Artzneimittel durchaus kein österreichisches Spezifikum dar. Insbesondere kommen morphinhaltige Arzneimittel mit Retardwirkung in anderen Ländern in wesentlich eingeschränkterem Ausmaß zur Anwendung als in Österreich.

 

Frage 3:

In der in Rede stehenden Regelung der Suchtgiftverordnung wird weder eine Beeinträchtigung des funktionierenden Wettbewerbs, noch eine  Wettbewerbsverzerrung oder -beschränkung im Sinne des österreichischen Kartellgesetzes oder der europäischen Wettbewerbsregeln gesehen.

 

Frage 5:

Die in der Weiterbildungsverordnung betreffend die orale Substitution vorgesehene Evidenthaltung der für die Durchführung der Substitutionsbehandlung qualifizierten Ärzteschaft erfolgt durch elektronische Erfassung und Veröffentlichung der wesentlichsten diesbezüglichen Daten wie Vor- und Zunamen, akademische Grade sowie Berufssitz oder Dienstort, an dem der Arzt/die Ärztin die Substitutionsbehandlung durchführt.

 

Damit ist ersichtlich, ob der betreffende Arzt/die betreffende Ärztin zur

Substitutionsbehandlung qualifiziert ist oder nicht. Die Veröffentlichung der qualifizierten Ärzte und Ärztinnen im Wege der modernen Informationstechnologie hilft einerseits der Amtsärzteschaft, ihre Aufgaben im Rahmen der Vidierung der Dauerverschreibungen zu erfüllen und künftig auch im Rahmen des Monitorings der Suchtgift-Einzelverschreibungen der zu Substitutionszwecken befassten Amtsärzteschaft. Andererseits dient diese Veröffentlichung auch der Information der Öffentlichkeit und speziell der Behandlung suchenden Patientenschaft.

 

Frage 6:

Die Weiterbildungsverordnung orale Substitution bezweckt die Vereinheitlichung der Weiterbildung der im Bereich der oralen Substitutionsbehandlung von opioidabhängigen Suchtkranken tätigen Ärzteschaft vor dem Hintergrund des Gebotes des § 11 Abs. 2 Z 2 Suchtmittelgesetz, wonach die gesundheitsbezogenen Maßnahmen – im gegenständlichen Regelungsbereich konkret die ärztliche Behandlung in Form der Substitutionsbehandlung – durch „qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute Personen“ durchzuführen sind. Als berufsbegleitende Weiterbildung ergänzt sie jene medizinischen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen, welche die Ärzte und Ärztinnen im Rahmen des Medizinstudiums und der postpromotionellen Ausbildung sowie gegebenenfalls während ihrer bisherigen einschlägigen Berufspraxis erworben haben. Die dem Stand der Wissenschaft entsprechende

österreichweit standardisierte Weiterbildung stellt somit einen wichtigen Schritt zur Qualitätssicherung in der Substitutionsbehandlung dar. Die Ansiedlung im Suchtmittelrecht erscheint systemkonform, zumal diese Weiterbildung primär nur für jene Ärzte und Ärztinnen von Interesse erscheint, die sich in ihrer ärztlichen Tätigkeit auch tatsächlich der Suchtbehandlung bzw. der Substitutionsbehandlung widmen. 

 

Frage 7:

Der „Behandlungsvertrag Substitution“, welcher grundsätzlich vor Beginn der Behandlung zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin abzuschließen ist (ausnahmsweise kann darauf aus besonderen Gründen verzichtet werden), dient der besonderen Bewusstmachung der - neben deren Chancen - mit dieser Behandlung auch verbundenen Sicherheitsrisiken. Die suchtmittelrechtlichen Bestimmungen sehen keinen Behandlungsabbruch bei Nichteinhaltung des Behandlungsvertrages Substitution vor, wenngleich nicht völlig auszuschließen ist, dass ein solcher unter bestimmten Umständen im Einzelfall bei fortgesetztem kontinuierlichem Beikonsum ärztlicherseits nach Maßgabe der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung in Erwägung zu ziehen ist. Wie bereits im Substitutionserlass angemerkt, werden in jedem Einzelfall aber die Vor- und Nachteile des Abbruchs bzw. der Fortführung der Behandlung einer gewissenhaften ärztlichen Risikoabwägung zuzuführen sein.

 

Frage 8:

Die mit der Novelle zur Suchtgiftverordnung, BGBl. II Nr. 451/2006, sowie mit der Weiterbildung orale Substitution, BGBl. II Nr. 449/2006, erfolgte Neuordnung der Rahmenbedingungen der Substitutionsbehandlung erfolgte vor dem Hintergrund der von den Gesundheitsbehörden in der Vergangenheit verschiedentlich wahrgenommenen Unzulänglichkeiten und damit verbundenen Gesundheitsgefahren, wie insbesondere zu großzügig gehandhabten und damit der Diversion von suchtgifthaltigen Arzneimitteln in den Schwarzmarkt Vorschub leistenden Mitgaberegelungen, sowie in Umsetzung eines der wesentlichsten Ergebnisse einer vom Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend in den Jahren 2004/2005 durchgeführten Revision der Substitutionsbehandlung. In diese waren neben wissenschaftlichen sowie in der Praxis erfahrenen Experten und Expertinnen auch die Drogen- bzw. Suchtkoordinatoren der Bundesländer, Vertreter der Amtsärzte, die Österreichische Ärztekammer und die Österreichische Apothekerkammer eingebunden.

 

Demnach ist Bedarf nach Qualitätssicherung in der Substitutionsbehandlung durch Vereinheitlichung der sucht- und substitutionsspezifischen Qualifizierung der in diese Behandlungsform involvierten Ärzteschaft in Form eines standardisierten Weiterbildungscurriculums festgestellt worden.

 

Eine Diskriminierung der betreffenden Patientengruppe wird daher darin nicht gesehen. Regelungen für andere Diagnosegruppen sind zurzeit nicht geplant.

 

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Dr. Andrea Kdolsky

Bundesministerin