Vorblatt

Probleme und Ziele der Gesetzesinitiative

Der vorliegende Entwurf enthält Änderungen der StPO, des StGB, des JGG und des FinStrG, die der Anpassung dieser Gesetze an die mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, geschaffene neue Systematik des einheitlichen Ermittlungsverfahrens dienen. Die Änderungen im Haupt- und Rechtsmittelverfahren der StPO sollen sicherstellen, dass ein reibungsloser Übergang vom Ermittlungsverfahren in das Hauptverfahren stattfindet, das nach der neuen Grundsatzbestimmung des § 13 Abs. 1 den Schwerpunkt des Verfahrens bilden soll. Obwohl in erster Linie begriffliche Anpassungen vorgenommen werden, schlägt der Entwurf auch eine Reihe von Bestimmungen vor, die sich als Fortsetzung der verbesserten Rechtsstellung von Opfern und Beschuldigten im Ermittlungsverfahren verstehen. Eine umfassende Reform des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens, insbesondere auch eine Reform der Laienbeteiligung im Strafverfahren soll jedoch einem gesonderten Reformschritt vorbehalten bleiben.

Grundzüge der Problemlösung

Mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, wurde das Vorverfahren der StPO, also der Verfahrensabschnitt, der sich der Klärung des Verdachts einer Straftat bis hin zur Erhebung der Anklage widmet (1. bis 3. Teil samt 1. und 2. Abschnitt des 4. Teils der StPO) grundlegend erneuert. Das einheitliche, in Zusammenarbeit von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zu führende Ermittlungsverfahren, das an die Stelle der bisherigen Vorerhebungen und der Voruntersuchung tritt, hat Auswirkungen auf eine Reihe von Bestimmungen des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens der StPO, des StGB und des JGG, die auf dem Idealbild des früheren Verfahrens, der gerichtlichen Voruntersuchung aufbauen. Es werden daher die Anpassungen vorgeschlagen, die notwendig sind, um eine reibungslose Umsetzung des Strafprozessreformgesetzes sicherzustellen. Daneben sollen sich verbesserte Beteiligungsrechte auch im Stadium der Hauptverhandlung (klare Regelung des Beweisantragsrechts) und des Rechtsmittelverfahrens (Nichtigkeitsbeschwerde des Privatbeteiligten, dessen Beweisantrag in der Hauptverhandlung abgewiesen wurde) niederschlagen.

Alternativen

Keine.

Kosten

Keine. Die Auswirkungen des Strafprozessreformgesetzes im Bereich der Personal- und Sachaufwandes wurden bereits im Zuge der Stellenpläne sowie der vergangenen Bundesfinanzgesetze berücksichtigt. Durch die nun vorgenommenen Anpassungen werden keine ins Gewicht fallenden Mehrbelastungen von Gericht oder Staatsanwaltschaft veranlasst.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich

Keine.

Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

EU-Recht wird durch den vorliegenden Entwurf nicht berührt.


Erläuterungen

I. Allgemeines

A. Strafprozessordnung

Mit In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, erhält das Vorverfahren eine – in praxi bereits sehr lang bestehende – einheitliche Struktur. An die Stelle der bisherigen Teilung in unterschiedliche Verfahrensarten und -stadien mit unterschiedlicher Leitungskompetenz tritt nunmehr ein einheitliches, von der Staatsanwaltschaft in Kooperation mit der Kriminalpolizei geführtes Ermittlungsverfahren. Die Differenzierung zwischen gerichtlichen Vorerhebungen und gerichtlichen Voruntersuchungen gehört der Vergangenheit an.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen neben bloßen Zitatanpassungen die erforderlichen Anpassungen des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens an die neue Verfahrensstruktur vorgenommen werden. Das Zwischenverfahren soll vereinfacht und im Wesentlichen auf Vorbereitungshandlungen zur Hauptverhandlung reduziert werden. Darüber hinaus soll das Beweisantragsrecht für Angeklagte, Opfer (die sich entschieden haben, als Privatbeteiligte am Verfahren mitzuwirken) und Staatsanwaltschaft an das Konzept des Ermittlungsverfahrens (§ 55 StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004) angepasst werden. Die „Vervollständigung“ (§§ 224 f StPO) soll ebenso entfallen wie die „Rückleitung“ des Verfahrens (§ 276 StPO). Der Verteidiger soll künftig eine schriftliche Gegenäußerung zur Anklageschrift einbringen können. Darüber hinaus soll dem Angeklagten das Recht zukommen, sich in der Hauptverhandlung der Unterstützung eines „Privatsachverständigen“ zu bedienen (§ 249 StPO).

Opfern, die sich als Privatbeteiligte dem Verfahren angeschlossen haben, soll grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z 4 zu erheben.

Da mit dem Strafprozessreformgesetz erstmals allgemeine Bestimmungen über Beschlüsse im Strafverfahren und das Verfahren der Beschwerde für alle Verfahrensarten in die StPO eingeführt wurden (§§ 85 ff.), konnte auch im Hauptverfahren auf gesonderte Regelungen insoweit verzichtet werden, als im Einzelnen nichts Besonderes zu bestimmen war.

Schließlich müssen die Bestimmungen über die Wiederaufnahme und über das Abwesenheitsverfahren, die auf der überkommenen Systematik eines gerichtlichen Vorverfahrens beruhen, neu geordnet werden.

B. Strafgesetzbuch

Die Anpassungen im Strafgesetzbuch betreffen einerseits § 42 StGB („Mangelnde Strafwürdigkeit“), der in dem prozessualen Einstellungsgrund gemäß § 191 StPO („Einstellung wegen Geringfügigkeit“) aufgeht, andererseits den Umstand, dass Verfahren erst mit Erhebung der Anklage „gerichtsanhängig“ werden, was eine Anpassung der Bestimmung des § 58 Abs. 3 Z 2 StGB erfordert. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die neue StPO bloß die Ermächtigung zur Strafverfolgung, aber nicht mehr einen Antrag auf Strafverfolgung vorsieht; Antragsdelikte sind daher entweder in reine Offizialdelikte oder in Ermächtigungsdelikte umzuwandeln. Letztlich soll die falsche Aussage in einer förmlichen, nach den Bestimmungen der StPO vorgenommenen Vernehmung strafrechtlich unabhängig davon gleich behandelt werden, welches Organ die Vernehmung durchgeführt hat.

C. Jugendgerichtsgesetz 1988

Neben begrifflichen Anpassungen soll im JGG insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das gerichtliche Verfahren durch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren abgelöst wird. In einem solchen haben familienrechtliche Verfügungen keinen Platz, weil sie dem Gericht vorbehalten sind, das jedoch erst durch Einbringen der Anklage die Verfahrensleitung übernimmt. Familienrechtliche Verfügungen würden daher auf das Hauptverfahren beschränkt bleiben und dort aller Regel nach „zu spät“ kommen, um auf eine besorgniserregende Entwicklung eines Jugendlichen reagieren zu können. Die Differenzierung zwischen staatsanwaltschaftlicher und gerichtlicher Diversion gemäß § 7 JGG soll ebenso der neuen Verfahrenssystematik (keine gerichtlichen Zuständigkeit für Ermittlungen im Vorverfahren) angepasst werden.

D. Finanzstrafgesetz

Das Verfahren nach dem Finanzstrafgesetz wurde bereits durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/2007, an die Systematik des Strafprozessreformgesetzes angepasst. Die nunmehrigen Änderungen betreffen bloß formale Anpassungen (Richtigstellung von Überschriften und Zitate) an Bestimmungen des Haupt- und Rechtsmittelverfahren, die durch den vorliegenden Entwurf abgeändert werden sollen.

2. Zu den finanziellen Auswirkungen

Die Schaffung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens hat einen vermehrten Planstellenbedarf im Bereich der Staatsanwaltschaften ausgelöst, der im Rahmen der Stellenpläne der vergangenen Bundesfinanzgesetze berücksichtigt wurde. Zuletzt wurden auch im nichtrichterlichen Bereich die Voraussetzungen für eine personell erfolgreiche Umsetzung der Reform des Vorverfahrens gelegt. Durch die nun vorgeschlagenen Anpassungen sind hingegen keine oder nur geringe finanzielle Auswirkungen zu veranschlagen, die jedenfalls im Rahmen des Haushalts des Justizressorts getragen werden können.

3. Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Artikel I (Änderungen der Strafprozessordnung 1975)

Zu Z 1, 30, 37, 101, 115, 129, 141, 154, 161, 165, 181, 211, 220, 224 und 231 (Inhaltsverzeichnis sowie Überschriften des 13. bis 26. Hauptstückes):

Das Inhaltsverzeichnis der StPO soll gemäß der durch das Strafprozessreformgesetz vorgegebenen Nummerierung fortgesetzt und vereinheitlicht werden (Ersatz der römischen Zahlen durch arabische Zahlen). Demgemäß sollen beginnend mit dem 13. Hauptstück auch die Überschriften der Hauptstücke der StPO neu nummeriert werden.

Zu Z 1a (§ 20 Abs. 2 StPO):

Das Ermittlungsverfahren wird künftig auch wegen Straftaten, für die im Hauptverfahren das Bezirksgericht zuständig wäre, von der Staatsanwaltschaft geführt, die sich auch in diesem Verfahrensstadium von Bezirksanwälten vertreten lassen können soll; insoweit soll die Regelung auf die Tätigkeit von Bezirksanwälten im Ermittlungsverfahren ausgeweitet werden, deren genauer Umfang durch Änderungen im Staatsanwaltschaftsgesetz zu definieren sein wird.

Zu Z 2 (§ 26 StPO):

Im Zuge der Schulungsmaßnahmen zum Strafprozessreformgesetz kamen Bedenken gegenüber der Regelung auf, dass das Zuvorkommen letztlich den Ausschlag für die Zuständigkeit einer Staatsanwaltschaft für das gesamte Ermittlungsverfahren wegen mehrerer Beschuldigter oder Straftaten geben soll, weil damit einerseits der Kriminalpolizei eine „Steuerungsmöglichkeit“ für die Begründung er örtlichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft in die Hand gegeben wäre, andererseits im Hauptverfahren Zuständigkeitsübergänge zu befürchten wären (nämlich dann, wenn eine Staatsanwaltschaft, die wegen einer Straftat, für die im Hauptverfahren das Landesgericht als Einzelrichter zuständig wäre, zuvorgekommen ist und damit auch das Ermittlungsverfahren wegen Straftaten zu führen hätte, wegen der sie Anklage vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht einzubringen hätte). Mit dem nun vorgeschlagenen Abs. 2 soll diese Konsequenz vermieden und für die Fälle der Zuständigkeit des Zusammenhangs eine Regelung geschaffen werden, die der örtlichen Zuständigkeit des Landesgerichts gemäß § 37 Abs. 2 entspricht.

Eine weitere Flexibilisierung der Zuständigkeitsregelungen, wie teilweise im Begutachtungsverfahren gefordert, stößt allerdings an die Grenzen des Prinzips der festen Zuständigkeitsverteilung. Zweckmäßigkeitserwägungen sind bloß in den durch § 28 (Bestimmung der Zuständigkeit) gezogenen Grenzen zulässig.

Die uneingeschränkte Wahrung des zuvor erwähnten Prinzips hat letztlich auch den Ausschlag gegeben, die im Begutachtungsverfahren geäußerte Kritik an der zwingenden Abtretung im Fall des Verdachts gegen Angehörige der Staatsanwaltschaft oder Gericht aufzugreifen und auf die im Ministerialentwurf vorgeschlagene Neuregelung der §§ 28, 36 und 39 Abs. 1 zu verzichten. Im Endergebnis hätte diese Regelung nämlich verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verstoßes gegen Artikel 83 Abs. 2 B-VG begründet, weil die gerichtliche Zuständigkeit an die staatsanwaltschaftliche Abtretung im Ermittlungsverfahren „gebunden“ wäre. Eine auch dem äußeren Anschein nach unbefangene Beurteilung des Verdachts gegen Angehörige der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts wird durch entsprechend sorgfältige Handhabung der Bestimmungen der §§ 28 und 39 zu dokumentieren sein.

Zu Z 3 und 4 (§§ 30 Abs. 1 und 31 Abs. 4 Z 2 StPO ):

§ 30 Abs. 1 StPO soll um jene, mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006 eingeführten Bestimmungen ergänzt werden (§ 107a StGB – beharrliche Verfolgung; § 177c – fahrlässiger unerlaubter Umgang mit Kernmaterial, radioaktiven Stoffen oder Strahleneinrichtungen; § 181e StGB – grob fahrlässiges umweltgefährdendes Betreiben von Anlagen), für die trotz ihrer Strafdrohung das Landesgericht als Einzelrichter zuständig sein soll. Zwar kann nunmehr gemäß § 173 Abs. 2 Z 3 StPO die Untersuchungshaft aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr auch aufgrund des dringenden Verdachts von Straftaten verhängt werden, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht sind, jedoch sprechen verfahrensrechtliche (summarisches Verfahren ist in Haftfällen weniger geeignet) und verfahrensökonomische Überlegungen (trotz der besonderen Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 5 StPO kann es auch erst im Stadium des Hauptverfahrens zur Verhängung der Untersuchungshaft und damit zu erhöhten Vorführungskosten kommen) dafür, die Zuständigkeit beim Einzelrichter des Landesgerichts zu belassen. Darüber hinaus soll hinsichtlich der Zuständigkeitsbegründung auf Grund des Vergehens der pornographischen Darstellung Minderjähriger eine Präzisierung vorgenommen werden, weil lediglich § 207a Abs. 3 1. Fall StGB einer besonderen Erwähnung bedarf.

Zu Z 5 bis 7, 14 bis 16, 20, 23 und 27 bis 29 (§§ 32 Abs. 3 und 4, 66 Abs. 1 Z 4, 70 Abs. 2 Z 4, 113 Abs. 2, 120 Abs. 1, 122 Abs. 1, 133 Abs. 4, 153 Abs. 2, 200 Abs. 3 und  5, 201 Abs. 1, 3 und 5, 203 Abs. 1, 2, 3 und 4, 204 Abs. 1, 205 Abs. 1 und 2, 207, 208, 209 Abs. 1 StPO):

Die Anpassungen dienen bloß der Berichtigung von Zitatfehlern bzw. der Anpassung an die mit dem Strafprozessreformgesetz eingeführte Begriffsbildung.

Zu Z 8 (§ 72 StPO):

Erklärt die Staatsanwaltschaft außerhalb der Hauptverhandlung einen Rücktritt von der Anklage, so hat der Privatbeteiligte das Recht, binnen einem Monat ab gerichtlicher Verständigung zu erklären, dass er die Anklage als Subsidiarankläger aufrecht halte. Um für den Fall eines Rücktritts der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung eine Schlechterstellung des Privatbeteiligten zu vermeiden, der mangels ordnungsgemäßer Ladung an ihr nicht teilnehmen konnte, soll auch für diesen Fall eine Verständigungspflicht des Privatbeteiligten eingeführt werden (das Gericht wird sich daher in einem solchen Fall vor Fällung eines Freispruchs gemäß § 259 Z 2 StPO zu vergewissern haben, ob die Ladung aller Privatbeteiligter ausgewiesen ist). Der Privatbeteiligte soll sodann seine Anträge binnen einem Monat einbringen können und auf diese Weise seine Rechte wahren können.

Zu Z 9 (§ 76 Abs. 2a):

§ 36 StPO aF konkretisiert den in Art. 22 B-VG festgeschriebenen Amtshilfeanspruch, der grundsätzlich jede Behörde trifft, auch gegenüber der Staatsanwaltschaft (vgl. Schroll, WK-StPO § 36 Rz 1). Dieser Amtshilfeanspruch hat nach der Rechtsprechung des OGH (10 Ob 28/07a) allerdings bloß internen Charakter und berührt die Rechtssphäre der Parteien nicht unmittelbar. Begründend wird darauf verwiesen, dass ein gerichtliches Verfahren über die Frage der Berechtigung der Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens der Staatsanwaltschaft durch ein ersuchtes Gericht nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Daher hätten weder die Parteien des Verfahrens noch die ersuchende Staatsanwaltschaft ein subjektives Recht darauf, dass Amtshilfe geleistet oder verweigert werde. Die Staatsanwaltschaft könne daher auch keine Parteistellung in einem derartigen Verfahren erlangen. Aus dem internen Charakter folge auch, dass Ersuchen um Amtshilfe sowie deren Entsprechung oder deren Ablehnung keine normativen Akte, insbesondere keine Beschlüsse bzw. Bescheide darstellen. Die Erledigung oder Verweigerung der Amtshilfe hätte daher auch nicht im Bescheid- oder Beschlussform zu ergehen. Der neu eingefügte Abs. 2a soll diese Gesetzeslücke schließen und - ähnlich wie § 40 JN - eine Kompetenz des dem die Rechtshilfe verweigernden Gerichts übergeordneten Oberlandesgerichts einführen. Dieses soll in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss über Meinungsverschiedenheit zwischen Staatsanwaltschaft und (Zivil)Gericht über Grund oder Umfang der Rechtshilfe entscheiden. Aus dem Regelungsstandort in der StPO soll jedoch keine Festlegung für die Geschäftsverteilung der Oberlandesgerichte getroffen werden, sodass die Behandlung von strittigen Ersuchen der Zivilgerichte um Rechtshilfe für eine Staatsanwaltschaft auch in Zivilsachen tätigen Senaten übertragen werden können soll.

Zu Z 10 (§ 82 Abs. 2 StPO ):

Die in § 82 Abs. 2 StPO zitierten Bestimmungen des Zustellgesetzes (Regelung der Zustellung im Fall der Änderung der Abgabestelle und Auftrag zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten) sollen nicht nur auf Privatbeteiligte, sondern allgemein auf Opfer anzuwenden sein, um rasche und ordnungsgemäße Zustellungen auch bei Opfern, die im Bundesgebiet über keinen Aufenthalt verfügen, sicherzustellen .

Zu Z 11 (§ 86 Abs. 2 und 3 StPO )

Zur Vermeidung von Missverständnissen soll klargestellt werden, dass grundsätzlich jeder Beschluss, unabhängig davon, ob er in nichtöffentlicher Sitzung oder in mündlicher Verhandlung gefasst wird, auszufertigen und den zur Beschwerde Berechtigten zuzustellen ist. Ein Unterbleiben der Ausfertigung und Zustellung soll nur in jenen Fällen möglich sein, in denen das Gesetz eine mündliche Verkündung vorschreibt, sämtliche Berechtigte jedoch sogleich nach Verkündung des Beschlusses auf eine Beschwerde verzichten (eine Beurkundung im Protokoll der Verhandlung hat jedenfalls zu erfolgen).

Zu Z 12 (§ 89 Abs. 5 StPO)

Die Ergänzung des Abs. 5 dient der Übernahme der durch die Strafprozessnovelle 2005, BGBl. I Nr. 164/2004, geschaffenen Einschränkung des Grundsatzes der Zweiseitigkeit (siehe § 114 StPO aF). Es soll daher von der Gelegenheit zu einer Stellungnahme abgesehen werden können, wenn der Gegenstand der Beschwerde auf die Bewilligung von Anordnungen abzielt, deren „Erfolg“ voraussetzt, dass sie dem Gegner der Beschwerde vor ihrer Durchführung nicht bekannt werden (z.B. Antrag auf gerichtliche Bewilligung einer Anordnung auf Festnahme oder Antrag auf gerichtliche Bewilligung einer Anordnung der Überwachung von Nachrichten oder der Anordnung auf Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung).

Zu Z 13 (§ 110 Abs. 3 StPO):

Zum Zweck einer rascheren Durchsetzung von Restitutionsansprüchen des Opfers soll einer Anregung im Begutachtungsverfahren folgend die Kriminalpolizei berechtigt werden, Gegenstände, die dem Opfer durch die Straftat entzogen wurden, von sich aus sicherzustellen (§ 110 Abs. 3 Z 1 lit. b). Bei offensichtlichen Beutestücken kann somit – unabhängig vom Ort der Auffindung – eine Sicherstellung auch ohne entsprechende Anordnung der Staatsanwaltschaft von der Kriminalpolizei durchgeführt werden. Damit soll vor allem im Bereich der Kleinkriminalität (Ladendiebstahl, etc.) eine Verfahrensvereinfachung erzielt werden. Gleiches gilt für Gegenstände, mit denen eine Person, die aus dem Grunde des § 170 Abs. 1 Z 1 festgenommen wird, betreten wurde oder die im Rahmen ihrer Durchsuchung gemäß § 120 Abs. 1 aufgefunden werden (§ 110 Abs. 3 Z 3). In beiden Fällen kann nämlich die Kriminalpolizei die Festnahme und Durchsuchung von sich aus vornehmen, weshalb auch eine Sicherstellung im Rahmen dieser Befugnisse nicht einer Anordnung durch die Staatsanwaltschaft vorbehalten sein soll. Schließlich soll im § 110 Abs. 3 Z 4 ein Zitatfehler berichtigt werden.

Zu Z 15 (§ 120 Abs. 1):

Gemäß § 170 Abs. 1 Z 1 ist die Kriminalpolizei von sich aus berechtigt, eine Person festzunehmen, die auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen. Für diesen Fall soll eine Durchsuchungsermächtigung geschaffen werden, damit die Kriminalpolizei nicht von der ihr in § 40 Abs. 1 SPG eingeräumten Durchsuchungsbefugnis Gebrauch machen muss.

Zu Z 17 (§ 124 Abs. 3, 4 und 5 StPO):

Als Reaktion auf mehrere gleichlautende Stellungnahmen, wonach für das Fachgebiet „forensische Molekularbiologie“ in ganz Österreich nur sieben in die Sachverständigenlisten eingetragene Experten und zum Beispiel am Österreichischen DNA-Zentrallabor in Innsbruck gar keine Sachverständigen aus diesem Fachgebiet Art tätig wären und überdies forensische DNA-Analysen als Weiterentwicklung spurenkundlicher Untersuchungsmethoden traditionell dem Fach „Gerichtliche Medizin“ zuzuordnen sind, soll – alternativ zu Sachverständigen aus dem Fachgebiet der forensischen Molekularbiologie – auch die Beauftragung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gerichtlichen Medizin ermöglicht werden (§ 124 Abs. 3 StPO). Die Änderungen des § 124 Abs. 4 und 5 StPO sollen fehlerhafte Zitate berichtigen.

Zu Z 18 (§ 126 Abs. 2 und 3 StPO):

In Abs. 2 soll das in § 118a StPO idF BGBl. I Nr. 134/2002 enthaltene Gebot, bei der Wahl von Sachverständigen und der Bestimmung des Umfangs ihres Auftrags nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit vorzugehen, aufgenommen werden, um auch künftig ein Kostenbewusstsein der bestellenden Organe einfordern zu können (vgl. RV StRÄG 2002, 1166 der Beilagen XXI. GP, 47).

Damit Leiterinnen und Leitern von Universitätseinheiten stets einen aktuellen Überblick über die Sachverständigentätigkeit ihres wissenschaftlichen Personals gewinnen können, soll der letzte Satz des § 119 Abs. 1 StPO idF BGBl. I Nr. 164/2004, wonach bei Bestellung von Angehörigen des wissenschaftlichen Personals einer Universitätseinheit als Sachverständige eine Ausfertigung des Auftrags auch dem Leiter der Einheit zuzustellen ist, in den Abs. 3 übernommen werden.

Zu Z 19 (§ 128 StPO):

Die bisherige Fassung hat zu Zweifeln Anlass gegeben, ob im Fall einer unklaren Todesursache die Beiziehung eines Arztes dem Ermessen der Kriminalpolizei anheim gestellt wäre; es soll daher klargestellt werden, dass eine Leichenbeschau durch einen Arzt vorgenommen werden muss.

Als Reaktion auf einen Bericht des Rechnungshofes über die von April bis August 2004 vorgenommene Prüfung von Teilgebieten der Gebarung der Medizinischen Fakultät der Universität Wien (ab 2004 Medizinische Universität Wien) mit dem Schwerpunkt Institut für Gerichtliche Medizin, der Mängel in der Verrechnung der Sachverständigengebühren, Verzögerungen bei der Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sowie bauliche Mängel an dem vom Institut genützten Räumlichkeiten aufgezeigt hat, sollte für Befund und Gutachten über eine Obduktionen eine exklusive Beauftragung von Universitätseinheiten geschaffen werden.

Eine nähere Analyse der Konsequenzen dieser Regelung im Zuge der Begutachtung zur Strafprozessnovelle 2005 hat jedoch die Mängel einer solchen Konzentration dargetan. Insbesondere würden durch sie nicht nur Grundsätze des Sachverständigenrechts (freie Auswahl unter den ständig beeideten und zertifizierten Sachverständigen, die für ein bestimmtes Fachgebiet in die Sachverständigenliste eingetragen sind; persönliche und unmittelbare Verantwortung) sondern auch die Erwerbsausübungsfreiheit freiberuflich tätiger Fachärzte aus dem Fachgebiet der Gerichtlichen Medizin gefährdet. Aus diesem Grund hat der Ministerialentwurf eine Mittellösung angestrebt, die jedenfalls sicherstellen sollte, dass die Leiter der Universitätseinheiten ihre Dienstaufsicht ausüben konnten, wenn ein Angehöriger ihrer Einheit vom Gericht zum Sachverständigen bestellt wird (siehe §§ 119 Abs. 1 und 128 Abs. 1 StPO idF BGBl. I Nr. 164/2004 sowie RV 679 d. Beilagen XXII. GP und JAB 742 d. Beilagen XXII. GP). Es wurde daher vorgeschlagen, dass – unter Beachtung der Erwerbsausübungsfreiheit und des Grundsatzes der freien Auswahl des zu bestellenden Sachverständigen – entweder eine Organisationseinheit für gerichtliche Medizin einer Universität oder aber ein Facharzt, der nicht Angehöriger einer solchen Einheit ist, mit der Obduktion beauftragt werden kann.

Dieser Vorschlag wurde jedoch im Zuge des Begutachtungsverfahrens, mit Ausnahme des Rechnungshofs und der Medizinischen Universität Wien, von einer Vielzahl unterschiedlicher Institutionen einhellig und vehement abgelehnt. Die breite Front der Gegner dieses Vorschlags setzt sich nicht bloß aus Vertretern der einzelnen gerichtsmedizinischen Institute und Departments, dem Hauptverband der Gerichtssachverständigen sowie den privat tätigen Gerichtsmedizinern zusammen, sondern auch aus dem Bereich der Rechtswissenschaft (Universität Wien), der Strafrechtspraxis (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälte) sowie der gesetzlichen Berufs- und Interessenvertretungen (Richtervereinigung, Vereinigung österreichischer Staatsanwälte, Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag und Österreichische Ärztekammer). Im Lichte dieser weit überwiegend einhelligen Kritik, die die Beauftragung einer Universitätseinheit anstelle einer natürlichen Person als mit dem bestehenden System des gerichtlichen Sachverständigenwesens völlig unvereinbar betrachtet und eine Gefährdung der unabhängigen Sachverständigentätigkeit erblickt, soll an der derzeit geltenden Rechtslage festgehalten werden (immerhin stellt die geltende Rechtslage das Ergebnis eines breiten Dialogs mit den erwähnten Berufsgruppen und einer intensiven Diskussion im Justizausschuss dar, die weniger als zwei Jahre zurückliegt). Durch flankierende Maßnahmen im Bereich des Gebührenanspruchsgesetzes (vgl. die Vorschläge zur Einführung eines Revisors zur Kontrolle der Sachverständigengebühren auch im Strafverfahren und zur Klarstellung der Weiterverrechnung von Fixkosten im Ministerialentwurf eines Berufsrechtsänderungesetzes 2008 - BRÄG 2008) soll jedoch den Forderungen des Rechnungshofes – soweit wie möglich – nachgekommen werden. Schließlich kann nur durch die Beauftragung einer individuellen, natürlichen Person eine persönliche Haftung des Sachverständigen, das persönliche Erscheinen und die Teilnahme des tatsächlich bestellten Sachverständigen an der Hauptverhandlung sowie eine eindeutige Zuordnung allfälliger Konsequenzen bei Missachtung der Pflichten eines Sachverständigen bzw. Verzögerung von Gutachten erreicht werden.

Die Staatsanwaltschaft soll somit grundsätzlich einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der gerichtlichen Medizin mit der Durchführung einer Obduktion zu beauftragen haben. Im Fall der Bestellung eines Angehörigen des wissenschaftlichen Personals einer Universitätseinheit, soll diesem Sachverständigen der Auftrag im Wege des Leiters der Einheit zuzustellen sein, dem dadurch – auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 353 Abs. 3 ZPO – ermöglicht wird, seiner Dienst- und Fachaufsicht nachzukommen und die Interessen der Forschung und Lehre zu wahren (Gefährdung dienstlicher Interessen durch übermäßige Sachverständigentätigkeit unter Inanspruchnahme von Personal und Sachmittel der Universität).

Zu Z 21 (§ 135 Abs. 3 Z 3 StPO)

Die Wendung in § 135 Abs. 3 Z 3 „und der Inhaber der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, dringend verdächtig ist, die Tat begangen oder geplant zu haben oder zu planen“ lässt offen, ob sie sich nur auf den Organisationsfall bezieht oder die gesamte Z 3, wobei Folgendes zu bedenken ist:

Bezieht sich das Erfordernis des dringenden Tatverdachts des Anlageninhabers auf beide Überwachungsfälle, würde das zu einer Einschränkung der Überwachung gegenüber der heutigen Rechtslage führen. Die Überwachung könnte nicht mehr bei einem Dritten ansetzen. Es wäre also künftig nicht mehr möglich, das Handy der Freundin des dringend Verdächtigen zu überwachen, wenn die Annahme besteht, er werde sich mit ihr in Verbindung setzen. Denn die technische Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, ist ja wohl jene, an der die Überwachung anknüpft. Kombiniert man das Erfordernis des dringenden Tatverdachts des Anlageninhabers hingegen nur mit dem Organisationsfall, dann läuft das darauf hinaus, dass eine Überwachung immer zulässig wäre, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, erforderlich erscheint. Weitere Beschränkungen – abgesehen von der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung – gäbe es nicht. Man könnte danach nicht bloß den Anschluss des dringend Tatverdächtigen überwachen und den seiner Freundin, falls man mit guten Gründen davon ausgehen kann, dass er sich mit ihr in Verbindung setzen kann. Vielmehr wäre es auch möglich, Kommunikation zwischen zwei nicht verdächtigen Personen zu überwachen, wenn die Annahme besteht, sie würden sich über den Verdächtigen unterhalten. Und das wäre noch nicht alles an erweiterten Eingriffsrechten: Es wäre für eine Inhaltsüberwachung nicht einmal mehr ein dringender Tatverdacht nötig. Es würde ausreichen, dass die Überwachung zur Aufklärung erforderlich erscheint. Dieses Ergebnis ist jedoch mit der Absicht des Gesetzgebers nicht in Einklang zu bringen. Heißt es doch in den Erläuterungen zur RV 25 BlgNR XXII. GP, zum einen, dass die bestehenden Überwachungsmöglichkeiten übernommen werden sollten. Zum anderen werden durchwegs die große Grundrechtsrelevanz von Überwachungsmaßnahmen und die Notwendigkeit der Interessenabwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung betont. Vor diesem Hintergrund wäre es ein Widerspruch im Gegenzug bei der eingriffsintensivsten Überwachungsform auf alle besonderen Eingriffsvoraussetzungen zu verzichten.

Zur Vermeidung solcher Auslegungsschwierigkeiten soll Abs. 3 Z 3 sinnvoll umstrukturiert werden, um im Ergebnis keine Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten zu bewirken. Wenn also die einer Tat dringend verdächtige Person nicht selbst Anlageninhaber ist, muss auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen sein, dass diese Person die zur Überwachung bestimmte technische Einrichtung entweder benützen oder mit ihr eine Verbindung herstellen werde.

Zu Z 22 (§ 142 Abs. 4 StPO):

Gemäß § 142 Abs. 3 ist die Anordnung samt gerichtlicher Bewilligung auch der Datenschutzkommission zuzustellen. Nach geltendem Recht kommt der Datenschutzkommission auch Beschwerdelegitimation zu. Da diese jedoch nicht von der allgemeinen Regel der zur Beschwerde Berechtigten gemäß § 87 StPO erfasst wird, soll die Beschwerdelegitimation der Datenschutzkommission in dieser Bestimmung ausdrücklich klargestellt werden.

Zu Z 24 (§ 183 Abs. 5 StPO):

Im Ministerialentwurf war der Entfall des so genannten Präsidentenverhörs, jedoch die Übernahme der Anordnung des geltenden Rechts vorgesehen, wonach ein verhafteter Angeklagte binnen drei Tagen nach Rechtswirksamkeit der Anklage dem Gericht zu überstellen ist, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. Die Frist hat im Begutachtungsverfahren Missverständnisse im Hinblick auf § 172 Abs. 1 StPO ausgelöst (etwa in die Richtung, dass im Fall der Festnahme nach Rechtswirksamkeit der Anklage die Frist von 48 Stunden zur Einlieferung in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts überschritten werden könnte). An systematisch richtiger Stelle („Haftort“) soll nunmehr klargestellt werden, dass der Angeklagte nach Rechtswirksamkeit der Anklage, soweit die Zuständigkeit eines anderen (als des Landesgerichts, das für das Ermittlungsverfahren zuständig war) Landesgerichts begründet wird, unverzüglich der Justizanstalt des Landesgerichts zu überstellen ist, vor dem die Hauptverhandlung durchzuführen ist.

Zu Z 25 (§ 191 StPO):

Die Einstellung wegen Geringfügigkeit soll exakt in jenem Bereich wirken, der im geltenden Recht von der mangelnden Strafwürdigkeit gemäß § 42 StGB erfasst wird; dies soll hier auch sprachlich zweifelsfrei zum Ausdruck kommen.

Im Begutachtungsverfahren haben es mehrere Stellungnahmen als Mangel empfunden, dass durch die Umgestaltung des materiellen Strafaufhebungsgrundes des § 42 StGB in eine prozessuale Einstellungsermächtigung die gerichtliche Wahrnehmung trotz Vorliegen der Voraussetzungen des § 191 nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Der Entwurf will diese Kritik aufgreifen und schlägt – analog der für das Diversionsverfahren vorgesehenen Bestimmung des § 199 – in einem neuen Abs. 2 vor, dass die Einstellung wegen Geringfügigkeit auch durch das Gericht im Hauptverfahren (und zwar nach Rechtswirksamkeit der Anklage) in jeder Lage des Verfahrens angeordnet werden kann. Dadurch soll klargestellt werden, dass es sich um ein prozessuales Verfolgungshindernis handelt, das auch im Verfahren über einen Einspruch gegen die Anklageschrift oder auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde wahrzunehmen ist (§§ 212 Z 1, 281 Abs. 1 Z 9 lit. b). Die funktionelle Gerichtszuständigkeit soll durch einen Verweis auf § 209 Abs. 2 geregelt werden.

Zu Z 26 (§ 197 Abs. 4 StPO):

Der Ministerialentwurf hat die Beseitigung der Regelung des sicheren Geleits vorgeschlagen. Dagegen wurden im Begutachtungsverfahren Bedenken geltend gemacht, weil durch den Hinweis auf die Möglichkeit des gelinderen Mittels der Sicherheitsleistung der bisherige Anwendungsbereich des sicheren Geleits nicht abgedeckt werden könne. Tatsächlich ist es ja auch so, dass die „Zusage“ der Staatsanwaltschaft, gegen Sicherheitsleistung von einem Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft absehen zu wollen, nicht verhindern kann, dass der Beschuldigte festgenommen wird. Als „Anreiz“, sich dem Verfahren freiwillig zu stellen, soll daher die Regelung des sicheren Geleits in den Entwurf an systematisch richtiger Stelle wieder aufgenommen werden.

Abs. 4 orientiert sich abgesehen von einer sprachlichen Neufassung an der Regelung des geltenden Rechts, wobei eine besondere Bestimmung für die Sicherheitsleistung, ihren Verfall und den Verlust der Wirkung des sicheren Geleits durch einen Verweis auf die Bestimmungen über die Kaution (§ 180 StPO) vermieden werden kann.

Zu Z 30 (Überschrift des 13. Hauptstückes der StPO):

Das 13. Hauptstück der StPO soll auf die eigentlichen Vorbereitungshandlungen der Hauptverhandlung reduziert werden; ein „Zwischenverfahren“ mit der Möglichkeit zur „Vervollständigung“ der Voruntersuchung (§ 224 StPO aF) soll es nicht mehr geben. Der bereits erwähnte Verfahrensgrundsatz der Unmittelbarkeit (§ 13 StPO) gebietet es, dass die Beweise grundsätzlich in mündlicher Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aufgenommen werden. Befürchtungen, dass sich die Dauer der Hauptverhandlung verlängern wird, sind grundsätzlich mit der neuen Verfahrenssystematik zu begegnen. Schon der Zweck des Ermittlungsverfahrens (§ 91 Abs. 1 StPO) ist darauf ausgerichtet, dass eine zügige Durchführung der Hauptverhandlung ermöglicht wird. In den Voraussetzungen für eine Anklage spiegelt sich wiederum die Erwartung des Gesetzgebers, dass jede Anklage einen ausreichend geklärten Sachverhalt und eine daraus ableitbare Verdachtslage voraussetzt, die eine Verurteilung des Angeklagten wahrscheinlich macht (§ 210 Abs. 1 StPO). Diese Erwartung des Gesetzgebers unterliegt jedenfalls im schöffen- und geschworenengerichtlichen Verfahren auch der gerichtlichen Überprüfung im Wege des Einspruchs gegen die Anklageschrift (§§ 212 Z 2 und 3 und 215 Abs. 2 und 3 StPO).

Danach sind in diesem Verfahrensabschnitt – der eine rechtswirksame Anklage voraussetzt (§§ 213 Abs. 4 und 215 Abs. 6 StPO) – folgende Verfahrenshandlungen zu unterscheiden:

         - Regelung und zusammenfassende Bezeichnung jenes Personenkreises, dem ein Beteiligungsrecht zukommt (§ 220);

         - Terminfixierung und Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Hauptverhandlung samt Vorkehrungen für eine angemessene Verteidigung (§ 221);

         - Beweisanträge und deren Behandlung (§ 222);

         - Vertagung der Hauptverhandlung (§ 226);

         - Rücktritt von der Anklage und Austausch der Anklageschrift vor Beginn der Hauptverhandlung (§ 227).

Zu Z 31 (§ 220 StPO)

§ 220 führt den Begriff der „Beteiligten des Hauptverfahrens“ ein, der die Staatsanwaltschaft (die mit dem Einbringen der Anklage das Hauptverfahren eröffnet und in die Rolle eines Beteiligten des Verfahrens wechselt, siehe § 210 Abs. 3 StPO), den Angeklagten, den Haftungsbeteiligten, den Privatankläger, Subsidiarankläger und den Privatbeteiligten umfassen und in weiterer Folge zur Vereinfachung des Textes (durch Vermeidung der Aufzählung der „Parteien“, auf die die jeweilige Bestimmung anzuwenden ist) beitragen soll.

Zur Kritik, dass in dieser Bestimmung das Opfer keine Erwähnung findet, ist zu bemerken, dass Opfer grundsätzlich die Möglichkeit und das Recht haben, sich als Privatbeteiligte aktiv am Verfahren zu beteiligen. Wollen sie das nicht, haben sie ein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung und das Recht, Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu befragen. Würden Opfer nun in den Kreis der Beteiligten aufgenommen werden, müsste in den folgenden Bestimmungen stets danach differenziert werden, welche Verfahrensrechte Opfern nicht zustehen, weil sie sich entschieden haben, auf das Ergebnis des Verfahrens keinen Einfluss nehmen zu wollen.

Das „Präsidentenverhör“, das nur für das geschworenengerichtlichen Verfahren verpflichtend angeordnet ist, soll hingegen entfallen, weil dem Angeklagten allgemein das Recht zukommen soll, eine schriftliche Gegenäußerung zur Anklageschrift einzubringen, wodurch der Zweck des Präsidentenverhörs der sorgfältigen Prozessvorbereitung erfüllt werden kann. Im Übrigen muss der verhaftete Angeklagte bereits durch einen Verteidiger vertreten sein, sodass auch Rechtsschutzaspekte angemessen berücksichtigt werden können.

Zu Z 32 (§ 221 StPO)

In dieser Bestimmung sollen jene Regelungen zusammengefasst werden, die für die Anberaumung der Hauptverhandlung zu gelten haben.

Dies betrifft insbesondere die Verpflichtung, die Beteiligten und Opfer (um ihnen noch in der Hauptverhandlung zu ermöglichen, ihren Anschluss zu erklären, was gemäß § 67 bis zum Schluss des Beweisverfahrens zulässig ist) sowie deren Vertreter (insbesondere auch mit der Prozessbegleitung beauftragte Personen) zur Hauptverhandlung zu laden und für die Verteidigung des Angeklagten ebenso Vorsorge zu treffen wie für die Beiziehung eines Dolmetschers (Abs. 1). Kriminalpolizei sowie ein allenfalls bestellter Bewährungshelfer sind vom Termin der Hauptverhandlung zu verständigen. Die Ladung von Privatbeteiligten und Opfern soll insoweit unterbleiben dürfen, als diese keinen Zustellungsbevollmächtigten bestellt haben oder auf ihr Recht, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein, verzichtet haben. Ohne solche Regelungen könnte es zu Situationen kommen, dass wegen der Dauer einer Verständigung im Rechtshilfeweg dem Beschleunigungsgebot des § 9 (Artikel 5 Abs. 3 und Artikel 6 Abs. 1 EMRK) zuwider eine Hauptverhandlung für längere Zeit nicht durchgeführt werden könnte. Andererseits soll Opfern die Möglichkeit eröffnet werden, ganz bewusst einer neuerlichen Konfrontation mit dem Angeklagten und der emotional belastenden Erörterung des Tatgeschehens von vornherein aus dem Weg zu gehen (insbesondere dann, wenn sie auch nicht mehr als Zeugen vernommen werden dürften).

Die Rechte von Opfern werden unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 72 Abs. 3 (vgl. Z 8 lit. b) insoweit nicht gefährdet, als diese jedenfalls von einem Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage zu verständigen wären und dadurch ihr Recht, die Anklage als Subsidiarankläger aufrecht zu erhalten, gewahrt bliebe.

Abs. 2 regelt die „Ausschreibung der Hauptverhandlung“  Obwohl schon aus § 57 Abs. 2 StPO abgeleitet werden könnte, dass die Vorbereitungsfrist anders als nach geltendem Recht (siehe Fabrizy9, StPO § 221 Rz 2 mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 241) auch dem Verteidiger zusteht, soll dies ausdrücklich angeordnet werden, wobei freilich der Wechsel der Person des Verteidigers die Vorbereitungsfrist nicht verlängern soll (zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen auf Grund einer Vollmachtskündigung). Die nun Angeklagten und Verteidigern zustehende Vorbereitungsfrist soll im Sinne der verfassungsrechtlichen Vorgabe („über ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen“ – Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, den der OGH bei der Prüfung, ob dem Verteidiger eine ausreichende Vorbereitung ermöglicht war ausdrücklich heranzieht – siehe OGH 17.2. 2006, 14 Os 137/05m) generell acht Tage, im Fall einer Hauptverhandlung, die voraussichtlich mehr als zehn Verhandlungstage in Anspruch nehmen werden, auf vierzehn Tage angehoben werden, sofern nicht in eine Verkürzung der Frist eingewilligt wird. Auch Sachverständigen und Dolmetschern soll – soweit möglich – jedenfalls eine zumindest dreitägige Vorbereitung auf die Hauptverhandlung ermöglicht werden.

Abs. 3 übernimmt die sich bereits aus der allgemeinen Befugnis (vgl. § 248 Abs. 1 iVm § 160 Abs. 1; § 254 Abs. 2 StPO) des Vorsitzenden ergebende Bestimmung, die Hauptverhandlung zu Zwecken der Wahrheitsfindung an einem anderen im Sprengel des Landesgerichts gelegenen Ort durchzuführen (etwa zur Durchführung eines Lokalaugenscheins). Dem „Vorsteher“ des Gerichts (Präsidenten des Landesgerichts) soll in diesem Bereich keine Zuständigkeit mehr zukommen, um jeden Eingriff in die unabhängige Rechtsprechung zu vermeiden.

Abs. 4 soll den im Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Prinzip der festen Geschäftsverteilung zum Ausdruck kommenden Grundsatz der objektiven Vorhersehbarkeit der Richter-(Geschworenen-)bank, widerspiegeln und eine klare Reihenfolge der Beiziehung von Ersatzrichtern bzw. Ersatzgeschworenen vorgeben (siehe OGH 22.1. 2007, 15 Os 48/06g). Die genaue Anzahl der „Ersatzrichter“ soll – anders als noch im Ministerialentwurf vorgesehen – dem Ermessen des Vorsitzenden überantwortet bleiben.

Zu Z 33 und Z 47 (§§ 222 und 238 StPO):

Der Bedarf für eine Regelung des Beweisantragsrechts in der Hauptverhandlung, das die StPO bisher nicht einmal einer eigenen Erwähnung wert gefunden hat, ist allgemein anerkannt (siehe Moos, Die Reform der Hauptverhandlung, Teil II, ÖJZ 2003/20). Dieser Mangel tritt noch deutlicher zu Tage, wenn man die Regelung für Beweisanträge im Ermittlungsverfahren (§ 55) ins Kalkül zieht. An die Stelle des Hinweises auf das allgemeine Recht, Anträge zu stellen (§ 238 StPO), soll nunmehr eine ausdrückliche Regelung für die Stellung von Beweisanträgen vor und in der Hauptverhandlung treten.

Die Anforderungen für einen Beweisantrag gemäß § 55 StPO haben bereits Eingang in die höchstgerichtliche Rechtsprechung gefunden (siehe u.a. OGH 3.5. 2006, 13 Os 12/06y; OGH 7.4. 2005, 15 Os 31/04). Diese Rechtssprechungslinie soll auf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gestellt werden. Der Antragsteller soll daher im Antrag Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen und, soweit dies nicht offensichtlich ist, zu begründen haben, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären (Abs. 1). Grundsätzlich sollen Antragsteller auch dem Beschleunigungsgebot Rechnung tragen und Beweise so rechtzeitig beantragen, dass deren Aufnahme keine Verlegung oder Vertagung der Hauptverhandlung erfordert. In einem vom Grundsatz der Amtswegigkeit getragenen Verfahren ist aber auch klar, dass die Präklusion eines verspäteten, aber inhaltlich berechtigten Beweisantrags nicht in Frage kommt. Der Vorsitzende soll daher vor der Haupterhandlung entweder dem Beweisantrag stattgeben und die zur Durchführung des Beweises erforderlichen Verfügungen treffen, oder aber die Entscheidung über den Beweisantrag einer erneuten Antragstellung in der Hauptverhandlung vorbehalten (Abs. 2). Im ersten Fall sollen die übrigen Verfahrensbeteiligten über den Gegenstand der Beweisaufnahme so rechtzeitig informiert werden, dass ihnen noch eine Vorbereitung möglich ist. Im zweiten Fall soll dem Angeklagten mitgeteilt werden, dass die Entscheidung über seinen Antrag, über den auch die übrigen Beteiligten durch Zustellung zu informieren sind, einer neuerlichen Antragstellung in der Hauptverhandlung vorbehalten wird (der Antragsteller soll wissen, dass er seinen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung erneut vorzutragen haben wird). Daran schließt sich die Anordnung des § 238 Abs. 1, wonach der Vorsitzende Beweisanträgen sofort stattgeben kann (§ 254) und nur, wenn er das nicht will, das Schöffengericht zu befassen hat.

Gleiches soll gemäß § 238 Abs. 2 für die Entscheidung über andere Anträge gelten, über die kein Einvernehmen besteht (etwa Ausschluss der Öffentlichkeit oder Durchführung einer schonenden Vernehmung gemäß § 250 Abs. 3 StPO).

§ 238 Abs. 3 ordnet im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und der Lehre (siehe Danek, WKStPO § 238 Rz 8 ff) an, dass der Beschluss gemäß Abs. 1 mündlich zu verkünden ist, was auch die Darlegung der wesentlichen Entscheidungsgründe einschließt (dies ergibt sich aus der Regelung des § 86 Abs. 3 StPO). Dies soll tunlichst sofort, jedenfalls jedoch vor Schluss der Verhandlung erfolgen, um den Beteiligten zumindest in ihren Schlussvorträgen noch die Verbesserung ihrer Anträge bzw. das Formulieren allfälliger Alternativanträge zu ermöglichen.

In den Verhandlungen des 15. ÖJT ist der Vorschlag, eine Verteidigungsschrift einzuführen, auf breite Zustimmung gestoßen (siehe dazu die Referate von Kirchbacher, Rech und Danek in 15. ÖJT, Band IV/2). Abs. 3 sieht daher, dem Prinzip der Waffengleichheit (Artikel 6 Abs. 1 EMRK) folgend, die Möglichkeit einer schriftlichen Gegenäußerung vor, die der Staatsanwaltschaft längstens drei Tage vor der Hauptverhandlung zuzustellen ist. Der Verteidigung soll das Recht zustehen, der Anklageschrift eine Verteidigungsschrift gegen über zu stellen, deren Inhalt sich an der Gegenäußerung gemäß § 244 Abs. 3 StPO orientieren, aber jedenfalls die Beweisanträge zu enthalten haben soll, deren sich die Verteidigung zur Widerlegung des Anklagevorwurfs bedienen will. Der Zweck der Verteidigungsschrift einer besseren Strukturierung des Verhandlungsablaufs, aber auch einer besseren Vorbereitung der Verteidigung, wird freilich nur zu erreichen sein, wenn sie nicht erst unmittelbar vor dem Termin der Hauptverhandlung eingebracht wird. Die Verteidigungsschrift soll der Staatsanwaltschaft und den übrigen Beteiligten zuzustellen sein; über darin gestellte Beweisanträge soll gemäß Abs. 2 zu entscheiden sein.

Zu Z 34 (§§ 224 und 225 StPO):

Die Vervollständigung des Ermittlungsverfahrens nach rechtswirksamer Anklageschrift durch Rückleitung in das Ermittlungsverfahren mit dem Auftrag an den Staatsanwalt, konkret bezeichnete Erhebungen durchzuführen, verträgt sich nicht mit dessen Rolle im Ermittlungsverfahren, sodass die Bestimmungen zu entfallen hatten (siehe dazu überzeugend Kirchbacher, 15. ÖJT, Band IV/2, 13 ff).

Zu Z 35 und Z 78 (§§ 226 und 276 StPO):

Die Vertagung der noch nicht begonnenen Hauptverhandlung soll in § 226 neu geregelt werden. Der Entwurf verzichtet hierbei auf eine – nicht notwendige – Differenzierung zwischen Verlegung und Vertagung der Hauptverhandlung. Das Antragsrecht soll künftig nicht nur dem Angeklagten, sondern auch den übrigen Beteiligten (§ 220 StPO) zukommen, soweit dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens, insbesondere einer bedeutenden Verlängerung der Haft des Angeklagten führen würde (vgl. Artikel 6 EMRK). Unter einem unabwendbarem Hindernis soll ein Ereignis iSd § 364 und § 427 Abs. 3 StPO, unter einem sehr erheblichen Hindernis insbesondere die krankheitsbedingte Unfähigkeit eines Beteiligten, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, verstanden werden. Eine Vertagung der Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers iSd Abs. 1 Z 1 soll ausschließlich dann stattfinden, wenn ein anderer Verteidiger nicht mehr bestellt werden kann.

§ 276 soll auf einen Verweis auf § 226 reduziert werden, sodass grundsätzlich auch die Vertagung einer begonnenen Hauptverhandlung nach denselben Gesichtspunkten zu betrachten sein wird.

Zu Z 36 (§ 227 StPO):

§ 72 Abs. 1 StPO schränkt das Recht, eine von der Staatsanwaltschaft eingebrachte und danach zurück gezogene Anklage an deren Stelle als Subsidiarankläger im Hauptverfahren zu vertreten, auf den Kreis jener Personen ein, die als Privatbeteiligte (auch) einen privatrechtlichen Anspruch geltend machen. Voraussetzung für ein Einschreiten als Subsidiarankläger ist daher notwendigerweise eine Erklärung, am Verfahren als Privatbeteiligter mitzuwirken. Diese kann gegebenenfalls vom Opfer sogleich abgegeben werden (s § 67 Abs. 2 StPO).

Tritt die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so muss der Privatbeteiligte sofort erklären, ob er die Anklage aufrecht hält. Im Falle seiner Abwesenheit kann er dieses Recht daher nicht ausüben. Der Angeklagte ist in diesem Fall gemäß § 259 Z 2 freizusprechen (§ 72 Abs  2). Tritt die Staatsanwaltschaft hingegen außerhalb der Hauptverhandlung von der Anklage zurück oder wurde der Privatbeteiligte nicht ordnungsgemäß geladen, so hat das Gericht den Privatbeteiligten zu verständigen, der die Erklärung bei sonstigem Rechtsverlust binnen einem Monat abgeben muss. Wird die Erklärung nicht oder verspätet abgegeben, ist das Verfahren mit Beschluss einzustellen (§ 72 Abs. 3).

Abs. 1 soll daher um einen Verweis auf diese mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, geschaffene Bestimmung ergänzt werden.

Der Umtausch der Anklageschrift erweist sich in der Praxis als probates Mittel, um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden und eine gemeinsame Aburteilung aller Vorwürfe zu ermöglichen (insbesondere in den Fällen, in denen nach einem bereits eingebrachten Strafantrag Fakten bekannt werden, die der Zuständigkeit des Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengerichts unterliegen). Abs. 2 soll – in Entsprechung dahin gehender Forderungen im Begutachtungsverfahren – die Staatsanwaltschaft berechtigen, die von ihr eingebrachte Anklageschrift unter gleichzeitiger Einbringung einer neuen zurückzuziehen, wenn dies erforderlich ist, um eine gemeinsame Verfahrensführung wegen neuer Vorwürfe oder einer auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel geänderten rechtlichen Beurteilung zu ermöglichen. Damit sollen Verfahrensverzögerungen durch das „erzwungene“ Warten auf Unzuständigkeitsurteile vermieden und Synergieeffekte, die allen Verfahrensbeteiligten zugute kommen, erzielt werden. Eine Beeinträchtigung der Rechte des Angeklagten ist damit nicht verbunden, weil er gegen die neue Anklageschrift wiederum einen Einspruch erheben kann.

Zu Z 38 (§ 229 StPO):

Die Bestimmung soll inhaltlich und sprachlich überarbeitet werden, um Ausschlussgründe (Abs. 1) besser von dem Verfahren über den Ausschluss der Öffentlichkeit (Abs. 2 und 3) zu trennen; § 231 StPO aF soll in diese Systematik übernommen werden, wobei nun auch auf eine Gefährdung der nationalen Sicherheit abgestellt werden soll. Das Antragsrecht soll auch hier auf alle Beteiligten des Verfahrens (§ 220) und das Opfer ausgedehnt werden. Da der ursprüngliche Normzweck des „Ausschluss der Öffentlichkeit aus Gründen der Sittlichkeit“, wonach es den Moralvorstellungen zuwiderlaufen würde, sexualbezogene Vorgänge öffentlich zu erörtern, überholt erscheint, soll insoweit – im Hinblick auf die Anforderungen des Artikel 8 EMRK verfassungsrechtlich unbedenklich – ausschließlich auf den Schutz der persönlichen Lebens- oder Geheimnisbereiche (wobei Opfer ausdrücklich erwähnt werden sollen, wenn gleich sie eigentlich in ihrer Zeugenrolle miterfasst wären) abgestellt werden, Damit ist jedoch materiell keine Veränderung gegenüber der geltenden Rechtslage beabsichtigt (der Ausschluss soll nur jene Teile der Verhandlung umfassen, in denen solche Geheimnisbereiche erörtert werden).

In Abs. 4 soll schließlich die bisher in § 231 StPO aF letzter Satz enthaltene Anordnung übernommen werden, dass das Urteil stets in öffentlicher Verhandlung zu verkünden ist (Artikel 6 Abs. 1 EMRK).

Zu Z 40 bis Z 46, Z 48, Z 49, Z 52, Z 57, Z 60 bis Z 82, Z 85 bis 92, Z 94 bis 111, Z 113, Z 114, Z 115, Z 127 bis 130, Z 133 bis 137, Z 145 bis 154, Z 157 bis 161 (§§  231, 232, 234, 235, 236, 236a, 237, 240a, 241 Abs. 1, 244 Abs. 1, 248, 250, 254, 256 Abs. 2, 257, 258 Abs. 3, 259, 260, 262, 264, 265 Abs. 2, 267, 268, 270, 271, 271a, 273, 275, 276, 277, 278 Abs. 2, 280, 281, 281a, 283 Abs. 2, 284 Abs. 1, 285, 285a, 285b, 285d, 285e, 285i, 287 Abs. 1, 288 Abs. 2, 288a, 291, 294, 295, 296a, 300, 301, 302 Abs. 1, 305 Abs. 1, 307, 309 Abs. 1, 322, 323 Abs. 2, 326, 347, 349 Abs. 1, 351, 363b Abs. 3, 363c Abs. 2, 364, 368, 369 Abs. 1, 371 Abs. 2, 373a, 373b, 380, 381, 382, 388, 389, 390 Abs. 1, 382, 393, 393a, 394, 395, 395a, 400, 408 Abs. 1, 409a Abs. 5, 410 Abs. 2):

Es handelt sich durchgehend um Anpassungen an durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, veränderte Begriffe und Institute oder um solche Änderungen, die mit der Einführung des Begriffs des Beteiligten des Hauptverfahrens (§ 220) verbunden sind.

§ 29 Abs. 1 StPO zählt die im Strafverfahren tätigen Gerichte auf und nennt ihre Zuständigkeiten unter Bezug auf die einzelnen Verfahrensstadien. Abweichend von der Bestimmung des § 8 StPO aF werden durchgehend die organisatorischen Bezeichnungen „Landesgericht“ und „Oberlandesgericht“ verwendet. Da auf die Bezeichnung „Gerichtshof erster Instanz“ und „Gerichtshof zweiter Instanz“ generell verzichtet wird, soll nun auch das Hauptverfahren an diese Begriffe angepasst werden.

§ 32 Abs. 3 StPO regelt allgemein, dass außerhalb der Hauptverhandlung grundsätzlich der Vorsitzende alleine entscheidet, sodass diesbezügliche Einzelbestimmungen ebenfalls entfallen können.

Die Bestimmung über die Protokollführung in der Hauptverhandlung soll wiederum durch einen Verweis auf § 96 Abs. 2 und 3 StPO ergänzt werden, die die Möglichkeit des Diktatprotokolls und die Art der Protokollführung regeln.

Da die „Pflichtverteidigung“ in Form einer speziellen Vertretung des Beschuldigten (§ 42 Abs. 2 StPO aF) nicht mehr vorgesehen ist, kann auch die diesbezügliche Bestimmung des § 393 Abs. 3 entfallen.

Zu Z 39 (§ 230 Abs. 2 StPO):

§ 230 Abs. 2 StPO legt fest, welche Personen, bei denen es sich nicht um Beteiligte des Verfahrens handelt, niemals von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden dürfen. Als Reaktion auf Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren soll auch Opfern gestattet werden, dass im Fall des Ausschlusses der Öffentlichkeit drei Personen ihres Vertrauens der Zutritt erlaubt wird. Mitarbeiter psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung werden von dieser Regelung eben so wenig erfasst, wie Verteidiger und andere Vertreter, weil sie nicht zur Öffentlichkeit zählen, sondern auf Grund ihrer Eigenschaft als Vertreter des Opfers zur Teilnahmen an der Hauptverhandlung berechtigt sind. Sie haben daher auch im Fall des Ausschlusses der Öffentlichkeit das Recht zur Anwesenheit.

Zu Z 50 und Z 51 (§§ 242 und 243 StPO):

Die Regelung des Falls, dass Zeugen oder Sachverständige ihre Ladung zur Hauptverhandlung nicht befolgen, soll mit dieser Bestimmung inhaltlich und sprachlich neu geordnet werden. Gemäß § 242 Abs. 1 soll die Entscheidung über die Vorführung und deren Anordnung in die Zuständigkeit des Vorsitzenden fallen. § 242 Abs. 2 soll klarstellen, dass die Frage, ob ein tauglicher Grund für eine Verlesung vorliegt, ausschließlich gemäß den Voraussetzungen des § 252 StPO zu beurteilen ist; liegt kein zulässiger Grund einer Verlesung vor, so ist über die Vorführung der Ausgebliebenen oder die Vertagung der Hauptverhandlung (siehe § 226 StPO) zu entscheiden.

Dass gegen den Beschluss auf Verhängung einer Ordnungsstrafe dem Zeugen/Sachverständigen das Rechtsmittel der Beschwerde zusteht, ergibt sich bereits aus der allgemeinen Regelung des Beschwerdeverfahrens (§ 87 Abs. 1 StPO). In § 243 Abs. 1 soll grundsätzlich die Einbringung der Beschwerde geregelt und ihre aufschiebende Wirkung angeordnet werden. Gleichzeitig soll klargestellt werden, dass der Vorsitzende die verhängte Strafe nachzusehen hat, wenn der Zeuge oder Sachverständige in der Beschwerde den Nachweis erbringen kann, dass ihm die Ladung zur Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist oder dass ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hindernis von der Teilnahme an der Hauptverhandlung abgehalten hat. Der Vorsitzende soll auch eine Milderung aussprechen können, wenn dem Säumigen die Bescheinigung gelingt, dass die Strafe oder der Kostenersatz zur Schuld oder den Folgen des Ausbleibens unverhältnismäßig wäre.

Durch diese Kompetenz zur „Vorerledigung“ der Beschwerde soll sich an deren Charakter als aufsteigendes Rechtsmittel nichts ändern; wird das Beschwerdeanliegen nicht vollständig erfüllt, so hat der Vorsitzende die Beschwerde dem Oberlandesgericht vorzulegen, das seinerseits gemäß § 89 vorzugehen haben soll (§ 243 Abs. 3).

Zu Z 53 (§ 245 StPO):

Zur Verdeutlichung und zur Vermeidung mitunter vorkommender Fehler (vgl. § 365 Abs. 2 2. Satz aF), soll nunmehr in dieser Bestimmung über die Vernehmung des Angeklagten klargestellt werden, dass er auch zu den gegen ihn erhobenen privatrechtlichen Ansprüchen zu vernehmen ist (Abs. 1a). Der Angeklagte soll darüber hinaus zu einer Erklärung über den erhobenen Anspruch aufgefordert werden, die in einem prozessualem (Teil-)Anerkenntnis (§ 395 ZPO iVm § 69 Abs. 1 StPO) oder einem Vergleich (§ 69 Abs. 2 StPO) münden kann.

Abs. 2 stellt klar, dass auch für die Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung die Bestimmung des § 164 Abs. 4 anzuwenden ist. Erkundigungen (§ 152 StPO) sind in einer Hauptverhandlung im Hinblick auf die geklärten Prozessrollen nicht mehr zulässig.

Abs. 3 soll um das ausdrückliche Recht des Angeklagten ergänzt werden, sich während der Hauptverhandlung mit seinem Verteidiger besprechen zu dürfen, wobei er sich jedoch nicht über die Beantwortung einzelner Fragen mit ihm beraten darf. Die ursprünglich im Ministerialentwurf vorgesehene Regelung, dass dem Angeklagte grundsätzlich ein Sitz neben seinem Verteidiger zu gestatten ist, wurde nicht in den Entwurf übernommen, weil mit dieser Regelung eine grundsätzliche Änderung der Gerichtssaaleinrichtung verbunden wäre (insbesondere in den Fällen mehrerer Angeklagter). Das mit dem ursprünglichen Vorschlag verbundene Reformanliegen soll im Zusammenhang mit einer grundlegenden Reform des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens, die sich mit der Rollenverteilung in der Hauptverhandlung befassen wird, erneut geprüft werden.

Zu Z 54 (§ 247 StPO):

Gemäß den Bestimmungen der §§ 160 und 161  ist der Eid als Bekräftigung einer Zeugenaussage nicht mehr vorgesehen. Die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen bemerken, dass eine Beeidigung von Zeugen, die nach geltendem Recht im Vorverfahren nur in Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. §§ 169 bis 171 StPO aF), im künftigen Ermittlungsverfahren ohne weiteres verzichtbar ist. Gleiches soll für das Hauptverfahren gelten, zumal die Beeidigung gerade im Strafverfahren praxisfremd ist; dies insbesondere bei Betrachtung der bestehenden Eideshindernisse (§ 170 StPO aF), deren Wiedereinführung für den Fall einer Beeidigung von Zeugen im Hauptverfahren dennoch erörtert werden müsste, um jene Situationen nachzuvollziehen, in denen einem Zeugen die Leistung des Eides nicht zugemutet werden kann.

Zu Z 55 (§ 248 StPO):

§ 248 soll in sprachlicher und systematischer Hinsicht verbessert werden. Gemäß Abs. 1 soll die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen grundsätzlich nach den für das Ermittlungsverfahren geltenden Bestimmungen durchgeführt werden. Es handelt sich dabei um die Bestimmungen der §§ 153 bis 166 StPO, wobei natürlich bloß für das Ermittlungsverfahren anwendbare Bestimmungen (bzw. solche, die mit dem Charakter einer öffentlichen und mündlichen Verhandlung unvereinbar sind) hier ausscheiden (z.B. § 160 Abs. 1 erster Satz StPO). Ebenso versteht es sich von selbst, dass eine Erkundigung im Sinne von §§ 151 Z 1 und 152 StPO in der Hauptverhandlung nicht in Betracht kommt. Durch die ausdrückliche Regelung der Gegenüberstellung in § 163 StPO entfällt die Notwendigkeit, die bisher in Abs. 2 enthaltene Regelung beizubehalten. Die für den Vorsitzenden dem Einzelfall entsprechend frei wählbare Reihenfolge der Vernehmung und die Möglichkeit, Zeugen während der Vernehmung anderer Zeugen abtreten zu lassen, sollen Absprachen oder andere Beeinflussungen vermeiden helfen. Abs. 2 und 3 übernehmen – sprachlich angepasst – die bisherigen Bestimmungen der Abs. 3 und 4.

Zu Z 56 (§ 249 StPO):

Die Subjektstellung der Opfer im Verfahren schlägt sich in besonderen Rechten nieder, die in § 66 Abs. 1 StPO aufgezählt werden. Diese Rechte sind Opfern von Amts wegen zu gewähren und nicht etwa erst dann, wenn sie einen bestimmten Anspruch geltend machen oder erklären, sich am Verfahren als Privatbeteiligte beteiligen zu wollen. Abs. 1 soll diese Bestimmung verdeutlich und daher um das Fragerecht des Opfers (§ 66 Abs. 1 Z 7) ergänzt werden. Zum Begriff der Beteiligten des Verfahrens sei auf die Erläuterungen zu § 220 verwiesen.

Der neu angefügte Abs. 3 soll die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (14 Os 129/05k, mit Glosse Burgstaller, JBl 2006, 536 ff) zur Beiziehung eines sog. „Privatsachverständigen“ auf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage stellen.

Die materielle Überzeugungskraft eines SV-Gutachtens erweist sich erst im Rahmen der Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes (Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 2; Ratz, aaO § 281 Rz 351). Sowohl zur Vorbereitung eines Erfolg versprechenden Antrags auf Beiziehung eines oder mehrerer anderer SV als auch zur Erschütterung der materiellen Überzeugungskraft ihm ungünstig erscheinender Befunde oder Gutachten dient dem Angeklagten sein – auch grundrechtlich abgesichertes (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK; SV sind „Zeugen“ im Sinn dieser Vertragsbestimmung; vgl. nur Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention § 24 Rz 112 f) – Fragerecht (vgl. Hinterhofer, WK-StPO Vorbem zu §§ 116 bis 126a Rz 25; zur Stellung des SV als Beweisperson und nicht als Organ der Gerichtsbarkeit instruktiv ders, aaO Rz 6 f). Einen SV bei seiner Befragung mit einer wissenschaftlich fundierten Lehrmeinung zu konfrontieren, aus der Zweifel an den von ihm gezogenen Schlüssen entstehen sollen (vgl. §§ 126 Abs. 4 und 127 Abs. 3 StPO), ist keineswegs unzulässig oder unangemessen iSd § 249 Abs. 2 StPO. Der Fragesteller kann daher sogar die Hilfe eines sogenannten Privatsachverständigen in Anspruch nehmen, dem es nicht verwehrt werden darf, neben dem Verteidiger Platz zu nehmen, ohne allerdings selbst das Fragerecht ausüben zu dürfen. Solchen Fragen soll sich der SV demnach zu stellen haben. Sieht er sich hierzu nicht sofort in der Lage, ist die Hauptverhandlung, von einem solcherart manifest gewordenen Befähigungsmangel des SV abgesehen, zu diesem Zweck zu unterbrechen oder zu vertagen (§§ 273, 276 StPO; vgl. Danek, WK-StPO § 273 Rz 6).

Trotz mannigfaltiger Kritik aus dem Kreis der Gerichte und Staatsanwaltschaften will der Entwurf an diesem Vorschlag festhalten, weil ein Schweigen des Gesetzgebers auch als Missbilligung dieser Weiterentwicklung des formellen Rechts durch die Rechtsprechung des OGH aufgefasst werden könnte.

Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, dass sich der Verteidiger nicht nur vor Beginn der Befragung entsprechend fachlich instruieren lässt, sondern dass er die Hilfe seines Experten auch laufend während der in Rede stehenden Befragung nutzen kann, um auf die Antworten des Gerichts-Sachverständigen jeweils bestmöglich zu reagieren. Ein direktes Fragerecht soll einem solchen „Privatsachverständigen“ jedoch nicht zukommen, weil sich der gesamte Entwurf nicht als umfassenden Reformschritt, sondern als eine behutsame Weiterentwicklung im Lichte der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung versteht. Die verschiedentlich anzutreffende Ansicht, ein Gutachten eines von Staatsanwaltschaft oder Gericht bestellten Sachverständigen könne nur durch die Vorlage eines Privatgutachtens überprüft werden, kann jedoch vom Standpunkt des Entwurfs nicht geteilt werden. Wesentlich ist, dass der Beweiswürdigung Elemente zugeführt werden können, die einen begründeten Zweifel an den Annahmen im Befund bzw. den daraus gezogenen Schlussfolgerungen nähren können; dies sollte durch die vorgenommene Neuregelung in ausreichendem Maß gewährleistet werden.

Zu 57 (§ 250 Abs. 3 StPO):

Die Erweiterung des Antragsrechts auf Durchführung einer schonenden Vernehmung ist im Begutachtungsverfahren auf diametral entgegengesetzte Kritik gestoßen. Während Stellungnahmen aus dem Kreis der Rechtswissenschaft sowie der Gerichte und Staatsanwaltschaften vor einer weiteren Zurückdrängung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes warnen, fordern Stellungnahmen von Opferschutzeinrichtungen die Ausweitung der Bestimmung in Richtung einer zwingend durchzuführenden kontradiktorischen Vernehmung für alle Opfer, die Anspruch auf Prozessbegleitung haben. Der Entwurf will grundsätzlich an der eingeschlagenen Linie festhalten (die mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz begründete Kritik trifft ja nicht zu, weil die Vernehmung in der Hauptverhandlung stattfindet und sämtliche Beteiligte diese mitverfolgen und ihr Fragrecht ausüben können), jedoch eine „Feinabstimmung“ zwischen den Rechten der Opfer und den Rechten des Angeklagten erreichen. Opfer, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährliche Drohung ausgesetzt beeinträchtigt worden sein könnten, sollen daher in der Hauptverhandlung über ihren Antrag „schonend“ einvernommen werden müssen. Auf diese Weise wird auch ein „Gewaltopfer“ (etwa ein Opfer eines Raubes) verlangen können, dass ihm die unmittelbare Konfrontation mit dem Angeklagten und die dadurch verursachten Angst- und Schamgefühle erspart werden. Für Angehörige von Opfern trifft diese Situation nicht im gleichen Ausmaß zu, wobei deren mögliche Schockschäden ausreichend durch die Möglichkeit berücksichtigt werden können, den Angeklagten für die Dauer ihrer Vernehmung abtreten zu lassen.

Eine Missachtung berechtigter Opferanliegen ist damit nicht verbunden, weil die unmittelbare Wahrnehmung des erkennenden Gerichts von den Auswirkungen der Straftat auf die Situation des Opfers entscheidender Faktor für die Strafbemessung unter Berücksichtigung opferbezogener Faktoren sein kann.

Eine darüber hinausgehende Neuordnung der Kommunikation in der Hauptverhandlung und der Anwesenheits-, Frage- und sonstigen Mitwirkungsrechte aller Beteiligter soll einem größeren Reformschritt vorbehalten bleiben, um sie in ein Gesamtkonzept einbinden zu können, das auch die jeweiligen Wechselbeziehungen aus den unterschiedlichen Interessenslagen der Beteiligten berücksichtigt.

Zu Z 58 (§ 251 StPO):

Die Beteiligten des Hauptverfahrens (§ 220) sollen künftig, wenn die Gefahr besteht, dass ein zu vernehmender Zeuge durch die Anwesenheit eines anderen, bereits vernommenen Zeugen in seiner freien und vollständigen Aussage beeinflusst werden könnte (§ 248 Abs. 1 letzter Satz), verlangen können, dass dieser Zeuge für die Dauer der Vernehmung den Gerichtssaal zu verlassen hat. Ebenso sollen sie eine neuerliche Vernehmung des Zeugen allein oder in Gegenwart anderer Zeugen verlangen. Dem Vorsitzenden stehen diese Befugnisse von Amts wegen zu.

Zu Z 59 (§ 252 StPO):

§ 252 soll mit den neuen Begriffen des Ermittlungsverfahrens und ihrer verfahrensrechtlichen Bedeutung in Einklang gebracht werden (siehe die Unterscheidung zwischen Amtsvermerk und Protokoll gemäß den §§ 95 und 96 StPO, wobei das Protokoll die Aufnahme von Beweisen zu dokumentieren hat, während etwa Auskünfte und sonstige Umstände, die durch Erkundigungen erlangt wurden und für das Verfahren von Bedeutung sein können, gemäß § 152 Abs. 3 StPO in einem Amtsvermerk festzuhalten sind). Eine Verlesung eines Aktenvermerkes über eine Erkundigung soll daher nur unter den Voraussetzungen des § 252 Abs. 1 Z 1 bis 4 StPO möglich sein, wobei die Verlesung auch voraussetzt, dass die Erkundigung nicht als Umgehung der Bestimmungen über die Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten zu qualifizieren ist. Spontane Äußerungen – also, solche die von der alleinigen Initiative des Sprechenden gekennzeichnet sind, und die in einem Aktenvermerk festgehalten wurden – sollen ebenfalls, wie auch die Ergebnisse einer Gegenüberstellung, unter den Voraussetzungen des Abs. 1 verlesen werden können.

Gleiches soll für die Verlesung eines Berichts eines verdeckten Ermittlers (§ 131 StPO), der wohl in der Regel auch Aussagen enthalten wird (eine Verlesung als Schriftstück „anderer Art, das für die Sache von Bedeutung ist“ gemäß §  252 Abs. 2 StPO wird kaum in Betracht kommen, zumal im Bericht in der Regel (auch) Aussagen von Zeugen und Beschuldigten festgehalten werden; s 13 Os 153/03), oder die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung eines „Zeugen vom Hörensagen“ gelten. Die Grundsatzbestimmung des § 13 Abs. 3 StPO betont zwar das schon bisher aus den Verlesungsbeschränkungen der oben erwähnten Bestimmungen abgeleitete Prinzip, dass das Gericht – soweit wie möglich – die primären Beweismittel aufzunehmen hat und sich nicht mit Surrogaten begnügen darf, enthält allerdings kein absolutes Verbot des „Zeugen vom Hörensagen“. Die Unmittelbarkeit im materiellen Sinn verlangt, dass die tatnächsten Beweismittel und nicht Erkenntnisse „aus dritter Hand“ in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Insbesondere für den Zeugenbeweis gilt daher, dass das Gericht Zeugen grundsätzlich in der Hauptverhandlung persönlich und unmittelbar zu befragen hat; Aussagen unmittelbarer Zeugen dürfen nicht durch tatfernere, mittelbare Beweise ersetzt werden.

Zu Z 66 und 214 (§§ 261 und 485 StPO)

Die bisher bloß als Ordnungsvorschrift für den Fall eines Unzuständigkeitsurteils für die Staatsanwaltschaft in § 261 Abs. 2 angeordnete Frist für die weiteren Verfolgungsanträge von 14 Tagen soll eine Fallfrist umgewandelt, jedoch auf drei Monate angehoben werden. Die Änderung des Abs. 1 ist wiederum rein sprachlich bedingt.

In gleicher Weise soll die staatsanwaltschaftliche Antragstellung auch für den Fall, dass der Einzelrichter das Verfahren wegen seiner Unzuständigkeit mit Beschluss einstellt, unter der Sanktion des Verlusts des Verfolgungsrechts befristet werden.

Zu Z 68 (§ 263 StPO):

Anders als noch im Ministerialentwurf vorgesehen, soll auch dem Opfer (so wie im geltenden Recht dem Verletzten) das Recht zukommen, die Verfolgung wegen neu hinzugekommener Tatvorwürfe zu verlangen.

Zu Z 23a, 82 und Z 112 (§§ 166, 281 und 345 StPO):

Neben reinen Anpassungen an veränderte Zitate soll Abs. 1 Z 2 (§ 345 Abs. 1 Z 3) bloß in seiner Formulierung angepasst und präzisiert werden. Gegenstand der Prüfung soll die Tauglichkeit der aus Z 2 relevanten Akte des Ermittlungsverfahrens für das gerichtliche Erkenntnisverfahren sein. Eine Ausweitung erfährt dieser Nichtigkeitsgrund, weil § 152 Abs. 1 für die Umgehung der Bestimmungen über die Vernehmung des Beschuldigten und von Zeugen eine ausdrückliche Nichtigkeitssanktion vorsieht. Die Abhörung eines Zeugen in der Hauptverhandlung unterliegt demgegenüber gemäß § 248 Abs. 1 ohnehin stets Formvorschriften, sodass insoweit eine Erkundigung von vornherein ausscheidet. Für die Vernehmung des Beschuldigten gilt wiederum § 245 StPO als lex specialis. § 152 Abs. 1 soll demnach nur Gegenstand der Z 2 und in die Aufzählung der Z 3 nicht aufzunehmen sein.

In der Z 3 (§ 345 Abs. 1 Z 4) sollen folgende Bestimmungen statt der bisheriger Vorschriften angeführt werden, nämlich § 126 Abs. 4, 140 Abs. 1, 144 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 157 Abs. 2 und § 159 Abs. 3 StPO. § 170 StPO aF soll ersatzlos entfallen, weil eine Beeidigung von Zeugen nicht mehr vorgesehen ist.

Durch § 126 Abs. 4 wird die schon bisher geltende Rechtsprechungslinie klargestellt, dass die Tatsache der Beiziehung des Sachverständigen im Vorverfahren keinen Befangenheitsgrund darstellt. Dass im Ermittlungsverfahren Sachverständige regelmäßig durch die Staatsanwaltschaft bestellt werden, nimmt das Gesetz in Kauf. Einen anderen Sachverständigen bestellt zu bekommen, soll der Angeklagte somit nur durch Geltendmachung von Mängeln im Sinne des § 127 Abs. 3 StPO aus Abs. 1 Z 4 (§ 345 Abs. 1 Z 5) verlangen können.

Das Zeugnisverweigerungsrecht kontradiktorisch vernommener Zeugen ist anders als bisher (§ 152 Abs. 1 Z 2a und 3 iVm Abs. 5 StPO aF) nicht mehr ausdrücklich mit Nichtigkeit bewehrt. Gleiches gilt für das Entschlagungsrecht bei Selbstbezichtigungsgefahr gemäß § 157 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2. Insoweit wird zwar weiterhin zu beachten sein, dass die an sich zulässige Verlesung einer ein Geständnis zum Ausdruck bringenden Zeugenaussage in einem nachfolgenden Verfahren gegen den Zeugen gemäß Abs. 1 Z 4 (§ 345 Abs. 1 Z 5) erfolgreich gerügt werden kann. Als Gegenstand des Abs. 1 Z 2 (§ 345 Abs. 1 Z 3) kommen die angesprochenen Aussagen aber schon mangels ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion nicht in Betracht. Eben so wenig kann unter der Sanktion des Abs. 1 Z 4 (§ 345 Abs. 1 Z 5) in der Hauptverhandlung der Antrag gestellt werden, derartige Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens oder einer sodann neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht vorkommen zu lassen.

Das bloß objektive Vorliegen eines in § 159 Abs. 3 genannten Befreiungs- oder Verweigerungssachverhalts genügt nicht. Nichtigkeit ist erst dann gegeben, wenn dem Strafverfolgungsorgan jene Tatsachengrundlage offenbar wird, auf welche die Rechtsbegriffe der §§ 156 f abstellen. Verschweigt z.B. ein Angehöriger diese Eigenschaft, liegt so lange keine Nichtigkeit vor, als dem Vorsitzenden nichts darüber bekannt wird. Geschieht dies oder macht der Zeuge während der Vernehmung seine Angehörigeneigenschaft glaubhaft, so soll die bis dahin in der Hauptverhandlung abgelegte Aussage als rechtmäßig darin vorgekommen gelten, bewirkt maW keine Nichtigkeit aus Abs. 1 Z 3 (§ 345 Abs. 1 Z 4) und darf auch bei der Beweiswürdigung verwertet werden.

Dass nach § 159 Abs. 3 die gesamte oder bloß ein Teil der Aussage nichtig ist, soll unter den Aspekten des Abs. 1 Z 2 (§ 345 Abs. 1 Z 3) beachtlich sein. Geht es jedoch um die unmittelbare Abhörung in der Hauptverhandlung, also um den Aspekt des Abs. 1 Z 3 (§ 345 Abs. 1 Z 4), so soll grundsätzlich bereits das Vorkommen einer teilweise nichtigen Aussage zum Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde führen. Bloß teilweise Nichtigkeit soll nur unter dem Aspekt der Relativität des Nichtigkeitsgrundes und im Fall des Schuldspruchs wegen echt konkurrierender strafbarer Handlungen Bedeutung erlangen.

Wurde eine Aussage eines Beschuldigten oder eines Zeugen durch Folter herbeigeführt, so darf eine solche nach internationalem Recht nicht verwertet werden. Bisher als Erhebungsverbot behandelt, konnte der Verlesung einer solchen Aussage widersprochen und damit eine unzulässige Beweisaufnahme iSd Abs. 1 Z 4 (§ 345 Abs. 1 Z 5) bewirkt werden. § 166 enthält idF BGBl. I Nr. 19/2004, ein ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohtes Beweisverwertungsverbot, sodass eine Verletzung dieser Vorschrift kein Gegenstand der Z 2 des § 281 Abs. 1 (§§ 345 Abs. 1 Z 3, 468 Abs. 1 Z 2a in der vorgeschlagenen Fassung) ist, weil § 166 nicht die Nichtigkeit einer (unter Folter oder sonst durch unerlaubte Einwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige Vernehmungsmethoden zustande gekommenen) Aussage anordnet, sondern vielmehr nur bestimmt, dass solcherart zustande gekommene Aussagen zum Nachteil des Beschuldigten bei sonstiger Nichtigkeit nicht verwendet werden dürfen. Demnach hat sich der Ministerialentwurf der gleichen Regelungstechnik wie die bisherige StPO in den §§ 88 Abs. 3, 149c Abs. 3, 149h Abs. 2 aF bedient, wo jeweils auf die Verwendung im Beweisverfahren der Hauptverhandlung abgestellt wird. Konsequenterweise sollte nach dem Ministerialentwurf § 166 auch in die Aufzählung der Z 3 des § 281 Abs. 1 (§§ 345 Abs. 1 Z 4, 468 Abs. 1 Z 3 in der vorgeschlagenen Fassung) aufgenommen werden (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren Rz 691).

Da nicht die auf die erwähnte Weise zustande gekommene Aussage als nichtig bezeichnet wird, geht es bei deren Vorführung in der Hauptverhandlung auch nicht um „ein Protokoll oder ein anderes amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme“, sodass die Aussage als Gegenstand der Z 2 des § 281 Abs. 1 (§§ 345 Abs. 1 Z 3, 468 Abs. 1 Z 2a in der vorgeschlagenen Fassung) ausscheidet. Das hat zur Folge, dass den Beschwerdeführer wegen einer angeblichen Folter oder sonst unerlaubter Einwirkung beim Zustandekommen der Aussage keine Rügepflicht treffen würde. Zur Geltendmachung der Z 3 des § 281 Abs. 1 (§§ 345 Abs. 1 Z 4, 468 Abs. 1 Z 3) genügt es nämlich, dass der Beschwerdeführer den Verstoß (erst) im Rechtsmittel plausibel macht. Dann ist es Sache des OGH, den Sachverhalt formfrei im Sinne des § 285f aufzuklären.

Allerdings soll es dem Beschwerdeführer auch weiterhin frei stehen, Anträge zur Aufklärung des Sachverhalts zu stellen, gegen deren Abweisung die Rüge aus dem Grund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO (§§ 345 Abs. 1 Z 5, 468 Abs. 1 Z 3) offen steht. So kann er der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Geltung verschaffen, dem es um die Möglichkeit des Beschwerdeführers geht, die Authentizität des Beweises zu bestreiten, seiner Verwendung zu widersprechen sowie die Gelegenheit, alle relevanten Zeugen dazu zu befragen und damit die Zuverlässigkeit des Beweises in Frage zu stellen. Hat jemand wirklich Anhaltspunkte in Richtung eines durch § 166 sanktionierten Vorgangs, so würde er jedenfalls auch diesen Weg wählen und sich nicht mit einer Anfechtung nach Z 3 des § 281 Abs. 1 (§§ 345 Abs. 1 Z 4, 468 Abs. 1 Z 3) begnügen.

Vor diesem Hintergrund erscheint aber die ausdrückliche Nichtigkeitssanktion im § 166 entbehrlich. Sie wäre in der Hauptverhandlung geradezu kontraproduktiv, weil sie es dem Beschwerdeführer ermöglichen würde, einen aufklärungsbedürftigen Vorwurf, eine in der Hauptverhandlung vorgeführte Aussage sei durch Folter oder sonst durch unerlaubte Einwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige Vernehmungsmethoden zustande gekommenen, für den Fall eines ungünstigen Verfahrensausgangs gleichsam in der Hinterhand zu halten und so einen weiteren Rechtsgang zu erzwingen, falls nicht schon eine bloß formfreie Aufklärung nach § 285f – die allerdings in einem Spannungsverhältnis zu den Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK stehen könnte – eine vollständige Klärung ermöglicht.

Im Sinne der Stellungnahme des OGH wird daher vorgeschlagen, im einleitenden Teilsatz des § 166 die Worte „bei sonstiger Nichtigkeit“ zu streichen, um den Gegenstand der Vorschrift unmissverständlich im Sinn der bisherigen Rechtsprechung (vgl. 14 Os 30/00, SSt 63/96 = RZ 2001/4, 50; RIS-Justiz RS0113618) der Z 4 des § 281 Abs. 1 (§§ 345 Abs. 1 Z 5, 468 Abs. 1 Z 3) zuzuweisen und das Spannungsverhältnis zur Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu vermeiden, sodass Vorwürfe im Sinn des § 166 bereits in der Hauptverhandlung oder davor offen angesprochen werden müssen und schon das erkennende Gericht in öffentlicher Hauptverhandlung vor der Vorführung der angeblich solcherart zustande gekommenen Aussage diesen nachzugehen hat (vgl. erneut Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren Rz 691).

Am Rechtsschutz für den Angeklagten ändert sich durch eine an § 123 Abs. 6 und 7 angepasste Formulierung (Verwendungsverbot ohne ausdrückliche Nichtigkeitsdrohung) mit der Maßgabe nichts, dass ihn unter dem Aspekt der Nichtigkeitssanktion der Z 4 des § 281 Abs. 1 (§§ 345 Abs. 1 Z 5, 468 Abs. 1 Z 3) die Obliegenheit trifft, sich rechtzeitig bereits in der Hauptverhandlung durch entsprechende Antragstellung gegen die Vorführung der angeblich rechtswidrig zustande gekommenen Aussage zur Wehr zu setzen (vgl. auch  S 11 dritter Absatz der Erläuterungen des Ministerialentwurfs).

Angesichts fehlender ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung in § 123 Abs. 6 und 7 soll die Verwendung von Ergebnissen einer körperlichen Untersuchung Gegenstand einer Verfahrensrüge gemäß Abs. 1 Z 4 (§ 345 Abs. 1 Z 5) sein und bedarf demnach entsprechender Antragstellung (siehe zu all dem mwN Ratz, Erforderliche Veränderungen des Rechtsmittelverfahrens durch das StPRG, in: FS Miklau, 411 ff, 418 ff.).

Der Verstoß gegen den Schutz des Redaktionsgeheimnisses (§ 31 Abs. 1 und 2 MedienG), der im Zusammenhang mit Überwachungsmaßnahmen unter expliziter Nichtigkeitsdrohung des § 149c Abs. 3 StPO aF und § 149h Abs. 2 StPO aF stand, soll nun als Aussageverweigerungsrecht gemäß § 157 Abs. 1 Z 4 geschützt werden, sodass ein allfälliger Verstoß im Zuge des Ermittlungsverfahren nach § 281 Abs. 1 Z 2 (§ 345 Abs. 1 Z 3), im Zuge der Hauptverhandlung jedoch nach Z 3 geltend zu machen wäre.

Durch die Änderung des Abs. 3 (§ 345 Abs. 4) soll das Recht des Privatbeteiligten, Nichtigkeitsbeschwerde – unabhängig von einem darauf gerichteten Willen der Staatsanwaltschaft – zu erheben (siehe dazu im Folgenden zu Z 84 und Z 112), abgesichert werden.

Zu Z 84 und Z 112 (§§ 282 und 345 Abs. 4 StPO):

Mit dem Strafprozessreformgesetz wurde die Rechtsstellung des Opfers ausgeweitet; dem Opfer werden grundsätzlich keine „weichen“, sondern vor allem im Wege des Einspruchs gemäß § 106 Abs. 1 durchsetzbare Rechte gewährt; dies entspricht auch den Anforderungen der Artikel 6 und 13 EMRK. Um eine Ungleichbehandlung im Stadium der Hauptverhandlung zu vermeiden (kein abgesondertes Beschwerderecht gegen die Abweisung eines Beweisantrags), soll zur Diskussion gestellt werden, dem Privatbeteiligten, die Möglichkeit einer Nichtigkeitsbeschwerde einzuräumen (siehe dazu auch Danek, 15. ÖJT Bd. IV/2, 60). Allerdings sieht der Entwurf eine Beschränkung dieser neuen Rechtsmittellegitimation in dreifacher Hinsicht vor: Einerseits soll dem Privatbeteiligten bloß die Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der §§ 281 Abs. 1 Z 4 bzw. 345 Abs. 1 Z 5 offen stehen, und das auch nicht gegen jedes Urteil, sondern nur gegen ein solches, das einen Freispruch enthält. Andererseits soll die Nichtigkeitsbeschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig sein, dass der Privatbeteiligte wegen des Freispruchs auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde und ein von ihm gestellter Beweisantrag abgewiesen wurde, der geeignet gewesen wäre, seinen privatrechtlichen Anspruch (mit)zu begründen. Diese Einschränkungen erklären sich aus dem Verfahrensziel, das die Beteiligtenstellung begründet, nämlich den Anspruch des Privatbeteiligten, dass seine privatrechtlichen Ansprüche als Prozessgegenstand behandelt werden. Nur insoweit ist auch ein Schutz durch Artikel 6 EMRK gegeben. Im Fall des Schuldspruchs kann dieser Prozessgegenstand bzw. das Verfahrensziel nicht beeinträchtigt werden; ein Rechtsmittel wäre daher überschießend. Bloß ein Freispruch kann von Einfluss auf die Stellung des Privatbeteiligten in einem nachfolgenden Zivilprozess sein, weil er nicht nur die bindende Wirkung eines Schuldspruchs verliert, sondern manche Beweismittel wegen Zeitablaufs auch nicht mehr zur Verfügung stehen werden. In den Stellungnahmen geäußerte Befürchtungen in Richtung einer unzumutbaren Verlängerung der Untersuchungshaft des Angeklagten durch eine Nichtigkeitsbeschwerde des Privatbeteiligten können unter Hinweis auf die Bestimmung des § 284 Abs. 3 StPO im Ansatz zerstreut werden, weil demgemäß die Entlassung eines freigesprochenen Angeklagten aus der Haft – wenn überhaupt – nur wegen einer Nichtigkeitsbeschwerde des Staatsanwaltes aufgeschoben werden kann. Grundsätzlichen Bedenken gegen diese Rechtsmittelbefugnis im Hinblick auf eine immense Mehrbelastung des Obersten Gerichtshofes kann entgegen gehalten werden, dass die Behandlung von Nichtigkeitsbeschwerden gemäß §§ 281 Abs. 1 Z 4 bzw. 345 Abs. 1 Z 5 StPO meist nicht mit hohem Aufwand verbunden ist.

Zu Z 93 (§ 286 StPO):

Im Verfahren bei Nichtigkeitsbeschwerden soll die Vorbereitungszeit auf den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung ebenfalls (siehe § 221 Abs. 2 StPO) acht Tage betragen, um dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger (Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK) ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbreitung zu verschaffen. Diese Vorbereitungszeit soll, neben dem allenfalls einschreitenden Privatankläger, auch dem Privatbeteiligten zukommen, sofern er eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 282 Abs. 2 erhoben hat und ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung stattzufinden hat. Der bisherige Inhalt des Abs. 3 soll in Abs. 1 integriert werden.

Zu Z 116 bis 129 (§§ 352 bis 363 StPO):

Das XX. Hauptstück der StPO soll grundlegend überarbeitet werden, weil der Wegfall der Voruntersuchung und die Neuregelung der Einstellung und Fortführung eines Ermittlungsverfahrens mit den bisherigen Regelungen der Wiederaufnahme nicht in Einklang zu bringen ist. Diese notwendige Anpassung soll darüber hinaus benützt werden, um das eher umständlich formulierte und unsystematische Hauptstück zur Gänze neu zu gliedern und in seinen Bestimmungen sprachlich zu vereinfachen. Im Wesentlichen sind folgende Neuerungen den Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen voranzustellen:

         a) Die Trennung zwischen der Wiederaufnahme eines eingestellten Verfahrens (§ 352), eines Verfahrens, das durch Freispruch (§ 355) und eines Verfahrens, das durch Schuldspruch beendet wurde (§ 356), soll aufrecht bleiben.

         b) Hingegen soll nunmehr ausdrücklich hinsichtlich der Art der Beendigung des Verfahrens unterschieden werden. Eine Ermittlungsverfahren, das durch die Staatsanwaltschaft gemäß den §§ 190 bis 192 eingestellt wurde, kann nach den Bestimmungen der §§ 193, 195 und 196 fortgeführt werden. § 352 soll daher auf die Fälle eines durch gerichtliche Entscheidung eingestellten Verfahrens beschränkt werden.

         c) § 352 soll die materiellen Voraussetzungen für alle Fälle einer Wiederaufnahme einheitlich regeln (lediglich die auf die Wiederaufnahme eines mit Schuldspruch beendeten Verfahrens bezogenen zusätzlichen Voraussetzungen gemäß § 356 Z 1 bis 3 sollen in ihrer bisherigen Stellung beibehalten werden).

         d) Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor einer Wiederaufnahme bzw. zum Zweck der Erlangung der nötigen Anhaltspunkte für die Stellung eines Antrags auf Wiederaufnahme eines Verfahrens sollen nicht mehr zulässig sein.

         e) Das Verfahren über einen Antrag auf Wiederaufnahme und das Verfahren nach bewilligter Wiederaufnahme sollen einheitlich in den §§ 357 und 358 geregelt werden.

         f) § 363 – die sogenannte formlose Wiederaufnahme – soll auf seinen nach der Regelung der Fortführung eines Ermittlungsverfahrens eingeschränkten Bedeutungsgehalt reduziert werden.

Zu Z 116 (§ 352 StPO):

Im Sinne der einleitenden Bemerkungen sollen in Abs. 1 die materiellen Voraussetzungen einer Wiederaufnahme eines eingestellten Verfahrens geregelt werden. Das Verfahren über die Zulassung der Wiederaufnahme soll hingegen in § 357 geregelt werden.

Für die „Wiederaufnahme“ eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Ermittlungsverfahren nach den §§ 190 bis 192 sind die dafür erforderlichen Voraussetzungen und das Verfahren in den Bestimmungen über die Fortführung des Verfahrens geregelt (§§ 193, 195 und 196); diese bleiben durch die Regelungen der Wiederaufnahme im 16. Hauptstück unberührt.

Abs. 1 soll daher nach Art einer Generalklausel zunächst jene Fälle erfassen, in denen es auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung (Beschluss) zur Einstellung des Verfahrens gekommen ist, also auf Grund eines Antrages auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens (§ 108), eines Einspruchs gegen die Anklageschrift (§ 215 Abs. 2), eines Rücktritts der Staatsanwaltschaft von der Anklage vor Beginn der Hauptverhandlung (§ 227) sowie nach §§ 191 Abs. 2, 209 Abs. 2, 451 Abs. 2 und 485 Abs. 1, § 37 SMG, § 74 ARHG und Art. 1 § 19 VbVG. Ebenso soll das Anwendungsgebiet dieser Bestimmung auch diversionelle Erledigungen der Staatsanwaltschaft erfassen, wobei jeweils folgende zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

Die Strafbarkeit der Tat darf noch nicht durch Verjährung erloschen sein und es muss einer der in Z 1 und 2 genannten Gründe für eine Wiederaufnahme vorliegen, nämlich entweder ein strafgesetzwidriger Einfluss auf die Entscheidung (Abs. 1 Z 1) oder ein Geständnis bzw. neue Tatsachen bzw. neue Beweismittel, soweit ihnen die Eignung zukommt, dass anstelle der Einstellung mit Anklage vorzugehen wäre (siehe den Verweis auf § 210 Abs. 1). Entscheidend ist hier, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die Staatsanwaltschaft und Gericht im Zeitpunkt der Beschlussfassung objektiv nicht bekannt waren. Zur diesbezüglichen Klarstellung wurde nun auch die Formulierung „ergeben“ an Stelle von „vorgelegt werden“ verwendet.

Abs. 2 bleibt insoweit unverändert, als einem Privatankläger, der seine Klage zurückgenommen hat, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens – wie bisher – nicht bewilligt werden kann. Die einzige Ausnahme soll jedoch der Fall des § 215 Abs. 2 (Einstellung durch das Oberlandesgericht in den Fällen des § 212 Z 1, 2 oder 7) bilden.

Zu Z 117 und 118 (§§ 353 und 354 StPO):

Es handelt sich um lediglich sprachliche Anpassungen an die Tatbestände der Urkundenfälschung (§ 223 StGB) und der falschen Zeugenaussage (§§ 288, 289 StGB) sowie an die Begriffe der Straftat (§ 1 Abs. 1 StPO) und der Staatsanwaltschaft.

Zu Z 119 und 120 (§§ 355 und 356 StPO):

§ 355 wird sprachlich vereinfacht. Anstelle der Aufzählung der Voraussetzungen, unter denen die Staatsanwaltschaft oder der Privatankläger berechtigt sind, die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens das durch Freispruch beendet wurde, zu beantragen, soll auf § 352 verwiesen werden, sodass im Gegensatz zu bisher Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens unabhängig von dem Grund ihrer seinerzeitigen Einstellung bzw. Beendigung unter den gleichen Voraussetzungen möglich sind.

Durch die gegenüber dem Ministerialentwurf vorgenommene Angleichung der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme in § 352 Abs. 1 an § 355 StPO aF sollen auch Befürchtungen entkräftet werden, die Wideraufnahme eines durch Freispruch beendeten Verfahrens solle künftig erleichtert werden.

Die Zitatberichtigung im § 356 erklärt sich daraus, dass der Regelungsinhalt des bisherigen § 355 StPO in den neu formulierten § 352 Abs. 1 übergeführt wird.

Zu Z 121 (§ 357 StPO):

Diese Bestimmung soll das für Anträge auf Wiederaufnahme einzuhaltende Verfahren regeln. Abs. 1 soll die Zuständigkeit des Gerichts festlegen, das über einen Antrag auf Wiederaufnahme zu entscheiden hat. Erfolgte die Einstellung durch das Landesgericht, weil einem Antrag auf Einstellung stattgegeben wurde (§ 108), so soll der Antrag auf Wiederaufnahme bei dem Gericht einzubringen sein, das die Einstellung angeordnet hat. Im Falle eines nicht bloß vorläufigen Rücktritts der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung nach den Bestimmungen des 11. Hauptstück ist der Antrag bei dem Landesgericht, das im Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre, einzubringen. In allen anderen Fällen soll jedoch das Landesgericht darüber entscheiden, welches das Hauptverfahren geführt hat (für den Fall einer Zuständigkeit des Bezirksgerichts ist § 480 StPO anzuwenden).

Grundsätzlich wird an der Entscheidung des Gerichts über die Zulassung des Antrags auf Wiederaufnahme festgehalten. Die Einrichtung der Ratskammer ist im Strafprozessreformgesetz nicht mehr vorgesehen, die Entscheidung soll daher gemäß Abs. 2 dem Landesgericht als Senat von drei Richtern übertragen werden (siehe auch die entsprechende Aufnahme dieser Bestimmung in § 31 Abs. 5).

Abs. 2 geht im Übrigen von dem Grundsatz aus, dass weitere Ermittlungen gegen den Beschuldigten nach der Einstellung des Verfahrens bzw. dessen Beendigung durch Urteil zu unterlassen sind. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Staatsanwalt befugt ist, sich vor allfälliger Stellung eines Wiederaufnahmeantrages die hiefür nötigen Entscheidungsgrundlagen im Wege gerichtlicher Vorerhebungen zu verschaffen (OGH 26.3.1996, 11 Os 32/96; JBl 1996, 739), verliert damit ihre Bedeutung. Die neue Regelung des Verfahrens (Abs. 2) berücksichtigt, dass Ermittlungen nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO nach einer Beendigung des Verfahrens mit Sperrwirkung in Form einer rechtskräftigen Verfahrenseinstellung einer gerichtlichen Zulassung bedürfen sollten (siehe auch die von Brandstetter/Karesch/Platzgummer „Vorerhebungen vor erwogenem Wiederaufnahmeantrag? Kontroversielle Bemerkungen zu OGH 26.3.1996, 11 Os 32, 33/96“, JBl 1996, 706, geäußerten Bedenken, dass § 88 Abs. 1 StPO aF nur für jene Verfolgungshandlungen gelte, denen eben keine  Sperrwirkung entgegenstehe und die Argumentation des OGH tatsächlich nur für jene Erhebungen gelte, die während des Aufhebungsverfahrens durchgeführt werden, um über die Zulassung des Antrags auf Wiederaufnahme entscheiden zu können). Die Durchführung von Ermittlungen zur Prüfung, ob die im Antrag behaupteten Wiederaufnahmegründe vorliegen, soll daher einer gerichtlichen Anordnung bedürfen, wobei sich das Gericht in diesem Fall auch an die Kriminalpolizei wenden oder aber eine Beweisaufnahme selbst vornehmen können soll.

Im Übrigen strebt Abs. 2 eine durchgehende Zweiseitigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens an, weshalb schon der Antrag auf Wiederaufnahme dem jeweiligen Antragsgegner zugestellt werden soll. Das Verfahren zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag soll schließlich jenem des § 196 Abs. 3 (iVm § 107 Abs. 2) nachgebildet werden, wobei das Gericht – soweit dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für die Entscheidungsfindung erforderlich ist – dazu berechtigt sein soll, vor seiner Entscheidung Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anzuordnen oder Beweisaufnahmen selbst vorzunehmen. Auch diese Ergebnisse sind den Beteiligten des Wiederaufnahmeverfahrens zur Äußerung binnen 14 Tagen zuzustellen. Sodann hat wie bisher die Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu erfolgen. Sofern jedoch eine unmittelbare Beweisaufnahme unabdingbar notwendig scheint, soll das Gericht in sinngemäßer Anwendung des § 107 Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung anberaumen können und in dieser über die Wiederaufnahme entscheiden. Die Verhandlung ist nicht öffentlich, allerdings ist nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der Verfahrensökonomie dem Antragsteller und dem Antragsgegner Gelegenheit zur Teilnahme und Stellungnahme zu geben. Eine Teilnahme der Kriminalpolizei ist nicht erforderlich, weil diese im Gegensatz zu der vergleichbaren Regelung des § 107 Abs. 2, die das Verfahren zur Entscheidung über Einsprüche betrifft, im Verfahren über die Wiederaufnahme nicht betroffen sein wird.

Der bisherige Abs. 3 kann infolge der allgemeinen Regelung im 5. Abschnitt des 5. Hauptstückes („Beschlüsse und Beschwerden“) entfallen. In den vorgeschlagenen Abs. 3 wird nunmehr die systematisch zugehörige Bestimmung des bisherigen § 361 Abs. 1 StPO aF übergeführt, wonach der Antrag eines Verurteilten auf Wiederaufnahme den Vollzug der Strafe grundsätzlich nicht hemmen soll.

Zu Z 122, 123 und 125 (§§ 358, 359 und 362 StPO):

§ 358 soll das Verfahren nach einer Bewilligung eines Antrags auf Wiederaufnahme regeln. Dem ursprünglichen Text des § 358 StPO wird im neuen Abs. 1 der thematisch passende bisherige § 361 StPO aF Abs. 2 vorangestellt. Es bleiben auch weiterhin die gesetzlichen Folgen einer im früheren Urteil ausgesprochenen Verurteilung bis zur neuerlichen Entscheidung aufrecht. Der Vollzug einer allenfalls ausgesprochenen Strafe ist jedoch unverzüglich einzustellen und über die Haft nach dem 9. Hauptstück („Fahndung, Festnahme und Untersuchungshaft“) zu entscheiden, mit anderen Worten sind die Voraussetzungen der Verhängung und in weiterer Folge der Fortsetzung der Untersuchungshaft zu prüfen.

Der Regelungsinhalt des § 359 StPO aF wird in leicht veränderter Form in § 358 Abs. 2 bis 6 übernommen, wobei der bisherige Abs. 1 in Abs. 2 und 3 Eingang findet. Spricht das Gericht, das die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Beschuldigten für zulässig erklärt, nicht sofort frei oder gibt seinem Antrag auf Anwendung eines milderen Strafsatzes statt (§ 360), so soll das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurücktreten. Die Staatsanwaltschaft soll daher nach Maßgabe der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag die erforderlichen Anordnungen und Anträge im Hinblick auf weitere Ermittlungsmaßnahmen zu stellen oder eine neue Anklage einzubringen haben; für das wiederaufgenommene Verfahren sind gemäß Abs. 2 keine Sonderbestimmungen anzuwenden. In Abs. 3 wird nun auch angeordnet, dass im Fall einer Einstellung des wiederaufgenommenen Verfahrens ohne Durchführung oder außerhalb einer Hauptverhandlung dem Beschuldigten das Recht auf die Veröffentlichung der Entscheidung zusteht.

Die bisherigen § 359 Abs. 3 bis 5 StPO aF werden inhaltlich unverändert in sprachlich teilweise leicht adaptierter Fassung in § 358 Abs. 4 bis 6 übernommen.

Der bisherige § 359 StPO aF kann daher entfallen; der Verweis in § 362 Abs. 4 ist daher auf § 358 einzuschränken.

Zu Z 124 (§ 361 StPO):

Diese Bestimmung wird aufgehoben; der wesentliche Regelungsinhalt des Abs. 1 wird in § 357 Abs. 3, jener des Abs. 2 in § 358 Abs. 1 übernommen.

Zu Z 126 (§ 363 StPO):

Da sich der Text des § 363 StPO aF sowohl auf die Einstellung der Vorerhebungen (Z 1) und den Rücktritt von der Verfolgung bzw. das Vorbehalten der weiteren Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft (Z 3) einerseits sowie das Einbringen der Anklage durch den Privatankläger (Z 2) andererseits bezieht, ist angesichts der bereits vorhandenen Bestimmungen im Strafprozessreformgesetz eine entsprechende Straffung möglich, durch die Duplizitäten vermieden werden können.

Nach der geltenden Z 1 kann das Strafverfahren nur dann unabhängig von den Bedingungen und Förmlichkeiten der Wiederaufnahme nach den allgemeinen Vorschriften eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn die Vorerhebungen eingestellt worden sind, ehe eine bestimmte Person als Beschuldigter behandelt wurde. Auf Grund des materiellen Beschuldigtenbegriffs des Strafprozessreformgesetzes gilt eine Person als Beschuldigter, die auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben, sobald gegen sie wegen dieses Verdachts ermittelt oder Zwang ausgeübt wird (§ 48 Abs. 1 Z 1). Die „formlose“ Wiederaufnahme in diesem Fall findet sich nunmehr bereits in der Bestimmung über die Fortführung des Verfahrens nach § 193 Abs. 2 Z 1 StPO, sodass eine Regelung im 16. Hauptstück entfallen kann.

Auch die bisherige Z 3, die den Vorbehalt der späteren Verfolgung betrifft, ist angesichts der nunmehrigen Regelung der Bestimmung des § 192 Abs. 1, der Nachfolgebestimmung des § 34 Abs. 2 StPO aF, nicht mehr erforderlich, weil gemäß § 193 Abs. 3 auch in diesem Fall die „formlose“ Wiederaufnahme möglich ist.

Lediglich der Regelungszweck der bisherigen Z 2 ist beizubehalten, wobei eine Präzisierung auf den Mangel des nach dem Gesetz erforderlichen Antrag eines Opfers (§ 71 „Privatankläger“) vorgenommen wird.

Zu Z 130 bis 140 (§§ 365 bis 378 StPO):

Da die Rechte des Privatbeteiligten nunmehr umfassend in den §§ 67 bis 69 geregelt sind und die Vernehmung des Angeklagten zu den privatrechtlichen Ansprüchen in § 245 (siehe Z 53) eingearbeitet wurde, kann § 365 StPO aF  entfallen. § 366 wird neu formuliert und präzisiert, wobei der wechselseitige Bezug zwischen Abs. 3 und § 283 Abs. 4 aufrecht erhalten bleiben soll. Für den Fall eines Schuldspruchs soll eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg nur unter der Bedingung zulässig sein, dass die zur Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche erforderlichen Grundlagen nur durch eine Beweisaufnahme geklärt werden könnten, die eine bereits mögliche Entscheidung in der Schuld- und Straffrage erheblich verzögern würde.

Unter Berücksichtigung der im Rahmen des Begutachtungsverfahrens eingegangenen Stellungnahmen wird nun in § 367 Abs. 2 klargestellt, dass wenn bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ein Gegenstand im Sinne des § 367 Abs. 1 schon vor der Hauptverhandlung auf Antrag des Opfers nach Anhörung des Beschuldigten und der übrigen Beteiligten zurückgestellt wird, dies im Hauptverfahren durch das erkennende Gericht, im Ermittlungsverfahren jedoch durch die Staatsanwaltschaft zu erfolgen hat.

§ 375 soll – unter Bezugnahme auf eine Beschlagnahme gemäß § 115 Abs. 1 Z 2 – klarstellen, wie vorzugehen ist, wenn bei einem Beschuldigten Vermögenswerte aufgefunden werden, die er allem Anschein nach nicht rechtmäßig innehat.

Die übrigen Änderungen betreffen bloß begriffliche Anpassungen.

Zu Z 142 bis 144 (§§ 380 bis 382 StPO):

Da ein Ermittlungsverfahren dann einzuleiten ist, sobald sich hinreichende Verdachtsgründe wegen einer Straftat gegen eine bestimmte Person oder gegen einen unbekannten Täter ergeben und somit das Ermittlungsverfahren bei der Kriminalpolizei (oder Finanz- bzw. Zollbehörde) beginnt, sollen die Kosten der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts ebenso in die Bemessungsgrundlage für den Pauschalkostenbeitrag einfließen wie die Kosten des Hauptverfahrens (§ 381 Abs. 1 Z 1).

Darüber hinaus sollen dem Angeklagten gemäß § 381 Abs. 1 Z 5 erster Halbsatz, die Kosten auferlegt werden können, die durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Kopien notwendigerweise entstanden sind (§ 111 Abs. 3). Gleiches soll für Kredit- und Finanzinstitute gelten, die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte zu erteilen hatten (§ 116 Abs. 6).

Gemäß der vorgeschlagenen Änderung des § 381 Abs. 1 Z 9 soll der Verurteilte einen Pauschalbetrag als Anteil an den Kosten der Prozessbegleitung (§ 66 Abs. 2) bis zu 1 000 Euro zu leisten haben, wobei dieser nach dem mit der Prozessbegleitung verbundenen Aufwand und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verurteilten zu bemessen sein soll (§ 381 Abs. 5a). Dadurch wird eine Vereinfachung der Kostenbestimmung angestrebt, die das Gericht nunmehr im Zeitpunkt der Endverfügung vornehmen kann, ohne den Nachweis abwarten zu müssen, in welchem Umfang eine Verrechnung zwischen Bundesministerium für Justiz und der im Einzelfall tätig gewordenen Einrichtung stattfindet. Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit einzelner Leistungen der Prozessbegleitung sollen künftig der Vergangenheit angehören.

Durch die Regelung des § 382 soll klargestellt werden, dass die Gebühren der Organe der Kriminalpolizei für die Anfertigung von Kopien für Zwecke der Akteneinsicht, Zustellungen, Ladungen, Bewachung und Beförderung in besonderen bundesgesetzlichen Bestimmungen zu regeln sind, da das Gerichtsgebührengesetz BGBl. Nr. 501/1984, keine Rechtsgrundlage darstellen kann. Eine exakte Bemessung dieser Gebühren soll einem gesonderten Reformschritt (im Rahmen der Begleitgesetzgebung Teil II) vorbehalten werden.

Zu Z 155 (§ 396 StPO):

Gemäß § 396 Abs. 3 soll das Gericht, das in erster Instanz entschieden hat, die Kriminalpolizei zu verständigen haben, wenn das Verfahren mit Einstellung oder Freispruch endet (Nachfolgebestimmung zu § 83a StPO aF).

Zu Z 162 (§§ 412 bis 420)

Die Bestimmungen über das „Verfahren gegen Unbekannte, Abwesende und Flüchtige während der Voruntersuchung“ können entfallen, weil das Strafprozessreformgesetz bereits sämtliche Vorkehrungen getroffen hat: So regelt § 197 StPO die Abbrechung des Ermittlungsverfahrens gegen Abwesende und gegen unbekannte Täter, die §§ 167 bis 169 StPO die Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung und zur Festnahme und ersetzten damit die Ausforschung des Aufenthalts gemäß § 413 aF StPO sowie die völlig veralteten Regelungen über die Nacheile und den Steckbrief. § 135 Abs. 2 Z 4 und § 136 Abs. 1 Z 3 StPO sehen die bisher in § 414a StPO aF geregelten Fälle der Überwachung von Nachrichten und die optische und akustische Überwachung von Personen zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des, einer der dort angeführten schwerwiegenden Straftat, Beschuldigten vor. Unter einem erfolgte eine Anpassung des der Bezeichnung des Hauptstücks.

Das „sichere Geleit“ soll zwar erhalten bleiben, soll jedoch neu und in Anlehnung an die Bestimmungen über die Kaution systematisch richtig in § 197 Abs. 4 eingeordnet werden (vgl. Z 26).

Zu Z 164 (§ 427 StPO):

Abs. 1 und 2 wurden neu formuliert und an die neue Struktur des Ermittlungsverfahrens angepasst. An die Stelle der gerichtlichen Vernehmung soll eine förmliche Vernehmung als Beschuldigter gemäß den §§ 164 oder 165 StPO treten. Im Übrigen soll ein Abwesenheitsverfahren grundsätzlich unter denselben Voraussetzungen wie nach alter Rechtslage zulässig sein. Kann kein Abwesenheitsurteil ergehen, weil die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 nicht vorliegen oder eine erschöpfende Beurteilung des Anklagevorwurfs in Abwesenheit des Angeklagten nicht vorgenommen werden kann, so wird die begonnene Hauptverhandlung zu vertagen und gegebenenfalls die Vorführung des Angeklagten anzuordnen sein. Eine Abbrechung des Verfahrens (§ 197) soll dann möglich sein, wenn der Angeklagte flüchtig oder unbekannten Aufenthalts ist (Abs. 2 letzter Satz).

Zu Z 165 bis 180 (§§ 429 bis 445a StPO):

Das Unterbringungsverfahren muss ebenfalls an die Struktur des Ermittlungsverfahrens angeglichen werden. Das (durchzuführende) Ermittlungsverfahren soll grundsätzlich die bisherigen Besonderheiten umfassen, wobei jedoch auf den Verweis der notwendigen Verteidigung im Hinblick auf § 61 Abs. 1 Z 2 StPO verzichtet werden konnte. Um einerseits eine dem geistigen und seelischen Zustand des Betroffenen angemessene Vernehmungssituation bereitstellen zu können, andererseits der Wahrheitsforschung zu dienen, können der Vernehmung des Betroffenen ein oder zwei Sachverständige beigezogen werden. Hier wird nun bewusst eine echte „Kann-Bestimmung“ gewählt, um gerade bei gebotener Dringlichkeit oder im Journaldienst kaum zu bewältigende, verfahrensrechtliche Bürden für die vernehmenden Organe zu vermeiden. Unabhängig davon soll aber eine kontradiktorische Vernehmung (§ 165) des Betroffenen erfolgen, wenn anzunehmen ist, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen wird durchgeführt werden müssen. § 430 Abs. 5 soll klarstellen, dass im Ermittlungsverfahren erstellte Protokolle sowie Ton- und Bildaufnahmen der Vernehmung des Betroffenen in der Hauptverhandlung vorzulesen bzw. vorzuführen sind, wenn der Betroffene teilweise oder gänzlich beteiligungsunfähig ist.

§ 431 Abs. 1 soll nun ausdrücklich festlegen, dass der gesetzliche Vertreter zur Hauptverhandlung zu laden ist. Das Recht, gegen den Willen des Betroffenen Einspruch gegen den Unterbringungsantrag zu erheben, soll weiterhin dem gesetzlichen Vertreter vorbehalten bleiben.

Im § 436 konnte im Hinblick auf das einheitliche Ermittlungsverfahren Abs. 1 entfallen, bei Verfahren gemäß § 21 Abs. 2 StGB sind für das Ermittlungsverfahren die Bestimmungen des § 429 Abs. 2 Z 1 bis 3 anzuwenden.

Da § 64 allgemein die Person eines Haftungsbeteiligten und dessen Rechte umschreibt, soll § 444 Abs. 1 nunmehr dessen Ladung und die Rechtsfolgen bei Abwesenheit des Haftungsbeteiligten regeln: Gemäß § 220 ist der Haftungsbeteiligte Beteiligter des Hauptverfahrens und ist daher gemäß § 221 Abs. 1 zur Hauptverhandlung zu laden. Erfolgte diese ordnungsgemäß (§ 82 Abs. 2), so sollen die Hauptverhandlung und die Urteilsverkündung in Abwesenheit des Haftungsbeteiligten durchgeführt werden können.

Zu Z 181 bis 192 (§§ 447 bis 459 StPO):

Da das Bezirksgericht gemäß § 29 Abs. 1 Z 1 erst mit Beginn des Hauptverfahrens für das Strafverfahren zuständig wird, muss § 447 angepasst werden. Für das Verfahren sollen weiterhin die Bestimmungen für das Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht gelten. Die §§ 448 und 449 konnten daher entfallen.

§ 450 regelt das Verfahren bei sachlicher Unzuständigkeit des Bezirksgerichts: Außerhalb der Hauptverhandlung hat das Gericht seine sachliche Unzuständigkeit mit Beschluss auszusprechen. Über eine dagegen gerichtete Beschwerde (§ 87) hat das Landesgericht als Senat von drei Richtern (§ 31 Abs. 5 Z 1) zu entscheiden. Kommen hingegen in der Hauptverhandlung Tatsachen hervor, die den Verdacht begründen, dass die im Strafantrag umfasste Straftat nicht in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fällt, so hat das Bezirksgericht ein Unzuständigkeitsurteil zu fällen.

Der die Rolle der Anklage (§ 210 Abs. 1) erfüllende Strafantrag hat, außer dem im § 211 Abs. 1 genannten Inhalt, die Beweise zu bezeichnen, deren Aufnahme in der Hauptverhandlung beantragt wird.

§ 455 Abs. 1 in Verbindung mit § 221 legt nunmehr eine ausdrückliche Vorbereitungsfrist von drei Tagen für den Angeklagten und seinen Verteidiger fest, deren Missachtung ohne entsprechenden Verzicht des Angeklagten mit Nichtigkeit bedroht ist. Abs. 2 sieht eine Vertretung des Angeklagten durch einen Verteidiger als Machthaber vor, der – wie bisher – gemäß Abs. 3 die Stellung eines echten Stellvertreters des Angeklagten im Verfahren vor dem Bezirksgericht inne haben soll.

Die Öffentlichkeit soll in Privatanklagesachen auch dann ausgeschlossen werden müssen, wenn sich der Privatankläger nicht gegen den Antrag des Angeklagten ausspricht (§ 456 StPO).

Für das bezirksgerichtliche Abwesenheitsverfahren sollen die allgemeinen Bestimmung (§§ 427 f) gelten; § 459 kann daher entfallen.

Zu Z 193 bis 210 (§§ 463 bis 481 StPO):

Für das Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Bezirksgerichte ist gemäß § 31 Abs. 5 Z 1 das Landesgericht als Senat von drei Richtern zuständig. Da der Privatbeteiligte den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 4 gemäß § 282 Abs. 2 geltend machen können soll, soll § 465 Abs. 3 um diesen Fall ergänzt werden. Demgemäß soll auch Abs. 2 ergänzt werden.

§ 466 Abs. 1 verweist nunmehr auf § 57 Abs. 2 StPO, der ganz allgemein Rechtsmittelverzichte des Beschuldigten gegen Urteile für unwirksam erklärt, wenn sein Verteidiger nicht anwesend war oder er sich nicht mit diesem beraten konnte.

Die Berufung wegen Nichtigkeitsgründe (§ 468 StPO) soll sowohl an die geänderte Struktur des Ermittlungsverfahrens, als auch an die Änderungen im schöffengerichtlichen Verfahren angepasst werden. Überdies soll ein der Z 2 des § 281 Abs. 1 entsprechender Nichtigkeitsgrund aufgenommen werden, damit unzulässige Erkundigungen oder ein Verstoß gegen § 44 StPO nF (weil sich § 468 Abs. 1 Z 1 auf das erkennende Gericht bezieht, vgl. Ratz in Miklau-FS, 423 f) geltend gemacht werden können. Im Hinblick auf den fehlenden Verteidigerzwang soll hier jedoch gegenüber § 281 Abs. 1 Z 2 StPO auf eine Rügepflicht verzichtet werden.

Gemäß § 471 Abs. 1 sollen für die Anberaumung und die Durchführung des Berufungsverfahrens die Bestimmungen der §§ 286 Abs. 1 und 2, 287, 288 Abs. 2 Z 3, 289, 290 und § 293 Abs. 4 über das Verfahren bei Nichtigkeitsbeschwerden und die Bestimmungen der §§ 294, 295 und 296a über das Verfahren bei Berufungen gelten. Daher sind vom Termin für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung die Beteiligten des Verfahrens zu verständigen. Der Angeklagte ist derart zu laden, dass ihm eine Vorbereitungszeit von acht Tagen zur Verfügung steht. Ist er jedoch bereits durch einen Verteidiger vertreten, so ist nur dieser unter Einhaltung dieser Frist zu laden. Gleiches gilt für den Privatbeteiligte und den Privatankläger. Über die Folgen ihres Ausbleibens sind diese in der Ladung zu belehren. Ist der Angeklagte in Haft, so hat seine Ladung den Beisatz gemäß § 286 Abs. 2 zu enthalten. Der Verweis auf § 287 soll klarstellen, dass die Berufungsverhandlung grundsätzlich öffentlich ist. § 477 StPO aF kann im Hinblick auf die nunmehrige Verweisung auf die §§ 290 und 295 entfallen.

Klargestellt sei an dieser Stelle, dass mit der Bestimmung des § 473 Abs. 1 StPO, wonach für die Vernehmung des Angeklagten, von Zeugen und Sachverständigen die für die Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Schöffengericht geltenden Bestimmungen anzuwenden sind, nicht angeordnet wird, dass alle bisher durchgeführten Vernehmungen zu wiederholen wären. Nach dem folgenden Satz dieser Bestimmung kann ja eben das Protokoll der Hauptverhandlung ebenso verlesen werden wie das Urteil samt den Entscheidungsgründen. Eine Wiederholung des Beweisverfahrens soll daher – wie nach geltendem Recht – nicht notwendig sein.

§ 474 wird neu formuliert. Das Berufungsgericht hat, ausgenommen in jenen Fällen in denen der Berufung wegen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit nicht Folge zu geben wäre, sich das Landesgericht (§ 31 Abs. 5 Z 1) selbst für unzuständig erklärt oder gemäß § 475 vorzugehen ist, stets in der Sache selbst zu entscheiden. Die Bestimmungen über die schöffengerichtliche Hauptverhandlung sind bei einer allfälligen Wiederholung oder Ergänzung der Hauptverhandlung sinngemäß anzuwenden. War das Bezirksgericht sachlich unzuständig, so hat das Landesgericht (§ 31 Abs. 5 Z 1) das Urteil aufzuheben und die Strafsache an das zuständige Landesgericht zu verweisen.

§ 481 kann aufgrund der Regelung des § 87 über Beschwerden entfallen.

Zu Z 211 bis 219 (§§ 483 bis 491 StPO):

Das Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter soll im Zuge der Begleitgesetzgebung neu formuliert und an die Struktur des Ermittlungsverfahrens angepasst werden: § 484 regelt Form und Inhalt des Strafantrages. Dieser hat, außer dem im § 211 Abs. 1 genannten Inhalt, die Beweise zu bezeichnen, deren Aufnahme in der Hauptverhandlung beantragt wird. Den Strafantrag hat der Einzelrichter dem Angeklagten – gegebenenfalls samt einer Rechtsbelehrung gemäß § 50 – falls eine solche noch nicht erfolgt sein sollte – zuzustellen.

In Fortführung der im Ermittlungsverfahren in § 108 geregelten Möglichkeit des Antrags auf Einstellung des Verfahrens, soll nun mit Beginn des Hauptverfahrens (§ 210 Abs. 2) das Landesgericht als Einzelrichter vor Anordnung der Hauptverhandlung den Strafantrag von Amts wegen prüfen (§ 485 Abs. 1) und gegebenenfalls seine örtliche oder sachliche Unzuständigkeit mit Beschluss aussprechen (Z 1; siehe auch die Erläuterungen zu Z 66 und 214). Ist der Sachverhalt nicht soweit geklärt, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt oder der Strafantrag sonst an wesentlichen Formmängeln leidet, soll es den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen (Z 2); im Falle, dass die zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt, oder Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist, oder der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehlt, soll es den Strafantrag mit Beschluss zurückweisen und das Verfahren einstellen (Z 3). In den übrigen Fällen ist nach dem 13. Hauptstück vorzugehen.

Über eine Beschwerde (§ 87 StPO) gegen einen Beschluss gemäß § 485 Abs. 1 hat das OLG gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 iVm § 31 Abs. 4 zu entscheiden.

§ 488 bestimmt, dass für das Hauptverfahren des Landesgerichts als Einzelrichter und für das Rechtsmittelverfahren die Bestimmungen über das Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht gelten.

Abs. 3 regelt das Verfahren bei sachlicher Unzuständigkeit des Landesgerichts als Einzelrichter in der Hauptverhandlung: Kommen während der Hauptverhandlung Tatsachen hervor, die den Verdacht begründen, dass die im Strafantrag umfasste Straftat nicht in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Einzelrichter, sondern in jene als Schöffen- oder Geschworenengericht fällt, so hat es – nach Anhörung der Beteiligten zu den geänderten Umständen – ein Unzuständigkeitsurteil zu fällen.

Gemäß Abs. 4 soll eine gekürzte Urteilsausfertigung weiterhin unter den bisherigen Voraussetzungen zulässig sein.

§ 489 regelt wie bisher die Rechtsmittel gegen Urteile des Landesgerichts als Einzelrichter Die Änderungen sind rein terminologischer Natur, wobei allerdings in der Systematik anders als das geltende Recht auf das entsprechende Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht abgestellt werden soll, weil dieses den Musterfall bilden, an dem sich auch das Verfahren vor dem Einzelrichter orientieren soll. Die Berufungsgründe wegen Nichtigkeit sollen übersichtlicher und nicht bloß durch einen Verweis auf jene im bezirksgerichtlichen Verfahren dargestellt werden. Das Redaktionsversehen des Ministerialentwurfs, wonach die örtliche und sachliche Unzuständigkeit nicht mehr als Nichtigkeitsgrund angeführt war, soll richtig gestellt werden. Zuständiges Rechtmittelgericht ist gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 das Oberlandesgericht.

Zu Z 220 bis 223 (§§ 492 bis 498 StPO):

§ 496 eröffnet – wie bisher – neben dem Gericht der Kriminalpolizei die Möglichkeit, den Verurteilten von sich aus festzunehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die bedingte Nachsicht einer Strafe oder eines Strafteils widerrufen wird und Fluchtgefahr iSd § 173 Abs. 2 Z 1 besteht. § 173 Abs. 3 ist zu beachten. Nach einer Festnahme, sei sie vom Gericht angeordnet oder von der Kriminalpolizei von sich aus durchgeführt worden (§ 171 Abs. 2 StPO), ist nach dem 9. Hauptstück mit der Maßgabe vorzugehen, dass die Haftfrist einen Monat beträgt und die Haft in keinem Fall über drei Monate hinaus aufrecht erhalten werden darf. Das bedeutet, dass für eine Fortsetzung nach einem Monat die Durchführung einer Haftverhandlung notwendig ist (grundsätzlich sollte innerhalb dieser Frist in erster Instanz zu erkennen sein, wobei zugleich mit der Entscheidung über den Widerruf auch über eine Fortsetzung der Haft entschieden werden soll), die gesamte Haftzeit jedoch jedenfalls mit drei Monaten begrenzt ist, um auch in diesem Verfahrensabschnitt dem Beschleunigungsgebot Geltung zu verschaffen. Wird von dem Mittel der „Widerrufshaft“ Gebrauch gemacht, so soll das gesamte Verfahren jedenfalls innerhalb der erwähnten Frist abgewickelt werden können.

Zu Z 225 (§ 501 Abs. 2 StPO):

Die Anregung des BKA-VD, klare rechtliche Verhältnisse für das weitere Vorgehen nach rechtskräftigem Abschluss des militärischen Disziplinarverfahrens zu schaffen, soll durch einen Verweis auf § 263 Abs. 4 aufgegriffen werden; die Staatsanwaltschaft soll daher innerhalb einer Frist von drei Monaten bei sonstigem Verlust ihres Verfolgungsrechts die für die Fortführung oder Beendigung des Verfahrens erforderlichen Verfahrenshandlungen zu setzen haben.

Zu Z 234 (§ 516 Abs. 4 StPO):

Anders als der Ministerialentwurf, der die derzeitige Rechtslage nicht nur für die „Nur-Verteidiger“, sondern – mangels Differenzierung – auch für die am 31. Dezember 2007 eingetragenen Rechtsanwälte, die nach § 48 Abs. 1 Z 4 ohnedies ex lege zur Verteidigung in Strafsachen befugt sind, perpetuierte, soll nun der erste Halbsatz des § 516 Abs. 4 bestimmen, dass „nur“ die am 31.12. 2007 bestehenden Eintragungen in die Verteidigerliste von Personen im Sinne des § 39 Abs. 3 StPO dritter Satz in der vor In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung aufrecht bleiben.

Zu Artikel II  (Änderungen des Strafgesetzbuches 1974)

Zu Z 1 (§ 42 StGB):

Da § 191 StPO („Einstellung wegen Geringfügigkeit“) § 42 StGB ersetzt (siehe dazu RV 25 BlgNR XXII. GP zu § 191), soll die Bestimmung ersatzlos entfallen. Zur Kritik an dieser in sich schlüssigen Lösung sei auf die Regelung des § 191 Abs. 2 StPO verwiesen, wonach auch das Gericht den Einstellungsgrund der Geringfügigkeit wahrzunehmen haben soll, wodurch dessen Nichtanwendung auch im Rechtsmittelverfahren überprüft werden kann.

Zu Z 2 (§ 58 StGB):

Derzeit wird in § 58 Abs. 3 Z 2 StGB bezüglich der Hemmung des Fortlaufs der Verjährungsfrist darauf abgestellt, ob gegen den Täter wegen der Tat ein gerichtliches Strafverfahren anhängig ist. Gerichtsanhängigkeit ist dabei nach der Rechtsprechung grundsätzlich dann gegeben, sobald irgendeine gegen den Täter gewendete gerichtliche Maßnahme getroffen wird, insbesondere auch im Rahmen gerichtlicher Vorerhebungen, wobei die Anhängigkeit mit der ersten solchen Maßnahme gegeben ist.

Im Ermittlungsverfahren gibt es wohl punktuelle gerichtliche Entscheidungen oder Beweisaufnahmen, die Strafsache wird jedoch dennoch nicht mehr „gerichtsanhängig“. Eine solche wäre erst mit dem Einbringen der Anklage gegeben. Denkt man an die Situation einer sogenannten direkten Anklage nach bloß sicherheitsbehördlichen Vorerhebungen, so könnte man eine Reformnotwendigkeit verneinen. Die Regelung über die Hemmung des Fortlaus der Verjährungsfrist soll jedoch erneuert werden, weil das Strafverfahren nunmehr mit der ersten Ermittlung oder mit der erstmaligen Anwendung von Zwang gegen den Beschuldigten beginnt (§ 1 Abs. 2 StPO). Als Anknüpfungspunkt der Fortlaufhemmung des § 58 Abs. 3 Z 2 StGB kann daher nicht mehr die Gerichtsanhängigkeit herangezogen werden. Der Ministerialentwurf hat darauf abgestellt, dass der Beschuldigte wegen der Tat bereits vernommen (§§ 164, 165) oder Zwang gegen ihn angedroht oder ausgeübt wurde. Der Begriff „Zwang“ umfasst jedenfalls die der Kriminalpolizei in § 93 Abs 1 eingeräumte Ermächtigung, zur Durchsetzung ihrer gesetzlichen Befugnisse verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden.

Da im Begutachtungsverfahren Unsicherheiten in der Auslegung des Begriffs „Zwang“ zu Tage getreten sind, dem grundsätzlich ein weites Verständnis zu unterlegen ist  (vgl. E. Fuchs in WK2 § 58 [2007] Rz 28), soll nun zweifelsfrei klargestellt werden, dass auch Fahndungsmaßnahmen – insbesondere eine nur von der Staatsanwaltschaft anzuordnende Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung gemäß § 168 Abs 1 StPO die Verjährung hemmt. Somit soll also die Zeit zwischen der erstmaligen Vernehmung als Beschuldigter (§§ 164, 165 StPO), der Ergreifung von Fahndungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft (§ 168 Abs 1 StPO) oder der erstmaligen Androhung oder Ausübung von Zwang gegen den Täter (§§ 93 Abs. 1, 105 Abs. 1 StPO) wegen der Tat und der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden.

Im Grundsatz wird damit eine „parallele“ Regelung von Verjährungshemmung und „formloser“ Wiederaufnahme vorgenommen, wodurch dem geltenden Grundsatz entsprochen werden soll, wonach das Strafverfahren nur dann unabhängig von den Bedingungen und Förmlichkeiten der Wiederaufnahme nach den allgemeinen Vorschriften eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, wenn die Vorerhebungen eingestellt worden sind, ehe eine bestimme Person als Beschuldigter behandelt wurde, und der bekannte Verdächtige dann als Beschuldigter behandelt gilt, wenn er nach § 38 Abs. 3 StPO aF vernommen, zur Vernehmung vorgeladen oder in Verwahrungshaft genommen wurde.

Nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden soll darüber hinaus die Probezeit nach § 203 Abs. 1 StPO, die Fristen zur Zahlung eines Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung und zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich (§§ 200 Abs. 2 und 3, 201 Abs. 1 und 3 StPO), sowie die Zeit von der Stellung eines Ersuchens der Staatsanwaltschaft gemäß § 204 Abs. 3 StPO bis zur Mitteilung des Konfliktreglers über die Ausgleichsvereinbarungen und ihre Erfüllung (§ 204 Abs. 4 StPO).

Zu Z 2 lit. c, 4, 5, 6 und 7 (§§ 58 Abs. 4, 107a Abs. 3, 117 Abs. 4, 195 Abs. 3, 196 Abs. 2, 218 Abs. 3, 318 Abs. 1 und 287 Abs. 2 StGB):

Diese Änderungen sind durch den Entfall der Kategorie der Antragsdelikte bedingt. Es schiene in Anbetracht des mit dem Strafrechtsänderungesetzes 2006, BGBl. I Nr. 56/2006 vorgenommenen Entfalls des § 107 Abs. 4 StGB inkonsequent, nun für den Fall des § 107a Abs. 3 wiederum eine Ermächtigung vorauszusetzen.

Die Änderung des § 117 Abs. 4 StGB ist – abgesehen von begrifflichen Klarstellungen – darauf zurückzuführen, dass die Erhebung einer Privatanklage an keine prozessuale Frist mehr gebunden ist (es genügt, wenn die Tat noch nicht verjährt ist; siehe § 71 StPO).

Zu Z 9 bis 15 (§§ 288, 289, 290, 292, 293, 295, 296 StGB):

Das Ermittlungsverfahren schreibt für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen bestimmte Förmlichkeiten vor, die unabhängig davon anzuwenden sind, ob die Vernehmung durch das Gericht, die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei geleitet wird. Dementsprechend soll gemäß § 288 StGB auch strafbar sein, wer vor der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei als Zeuge oder Auskunftsperson (vgl. §§ 151f und § 100 Abs. 3 Z 2 StPO) falsch aussagt oder als Sachverständiger einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten erstattet. Daraus erklärt sich auch die Änderung des § 289. Im Begutachtungsverfahren geäußerten gleichheitsrechtlichen Bedenken muss entgegengehalten werden, dass einheitliche Regelungen der Vernehmungssituation, unabhängig davon, welches Organ sie durchführt, auch einheitliche Regeln der Strafbarkeit einer falschen Aussage verlangen. Es wäre doch eigentümlich, wenn eine falsche Zeugenaussage in einer von der Staatsanwaltschaft geleiteten Vernehmung einer geringeren Strafdrohung unterliegen würde, als wenn sie vor Gericht abgelegt worden wäre. Dies gilt grundsätzlich auch für Vernehmungen, die von der Kriminalpolizei geleitet werden, soweit sie in vollem Umfang den Förmlichkeiten der StPO (§§ 153 bis 166) entsprechen. Dass einer Aussage vor der Kriminalpolizei geringeres Gewicht zukommen würde, widerspricht der neuen Verfahrensgestaltung und auch den von ihr abhängigen Konsequenzen, insbesondere für die Haftsituation eines Beschuldigten.

Die vorgeschlagenen Anpassungen der Tatbestände der Fälschung eines Beweismittels (§ 293), der Unterdrückung eines Beweismittels (§ 295) und der tätigen Reue (§ 296) stellen Folgeänderungen dieser Neuregelung dar.

Zu Z 15 (§ 301):

Die im Ministerialentwurf vorgeschlagene Ergänzung der Strafbestimmung gegen verbotene Veröffentlichung, um das Verbot der Veröffentlichung (§ 54 StPO) in adäquater Weise sanktionieren zu können, wird nicht in den Entwurf übernommen, weil sich das Spannungsverhältnis zwischen Artikel 8 und 10 EMRK in einer Strafbestimmung nicht auf befriedigende Weise lösen lässt.

Zu Artikel III (Änderungen des JGG)

Zu Z 1 (§§ 2 und 3 JGG):

Der Ausdruck „Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht“ soll an das Außerstreitgesetz angepasst werde, das nur mehr die Bezeichnung Pflegschaftsgericht kennt.

Wird einem Unmündigen oder Jugendlichen eine Straftat angelastet und ist aus diesem Anlass eine Gefährdung seiner persönlichen Entwicklung zu befürchten, so obliegt bereits bisher grundsätzlich dem Pflegschaftsgericht die Prüfung, ob familien- oder jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen zu treffen sind. Auf Grund der – im Verhältnis zur derzeitigen Rechtslage – eingeschränkten Zuständigkeit des Strafgerichts im Ermittlungsverfahren könnte keine tatsächliche Verfahrensbeschleunigung durch die Entscheidung des Strafgerichtes erzielt werden, weil es das Verfahren und die konkreten Umstände nur in den wenigsten Fällen kennen wird. Darüber hinaus hat die Verständigung des Pflegschaftsgerichts während des Ermittlungsverfahrens, in dem ohnehin die meisten familien- oder jugendwohlfahrtsrechtlichen Verfügungen zu treffen sind, nicht mehr durch das in vielen Fällen gar nicht involvierte Strafgericht, sondern durch die Staatsanwaltschaft zu erfolgen. Für die wenigen Situationen, in denen solche Verfügungen in der Phase des Hauptverfahrens zu treffen sind, kann auf eine Sonderregelung verzichtet werden, wodurch auch in diesen Fällen das jedenfalls über die entsprechende Fachkompetenz zuständige verfügende Pflegschaftsgericht zu entscheiden hat. Insgesamt besteht daher keine Notwendigkeit der Verlagerung der Zuständigkeit vom Pflegschafts- auf das Strafgericht, sodass eine durch den Verdacht einer Straftat indizierte Gefährdung des Kindeswohls und geeignete bzw. notwendige Abhilfemaßnahmen ausschließlich vom Pflegschaftsgericht zu beurteilen sein werden.

Zu Z 2 (§ 4 JGG):

Die Z 3 ist auf Grund der Aufhebung des § 42 StGB und des § 191 StPO, der weitgehend mit dieser Bestimmung korrespondiert, obsolet und kann daher entfallen.

Zu Z 3 (§ 5 JGG):

Es handelt sich um eine reine Zitatanpassung. Infolge der Aufhebung des § 42 StGB wird die Bezugnahme auf die Einstellung wegen Geringfügigkeit gemäß § 191 StPO richtig gestellt.

Zu Z 4 (§ 6 JGG):

In Abs. 1 werden insbesondere terminologische Anpassungen durchgeführt und das Verhältnis des Absehens von der Verfolgung nach § 6 JGG zu §§ 190 bis 192 geklärt.

Durch die neue Formulierung des Abs. 1 soll dessen Anwendungsbereich klargestellt werden: bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen der §§ 190 bis 192 StPO ist nach diesen Bestimmungen vorzugehen, allerdings kommt ein Absehen von der Verfolgung zudem nur in Frage, wenn keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind. § 6 kann daher zum Einen nur zur Anwendung kommen, wenn es sich um eine Straftat handelt, wegen der keine Einstellung des Ermittlungsverfahrens aus den Gründen der §§ 190 bis 192 StPO in Frage kommt. Zum Anderen grenzt die Formulierung den Anwendungsbereich auch in die andere Richtung ab: ein Absehen von der Verfolgung kommt nur in Frage, wenn weitere Maßnahmen, wie insbesondere der Rücktritt von der Verfolgung (Diversion), spezialpräventiv nicht geboten sind.

Abs. 2 formuliert die Belehrung des jugendlichen Verdächtigen durch das Pflegschaftsgericht geringfügig neu, wobei im Wesentlichen ausdrücklich klargestellt wird, dass eine allfällige Belehrung durch das Pflegschaftsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft förmlich zu erfolgen hat. Eine Ladung des Beschuldigten vor das Gericht, verbunden mit einer folgenden Verständigung über das Absehen der Verfolgung ist daher erforderlich; eine etwaige „formlose“ Belehrung im Wege eines Telefonats o.ä. wäre hingegen nicht ausreichend. Unterbleibt ein solcher Antrag der Staatsanwaltschaft, hat sie auch weiterhin den Beschuldigten vom Absehen von der Verfolgung zu verständigen; die ergänzenden Verständigungspflichten des § 194 sind jedoch ebenfalls zu beachten.

In Weiterführung der Regelungen der §§ 191 Abs. 2 und 199 StPO soll im Abs. 3 klargestellt werden, dass das Gericht grundsätzlich erst nach Einbringung der Anklage ein Verfahren wegen § 6 einstellen kann. Die Bestimmung des § 108 StPO soll davon unberührt bleiben, wenn ein entsprechender Antrag des Beschuldigten eingebracht wird und die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (wenn feststeht, dass die zur Last gelegte Tat keine Straftat darstellt oder die Verfolgung sonst aus rechtlichen Gründen, z.B. wegen Strafaufhebungs-, Strafausschließungs- oder Rechtfertigungsgründen unzulässig ist).

Zu Z 5 (§ 7 JGG):

§ 7 wird im Wesentlichen § 198 StPO angepasst, wobei der Anwendungsbereich im Bereich der Jugendstrafsachen allerdings gegenüber jenem der Strafsachen gegen Erwachsene ausgeweitet werden soll. Dies betrifft zum Einen die Definition jener Straftaten, die grundsätzlich einer diversionellen Erledigung zugänglich sein sollen, zum Anderen die weiteren Zulässigkeitskriterien iSd § 198 Abs. 2 StPO.

In diesem Zusammenhang sei eingangs auf den Endbericht der Expertenkommission zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich vom März 2004 hingewiesen, die zu diesen Problemkomplexen unter anderem Folgendes festgestellt hat:

„2.5.1. Mit großer Mehrheit tritt die Kommission dafür ein, dass der absolute gesetzliche Ausschluss der Diversion bei Todesfolge beseitigt werden sollte. Zwar wird die Diversion in solchen Fällen schon aus Gründen der Generalprävention auf besondere Ausnahmesituationen – wie etwa die leicht fahrlässige Tötung eines nahen Angehörigen bei einem Verkehrsunfall oder durch Vernachlässigung der Aufsicht des eigenen Kindes – beschränkt bleiben müssen, sie sollte aber – anders als nach geltendem Recht – in solchen (in der Praxis seltenen) Ausnahmesituationen möglich sein.

2.5.2. Nach Ansicht eines Teiles der Kommission sollte ferner überlegt werden, die Grenze, jenseits deren die Diversion wegen der Schwere des Delikts ausgeschlossen ist, nicht an der Zuständigkeit der Schöffen- und Geschworenengerichte, sondern unmittelbar an der angedrohten Strafobergrenze auszurichten, also die Diversion ab einer Strafdrohung über fünf Jahren auszuschließen. Dadurch ließe sich etwa das Paradoxon beseitigen, dass beim Vergehen der Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole nach § 248 Abs. 2 StGB, dessen Strafrahmen bis zu sechs Monaten reicht, eine Diversion ausgeschlossen ist.“

Bislang ist der Staatsanwaltschaft ein Rücktritt von der Verfolgung nur hinsichtlich Jugendstraftaten möglich, die nur mit Geldstrafe oder mit nicht mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, wenn nicht aus besonderen Gründen die Durchführung eines Strafverfahrens oder der Ausspruch einer Strafe unerlässlich erscheint, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken und die übrigen in der StPO erwähnten Voraussetzungen vorliegen. Diese Einschränkung gilt allerdings nur für die staatsanwaltschaftlichen Erledigungen, während eine Einstellung durch das Gericht auch bei anderen Straftaten möglich ist.

Künftig ist jedoch im Ermittlungsverfahren eine diversionelle Erledigung durch die Gerichte nicht mehr möglich (arg: § 199 StPO: „Nach Einbringen der Anklage  ... hat das Gericht die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen dieses Hauptstückes sinngemäß anzuwenden...“). In der Phase des Ermittlungsverfahrens ist daher ausschließlich ein Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft vorgesehen. Es erschiene daher – sowohl im Hinblick auf die positiven Erfahrungen der geltenden Bestimmungen als auch im Zusammenhang mit der Aufwertung der Staatsanwaltschaft als Leiterin des Ermittlungsverfahrens – unbillig, die bislang bestehende Gesetzeslage mit der Möglichkeit, von der Verfolgung auch hinsichtlich weiterer Straftaten zurückzutreten, nunmehr einzuschränken.

Von der generellen Beschränkung auf Jugendstraftaten, die nur mit Geldstrafe oder mit nicht mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, soll für den Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft abgesehen werden. Angelehnt an § 198 StPO wird daher vorgeschlagen, dass die Staatsanwaltschaft nach dem 11. Hauptstück der StPO vorzugehen und von der Verfolgung einer Jugendstraftat zurückzutreten hat, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass zwar eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004 nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf eine diversionelle Erledigung aus spezialpräventiven Erwägungen nicht geboten erscheint. Neben den übrigen in der StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004 genannten Voraussetzungen soll ein solches Vorgehen jedoch nur zulässig sein, wenn die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer iSd § 32 StGB anzusehen ist und – vorbehaltlich gewisser Ausnahmen (siehe unten) – die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat.

Die Voraussetzung, wonach die Straftat nicht in die Zuständigkeit des Landesgerichtes als Schöffen- oder Geschworenengericht fallen darf, wird im Sinne der obigen Ausführungen fallen gelassen. Dadurch wird das von der Expertenkommission zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich genannte Paradoxon beseitigt, dass beim Vergehen der Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole nach § 248 Abs. 2 StGB trotz dessen Strafrahmen bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe kein Rücktritt von der Verfolgung möglich wäre. Darüber hinaus soll es nunmehr auch weiterhin möglich sein, dass beispielsweise Jugendstraftaten wegen § 3g Verbotsgesetz, denen bislang im Wege einer gerichtlichen Diversion begegnet werden konnte, auch weiterhin einem Rücktritt von der Verfolgung im Ermittlungsverfahren zugänglich sind.

Die im Endbericht der Expertenkommission zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich vom März 2004 vorgeschlagene Strafobergrenze von fünf Jahren entspricht der geltenden Rechtslage im Bereich der Jugendstraftaten und bezieht sich ganz allgemein auf die Straftaten Erwachsener. Um jedoch den Ist-Zustand bei Jugendstraftaten beizubehalten, wonach grundsätzlich alle Straftaten diversionell erledigt werden können, soll abgesehen von den in Abs. 2 genannten Ausnahmen jedoch auf weitere Voraussetzungen wie Zuständigkeitsregelungen oder Strafobergrenzen zur Gänze verzichtet werden.

Der Umstand, dass die Tat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat, soll allerdings nicht mehr per se den Rücktritt von der Verfolgung ausschließen. In gewissen Ausnahmesituationen, insbesondere bei fahrlässigen  Tötungen im Familienkreis, kann der psychische Leidensdruck durch die Verursachung des Todes eines oder einer Angehörigen so groß sein, dass die Durchführung eines Strafverfahrens nicht erforderlich scheint. Bereits im Jahr 2004 ist die Expertenkommission zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich mit großer Mehrheit für die Beseitigung des absoluten gesetzlichen Ausschlusses der Diversion bei Todesfolge eingetreten.

Am 4. November 2005 hat zudem die Landeshauptleutekonferenz – auf Grund der Entschließung des Tiroler Landtages vom 11. Mai 2005 – in Hermagor einstimmig folgenden Beschluss gefasst:

„§ 90a StPO legt die Voraussetzungen für die Anwendung der Diversion fest. Ausdrücklich ist darin bestimmt, dass Diversion nur zulässig ist, wenn die Tat nicht den Tod eines Menschen zur folge hatte.

Die Landeshauptleutekonferenz unterstützt eine Änderung der Strafprozessordnung, um die Anwendung der Diversion bei Unfällen mit tödlichem Ausgang im familiären Umfeld zu ermöglichen.“

Diesen Anliegen folgend, schlägt der Entwurf in Abs. 2 Z 2 daher vor, die Anwendung der Diversion unter zwei kumulativen Voraussetzungen zu ermöglichen: wenn durch die Tat ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig getötet wurde und eine Bestrafung im Hinblick auf die durch den Tod des Angehörigen verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint. Handelt es sich daher um eine Vorsatztat oder ist der Beschuldigte durch den Tod des Angehörigen gar nicht schwer psychisch belastet (weil beispielsweise trotz Angehörigeneigenschaft kein Naheverhältnis bestanden hat oder auf Grund anderer Umstände sogar eine gewisse Erleichterung über den Tod vorliegt), soll auch weiterhin ein Rücktritt von der Verfolgung ausgeschlossen sein. Liegt zwar eine schwere psychische Belastung durch den Tod des Angehörigen vor, ist die Schuld jedoch als schwer anzusehen, ist ein Rücktritt von der Verfolgung nach Abs. 2 Z 1 ebenfalls nicht möglich.

Zu Z 6 (§ 8 JGG):

Auf Grund der umfassenden Änderung des § 7 wird aus Gründen der leichteren Lesbarkeit und Verständlichkeit vorgeschlagen, dessen Inhalt nunmehr in einen allgemeinen und einen besonderen Teil zu trennen und die bisherigen, die einzelnen diversionellen Maßnahmen betreffenden § 7 Abs. 2 bis 5 in einen neu zu bildenden § 8 (Abs. 1 bis 4) überzuführen. Die Verweise auf die diversionellen Bestimmungen werden an die im Wesentlichen gleichlautend übernommenen Bestimmungen der StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004 angepasst.

In Abs. 3 erfolgt lediglich eine terminologische Anpassung an §§ 65 Z 1 (Definition des Opfers; bisher: Verletzter bzw. durch eine strafbare Handlung in ihren Rechten verletzte Person) und 204 StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004 StPO (Tatausgleich; bisher: außergerichtlicher Tatausgleich).

Zu Z 7 (§ 27 JGG):

Es erfolgen Anpassungen an die Terminologie der StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004, die in § 31 die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichtes regelt. Die Bezeichnungen sind daher auf das Landesgericht als Einzelrichter, das Landesgericht als Geschworenengericht und das Landesgericht als Schöffengericht richtig zu stellen.

In Abs. 1 Z 1 wird lediglich der Verweis auf die Delikte bzw. Deliktsgruppen, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes als Geschworenengericht fallen, auf die neuen Bestimmungen richtig gestellt.

Zu Z 8 (§ 29 JGG):

In § 29 ist eine Änderung erforderlich, weil sich die örtliche Zuständigkeit nach dem bisherigen System der StPO an der Zuständigkeit des Gerichts orientiert hat. In der neuen Systematik erfolgt insofern eine Änderung, als sich die Zuständigkeit des Gerichts im Ermittlungsverfahren nach jener der Staatsanwaltschaft richtet. Für Jugendstrafsachen ist daher im Ermittlungsverfahren jene Staatsanwaltschaft und für die Hauptverhandlung jenes Gericht örtlich zuständig, in deren bzw. in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit des Beginns des Ermittlungsverfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte. Im Ermittlungsverfahren obliegen gerichtliche Entscheidungen und Beweisaufnahmen jedoch dem Landesgericht, an dessen Sitz sich die das Verfahren leitende Staatsanwaltschaft befindet. Die Einfügung des Zitats der Bestimmungen der §§ 25 und 36 dient lediglich zur Klarstellung.

Zu Z 9 (§ 32 JGG):

Die Bestimmungen über das Abwesenheitsverfahren sind wie bisher bei jugendlichen Angeklagten nicht anzuwenden. Vielmehr gilt gemäß Abs. 1 bei sonstiger Nichtigkeit die allgemeine Regelung des vorgeschlagenen § 427 Abs. 2 StPO, wonach bei nicht möglicher Durchführung der Hauptverhandlung wegen Abwesenheit des Angeklagten die Hauptverhandlung gemäß § 226 StPO zu vertagen und gegebenenfalls seine Vorführung anzuordnen ist. Ist er jedoch  flüchtig oder unbekannten Aufenthalts, so gilt die generelle Regelung des § 197 Abs. 1 StPO (Ausschreibung zur Ermittlung des Aufenthalts oder zur Festnahme).

Zur Klarstellung wird in Abs. 3 angeordnet, dass die Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft auch zu berichten (§ 100 StPO) hat, wenn ein Unmündiger im Verdacht steht, eine Straftat begangen zu haben.

Zu Z 10 (§ 33 JGG):

Die Bestimmung wird schlanker und in ihrer Ausformulierung gestrafft. Grundsätzlich sollen auch weiterhin der Jugendwohlfahrtsträger und das Pflegschaftsgericht von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Jugendlichen verständigt werden. Die bisher eher umständliche Regelung der Verständigung des Jugendwohlfahrtsträgers und des Pflegschaftsgerichtes wird neu geregelt, weil einer Verständigung über die Einleitung eines Verfahrens  auch eine über dessen Beendigung folgen sollte, damit allenfalls entsprechende Schritt getätigt werden können. Die Verständigung über den Beginn des Ermittlungsverfahrens hat systematischer Weise durch die Staatsanwaltschaft zu erfolgen. Ebenso hat die Staatsanwaltschaft die Verständigungen unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 194 und 208 Abs. 4 StPO  bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder einem Rücktritt von der Verfolgung vorzunehmen. In allen anderen Fällen obliegt die Verständigung konsequenterweise dem Gericht, wodurch es insofern eine Vereinheitlichung bewirkt wird, als stets die das Verfahren beendende Stelle die entsprechenden Mitteilungen vorzunehmen hat.

Um sicherzustellen, dass alle zuständigen Stellen davon informiert werden, wenn gegen einen Jugendlichen weitere Strafverfahren geführt werden, soll Abs. 3 um eine entsprechende Regelung einer wechselseitigen Verständigungspflicht für das Ermittlungsverfahren ergänzt werden. Die Verständigung durch den Jugendwohlfahrtsträger oder das Pflegschaftsgericht ist daher an alle involvierten Gerichte und Staatsanwaltschaften zu richten.

In Abs. 6 soll der Verweis auf die Nachfolgebestimmung des § 25 des Suchtgiftgesetzes 1951 richtig gestellt werden.

Zu Z 11 (§ 34 JGG):

Entsprechend den Änderungen in § 29 ist auch hier durch die geänderte Rollenverteilung im Ermittlungsverfahren eine Anpassung vorzunehmen, wonach sich die Führung des Ermittlungsverfahrens nach der für die Jugendstrafsache zuständigen Staatsanwaltschaft, jene des Hauptverfahrens aber wie bisher nach dem für die Jugendstrafsache zuständigen Gericht richtet.

Die Änderung in Abs. 2 Z 1 ist lediglich terminologischer Natur.

Zu Z 12 (§ 35 JGG):

Die StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004  verwendet den Begriff der Verwahrungshaft nicht, sodass nunmehr auf die Festnahme abgestellt wird. Im Übrigen werden die Verweise und Begriffe an die neuen Bestimmungen der StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004 angepasst. Eine inhaltliche Änderung wird nicht vorgenommen.

Zu Z 13 (§ 36 JGG):

Die Bestimmung ist an § 183 Abs. 4 erster Halbsatz StPO angelehnt. Von einer weitergehenden Anpassung an § 183 Abs. 3 StPO wird auf Grund der Besonderheiten des JGG abgesehen, insbesondere soll der Aspekt einer besseren Auslastung der Vollzugseinrichtungen im Bereich des Jugendstrafvollzuges keine Rolle spielen.  Es werden daher lediglich terminologische Anpassungen an das Strafprozessreformgesetz vorgenommen.

Zu Z 14 (§ 37 JGG):

Als Anpassung an §§ 164 f StPO wird in Abs. 1 anstelle der bisherigen Befragung eines Jugendlichen zur Sache und der förmlichen Vernehmung der Begriff der Vernehmung verwendet, auf die bisherigen Einschränkungen der befragenden bzw. vernehmenden Behörden jedoch verzichtet. Eine Vertrauensperson ist daher allen Vernehmungen durch Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sowie bei kontradiktorischen Vernehmungen beizuziehen (§§ 164, 165 StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004), soweit der Jugendliche nicht ohnehin durch einen Verteidiger vertreten ist.

Auch weiterhin soll die Information über dieses Recht so frühzeitig erfolgen, dass der Jugendliche dieses auch tatsächlich ausüben kann. Er ist daher darüber – abhängig von de konkreten Situation – so früh wie möglich, also entweder in einer Rechtsbelehrung nach § 50 StPO und in einer Ladung gemäß § 153 Abs. 2 StPO (die ebenfalls eine Rechtsbelehrung zu beinhalten hat), spätestens jedoch vor Beginn der Vernehmung zu informieren.

Bisher ist mit der Vernehmung zum Eintreffen einer Vertrauensperson aufzuschieben, so lange dies mit dem Zweck der Vernehmung vereinbar ist, ohne eine unangemessene Verlängerung der Anhaltung zu bewirken. Das Prinzip, dass sich der Jugendliche grundsätzlich einer Vernehmung nicht ohne unterstützende Anwesenheit eines Erwachsenen unterziehen muss, wird beibehalten, allerdings auch im Hinblick auf eine möglichst kurze Dauer der Anhaltung um die Möglichkeit ergänzt, dass mit der Vernehmung auch bei Anwesenheit des Verteidigers nicht weiter zugewartet werden muss. Auf Grund der besonderen Schutzwürdigkeit Jugendlicher soll entgegen § 164 Abs. 2 dritter Satz StPO von der Beiziehung eines Verteidigers jedoch in keinem Fall abgesehen werden dürfen; die Bestimmungen der §§ 59, 60 StPO gelten unverändert.

Gemäß Abs. 3 gilt § 160 Abs. 2 StPO dritter Satz StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004 sinngemäß. Wer der Mitwirkung an der Straftat verdächtig, am Verfahren als Zeuge oder in sonstiger Weise beteiligt ist, soll aus ermittlungstaktischen Gründen von der Anwesenheit ausgeschlossen werden können. Der letzte Ausschließungsgrund dient zusätzlich dem Schutz des Jugendlichen, der durch die (von ihm unter Umständen nicht gewünschte) Anwesenheit der Vertrauensperson aus welchen Gründen immer (Scham, Furcht vor elterlichem Tadel, etc.) an einer freien und vollständigen Aussage beeinflusst werden könnte.

Zu Z 15 und 17 (§§ 38 und 40 JGG):

Mit dem im Ministerialentwurf im Abs. 1 vorgesehenen uneingeschränkten Verweis auf § 49 StPO würden die Rechte des gesetzlichen Vertreters überschießend ausgeweitet. Insbesondere stünde den gesetzlichen Vertretern dann das bisher nicht vorgesehene (vgl. Schroll in WK2 § 38 JGG Rz 29; Achammer, WK-StPO § 41 Rz 67; 11 Os 178/97) Recht zu, auch jeder für sich einen Verfahrenshilfeverteidiger in Anspruch zu nehmen (§ 49 Z 2 StPO). Die Bestimmung wird nun insoweit auf Anhörungs-, Einsichts- und Teilnahmerechte eingeschränkt. Gleiches gilt für das Recht auf Akteneinsicht, es sei denn, dass der gesetzliche Vertreter verdächtig ist, sich an der Straftat beteiligt zu haben (vgl. auch Schroll in WK2 § 38 JGG Rz 11, wonach die Ausübung des Rechtes auf Verfahrensteilnahme jedem gesetzlichen Vertreter für seine Person eingeräumt ist und daher divergierende Interessen und demzufolge divergierende Antragstellungen – anders als im zivilgerichtlichen Verfahren; vgl. § 154a ABGB – nicht auszuschließen sind).

Die Änderungen in § 38 Abs. 2 sind terminologischer Natur und vollziehen die Änderung der Bezeichnung der Bestimmungen betreffend den Rücktritt von der Verfolgung nach. Die Wendung der Belehrung nach dem bisherigen § 90j StPO kann entfallen, weil diese Belehrung durch den Hinweis auf gesetzliche Anhörungsrechte in Abs. 1 umfasst wird.

Durch den Ausbau der Beschuldigtenrechte (§ 49 StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004) sind auch § 38 Abs. 5 Z 2 und Abs. 6 sowie § 40 auf die in § 49 Z 10 idF BGBl. I Nr. 19/2004 genannten Beweisaufnahmen und Verhandlungen (Hauptverhandlung, kontradiktorische Vernehmung von Zeugen und Mitbeschuldigten, Befundaufnahme und Tatrekonstruktion) auszudehnen.

Zu Z 16 (§ 39 JGG):

Bei der Neuformulierung des § 39 JGG wurde darauf Rücksicht genommen, dass in der Praxis immer wieder Fälle vorkommen, in denen jugendliche Beschuldigte (zumeist auch ohne entsprechende deutsche Sprachkenntnisse) in der Hauptverhandlung vor den Bezirksgerichten ohne gesetzlichen Vertreter und ohne Anwalt auftreten (vgl. 11 Os 26/06t, EvBl 2006/140, 729; 15 Os 34/06y). Bei derartigen Konstellationen ist im bezirksgerichtlichen Verfahren zwar schon über Z 2 leg. cit. eine notwendige Verteidigung vorgesehen, weil bei dieser Sachverhaltslage eine anwaltliche Vertretung, oder aber eine durch ein Organ der Jugendgerichtshilfe nach § 48 Z 5 JGG zur Wahrung der Rechte des Jugendlichen notwendig ist. Dies wird aber nun als Regelbeispiel im Gesetz besonders hervorgehoben, um sicherzustellen, dass der beizugebende Rechtsanwalt bzw. ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe dann iSd § 38 Abs. 5 JGG auch die Rechte des gesetzlichen Vertreters ausüben kann.

Die Änderungen in Abs. 1 Z 1 beziehen sich auf den Entfall des Begriffes der Gerichtshöfe und die neuen Bezeichnungen der Gerichte im Strafverfahren (§§ 29 ff StPO). Eine Verteidigerliste besteht nicht mehr, vielmehr regelt nun ohnedies § 48 Abs. 1 Z 4 StPO, wer als Verteidiger namhaft gemacht werden kann.

Abs. 3 kann im Hinblick auf die bestehenden Regelungen in § 281 Abs. 1 Z 1a iVm § 489 StPO entfallen, ohne eine Änderung der Rechtslage zu bewirken.

Zu Z 18 (§ 43 JGG):

Die Berücksichtigung der Psychotherapeuten neben den Ärzten und Psychologen erfolgte bereits im StGB und in der StPO und soll auch im JGG geschehen.

Zu Z 19 (§ 44 JGG):

Es sind die erforderlichen Anpassungen an das Strafprozessreformgesetz vorzunehmen, das keinen Antrag auf Strafverfolgung mehr kennt, aus diesem Grund sollen Privatanklagedelikte nur mit Ermächtigung des Opfers durch die Staatsanwaltschaft unter den weiteren besonderen Voraussetzungen des Abs. 1 verfolgt werden können.

Durch die Neuformulierung des Abs. 2 wird das Recht des Privatbeteiligten, sich am Verfahren zu beteiligen, um Ersatz für den erlittenen Schaden oder die erlittene Beeinträchtigung zu begehren (§ 65 Z 2 StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004), auch weiterhin nicht berührt. Ausgeschlossen soll allerdings wie bisher die Möglichkeit der Erhebung einer Subsidiaranklage (§ 72 StPO) sein. Ebenso sollen kein Antrag auf Fortführung (§ 195 StPO) und keine Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde durch den Privatbeteiligten (§ 282 Abs. 2 StPO) möglich sein.

Zu Z 20 (§ 45 Abs. 2 JGG):

Durch die Änderung des § 388 StPO mit dem Budgetbegleitgesetz 2005, BGBl I 136/2004, kam es zu einem Spannungsverhältnis in Bezug auf § 45 Abs. 2 JGG, weil infolge fehlender Anpassung dieser im Verhältnis zu § 388 StPO als lex specialis zu wertenden Bestimmung bei bloßer Wortinterpretation die Möglichkeit einer Reduktion des nunmehr für alle diversionellen Erledigungen vorgesehenen Kostenbeitrags beim Jugendlichen und jungen Erwachsenen bloß auf die Diversionsform des Tatausgleichs beschränkt wäre. Eine solche Einschränkung macht keinen Sinn. Andererseits ließe sich eine durch teleologische Interpretation zu schließende Gesetzeslücke nach einer Änderung des § 45 Abs. 2 JGG durch die ursprünglich im Ministerialentwurf vorgeschlagene Änderung nicht mehr argumentieren. Daher soll nunmehr der neu gestaltete Abs. 2 auf alle Diversionsformen abstellen.

Zu Z 21 (§ 46 Abs. 1 JGG):

Hier soll lediglich ein unrichtig gewordenes Zitat richtig gestellt werden.

Zu Z 22 (§ 48 JGG):

Bei der Änderung in Z 2 handelt es sich ausschließlich um eine terminologische Anpassung. In Z 3 wird zur Vermeidung von Missverständnissen klargestellt, dass die Vorschläge an das Pflegschaftsgericht oder den Jugendwohlfahrtsträger zu richten sind. Z 4 wird in Anlehnung an die Neuformulierung des § 35 Abs. 1 lediglich im Vergleich zu bisher positiv formuliert.

Zu Z 23 (§ 49 JGG):

Es handelt sich ausschließlich um eine terminologische Anpassung.

Zu Z 24 (§ 50 JGG):

Abs. 2 ist an die geänderten Bestimmungen der Akteneinsicht (§ 53 StPO) im Rahmen des Ermittlungsverfahrens anzupassen. Den in der Jugendgerichtshilfe tätigen Personen ist daher von der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und von Gerichten Akteneinsicht zu gewähren. In Abs. 3 wird das Zitat richtig gestellt.

Zu Z 25 (Art. VIII JGG):

Die in diesem Entwurf vorgesehenen Änderungen sollen am 1. Jänner 2008 in Kraft treten.

Zu Z 26 (Art. IX JGG):

Es gelten dieselben Übergangsbestimmungen wie im Strafprozessreformgesetz.

Zu Artikel IV (Änderung des Finanzstrafgesetzes)

Zu Z 1 u  3 (Überschriften vor den §§ 231 und 246 FinStrG):

Da die Nummerierung der Hauptstücke der StPO nunmehr durchgehend auf arabische Ziffern umgestellt wird, ist eine entsprechende Anpassung der Verweisungen im FinStrG erforderlich.

Weiters ist das Verfahren gegen Unbekannte, Abwesende und Flüchtige im Stadium des Vorverfahrens nunmehr insbesondere in § 197 StPO geregelt. Die bezüglichen Bestimmungen betreffend die bisherige Voruntersuchung  (§§ 421 bis 420 StPO) sollen daher ersatzlos entfallen. Um zum Ausdruck zu bringen, dass die §§ 231 bis 235 FinStrG weiterhin auch für das strafprozessuale Vorverfahren gelten, ist daher die Überschrift vor § 231 um den Bezug auf § 197 StPO zu ergänzen.

Zu Z 2 (§ 232 FinStrG):

Mit dem Strafprozessreformgesetz (BGBl I 19/2004) wird das strafprozessuale Vorverfahren nicht mehr vor den Strafgerichten geführt. Durch die vorgeschlagene Neufassung des § 232 FinStrG soll die amtswegige Bestellung eines Verteidigers für flüchtige Beschuldigte weiterhin auch für das Vorverfahren Geltung behalten.