846/AB XXIII. GP

Eingelangt am 16.07.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

 

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.lng. Klement, Kolleginnen und Kollegen haben am 5. Juni 2007 unter der Nr. 904/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend NichtUmsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten" in innerstaatliches Recht gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 9:

Ø      Sind Sie der Ansicht, daß Art. 3 sowie die Deklaration" des Rahmenüberein-kommens zum Schutz  nationaler Minderheiten bindendes Recht darstellen, welche durch innerstaatliche Gesetze umzusetzen sind?

Ø      Werden Sie die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz na-tionaler Minderheiten in innerstaatliches Recht durch die Einbringung einer Re-gierungsvorlage veranlassen?

Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten samt Erklärung, BGBl. III Nr. 120/1998, (im Folgenden: Rahmenübereinkommen) wurde gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG mit Erfüllungsvorbehalt ratifiziert. Das Rahmenübereinkommen ist - wie auch in der Regierungsvorlage 889 Blg.Sten.Prot.NR XX.GP. angeführt-bereits durch bestehende gesetzliche Regelungen erfüllt.


Zu Frage 2:

Ø         Entspricht es Ihrer Amtsauffassung, daß Minderheitsangehörigen das Menschen-recht auf Eigenidentifikation und individuelle Feststellung des Status ihrer Zuge-hörigkeit oder NichtZugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit weiterhin vorent-halten werden soll (Art. 3. pact. cit.)?

Gemäß § 1 Abs. 3 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, (im Folgenden: VoGrG) ist das Bekenntnis zu einer Volksgruppe frei. Keinem Volksgruppenangehö-rigen darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm als solchem zustehen-den Recht ein Nachteil erwachsen. Keine Person ist verpflichtet, ihre Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe nachzuweisen.

Zu Frage 3:

Ø       Wurden Sie informiert, daß der Europarat (Advisory Committee) anstelle der in Österreich erhobenen Umgangssprachenzahlen seit Jahren die Vortage fehlender genauer Zahlen über nationale Minderheiten, unter Zugrundelegung der Mutter-sprache und des eigenen Volkstums, verlangt?

Dass Selbsteinschätzungen von Volksgruppen hinsichtlich ihrer zahlenmäßigen Stär-ke die Ergebnisse offizieller statistischer Erhebungen (z.B. aus Volkszählungen) übersteigen, ist international häufig zu beobachten. Der Beratende Ausschuss zur Rahmenkonvention begrüßt statistische Daten über nationale Minderheiten nach Alter, Geschlecht oder geographische Unterschiede, fordert aber keine Mutterspra-chenerhebungen.

Die Statistik Austria hat bereits anlässlich ihrer Pressekonferenz vom 16. April 2002 eine Informationsmappe zur Volkszählung 2001, Umgangssprache in Kärnten, aufge-legt und darin nicht nur eine statistische Übersicht zur regionalen Verteilung österrei-chischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache, sondern auch den Alters-aufbau sowohl anhand von Altersgruppen der Personen slowenischer Umgangsspra-che als auch nach Geschlecht zur Verfügung gestellt.


Zur den Fragen 4, 5 und 7:

Ø         Werden Sie die manipulierten Zahlen der Umgangssprachenerhebung weiterhin als Grundlage für die Feststellung der Zahl und des Siedlungsgebietes der natio-nalen Minderheiten sowie für die Zuerkennung kollektiver Minderheitenrechte ver-wenden, ungeachtet des Rahmenübereinkommens, das eine Erhebung nach den Kriterien von Muttersprache und Volkstum vorsieht?

Ø        Sind Sie der Ansicht ihres Amtsvorgängers, nationale Minderheiten" ausschließ-lich auf die Umgangssprache" zu reduzieren, wobei Volkstum, Kultur, das indivi-duelle Zugehörigkeitsgefühl, soziale und politische Aspekte, die Geschichte, Sit-ten und Gebräuche, Milieu und Religion außer Betracht zu bleiben haben?

Ø        Werden Sie zustimmen, dass das Kärntner Ortstafelproblem unter Aushebelung der Ortstafelerkenntnisse des VfGH sowie des höchstrichterlich festgelegten Minderheitenprozentsatzes ohne vorherige Erhebung der genauen Zahl und des Siedlungsgebiets der slowenischen  Minderheit durch  ein  Verfassungsgesetz gelöst wird?

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist unter dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) gemischte(r) Bevölkerung" ein Gebiet zu verstehen, in dem eine größere Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehören muss" bzw. hiefür ein nicht ganz unbedeutender (Minderheiten)Prozentsatz" zu for-dern ist, und dass den diesbezüglichen Feststellungen bloß eine vergröberte statis-tische Erfassung zugrundezulegen" ist, wie sie sich vor allem aus den einschlägigen statistischen Erhebungen im Rahmen der Volkszählungen ergeben (vgl. die Erkennt-nisse des Verfassungsgerichtshofes VfSIg 12.836/1991 mwH, VfSIg. 15.970/2001).

Unter dem Begriff der nationalen Minderheit" sind Volksgruppen" im Sinne des § 1 Abs. 2 VoGrG zu verstehen (vgl. die diesbezügliche interpretative Erklärung Öster-reichs anlässlich der Ratifikation des Rahmenübereinkommens). Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. sind Volksgruppen die in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und behei-mateten Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum. Gemäß der in Art. 8 Abs. 2 B-VG formulierten Staatszielbe-stimmung sind Sprache, Kultur, Bestand und Erhaltung der Volksgruppen zu achten, zu sichern und zu fördern. Von einer Reduzierung der Volksgruppen auf die Um-gangssprache" kann keine Rede sein.


Zu Frage 6:

Ø       Werden Sie eine vertragskonforme Erhebung der slowenischen Minderheit in Kärnten nach Muttersprache und Volkstumszugehörigkeit durchführen lassen, um so die Grundlage für eine Lösung des Ortstafelproblems mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG und der VfGH- Er-kenntnisse zu finden?

Für eine Muttersprachenerhebung liegen keine Rechtsgrundlagen vor.

 

Zu Frage 8:

Ø              Werden Sie sich dafür einsetzen, daß Minderheitsangehörige künftig ihre Volks-gruppenvertreter selbst, frei und demokratisch wählen können und diese nicht mehr durch die Bundesregierung aus Kreisen privater Vereinsfunktionäre von Staats wegen ernannt werden?

Die in dieser Frage angesprochenen Volksgruppenbeiräte wurden zur Beratung der Bundesregierung und der Bundesminister in Volksgruppenangelegenheiten einge-richtet. Gemäß § 3 VoGrG haben sie das kulturelle, soziale und wirtschaftliche Ge-samtinteresse der Volksgruppen zu wahren und zu vertreten und sind insbesondere vor Erlassung von Rechtsvorschriften und zu allgemeinen Planungen auf dem Gebiet des Förderungswesens, die Interessen der Volksgruppen berühren, zu hören. Bei der Bestellung der Mitglieder der Volksgruppenbeiräte hat die Bundesregierung auf die in der betreffenden Volksgruppe wesentlichen politischen und weltanschaulichen Meinungen Bedacht zu nehmen und eine diese Verhältnisse widerspiegelnde Zu-sammensetzung zu verwirklichen. Grundsatz für die Bestellung von Personen zu Mit-gliedern des Volksgruppenbeirates ist, dass die Wählbarkeit zum Nationalrat gege-ben sein muss und die betreffende Person überdies erwarten lässt, dass sie sich für die Interessen der Volksgruppe und die Ziele des VoGrG einsetzt. Die nähere Zu-sammensetzung der Volksgruppenbeiräte ist ebenfalls im VoGrG geregelt und um-fasst zur Betonung demokratischer Elemente Mitglieder eines allgemeinen Vertre-tungskörpers, weiters Personen aus Vorschlägen repräsentativer Volksgruppenorga-nisationen und Vertreter der Kirche und Religionsgesellschaften. Überdies steht die Auswahl der Mitglieder der Volksgruppenbeiräte unter der Kontrolle des Verwal-tungsgerichtshofes; repräsentative Volksgruppenorganisationen können gegen die Bestellung von Volksgruppenbeiratsmitgliedern bei ihm Beschwerde erheben.