707/AB XXIII. GP

Eingelangt am 22.06.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0048-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 703/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gernot Darmann und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Organisierter Bettlertourismus“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die vom BZÖ-Steiermark im vorliegenden Zusammenhang erstattete Anzeige gegen unbekannte Täter langte am 18. September 2006 bei der Staatsanwaltschaft Graz ein. Diese wies das Stadtpolizeikommando Graz mit Erhebungsauftrag vom 19. September 2006 an, den Anzeigeninhalt zu überprüfen und die von der Anzeige betroffenen Bettler zum Anzeigevorbringen einzuvernehmen.

Daraufhin wurden Personen, die im Bereich der Grazer Herrengasse bettelten, observiert und - ebenso wie die sie betreuenden Personen - niederschriftlich einvernommen. Insgesamt handelte es sich um sieben Personen: Zwei Bettlerinnen waren trotz ihrer augenscheinlichen Behinderung und eingeschränkten Mobilität als Einzelpersonen tätig. Zwei Bettler arbeiteten zusammen, wovon der weniger schwer Behinderte den schwerer Behinderten unterstützte und mitversorgte. Bei einer Bettlergruppe aus drei Personen handelte es sich um eine bulgarische Familie, deren bettelnde schwer behinderte Tochter alternierend entweder von ihrer Mutter oder ihrem Bruder, die dann ebenfalls der Bettelei nachgingen, unterstützt worden ist.

Außerdem wurden sechs slowakische Bettler einvernommen, die alle schon seit Jahren aus dem Raum Hostice nach Graz kommen, von einem in der Bettlerproblematik schon langjährig engagierten Pfarrer betreut werden und ihrer Tätigkeit rund um die Herrengasse hauptsächlich vor Lebensmittelgeschäften nachgehen.

Weder die niederschriftliche Einvernahme dieser 13 – auf insgesamt vier bulgarische und eine slowakische Bettler-„Gruppe" verteilten – Personen noch deren Observation oder die Befragung des Pfarrers erbrachten irgendwelche Anhaltspunkte für eine strafrechtsrelevante Ausbeutung im Sinne des § 104a StGB. Die Erhebungen des Stadtpolizeikommandos Graz erstreckten sich dabei auf einen Zeitraum von rund einem Monat.

Es konnte zwar erhoben werden, dass im Sommer 2005 sowie während zweier Wochen des Frühjahres 2006 eine Bettlergruppe aus Bratislava kurzfristig in Graz tätig war, deren Mitglieder nach den Angaben von zwei einvernommenen Bettlern aus Hostice verpflichtet gewesen seien, täglich 10 Euro vom erbettelten Geld an dritte Personen abzuliefern. Da diese Gruppe derzeit jedoch nicht aktiv ist, konnten weder Namen noch nähere Umstände erhoben werden.

Zu 2:

Die Staatsanwaltschaft Graz beabsichtigt keine weiteren Erhebungen zu veran­lassen, weil das Stadtpolizeikommando Graz bereits im Zuge der in Reaktion auf die erste Anzeige des BZÖ-Steiermark erstatteten Sachverhaltsmitteilung bekannt gegeben hat, im Fall von künftigen Hinweisen auf Bettlergruppen, die im Sinne des § 104a StGB agieren, auf eigene Initiative die notwendigen Veranlassungen zu treffen und eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft Graz zu erstatten.

Ein Widerspruch zu den laut Anfrage "eindeutigen Äußerungen seitens der Grazer Polizei" ist darin nicht zu erblicken, zumal der in diesem Zusammenhang zitierte Leiter der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Abteilung des Stadtpolizeikommandos Graz, Dr. Gerhard Lecker, ohnedies auf laufende Ermittlungen durch Beobachtung der Bettlerszene verweist und ausdrücklich bestätigt, dass die Bettler nicht kriminell auffallen und kein Sicherheitsrisiko darstellen.

Zu 3:

Seit der Implementierung des § 104a StGB mit 1. Mai 2004 gab es nach den mir vorliegenden Informationen bis Mitte Mai 2007 – mit Ausnahme der anfrage­gegenständlichen Anzeigen des BZÖ-Steiermark – keine Strafverfahren wegen gerichtlich strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit Bettelei.

Zu 4:

Entsprechend dem Legalitätsprinzip werden die Staatsanwaltschaften in allen Fällen, in denen sie Kenntnis über – von Amts wegen zu verfolgenden – strafbaren Handlungen erlangen, alle erforderlichen Veranlassungen treffen, um den Sachverhalt aufzuklären und gegebenenfalls gegen die dafür Verantwortlichen Anklage zu erheben.

 

. Juni 2007

 

(Dr. Maria Berger)