722/AB XXIII. GP
Eingelangt am 22.06.2007
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ. BMVIT-10.000/0011-I/PR3/2007 DVR:0000175
An die
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 W i e n
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 676/J-NR/2007 betreffend fehlende Möglichkeiten zum Holztransport auf der Schiene, die die Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 23. April 2007 an mich gerichtet haben, beehre ich mich nach Auskunft durch den ÖBB Konzern wie folgt zu beantworten:
Im Allgemeinen:
Der Teilkonzern Rail Cargo Austria (RCA) konnte im Geschäftsjahr 2006 das beförderte Güterverkehrsaufkommen um rund 6% auf nahezu 92,7 Mio. Tonnen steigern. Neben der positiven Entwicklung der grenzüberschreitenden Transporte zeigten die inländischen Gütertransporte 2006 eine besonders starke Dynamik und stiegen um 12% auf rund 26,5 Mio. Tonnen.
Der Holzverkehr verkörpert mit 11,4 Mio. Tonnen und 2.500 Mio. Tonnenkilometern etwa
18 % des von RCA abgewickelten konventionellen Wagenladungsverkehrs. Die 2006 erreichte Tonnage ist damit um 60 % höher als vor zehn und um 90 % höher als vor 15 Jahren. Hinzu kommt rd. 1 Mio. Tonnen Hackguttransporte im kombinierten Verkehr, hievon 300.000 Tonnen Zulieferungen nach Hallein, die 2006 von der Strasse auf Schienengüterverkehr umgestellt werden konnten.
Um an der anhaltenden Dynamik der Güterverkehrsbranche optimal zu partizipieren und Engpässe des Wagenmaterials zu überwinden, wurde 2006 ein groß angelegtes Beschaffungsprogramm gestartet. Die RCA plant bis 2011 rund 5.100 neue Güterwaggons anzuschaffen. Mit einem Investitionsvolumen von ca. 400 Mio. Euro handelt es sich dabei um das größte Waggon-Beschaffungsprogramm in der ÖBB-Geschichte. Dabei werden für alle Branchen Wagen beschafft. Zurzeit stehen bei RCA 17.600 Waggons im Einsatz. Laufend erfolgen auch Reaktivierungs- und Upgrading-Maßnahmen des bestehenden Rollmaterials.
Frage 1:
Wie erklären Sie, dass beispielsweise im Almtal und im Mühlviertel, aber auch im Bereich vieler anderer Strecken der ÖBB, die Schadholztransporte nach den Sturmereignissen dieses Winters (u.a. Orkan Kyrill) nicht auf der Schiene abgewickelt wurden, sondern trotz der Nachteile für Ökologie, Verkehrssicherheit und (Straßenerhaltung) öffentliche Finanzen zu 100% auf der Straße abgewickelt wurden?
Antwort:
RCA war und ist um einen möglichst hohen Schienenanteil beim Abtransport des im Gefolge von Sturmschäden angefallenen Windwurfholzes bemüht. Bei vergleichbaren Sturmschäden in der Vergangenheit wurde ein gegenüber dem Durchschnittswert „normaler“ Jahre um 12 - 15 % höheres Transportaufkommen erbracht; beim Abtransport des Windwurfholzes erreichte RCA ab einer Entfernung von 150 km Marktanteile von nahezu 80 %. Bei reinem Lkw – Abtransport wären 2000 und 2004 insgesamt 80.000 Tonnen CO2 – Emissionen zusätzlich entstanden.
Die in relativ kurzer Zeit zu bewältigende Menge bedarf aber der präzisen Planung gemeinsam mit den Kunden. Eine Sicherstellung des rationellsten Ressourceneinsatzes ist entscheidend.
Frage 2:
Ist es zutreffend, dass die nötige Infrastruktur für Rundholzverladung an den betreffenden Strecken bereitstünde?
Antwort:
Das Vorhandensein einer Schieneninfrastruktur ist nicht gleichbedeutend mit der Möglichkeit, sie für den Güterverkehr in wirtschaftlich vertretbarer Weise nutzen zu können. Gerade die Bedienungen in der Fläche sind oft mit erheblichen Produktionskosten belastet (beschränkte Auslastungsmöglichkeit infolge Streckenklasse und Zuglänge, außertourliche und daher teure Beistellfahrten zu entlegenen Standorten), während potentielle Kunden nicht bereit sind, entsprechend kostendeckende Beförderungspreise zu bezahlen. Daher wird diese Schieneninfrastruktur, die im liberalisierten Güterverkehr auch anderen Einsenbahnverkehrsunternehmen zugänglich ist, auch von diesen nicht in Anspruch genommen.
Der ÖBB-Güterverkehr konnte aus diesen Gründen auf den angesprochenen Strecken mangels Wirtschaftlichkeit nicht aufrechterhalten werden und wurde in den Abschnitten Sattledt – Grünau im Almtal und Ottensheim – Aigen-Schlägl in den Jahren 2001 bzw. 2004 eingestellt. Von und nach Freistadt, Pregarten und Summerau wurden 2006 rd. 51.000 Tonnen Güter transportiert, davon rd. 38.000 Tonnen Holz; im 1. Quartal 2007 wurden im Holzverkehr mit 26.000 Tonnen bereits nahezu 70 % der Vorjahresmenge versendet.
Frage 3:
Ist es zutreffend, dass diese unbefriedigende Situation – Infrastruktur ja, Betrieb nein – durch mangelnde Flexibilität der ÖBB-Verantwortlichen zu erklären ist?
Antwort:
Ohne ein erhebliches Ausmaß an Flexibilität und genauer Planung (bei RCA und Kunden) wäre die Bewältigung solcher Verkehrsspitzen nicht möglich. Gerade die unerlässliche Konzentration der knappen Ressourcen ist mit einer breit gestreuten Flächenbedienung nicht erreichbar, vielmehr ist die – ohnehin notwendige – Zulieferung per Lkw auf bestmöglich bedienbare Verladebahnhöfe zu konzentrieren. Auch hier ist hinzuzufügen, dass die quantitative Bewältigung des Verkehrsaufkommens mit den Erfordernissen der kaufmännischen Betriebsführung in Einklang gebracht werden muss.
Frage 4:
Ist es zutreffend, dass diese unbefriedigende Situation durch mangelndes Interesse der ÖBB-Verantwortlichen an der Flächenbedienung zu erklären ist?
Antwort:
RCA verfolgt die Erreichung der wirtschaftlichen Ziele auch in erheblichem Maß über die Mengenkomponente. Aufkommenssteigerungen sind nicht nur in der Vergangenheit erreicht worden, sondern werden auch den mittelfristigen Planungen zugrunde gelegt. Für den Holzbereich ist das Erreichen eines Aufkommens von 14 – 15 Mio. Tonnen als mittelfristiges Ziel formuliert. Ein generelles Desinteresse an der Flächenbedienung ist nicht zutreffend, im internationalen Vergleich ist die RCA–Präsenz in der Fläche sogar sehr ausgeprägt.
Frage 5:
Welcher Anteil der Rungenwaggons im Eigentum des ÖBB-Konzerns a) war zum Zeitpunkt des Orkans Kyrill, b) ist derzeit aus welchen konkreten Gründen (verleast an andere EVU im In- und Ausland, nicht betriebsbereiter Erhaltungszustand, …) nicht verfügbar?
Antwort:
In Bezug auf die angesprochenen Wagenressourcen übersteigt die Nachfrage dzt. das Angebot erheblich, da gegenwärtig nicht nur im Holzverkehr, sondern auch im Eisen- und Stahlsegment Spitzenwerte zu verzeichnen sind. Die güterbezogen und saisonal extrem kumulierte Nachfrage nach Transportleistungen der RCA lässt sich nur über die Anmietung von Wagen anderer Bahnen und durch organisatorische Optimierungsmaßnahmen einigermaßen befriedigen. Das Verleasen von Rungenwagen an andere Eisenbahnverkehrsunternehmen ist in der derzeitigen Situation somit nicht denkbar. Die Verwendung von RCA – Wagen durch andere Bahnen erfolgt ausschließlich im kooperativen gemeinsamen Güterverkehr im Konzept der aufeinander folgenden Beförderung.
Die für die Erreichung des mittelfristigen Aufkommenszieles von 14–15 Mio. Tonnen erforderlichen Wageninvestitionen sind im Laufen. Sie umfassen u. a. 300 „Rohholzbullen“ und 600 universell für Rohholz- und Schnittholztransporte und als Containertragwagen verwendbare Wagen.
Zur kurzfristigen Steigerung der verfügbaren
Wagenkapazitäten von dzt. 2.731
RCA - eigenen Rungenwagen wurden bereits 2006 zusätzlich 267 Wagen in
Anmietung gehalten, weitere 100 Wagen sollen nach Verfügbarkeit am
europäischen Vermietmarkt bis Ende 2007 angemietet werden.
Bereits eingeleitete Wageninvestitionen lassen einen Zugang von ca. 190 RCA - eigenen Rungenwagen bis Ende 2007 erwarten. Weiters werden 39 aufgrund abgelaufener Revision abgestellte 2-achsige Rungenwagen wieder in Verkehr gesetzt. Die Anzahl nicht betriebsbereiter Rungenwagen beträgt damit ca. 19 Wagen je Monat und wird durch den Werkstattaufenthalt anlässlich der erforderlichen planmäßigen Revisionsarbeiten verursacht.
Frage 6:
Welche Konsequenzen werden Sie bzw. Ihre Vertreter in den Aufsichtsgremien des ÖBB-Konzerns und insbesondere der RCA aus diesen unbefriedigenden Erfahrungen der letzten Monate im einzelnen ziehen?
Antwort:
Dabei handelt es sich um operative Geschäfte des ÖBB-Konzerns. Operative Aufgaben obliegen bzw. fallen in die aktienrechtliche Verantwortung des Managements der RCA und des Aufsichtsrates der RCA. Den Vertretern der Anteilsrechte an der ÖBB-Holding AG wird dabei kein wie immer geartetes Auskunfts- oder Weisungsrecht an eine Tochter- oder Enkelgesellschaft der Holding AG eingeräumt.
Fragen 7 und 8:
Für welche Angebotsverbesserungen in der Fläche wurden die Zahlungen des Bundes an die ÖBB für Gemeinwirtschaftliche Leistungen im Güterverkehr in den letzten Jahren verwendet?
Für welche Angebotsverbesserungen in der Fläche, zB auch an Neben- und Regionalstrecken wie im Almtal, werden die ab heuer stark anwachsend geplanten Zahlungen des Bundes an die ÖBB für Gemeinwirtschaftliche Leistungen im Güterverkehr verwendet?
Antwort:
Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Bundes im Güterverkehr beziehen sich auf Leistungen im begleiteten und unbegleiteten kombinierten Verkehr sowie auf den Transport gefährlicher und ökologisch sensibler Güter. Sie stellen daher auf Bestellungen von Leistungen für bestimmte Gütergruppen und Transportarten ab und beinhalten somit keine regionale Komponente. Dabei handelt es sich um Transporte, die mit entsprechend aufwendigen Vorkehrungen verbunden sind und in diesem Umfang rein betriebswirtschaftlich nicht erbracht werden könnten. Ein Strecken- oder Regionsbezug ist bei der Bestellung dzt. nicht gegeben.
Frage 9:
Welche konkreten Maßnahmen zur verbesserten Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten und Ladevorschriften im Bereich des Straßen-Holztransports werden Sie setzen?
Antwort:
Die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sowie der Ladevorschriften ist generell ein wichtiges Thema, nicht nur im Bereich des Straßen-Holztransportes.
Da diese Vorschriften aber in mittelbarer Bundesverwaltung durch die Landeshauptmänner und die diesen unterstellten Landesbehörden vollzogen und insbesondere für die Kontrolle auch die Organe der Bundespolizei herangezogen werden, obliegt die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften nicht dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie. Ich habe daher keine direkten Einflussmöglichkeiten auf die Kontrollen und kann zB nicht unmittelbar intensivere Kontrollen anordnen.
Im Rahmen meiner Zuständigkeiten werden die Landeshauptmänner aber durch die Prüfzüge der Bundesanstalt für Verkehr bei der Kontrolltätigkeit unterstützt.
Weiters werden derzeit in meinem Haus in einer Arbeitsgruppe Richtlinien für Ladungssicherungskontrollen und Einstufung von Ladungssicherungsmängeln in verschiedene Kategorien erarbeitet, die die Arbeit der Kontrollorgane erleichtern sollen.
Frage 10:
Werden Sie die unter der Vorgängerregierung eingeführten Ausnahmebestimmungen im Bereich der Tonnagelimits für Holztransporte einschränken oder generell überdenken, die generell und besonders hinsichtlich der räumlichen Reichweite viel zu großzügig sind und somit mitnichten regionalwirtschaftlich, sondern primär mit den Interessen der Groß-Sägeindustrie motiviert sind?
Antwort:
Derzeit ist in § 4 Abs. 7a Kraftfahrgesetz (KFG) für den Transport von Rundholz aus dem Wald bis zum nächstgelegenen technisch geeigneten Verladebahnhof oder zu einem Verarbeitungsbetrieb, höchstens jedoch 100 km Luftlinie, wenn die hintere Achse des Anhängers mit Doppelbereifung ausgerüstet ist oder beide Fahrzeuge jeweils mehr als zwei Achsen haben, ein Gewichtslimit von 44 t erlaubt.
Dieser Punkt wurde im Jahr 2003 im Plenum des Nationalrates mittels Abänderungsantrages für die 2. Lesung in die 22. KFG-Novelle eingefügt und ist seit 13. August 2003 in Kraft.
Diese Regelung kann daher nicht einseitig durch mich oder die Bundesregierung geändert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Faymann