952/AB XXIII. GP

Eingelangt am 03.08.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 896/J-NR/2007 betreffend Rettung der Mariazellerbahn, die die Abgeordneten Anton Heinzl und GenossInnen am 5. Juni 2007 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Fragen 1 und 2:

Wie beurteilen Sie den Zustand

a)     der Infrastruktur und

b)     des rollenden Materials

der Mariazellerbahn auf Basis der Ihnen und den ÖBB zugänglichen Informationen?

Wie lange ist die technische Restlebensdauer bis zum Versagen einer dieser beiden Komponenten aus heutiger Sicht, ohne dass wesentliche Investitionen getätigt werden?

Antwort:

Die Infrastruktur wurde fahrwegseitig immer wieder punktuell saniert. Insbesondere wurden in den letzten Monaten bestehende Langsamfahrstellen mit gravierenden Geschwindigkeitseinbrüchen beseitigt. Die bestehenden Langsamfahrstellen zwischen Mainburg und Rabenstein NÖ sowie zwischen Mitterbach und Mariazell werden noch heuer behoben. Die Befahrbarkeit der Strecke wird laufend durch Erhaltungs- und Investitionsmaßnahmen sichergestellt und damit auch die Betriebssicherheit gewährleistet.

Eine Besonderheit stellt die Energieversorgung auf der Mariazellerbahn durch die EVN dar. Derzeit werden bei den zwei veralteten EVN-Kraftwerken alle erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen gesetzt, um die Lieferverpflichtungen einhalten zu können.

 

Die technische Nutzungsdauer für Triebfahrzeuge beträgt im Durchschnitt 40 Jahre, wobei die Betriebssicherheit der Fahrzeuge durchaus über wesentlich längere Zeiträume gewährleistet werden kann.

Frage 3:

Wie sieht aus heutiger Sicht unter Berücksichtigung der bisher erfolgten unglaublich vielfältigen Studien- und Planungsarbeiten eine technisch optimale Lösung für den Fortbestand der Mariazellerbahn aus?

Antwort:

Die bisherigen Sondierungen sprechen dafür, dass die Strecke von St. Pölten Hauptbahnhof bis Mariazeil als elektrifizierte Schmalspurstrecke mit 760 mm Spurweite bestehen bleiben soll.

Frage 4:

Wie sieht aus heutiger Sicht eine wirtschaftliche Lösung für den Fortbestand der Mariazellerbahn aus?

Antwort:

Die Wirtschaftlichkeit der Strecke kann durch Einführung einer zentralisierten Betriebsführung (Zugleitbetrieb) noch verbessert werden. Verkehrlich kann eine Lösung derart aussehen, dass im Talbereich attraktiver Nahverkehr, eventuell ergänzt mit Busangeboten, und im Gesamtbereich Tourismus- und Nostalgieverkehr angeboten wird. Zu betrachten ist die jeweilige Verbesserung der Gesamtmobilität. Seitens des ÖBB-Konzerns ist ein Güterverkehr auf dieser Strecke nicht vorgesehen.

Fragen 5 bis 8:

Stimmt es, dass die Österreichischen Bundesbahnen die Mariazellerbahn an eine Nachfolgegesellschaft abtreten möchten?

Soll diese Gesellschaft für Infrastruktur, Wagenmaterial und Betrieb der Bahn verantwortlich sein?

Wird diese Nachfolgegesellschaft wiederum mehrheitlich im Bundesbesitz oder im Besitz des Landes NÖ stehen?

Wird in diesem Fall der fahrplanmäßige Personenverkehr aufrecht erhalten bleiben?

Antwort:

Die ÖBB-Holding AG erstellt derzeit ein Konzept für eine Nebenbahnreform, welches insbesondere auf eine effiziente Erbringung des öffentlichen Nahverkehrs und auf eine verstärkte regionale Verantwortung abzielen soll. Damit soll eine strategische Ausrichtung auf mögliche Einsparungspotentiale verbunden sein. Ebenso hätte das Konzept einen Zeitplan zur Umsetzung zu enthalten. Eine mögliche Lösung könnte in der Abtretung von Schmalspurbahnen (nicht vernetzte Eisenbahnen) an die jeweiligen Länder gesehen werden.

 

Frage 9:

Sehen Sie bei Errichtung einer beschleunigten Schmalspurtrasse in der Talstrecke die Möglichkeit, über die Mariazellerbahn wieder Güterverkehr abzuwickeln?

Antwort:

Bei Aufrechterhaltung der Schmalspurstrecke könnte ein Güterverkehr nur mittels Rollwagenbetrieb (aufgeschemmelte Normalspurwagen) abgewickelt werden, wobei diesfalls wegen der geringeren Gleisüberhöhung mit Einschränkungen beim Personenverkehr zu rechnen wäre.

Fragen 10 bis 12:

Würden Sie die Beantragung der Aufnahme der Mariazellerbahn in die Liste der Weltkulturerbestätten befürworten?

Sehen Sie eine Möglichkeit, die Beantragung der Aufnahme der Mariazellerbahn in die Liste der Weltkulturerbestätten der UNESCO zu finanzieren und zu unterstützen?

Ist Ihnen der Grund bekannt, weshalb der Landesverkehrsreferent von NÖ, Landeshauptmann Pröll, die Finanzierung und Unterstützung der Beantragung der Aufnahme der Mariazellerbahn in die Liste der Weltkulturerbestätten der UNESCO abgelehnt hat?

Antwort:

Die Aufnahme der Mariazellerbahn als Weltkulturerbe in die Liste der UNESCO ist differenziert zu sehen, da in solchen Fällen besondere Auflagen schlagend werden könnten und dadurch gut gemeinte Verbesserungsmaßnahmen nicht oder nur unter besonders erschwerten Bedingungen vorgenommen werden könnten. Selbst der Weiterbestand der Strecke im touristischen Bereich könnte dadurch erschwert werden. Nach jüngsten Medienberichten werden die Folgen einer Ausweisung als Weltkulturerbe auch vom Land Niederösterreich kritisch beurteilt.

Fragen 13 und 15:

Seitens der zuständigen Verkehrsabteilung des Landes Niederösterreichs bzw. verschiedenen Stellen der ÖBB wird immer wieder behauptet, dass zwischen dem Land und den ÖBB Gespräche über die Zukunft der Mariazellerbahn laufen. Wenn ja, wie ist der derzeitige Verhandlungsstand bzw. welches sind die Grundlagen für weitere Gespräche?

Bestehen aus  Ihrer  Sicht der derzeit gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit,  die

Mariazellerbahn   in   das    Modernisierungs-   und   Ausbauprogramm   für   die   Schiene

aufzunehmen?

Wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Über die Umsetzung des Regionalbahnkonzeptes des ÖBB-Konzerns in Niederösterreich werden seit geraumer Zeit Sondierungsgespräche unter Teilnahme von Vertretern des BMVIT, des Bundesministeriums für Finanzen, des Landes Niederösterreich und der ÖBB-Holding AG geführt. Dabei soll eine Gesamtentscheidung sowohl über die weitere Betriebsführung als auch über die notwendigen Investitionsmaßnahmen auf den einzelnen Regionalbahnen getroffen werden. Die diesbezügliche Entscheidung ist auf Grund der umfangreichen Detailanalysen jeder einzelnen Strecke hinsichtlich des Fahrgastaufkommens, des Güterverkehrpotentiales und der daraus resultierenden Investitionskosten bis Mitte 2008 zu erwarten. Ziel aller Überlegungen ist jedenfalls, eine Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zu erreichen, was in Bezug auf die Finanzierung allerdings auch eine angemessene regionale Verantwortung voraussetzt. Gemeinsame Anstrengung muss es sein, den öffentlichen Verkehr effizienter zu gestalten und so mit den vorhandenen Mitteln ein attraktives Verkehrsangebot bereit zu stellen.

Frage 14:

Entspricht der Altbestand der Waggons und Triebfahrzeuge der Mariazellerbahn noch den derzeit gültigen Sicherheitsbestimmungen für Eisenbahnfahrzeuge bzw. im Regelverkehr eingesetzter ÖBB-Betriebsmittel?

Antwort:

Die im Einsatz befindlichen Fahrzeuge entsprechen den notwendigen Sicherheitsbestimmungen. Fahrzeugausfälle können jedoch nur mehr durch Einsatz von Dieseltriebfahrzeugen ausgeglichen werden. Derzeit ist ein neues Schmalspurfahrzeugkonzept im ÖBB-Konzern in Ausarbeitung.

Frage 16:

Besteht im Zusammenhang eines etwaigen Modernisierungs- und Ausbauprogrammes der Mariazellerbahn auch die Möglichkeit, Mittel aus den EU-Förderungstöpfen für Verkehrsentwicklung bzw. Regionalentwicklung zu lukrieren.

Antwort:

Maßnahmen zur Modernisierung der Mariazeller Bahn sind im Rahmen der EU-Regionalförderung "Europäische Territoriale Kooperation" grundsätzlich in allen 3 Teilprogrammen zur transnationalen Zusammenarbeit (Alpine Space; Central Europe und South East Europe) grundsätzlich durchführbar, da das österreichische Bundesgebiet jeweils zur Gänze in allen 3 Programmgebieten enthalten ist.


Unter der Priorität 2 "Erreichbarkeit" des Entwurfs zum operationalen Programm für den Alpenraum wird zu den Projektzielen beispielsweise angeführt:

-     Verbesserung der Funktionalität und der Intermodalität sowohl von bestehenden Transportsystemen, als auch von Infrastruktur und Dienstleistungen umweltfreundlicher Verkehrsmitteln, insbesondere der Bahn

-        Erhaltung bestehender öffentlicher Verkehrssysteme und verbesserte Abstimmung der Leistungen sowohl im städtischen Raum, als auch in ländlichen Regionen

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die für transnationale Kooperationen bislang vorgesehenen Mittel zur Bedeckung mehrerer Prioritäten dienen. Folglich könnten große Schieneninfrastrukturinvestitionen zur Modernisierung der Mariazeller Bahn bestenfalls teilweise aus den Programmen zur territorialen Kooperation finanziert werden. Zudem sind zur Einreichung und Durchführung eines Projekts im Rahmen der EU-Regionalförderung "Transnationale Kooperation" die Fördervoraussetzungen zu erfüllen, sodass Projektpartner aus mindestens 3 Mitgliedstaaten mit ähnlichen Aufgabenstellungen gefunden werden müssen.

 

Voraussetzung weiters ist allerdings auch die Bereitschaft der Länder, der Gemeinden und der Tourismuswirtschaft, sich an der Entwicklung und Umsetzung einer Gesamtstrategie zur Modernisierung und Attraktivierung der Mariazeller Bahn zu beteiligen.

Frage 17:

Die Gemeinde entlang der Mariazellerbahn sprechen sich im Rahmen von unterschiedlichen Tourismusinitiativen - beispielsweise Mariazeller-Land" - für den Erhalt und die Modernisierung der Mariazellerbahn aus. Gibt es hier Kontakt zwischen den ÖBB und den Mariazeller-Land-Gemeinden bzw. den zuständigen Stellen für Tourismus des Wirtschaftsministeriums und den Mariazeller-Land-Gemeinden?

Antwort:

Entsprechende Kontakte zu Gemeinden werden durch die ÖBB-Personenverkehr AG aufrechterhalten. Hinsichtlich allfälliger Kontakte zwischen Gemeinden und Stellen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wäre die Anfrage an den zuständigen Bundesminister zu richten.

Frage 18:

Sehen Sie die Möglichkeit auch über die Tourismusförderung Mittel für die Bestandsicherung der Mariazellerbahn zu lukrieren.

Antwort:

Die Vergabe von Mitteln aus der Tourismusförderungen ist Aufgabe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit bzw. handelt es sich um Agenden v.a. des Landes Niederösterreich.