764/AB XXIII. GP

Eingelangt am 27.06.2007
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                         Wien, am      Juni 2007

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0042-I/4/2007

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 751/J vom 27. April 2007 der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zahlungen für Zinsen (Bund bzw. Gesamtstaat) und implizite Verzinsung der Staatsschulden beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. bis 4.:

Aus derzeitiger Sicht gibt es keinen Grund, die Beträge zu revidieren. Sie basieren auf dem Wissensstand zu einem Stichtag. Dieser Wissensstand ändert sich laufend, eine Revision wäre daher auch nicht praktikabel.

 


Zu 5. bis 7.:

Zunächst weise ich darauf hin, dass es für den Zinsaufwand des Staates wie bei vielen anderen ökonomischen Größen – je nach Analysezweck – verschiedene Definitionen und Abgrenzungen gibt. Aus einer vermengten Darstellung, wie sie in der vorliegenden Anfrage getroffen wurde, können dabei seriöserweise keine Rückschlüsse auf daraus abgeleitete Tendenzen gezogen werden.

 

So sind beispielsweise die Daten zur Defizit- und Verschuldungsentwicklung des öffentlichen Sektors gemäß Maastrichtkriterien auf Basis des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 95) sowie der EU-Verordnungen zur budgetären Notifikation zu ermitteln und weichen von jenen der traditionellen administrativen Finanzstatistiken (Bund, Länder, Gemeinden) und damit auch von den Ergebnissen über die Finanzschuld des Bundes ab. Es bestehen hier gravierende Unterschiede: Während etwa laut ESVG 95 die Verbuchung der Transaktionen grundsätzlich nach dem „Accrual-Prinzip“, das heißt nach dem Zeitpunkt der Entstehung einer Forderung beziehungsweise einer Verbindlichkeit, erfolgt, herrscht im Gegensatz dazu bei den administrativen Statistiken das „Kassenprinzip“ vor, was insbeson­dere beim Zinsaufwand für die öffentliche Verschuldung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Weiters sind auch Finanzierungen des Bundes für Dritte (Rechtsträger­finanzierungen) bei den Schulden im Sinne von Maastricht hinzuzuzählen. Obwohl dabei der Schuldendienst (Zinsen, Tilgungen) zur Gänze von den Auftraggebern (Rechtsträgern) getragen wird, handelt es sich dennoch um aushaftende Schuldtitel des Bundes, die gemäß Eurostat bei den Schulden des Bundes im Sinne von Maastricht (strenges Bruttokonzept) hinzuzuzählen sind. Diese Feststellung von Eurostat erhöht zwar den Schuldenstand des Bundes seit 1998, aber nicht den Finanzierungssaldo im Sinne von Maastricht beziehungs­weise des ESVG 95, da den Zinsausgaben des Bundes für die Finanzierungen der Rechts­träger Zinseinnahmen von diesen Rechtsträgern in gleicher Höhe gegenüberstehen.

 

Weiters ist zu berücksichtigen, dass auf Länder- und Gemeindeebene der Anteil der titrierten Verpflichtungen an der Gesamtverschuldung im Gegensatz zur Bundesebene eine sehr geringe Rolle spielt. Der geringe Anteil von Wertpapieremissionen an der Gesamtver­schuldung bei diesen beiden Subsektoren dürfte dabei auch damit im Zusammenhang stehen, dass für die Länder die Möglichkeit besteht, den Finanzierungsbedarf über den Bund in Form der so genannten Rechtsträgerfinanzierung abzudecken, um die günstigeren Finanzierungskonditionen des Bundes (Triple-A-Rating, geringe Liquiditätsprämie) zu nutzen.

 

Zur in der Anfrage gewählten Darstellung ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Zinsaufwendungen des Staates um die so genannte FISIM-Komponente bereinigt werden, wobei FISIM für Financial Intermediation Services Indirect Measured steht. Dabei werden die Zinsen auf Bankkredite in zwei Komponenten aufgeteilt: die Zinsenspanne (Marge) für die spezifische Bankdienstleistung und jenen Zinssatz, den die Bank auch an andere Banken verrechnet. Die erste Komponente ist zum größten Teil unsichtbar da im Zinssatz inkludiert; sie wird in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung indirekt gemessen und vereinbarungsgemäß dem Intermediärverbrauch des Staates (Öffentlicher Konsum) zugerechnet. Die zweite Komponente wird den Zinsen zugerechnet. Die FISIM-Komponente beim Sektor Staat betrug gemäß den Daten, die bei der Erstellung des Stabilitätsprogramms zur Verfügung standen, in den letzten Jahren rund € 0,4 Mrd. wie der untenstehenden Tabelle entnommen werden kann.

 

Im Stabilitätsprogramm hingegen sind aufgrund der Regelungen im Stabilitäts- und Wachs­tumspakt zur Berechnung des impliziten Zinssatzes der Staatsschuld die Zinsaufwendungen inklusive FISIM darzustellen. Es ist daher evident, dass die Zinsen laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung nach erfolgter FISIM Bereinigung niedriger sind als die den in der Anfrage angestellten Berechnungen zu Grunde gelegten Zinsaufwendungen, welche die EU für die Berechnung des impliziten Zinssatzes im Stabilitätsprogramm vorschreibt.

 

Zur Verdeutlichung zeigt folgende Tabelle die Entwicklung der Zinsaufwendungen ohne sowie inklusive FISIM-Komponente, getrennt für den Bundessektor und die übrigen Teilsektoren des Staates, und entspricht den Werten des österreichischen Stabilitäts­programmes 2006-2010 wie es im Ministerrat beschlossen wurde. Dabei wurde die FISIM-Komponente für die Jahre ab 2006 mit dem Wert von 2005 fortgeschrieben.

 

Auch auf methodisch unterschiedliche Behandlungen der Darstellungsformen der Zinsen vor beziehungsweise nach SWAPS weise ich hier hin.

 

Im Staatsschuldenausschuss schließlich wird als Indikator der Zinslast des Bundes der administrative Nettozinsaufwand, also der Saldo zwischen Zinsausgaben und Zinseinnahmen verwendet. Hierbei handelt es sich um einen Indikator, welcher, wie die folgende Tabelle zeigt, von dem dem Stabilitätsprogramm zu Grunde liegenden Konzept erheblich abweicht.

 

In untenstehender Tabelle ist die Entwicklung der Staatsschulden und der daraus errechen­bare implizite Zinssatz des Staates gemäß dem österreichischen Stabilitätsprogramm darge­stellt. Aber auch bei einer solchermaßen getroffenen Ableitung ist zu beachten, dass die Aufteilung der Staatsschuld auf Bund und die anderen Staatssektoren im Stabilitäts­programm nicht erforderlich ist und dort daher auch nicht durchgeführt wird. Die in der Darstellung vorgenommene Aufteilung der Staatsschuld auf Teilsektoren für die Jahre 2006 – 2010 erfolgt daher nach der am ehesten entsprechenden konsolidierten Methode der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

 

Wie diese Darstellung veranschaulicht, steigen die Zinsen und der implizite Zinssatz für die Schulden der Länder und Gemeinden, die in den übrigen Körperschaften inkludiert sind, ent­gegen den aus der in der Anfrage vorgenommenen vermengten Darstellung verschiedener Methodenansätze abgeleiteten Überlegungen nicht dramatisch an. Die zugrundeliegenden Daten bis 2005 stammen von der Statistik Austria, im Stabilitätsprogramm wurde diese Methode fortgeschrieben.

 

Die Länder sowie der Städtebund und der Gemeindebund haben das österreichische Stabilitätsprogramm erhalten.

 

 

Mit freundlichen Grüßen