892/AB XXIII. GP

Eingelangt am 24.07.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

GZ. BMVIT-10.000/0024-I/PR3/2007     DVR:0000175

 

 

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017     Wien

Wien,     23. Juli 2007

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1033/J-NR/2007 betreffend fragwürdige Vorgänge und damit verbundene Verschwendung von Steuergeldern im Zuge der mangelhaften und daher mehrfachen Erstellung eisenbahnrechtlicher Bescheide im BMVIT, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde am 20. Juni 2007 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Im Allgemeinen:

 

Ich möchte darauf hinweisen, dass grundsätzlich bei derartig komplexen Genehmigungsverfahren mit Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu rechnen ist und es kann der Ausgang eines derartigen Gerichtshofverfahrens niemals vorhergesagt werden.

 

Beim Genehmigungsverfahren Lainzer Tunnel handelt es sich um ein extrem umfangreiches Verwaltungsverfahren. Die im Verfahren mitaufgelegten Unterlagen füllen einen Klein-LKw, der aufgehobene Bescheid selbst hat einen Umfang von 340 Seiten. Von insgesamt sechs Genehmigungsbescheiden des Lainzer Tunnels wurden vom VwGH fünf Bescheide voll inhaltlich und formal bestätigt, einer wurde wegen eines geringen Mangels aufgehoben. Dieser Mangel war so geringfügig, dass der Bescheid innerhalb kürzester Zeit repariert  und umgehend der Projektwerberin zugestellt werden konnte.

 

Jedenfalls werden sämtliche Bescheide in meinem Ressort nach bestem Wissen und Gewissen und nach Durchführung der entsprechenden Ermittlungen erstellt.

 

Frage 1:

Die Presseberichte über die neuerliche Aufhebung des Genehmigungsbescheides für den Lainzer Tunnel bzw. eines wesentlichen Abschnitts waren vernichtend - „Pfusch-Bescheid", „schlampig agierende Beamte des Ministeriums",Blamage für das Ministerium und die beteiligten Beamten".

Haben Sie gegen diese Pressemitteilungen rechtliche oder andere Schritte unternommen oder teilen Sie diese Einschätzungen der Presse über die Arbeit Ihres Ressorts?

 

Antwort:

Das Presseecho zur neuerlichen Bescheiderteilung war durchaus positiv, da die zuständige Abteilung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie in Rekordzeit mit überragendem Einsatz der ÖBB eben einen neuen Bescheid erlassen hat.

 

Fragen 2 und 3:

Genehmigungsbescheide über den Lainzer Tunnel werden nicht zum ersten Mal vom
Verwaltungsgerichtshof aufgehoben.

Wie konnte es passieren, dass gerade im Genehmigungsverfahren für ein so wichtiges Bahnprojekt von so hohem öffentlichen und auch politischen Interesse wie den Lainzer Tunnel dennoch wiederholt Pannen passieren und dann immer wieder Bescheide vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben werden müssen?

Die Mängel in den Bescheiden des Verkehrsministeriums für den Lainzer Tunnel sind
vielfältig. So wurden bereits vor einigen Jahren Bescheide wegen mangelhaft
geprüfter Umweltverträglichkeit aufgehoben, jetzt wiederum wurden
Sicherheitsmängel beanstandet. In wesentlichen Prüfungsthemen eines
Großprojektes (Umwelt, Sicherheit) passierten also Fehlentscheidungen bzw. wurde
von der Behörde offenbar „drübergefahren", womit sich die Betroffenen dann eben
auf dem Gerichtsweg und letztlich beim Verwaltungsgerichtshof zur Wehr setzen
müssen, mit den entsprechenden Kostenfolgen für die Allgemeinheit.

Wie kann es passieren, dass derart wichtige Grundsatzfragen wie Umweltverträglichkeit und Sicherheit in den Verfahren und Bescheiden offenbar nicht professionell behandelt werden und dann immer wieder Bescheide vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben werden?

 

Antwort:

Hier möchte ich auf meine Ausführungen im allgemeinen Teil verweisen und noch einmal betonen, dass bei Großprojekten jedenfalls mit Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu rechnen ist. Dies trifft insbesondere auf Großprojekte im innerstädtischen Bereich zu, weil dort meist mehrere Tausend unmittelbar Betroffene mit äußerst die divergierenden Interessenslagen involviert sind.

 


Fragen 4 und 5:

Die Eisenbahngesetznovelle 2006 und die damit verbundene Auslagerung von
weiteren Behördenaufgaben aus dem Verkehrsministerium an Dritte (externe
Gutachten, externe Prüfbefunde) wurde im Verkehrsausschuss des Parlaments unter
anderem damit begründet, dass die Ressourcen der Eisenbahnbehörde dann auf die
eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren der wichtigen Großbauvorhaben
konzentriert werden können.

a)      Wie erklären Sie die Tatsache, dass trotz des - nun wohl möglichen -konzentrierten Einsatzes der Ressort-Ressourcen für eisenbahnrechtliche Genehmigungsverfahren wiederholt Bescheide mangelhaft waren?

b)             Ist Ihnen bewusst, dass durch die wiederholte Bearbeitung derselben Bescheide im Verkehrsressort (und bei den Gerichten) Zeit und Geld verpulvert werden, wo doch gerade bei wichtigen, von der Öffentlichkeit aufmerksam mitverfolgten und letztlich auch von der Allgemeinheit finanzierten Großprojekten effiziente und sparsame Abwicklung selbstverständlich sein sollte?

Das Verkehrsministerium hat im Eisenbahnbereich in den letzten Jahren die
Mehrzahl der Kompetenzen an die Länder und an die Bezirkshauptmannschaften
abgewälzt. Bei gleich bleibendem Personalstand sind beim Verkehrsministerium jetzt
nur mehr die eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren für die
Hochleistungsstrecken verblieben. Das bedeutet, dass für einzelne
Genehmigungsverfahren jetzt wesentlich mehr Personalressourcen zur Verfügung
stehen müssen als noch vor einigen Jahren.

a)      Wie ist es möglich, dass trotz dieser faktischen personellen Aufstockung im Bereich der  eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren (gleich viel Personal bei wesentlich weniger Verfahren) trotzdem keine haltbaren Bescheide verfasst werden können?

b)      Was haben Sie unternommen oder angeordnet, um hier Abhilfe zu schaffen?

c)      Was werden Sie hier unternehmen oder anordnen, um hier Abhilfe zu schaffen?

 

Antwort:

Wie schon im allgemeinen Teil der Anfragebeantwortung ausgeführt, möchte ich hier noch einmal feststellen, dass die angesprochenen Genehmigungsverfahren vor der Eisenbahngesetznovelle 2006 (siehe Datum der Bescheide) durchgeführt wurden. Weiters möchte ich festhalten, dass in den letzten Jahren infolge der Liberalisierung des Eisenbahnwesens zahlreiche zusätzliche Agenden, wie z.B. Umsetzung der EU-Sicherheitsrichtlinie,  Sicherheitsbehörde, Interoperabilität zu den Aufgaben der Eisenbahnbehörde hinzugekommen sind. Es trifft daher keinesfalls zu, dass in der Eisenbahnbehörde frei bzw. unausgelastete Ressourcen vorhanden sind.

 

Frage 6:

Als Verkehrsminister sind Sie gegenüber der Öffentlichkeit für die Sicherstellung
ordentlicher Genehmigungsverfahren bei der Eisenbahnbehörde in Ihrem
Verkehrsministerium politisch verantwortlich.

a)              Welche organisatorischen und personellen Maßnahmen haben Sie getroffen, damit diese Pannenserie mit (laut Presse) „Pfusch-Bescheiden" endlich beendet wird?

b)             Welche Anordnungen haben Sie getroffen?

c)              Welche Konsequenzen haben Sie gezogen?

 

Antwort:

Der Begriff Pannenserie mit Pfusch-Bescheiden trifft nicht zu. Die neuerliche rasche Bescheiderlassung zeigt gerade welch hohe Kompetenz in der Eisenbahnbehörde vorhanden ist.

 

Frage 7:

Die Aufhebung von Genehmigungsbescheiden durch den Verwaltungsgerichtshof hat
sich beim Lainzer Tunnel leider zur Gewohnheit entwickelt. Scheinbar wird bei
diesem Projekt mehr als bei anderen Projekten übersehen und werden dort die
meisten Fehler gemacht.

Trifft es zu, dass Sie den langjährig für dieses Projekt zuständigen Referenten im Verkehrsministerium, dessen Genehmigungsbescheide seit Jahren immer wieder durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurden, jetzt dennoch zum Leiter der gesamten Verfahrensabteilung der Eisenbahngruppe im BMVIT befördert haben? Wie erklären Sie diese Personalentscheidung?

 

Antwort:

Die Leitung der Abt. IV/Sch2 wurde ordnungsgemäß ausgeschrieben und es wurde  der bestgeeignetste Bewerber mit dieser Funktion betraut. Gerade dieser Bewerber, der von Ihnen angedeutete Referent, ist für diese Stelle insofern am besten geeignet, da er sich durch hohe Kompetenz in der Verhandlungsführung, ausgewogenes Würdigen der Beweise, Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Betroffenen und damit verbundener Einsatzbereitschaft auszeichnet und dadurch sämtliche Verfahren betreffend Eisenbahngroßbauprojekte der vergangenen 15 Jahre maßgeblich mitgestaltet hat.

 

Fragen 8 und 9:

Wenige Stunden nach der Aufhebung des Genehmigungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hat das Verkehrsministerium schon einen neuen Bescheid nachgeschossen und die ÖBB Infrastruktur Bau AG baut jetzt „freiwillig" alles ein bisschen besser und teurer.

a)   Wie kann innerhalb weniger Stunden ein komplexer Genehmigungsbescheid über ein Großprojekt neu aufgerollt und neu entschieden werden?

b)   Weshalb hat die ÖBB Infrastruktur Bau AG die jetzt „freiwillig" zugesagten zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen nicht gleich von vorneherein mitgeplant und damit einen riskanten Rechtsstreit vermieden, wenn diese Maßnahmen ohnehin angeblich fast nichts kosten?

c)   Welche Maßnahmen haben Sie getroffen und was haben Sie angeordnet, um diese schwer nachvollziehbaren Vorgänge aufzuklären?

Sofern rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden, sind für die eisenbahnrechtliche Genehmigung eines Großprojektes doch einige Minimalerfordernisse einzuhalten. So muss ein geändertes Projekt der ÖBB Infrastruktur Bau AG durch entsprechende Projektsunterlagen dargestellt werden, die geänderten Projektsunterlagen müssen von Sachverständigen geprüft werden, die betroffenen Anrainerinnen und sonstigen Parteien und Beteiligten sind zu befassen, Rechtsfragen sind zu lösen usw. Während andere wichtige Aufgaben der Eisenbahnbehörde oft viele Jahre lang nicht oder nicht in brauchbarer Form erledigt werden - beispielsweise die Adaptierung der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung oder manches Zulassungsverfahren - kann ein derart umfangreicher Bescheid samt vorangehender Umplanung offenbar innerhalb eines Wochenendes erledigt werden. Das ist schwer nachvollziehbar.

a)   Hat die ÖBB Infrastruktur Bau AG die nunmehr „freiwillig" vorgenommenen Änderungen in brauchbarer Form durch Unterlagen belegt?

b)   Durch welche Sachverständige wurde das geänderte Projekt geprüft und wie lautet das Ergebnis der Prüfung der Sachverständigen im einzelnen?

c)   In welcher Weise wurden die betroffenen Parteien in das geänderte Projekt                 eingebunden?

 

Antwort:

Der Abschnitt 3 des Lainzer Tunnels – Verbindungstunnel konnte mit Bescheid des BMVIT vom 4.6.2007 neuerlich genehmigt werden, da die Richtung durch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 2.5.2007 und vom 23.5.2007 vorgegeben war und nur mehr die Frage zu klären war, ob auch im 3. Abschnitt – Verbindungstunnel eine durchgehende Zuordnung zur Schutzzone 2 erforderlich ist. Da jedoch die Bauwerberin (die ÖBB-Infrastruktur Bau AG) von sich aus die Zuordnung zur Schutzzone 2 beantragt hat, war von diesem Sachverhalt auszugehen. Aus diesem Grunde war auch die unverzügliche Erlassung eines neuen Genehmigungsbescheides möglich und war die Durchführung weiterer Ermittlungen nicht erforderlich.

 

Frage 10:

Die ÖBB Infrastruktur Bau AG muss auf Grund des neuen eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheides, der praktisch über Nacht von der Eisenbahnbehörde nachgereicht werden konnte, sehr erleichtert gewesen sein. Es sollte allerdings im Sinne des geltenden Rechts auf europäischer und innerstaatlicher Ebene jeder Eindruck vermieden werden, dass die ÖBB Infrastruktur Bau AG im Vergleich zu anderen Unternehmen von der Eisenbahnbehörde in irgendeiner Form bevorzugt behandelt wird.

 

a)   Trifft es zu, dass ein Sohn eines federführend involvierten BMVIT-Mitarbeiters erst vor einigen Jahren - etwa zum Zeitpunkt der ersten Aufhebung des eisenbahn-rechtlichen Genehmigungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof - einen gut dotierten Posten bei der ÖBB Infrastruktur Bau AG als Techniker angetreten hat?

b)   Trifft es zu, dass der zweite Sohn desselben federführend involvierten BMVIT-Mitarbeiters erst vor kurzem - etwa zum Zeitpunkt der nunmehrigen Aufhebung des eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheides durch den Verwaltungs-gerichtshof - ebenfalls einen gut dotierten Posten bei der ÖBB Infrastruktur Bau AG angetreten hat?

c)   Trifft es zu, dass bei der ÖBB Infrastruktur Bau AG in den letzten Jahren sehr selten zusätzliches Personal aufgenommen wurde und die beiden Herren daher als richtige Glückspilze bezeichnet werden können?

d)   Können Sie ausschließen, dass für das antragstellende Unternehmen kostensparende - wenn auch, wie nun erwiesen, nicht rechtskonforme -eisenbahnrechtliche Genehmigungen in der Vergangenheit mit der erwähnten zeitnah erfolgreichen Jobsuche in einem auch nur irgendwie geartetem Zusammenhang steht?

e)   Können Sie ausschließen, dass die nunmehrige unverzügliche Sanierung der eisenbahnrechtlichen Genehmigung über ein Wochenende hinweg mit der erwähnten zeitnah erfolgreichen Jobsuche in einem auch nur irgendwie geartetem Zusammenhang steht?

f)    Wie beurteilen Sie die Optik, dass Familienmitglieder Ihres federführend involvierten Ressort-Mitarbeiters gerade bei jenem Eisenbahnunternehmen unterkommen, für das dieser Mitarbeiter übers Wochenende umfangreiche Genehmigungsbescheide erstellt?

 

Antwort:

Dazu möchte ich ausführen, dass in die ÖBB-Infrastruktur Bau AG vom 1.1.2005 bis heute 265 Neueintritte erfolgten. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den in der gegenständlichen Anfrage angesprochenen Eintritten und den Bescheiden Lainzer Tunnel besteht keinesfalls und es werden sämtliche in diesem Punkt erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Werner Faymann