129 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (94 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird sowie

über die Anträge

212/A der Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Silvia Fuhrmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung und die Europawahlordnung geändert werden und

8/A der Abgeordneten Barbara Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Wählerevidenzgesetz, das Bundes-Verfassungs­gesetz, das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalratswahlordnung) sowie das Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wähler­evidenzgesetz) geändert werden

Zu 94 der Beilagen:

Das Regierungsprogramm der Bundesregierung für die XXIII. Gesetzgebungsperiode sieht im Kapitel „Staats- und Verwaltungsreform“ in dessen Punkt 5 „Wahlrecht“ unter anderem folgende bundesverfassungsgesetzlich zu treffenden Maßnahmen vor:

–      die Senkung des aktiven Wahlalters auf das vollendete 16. Lebensjahr,

–      die Einführung der Briefwahl, wobei der Wahrung des Wahlgeheimnisses besonderes Augenmerk gewidmet werden soll, und

–      Vereinfachung des Wahlvorgangs im Ausland sowie

–      die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode ab der XXIV. Gesetzgebungsperiode auf fünf Jahre.

Mit dem vorgeschlagenen Entwurf sollen diese Maßnahmen verwirklicht werden.

Mit Ausnahme der durch den Gesetzgebungsprozess selbst verursachten finanziellen Auswirkungen werden durch den vorgeschlagenen Entwurf keine unmittelbaren finanziellen Aufwendungen verursacht.

 

Zu 212/A:

Die Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Silvia Fuhrmann, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 3. Mai 2007 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Festlegung des passiven Wahlrechts auf 19 Jahre stammt aus jener Zeit, in der die volle Geschäftsfähigkeit erst mit Vollendung des 19. Lebensjahres erreicht wurde. Nunmehr erreichen aber Jugendliche die volle Geschäftsfähigkeit bereits mit dem 18. Geburtstag. Es ist daher nicht einzusehen, warum Personen zwischen 18 und 19 zwar rechtsverbindlich handeln können, nicht aber in den Nationalrat oder in das Europäische Parlament gewählt werden können.

Darüber hinaus soll durch die Herabsetzung des passiven Wahlalters auch die politische Partizipation von jungen Menschen gefordert werden.

Die Regelung des passiven Wahlrechtes für Mitglieder des Bundesrates ist Sache der Länder (Artikel 35 Abs. 2 B-VG). Gemäß Artikel 95 Abs. 2 B-VG (wahlrechtliches Homogenitätsprinzip) dürfen die Landtagswahlordnungen die Bedingungen des passiven Wahlrechtes jedoch nicht enger ziehen als die Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat.“

 

Zu 8/A:

Die Abgeordneten Barbara Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 30. Oktober 2006 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Das Wahlrecht als das politische Mitbestimmungsrecht des / der Einzelnen in repräsentativen Demokratien sollte aus demokratiepolitischen Überlegungen möglichst allen Bevölkerungsgruppen zustehen.

In Österreich leben aber verschiedene Bevölkerungsgruppen, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Eine dieser Gruppen ist die der Jugendlichen. Im Sinne des oben angeführten Demokratiegedankens sollte es selbstverständlich sein, die Gruppen ohne Wahlrecht möglichst klein zu halten und so vielen wie möglich dieses zentrale Mitbestimmungsrecht zu gewähren.

Mit 16 Jahren ist ein junger Mensch bereits strafmündig und beschränkt geschäftsfähig, bestimmt selbst über seinen / ihren Bildungsweg, seine / ihre Berufswahl, hat zumeist bereits ein eigenes Konto und auch ein eigenes Einkommen, über das er / sie frei verfügen kann. Viele politische Entscheidungen betreffen diese Altersgruppe direkt, da sie entscheidend für die Zukunft der Jugendlichen sind.

Demografisch betrachtet haben die Forderungen der Jugendlichen immer weniger Gewicht, da ihre Gruppe im Verhältnis zur Gruppe der über Sechzigjährigen immer kleiner wird. Das hat zur Folge, dass sich Parteien zunehmend um die Verbesserung der Situation der älteren WählerInnen bemühen und langfristige Verbesserungen für die Jugend auf der Strecke bleiben. Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, ist es notwendig, die Gruppe der jungen WählerInnen zu vergrößern. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass auch die Interessen dieser Gruppe weiterhin gewahrt bleiben. Im Sinne einer Vertretung möglichst aller Gruppen ist es eine demokratiepolitische Notwendigkeit, das Wahlalter zu senken.“

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständlichen Vorlagen in seiner Sitzung am 24. Mai 2007 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin die Abgeordneten Dr. Robert Aspöck, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Elisabeth Grossmann, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Michael Spindelegger, Nikolaus Prinz, Herbert Scheibner, Barbara Zwerschitz, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Elisabeth Hlavac, Otto Pendl, Mag. Ruth Becher, Anna Franz, Dr. Peter Wittmann und Fritz Neugebauer sowie der Bundesminister für Inneres Günther Platter und der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„ Zu Z 2 (Art. 23a Abs. 3), Z 6 (Art. 26 Abs. 4) und Z 17 (Art. 60 Abs. 3 erster Satz):

Es wird vorgeschlagen, für die Wahlen zum Europäischen Parlament und zum Nationalrat die Altersgrenze für die Wählbarkeit auf das vollendete 18. Lebensjahr – also den Eintritt der Volljährigkeit – zu senken. Dies gibt zugleich Gelegenheit, Art. 23a Abs. 3 B‑VG knapper und einfacher als bisher zu fassen (vgl. Strejcek, Art. 23a B‑VG, in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. [2003], Rz 7). Die Altersgrenze von 35 Jahren für die Wählbarkeit zum Bundespräsidenten gemäß Art. 60 Abs. 3 B‑VG soll unverändert bleiben.

Zu Z 18 (Art. 95 Abs. 1):

Nach dem vorgeschlagenen dritten Satz des Art. 95 Abs. 1 kann die Landesverfassung vorsehen, dass auch Staatsbürger, die vor Verlegung ihres Hauptwohnsitzes in das Ausland einen Wohnsitz im Land hatten, für die Dauer ihres Auslandsaufenthalts, längstens jedoch über einen Zeitraum von zehn Jahren, zum Landtag wahlberechtigt sind (vgl. die Entschließung des Bundesrates vom 10. Mai 2007, E-221-BR/2007). Die Formulierung dieser Bestimmung orientiert sich an § 2 Abs. 3 erster Satz des Wählerevidenzgesetzes 1973.

Zu Z 25 (Art. 151 Abs. 36):

Es wird vorgeschlagen, die das Wahlrecht betreffenden Änderungen mit 1. Juli 2007 in Kraft treten zu lassen. Für die erforderliche Anpassung der landesrechtlichen Vorschriften soll in Anlehnung an Art. 15 Abs. 6 B‑VG eine Frist von sechs Monaten festgesetzt werden.

Zu Z 7 bis 16 und Z 19 bis 24:

Die Ziffernnummern der sonstigen Novellierungsanordnungen sind entsprechend anzupassen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger mit wechselnden Mehrheiten angenommen.

 

Ein vom Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer eingebrachter Abänderungsantrag fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Die Anträge 212/A und 8/A gelten als miterledigt.

 

Ein von den Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger eingebrachter Entschließungsantrag betreffend die Einführung von e-voting in Österreich wurde  mit Stimmenmehrheit beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode ist unter dem Kapitel Wahlrecht auch das Vorhaben verankert, die elektronische Stimmabgabe (e-voting) in Österreich weiter zu verfolgen. Darauf aufbauend hat die Bundesregierung in einem Ministerratsbeschluss die Eckpunkte der Wahlrechtsreform beschlossen und darin festgehalten, zu prüfen, „ob und gegebenenfalls innerhalb welchen Zeitraumes die technischen Voraussetzungen für eine elektronische Stimmabgabe (e-voting) bei gleichzeitiger Garantie der Wahlgrundsätze (insbesondere geheime, unbeeinflusste und persönliche Wahl) geschaffen werden könnten“. Weiters wurde beim Beschluss der B-VG-Novelle im Ministerrat festgehalten, dass die Frage der Schaffung einer verfassungsgesetzlichen Ermächtigung zur Einführung des e-voting im Parlament weiter geprüft werden soll.

Unter den Bedingungen einer immer mobiler werdenden Gesellschaft, in der der Gebrauch moderner Kommunikationstechnologien zunehmend selbstverständlich wird, sollte mittelfristig die Ausübung des Wahlrechts durch elektronische Stimmabgabe (e-voting) ermöglicht werden. Dieses Anliegen erscheint umso dringlicher, als damit gerade für die aufgrund der vorliegenden Wahlrechtsnovelle erstmals wahlberechtigte Gruppe der 16- bis 18-Jährigen ein zusätzlicher Anreiz zur Ausübung des Wahlrechts geschaffen werden würde.“

 

Ferner beschloss der Verfassungsausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellungen:

Eine wesentliche und zukünftige Herausforderung für den Wahlrechtsgesetzgeber stellt das Thema e-voting dar. Es soll daher gemeinsam mit den ExpertInnen der Parlamentsdirektion und unter Beiziehung von externen Experten eine Arbeitsgruppe aller fünf Fraktionen eingesetzt werden, die dieses Thema einer verfassungsrechtlichen und technischen Machbarkeitsanalyse unterziehen soll.

Die Arbeit soll im Hinblick auf die Belastung durch die Untersuchungsausschüsse umgehend nach deren Beendigung begonnen werden.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2007 05 24

                             Dr. Elisabeth Hlavac                                                          Dr. Peter Wittmann

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann