910/AB XXIII. GP
Eingelangt am 30.07.2007
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0059-Pr 1/2007
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 886/J-NR/2007
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Peter Eisenschenk und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Strafrechtliche Aspekte des Versickerns von Fördergeldern in burgenländischen Firmenkomplexen“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 4:
Zu der im Prüfbericht des burgenländischen Rechnungshofes vom Mai 2004 (aber auch schon in zwei Voranzeigen) beanstandeten Zahlung von 7,5 Millionen S an ein deutsches Unternehmen bzw. dessen Mehrheitsgesellschafter durch die Wirtschaftspark Heiligenkreuz Service GmbH (WHS) und dem in diesem Zusammenhang mehrfach geprüften Vorwurf der Untreue nach § 153 StGB betreffend Verantwortliche der Wirtschaftsengineering Burgenland GmbH (WEBU) ist festzuhalten, dass der Vorwurf einer „unterlassenen Prüfung hinsichtlich der zweifach modifizierten Rechtfertigung“ der Staatsanwaltschaft Eisenstadt nicht berechtigt ist. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt hat ihre Einstellungsbegründung nach den mir vorliegenden Informationen nicht allein darauf gestützt, dass dieses Unternehmen werthaltige Leistungen an die WHS erbracht hatte. Sie ging ferner davon aus, dass - an andere Gesellschaften im gesamten Firmenkomplex erbrachte - Leistungen indirekt der WEBU und ihren Tochtergesellschaften (damit auch der WHS) zugute gekommen seien. Von zumindest gleichwertiger Bedeutung erachtete die Anklagebehörde die insofern übereinstimmenden Angaben der Verdächtigen und eines als informierten Vertreter der burgenländischen Landesregierung vernommenen Zeugen, dass es bei dem – der Zahlung gegenüberstehenden – Erwerb der Geschäftsanteile der österreichischen Tochter des deutschen Unternehmens vor allem darum ging, erstere als Gesellschafterin der WEBU abzuschichten, um dringend gebotene Sanierungen und Umstrukturierungen durchführen zu können. Dass durch die gewählte Vorgangsweise zumindest aus ex-ante-Sicht Vermögenswerte erworben bzw. drohende, weitere Verluste vermieden werden sollten, ist nachvollziehbar, zumal das deutsche Unternehmen kurz darauf insolvent wurde und die Vermeidung daraus allenfalls resultierender Risiken ein wirtschaftlich durchaus rationales Handeln darstellen kann.
Bei der (vermeintlichen) Abweichung der Einstellungsbegründung vom Gutachten des bestellten Buchsachverständigen ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten für die strafrechtliche Beurteilung des gesamten Verhaltens der Verdächtigen nur von eingeschränkter Bedeutung sein konnte; zum Einen deshalb, weil sich ein Sachverständiger (im Gegensatz zur Anklagebehörde) jeglicher Beurteilung der subjektiven Tatseite zu enthalten hat und zum Anderen das Gutachten mangels eines Gerichtsauftrages auch keinerlei Aussagen über mögliche (positive) Auswirkungen des inkriminierten Anteilskaufes auf die gesamte Gesellschaftsgruppe rund um die WEBU enthält.
In Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Übertragung der WEBU-Anteile an die Wirtschaftsservice Burgenland AG (WiBAG) verweise ich darauf, dass auf Seiten der WEBU nicht nur eine Gesellschaft gehandelt hat, sondern eine ganze Gruppe von (verflochtenen) Gesellschaften aufgetreten ist. Daher ist bei der im Strafrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht nur das wirtschaftliche Interesse einer Gesellschaft isoliert zu untersuchen, sondern sind auch die Auswirkungen auf die Muttergesellschaft zu berücksichtigen. Wie aus den Angaben aller Beteiligter hervorging, war es Zweck der gegenständlichen Transaktion, dem Land Burgenland – über ausgelagerte Gesellschaften, insbesondere die WiBAG – den hundertprozentigen gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf die WEBU zu verschaffen. An diesem – letztlich auch erreichten – Ziel sind die Handlungen der Verantwortlichen der WEBU zu messen. Dass ein weiteres Unternehmen kurzfristig die Geschäftsanteile von der österreichischen Tochter der deutschen Firma übernommen hat, um sie dann ihrerseits an die WiBAG abzutreten, tut dem ebenso wenig Abbruch wie der Umstand, dass die – diese Transaktion erst ermöglichende – Zahlung von 7,5 Millionen S von der WHS (der Tochtergesellschaft der WEBU) geleistet wurde.
Schließlich halte ich fest, dass es mehrere eindeutige Hinweise auf die Verflechtung dieses zwischengeschalteten Unternehmens mit der WiBAG sowie den Plan des Landes Burgenland gab, sämtliche Geschäftsanteile von der österreichischen Tochter der deutschen Firma – über ausgelagerte Gesellschaften und über die „Zwischenstation“ – an der WEBU selbst zu erwerben. Insbesondere der Umstand, dass das zwischengeschaltete Unternehmen weder beim Erwerb der WEBU-Geschäftsanteile eine Zahlung leistete noch bei der Abtretung eine solche erhielt, führte letztlich auch den burgenländischen Rechnungshof zur Schlussfolgerung, dieses Unternehmen sei „lediglich zur Wahrung der Interessen eines Dritten eingeschaltet worden“ (Punkt 5.6.2. des Prüfungsberichtes betreffend die Aktivitäten der WiBAG vom Mai 2004).
Zu 2, 3 und 7:
Weder das Bundesministerium für Justiz noch die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat im Zusammenhang mit den Strafverfahren betreffend „Aktivitäten der WiBAG bzw. der verbundenen Unternehmen“ Weisungen im Sinne des § 29 Abs 1 StAG auf „Unterlassung einer Prüfung der zweifach modifizierten Rechtfertigung“ gegeben. Ebenso wenig sind mir im Zusammenhang mit den Verfahrenseinstellungen Interventionen beim Bundesministerium für Justiz oder der Oberstaatsanwaltschaft Wien bekannt geworden.
Lediglich der Vollständigkeit halber halte ich fest, dass ein mit Bericht der Oberstaatsanwaltschaft Wien beabsichtigtes Ersuchen (§ 29 Abs 1 StAG) an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt, gerichtliche Vorerhebungen gegen Geschäftsführer der WEBU sowie der WHS wegen §§ 153 Abs 1 und 2, 12 StGB zu beantragen, vom Bundesministerium für Justiz mit Erlass vom 11. Dezember 2000 genehmigt wurde.
Zu 5 und 6:
Sämtliche der im Umfang des angesprochenen Sachverhalts eingeleiteten Strafverfahren wurden mittlerweile gemäß § 90 Abs 1 StPO erledigt, und zwar teils durch Abgabe der Erklärung gegenüber dem zuständigen Untersuchungsrichter nach verantwortlicher Abhörung der Verdächtigen gemäß § 38 Abs 3 StPO, teils durch Anzeigenzurücklegung ohne Befassung des Gerichtes.
Aus den mir vorliegenden Berichten ergeben sich nach Ansicht der zuständigen Fachabteilung meines Hauses keinerlei Anhaltspunkte für eine Antragstellung auf förmliche Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 352 Abs 1 StPO oder für eine formlose Fortsetzung gemäß § 363 Z 1 StPO. Sollten in diesem Zusammenhang neue Verdachtsmomente auftauchen, werden die zuständigen Strafverfolgungsbehörden diese einer Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls entsprechende Veranlassungen zu treffen haben. Diesfalls wird die zuständige Fachabteilung meines Hauses den Verfahrensgang überwachen.
27. Juli 2007
(Dr. Maria Berger)