908/AB XXIII. GP
Eingelangt am 30.07.2007
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möglich.
BM im Bundeskanzleramt
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Weinzinger, Freundinnen und Freunde ha-ben am 6. Juni 2007 unter der Nr. 931/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend geschlechterspezifische Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung während und nach dem Kinderbetreuungsgeldbezug gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 7:
Ø Wie erklären Sie sich die beschriebenen geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung von Kinderbetreuungsgeldbezieherlnnen und handelt es sich dabei um erwünschte Effekte?
Ø Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um die Jobstabilität der Frau-en während dem Kinderbetreuungsgeldbezug zu erhöhen?
Ø Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um die Jobstabilität der Frau-en während und nach dem Kinderbetreuungsgeldbezug zu erhöhen?
Ø Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um der Tendenz zu einer nie-drigeren Gehaltseinstufung von Frauen während dem Kinderbetreuungsgeldbe-zug entgegenzuwirken?
Ø Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um der Tendenz zu einer nie-drigeren Gehaltseinstufung von Frauen nach dem Kinderbetreuungsgeldbezug entgegenzuwirken?
Ø Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit es auch für eine größere Anzahl von Frauen möglich ist, während und nach dem Kinderbetreuungsgeldbezug mehr als 20 Wochenstunden zu arbeiten?
Ø Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit sich die Dauer der Karenzierung von Frauen und Männern während des Kinderbetreuungsgeldbezuges angleicht?
Während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld ist es für viele Frauen gerade in der ersten Zeit nach der Geburt wichtig, aus den Beruf auszusteigen und Zeit mit dem Kind zu verbringen. Dies gilt in deutlich geringerem Ausmaß für Männer.
Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes entstand eine Diskrepanz zwischen der Dauer des Kinderbetreuungsgeldbezuges (30. Lebensmonat) und dem arbeits-rechtlichen Kündigungsschutz (24. Lebensmonat). Durch die rechtliche Entkoppelung von Karenz und Kinderbetreuungsgeld kam es verstärkt zu Arbeitsplatzwechseln nach der Geburt/Karenz. Mütter, die zweieinhalb Jahre Kinderbetreuungsgeld bezie-hen, vertieren den Kündigungsschutz und somit oft ihren Arbeitsplatz. Sie suchen sich anschließend ein anderes Beschäftigungsverhältnis. Dies ist dann leider allzu oft ein prekäres Arbeitsverhältnis. Damit wird häufig der Weg in die Armutsfalle beschrit-ten. Auch haben Väter, die nach zwei Jahren das letzte halbe Jahr Kindergeld bezie-hen wollen, keinen Kündigungsschutz mehr.
Durch die derzeit in Begutachtung befindliche Novelle zum Kinderbetreuungsgeldge-setz wird es hier zu Verbesserungen kommen. Wer sich für die sogenannte „Kurzleis-tung" entscheidet, hat vollen Kündigungsschutz und muss nicht auf das Kinder-betreuungsgeld verzichten.
Beim Karenzgeld waren die meisten Wiedereinstiege mit dem 18. Lebensmonat (En-de des Bezugs) zu verzeichnen, durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes hat sich der Wiedereinstieg deutlich nach hinten verschoben, so gibt es jetzt 2 auffäl-lige Zeitpunkte des Wiedereinstiegs: das 24. Lebensmonat (Ende des Kündigungs-schutzes) und das 30. Lebensmonat (Ende des KBG-Bezug).
Beim Karenzgeld sind 42% der BezieherInnen im zweiten Jahr wieder eingestiegen, beim Kinderbetreuungsgeld nur 19%. Ab dem 25. Lebensmonat des Kindes sind beim Karenzgeld 14% wiedereingestiegen, beim Kinderbetreuungsgeld 24%. Beim Karenzgeld sind im Zeitraum von 39 Monaten nach der Geburt 60,3% wieder dauer-haft in den Arbeitsmarkt zurückgekehrt, beim Kinderbetreuungsgeld nur noch 51,1%. Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang: je länger die Absenz, umso schwieriger der Wiedereinstieg ins Berufsleben. Frauen schöpfen vielfach deshalb die volle Zeit aus, um im aktuellen System kein Kinderbetreuungsgeld zu verlieren, bleiben daher dem Beruf fern und können dann nur noch schwer am Arbeitsmarkt Fuß fassen. Auch dies wird sich mit 01.01.2008 und dem Inkrafttreten der Novelle verbessern.
Wer früher in den Beruf zurückkehren will, kann das künftig tun, ohne Kinderbetreu-ungsgeld zu verlieren.
Schon allein aus der Tatsache, dass nur knapp mehr als 3 Prozent aller Bezieherin-nen Männer sind, erklärt sich, dass die Erwerbsbeteiligung während des Kinder-betreuungsgeldbezugs geschlechtsspezifische Unterschiede aufweisen muss.
Hauptargument gegen die Teilung des Kinderbetreuungsgeldbezugs ist im Übrigen zu 75% die sich daraus ergebende finanzielle Einbuße. Väter können oft nicht in Ka-renz gehen, weil es sich die Familie nicht leisten kann, auf das Einkommen des Man-nes zu verzichten. 436 Euro im Monat reichen oftmals als Ersatz für das Einkommen des Mannes nicht aus. Dies ist wohl der Hauptgrund, warum sich bisher nur so weni-ge der Väter entscheiden können, in den ersten Lebensmonaten Zeit mit ihrem Kind zu verbringen bzw. Karenz in Anspruch zu nehmen. Mit der neuen Möglichkeit, 800 Euro Kinderbetreuungsgeld im Monat zu beziehen, ist der Einkommensverlust nied-riger. Dadurch werden deutlich mehr Väter als bisher die Chance haben und auch in Anspruch nehmen, sich einige Monate voll ihrem Kind zu widmen.
Die komplexe Regelung der Berechnung der Zuverdienstgrenze und die Gefahr der Rückforderung halten viele Frauen davon ab, während des Bezugs des Kinder-betreuungsgeldes wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und in den Beruf zu-rückzukehren. Auch der Verfassungsdienst hat die Komplexität der Zuverdienstrege-lung bestätigt, da für viele Durchschnittsfamilien nicht in vernünftigem Ausmaß vor-hersehbar ist, ob die Zuverdienstgrenze überschritten wird. Männereinkommen sind meist höher als Fraueneinkommen, deshalb ist die Zuverdienstgrenze ein schweres Hemmnis für die Väterkarenz und oft ein Mitgrund, auf das Kinderbetreuungsgeld und auf die gemeinsame Zeit mit dem Kind zu verzichten. Mit der Umsetzung des Regierungsübereinkommens wird die Zuverdienstgrenze auf 16.200 Euro im Jahr angehoben. Wenn es außerdem gelingt, als Alternative zur Zuverdienstgrenze eine Arbeitszeitreduktion anzubieten, wird es den Eltern noch entscheidend besser gelin-gen, Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren.
Während des Kinderbetreuungsgeldbezugs konnten 43% der BezieherInnen das ge-plante wöchentliche Arbeitszeitausmaß nicht realisieren. Bei Frauen wird durch die Ergebnisse der Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes ersichtlich, dass ei-
ne Arbeitszeit zwischen 12 und 21 Wochenstunden wesentlich seltener angeboten wird, als gewünscht.
Neben der derzeitigen Zuverdienstgrenze, die ebenfalls gerade bei Besserverdie-nenden ein Hindernis bei der Realisierung des gewünschten Arbeitszeitausmaßes ist, zählt auch das fehlende Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen zu den Schwierigkeiten, die bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie überwunden werden müssen. Hier wird es dank der bereits beschlossenen Anstoßfinanzierung seitens des Bundes zu deutlichen Verbesserungen kommen. Ab 2008 wird der Ausbau an Betreuungseinrichtungen für Unter-3-Jährige vom Bund gefördert, wobei die Förde-rung nach der Qualität des Angebotes gestaffelt sein sollte.
Frauen müssen beim Wiedereinstieg oft niedrigere Gehaltseinstufungen hinnehmen. Eine Ursache dafür ist die Tatsache, dass viele Frauen versuchen, neben dem Kin-derbetreuungsgeldbezug wiedereinzusteigen und lieber Gehaltseinbußen hinneh-men, als die Zuverdienstgrenze zu überschreiten. Dieses Problem wird durch die Anhebung der Zuverdienstgrenze abgefedert. Auch hier würde die Einführung einer Arbeitszeitgrenze Vorteile mit sich bringen. Darüber hinaus ist das Gehalt beim Wie-dereinstieg umso niedriger, je später die Frauen wieder in den Beruf einsteigen. Durch die geplante Flexibilisierung kann hier gegengesteuert werden und es wird ein Anreiz geschaffen, die Berufsunterbrechung möglichst kurz zu halten und so die Nachteile einer langen Karenzierung hintan zu halten.
Durch die Einführung der sogenannten „Kurzleistung" wird darüber hinaus auch ein Schritt zur Armutsbekämpfung unternommen. Zu den am stärksten armutsgefährde-ten Personen gehören AlleinerzieherInnen, die derzeit nur 436 Euro monatlich (14,53 Euro täglich) plus einen Zuschuss von 6,06 Euro täglich beziehen können. Mit 800 Euro monatlich plus Zuschuss werden die AlleinerzieherInnen damit auch über die Armutsschwelle gehoben. Durch die „Kurzleistung" verlieren sie bei schneller Rück-kehr in den Beruf kein Kindergeld mehr und genießen darüber hinaus auch den ar-beitsrechtlichen Kündigungsschutz.