338 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (303 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufsprüfungs-Anrechungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008)

 

In der RAO, der NO und dem RDG soll eine Festlegung der für den Zugang zu den klassischen Rechtsberufen notwendigen Mindeststudieninhalte erfolgen, und zwar sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Es soll klargestellt werden, dass auch künftig nur ein mindestens vierjähriges rechtswissenschaftliches Universitätsstudium die Zulassung als Berufsanwärter ermöglicht. Im Gefolge der EuGH-Entscheidung in der Sache Morgenbesser soll weiter durch klarere Neuregelungen im Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz eine gemeinschaftsrechtskonforme Prüfung der Gleichwertigkeit der aufgrund einer in einem anderen Staat absolvierten rechtswissenschaftlichen Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten mit jenen Kenntnissen und Fähigkeiten, die durch den Abschluss eines Studiums des österreichischen Rechts bescheinigt sind, ermöglicht werden.

Ferner enthält der Entwurf verschiedene Maßnahmen zur Umsetzung der RL 2005/36/EG und 2005/60/EG sowie zur Klarstellung eine Einbeziehung der im Bereich der Rechtsdienstleistungen im Rahmen des GATS von Österreich eingegangenen Verpflichtungen in das Berufsrecht der Rechtsanwälte.

Im Bereich des Gebührenrechts für Gerichtssachverständige und -dolmetscher soll mit der Einführung einer gestaffelten Rahmengebühr die Entlohnung der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher transparent und vorhersehbar gestaltet und auch die Gebührenbestimmung für die Gerichte erleichtert werden. Gerichtsmedizinische Sachverständige dürfen aus rechtlichen Gründen nicht über eigene Obduktionsräumlichkeiten verfügen. Der Weiterverrechnung von völlig unterschiedlichen Kostenersätzen für die notwendige Infrastruktur soll nunmehr durch Einführung eines Pauschalbetrags bei der Gebühr für Mühewaltung Rechnung getragen werden. Weiters ist den Änderungen im Bereich des strafrechtlichen Vorverfahrens (StPRG, BGBl. I Nr. 19/2004) Rechnung zu tragen.

Der Entwurf enthält darüber hinaus verschiedene Änderungen im Bereich des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Notare sowie der Gerichtssachverständigen und Gerichtsdolmetscher. Im Notariatsaktsgesetz soll die unabdingbare Notariatsaktspflicht für die Rechtsgeschäfte behinderter Personen aufgehoben werden. Die Bestimmungen des Gerichtskommissärstarifgesetzes sind an die Erfordernisse des neuen Außerstreitgesetzes (BGBl. I Nr. 111/2003) anzupassen.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 22. November 2007 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Dr. Gertrude Brinek die Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Mag. Dr. Beatrix Karl, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Gernot Darmann und Dr. Peter Wittmann sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Heribert Donnerbauer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Artikel I (Änderungen der Rechtsanwaltsordnung)

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 2 lit. f)

Um der zentralen Bedeutung der außergerichtlichen Verhandlungsführung und Streitbeilegung besser gerecht zu werden, wurden auf Vorschlag des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags mit der Zivilverfahrens-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 128/2004, sechs Halbtage Mediationsausbildung als zwingende Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte eingeführt. In der praktischen Anwendung hat sich der insoweit auch im Gesetz verwendete Begriff der „Mediationsausbildung“ aber als zu eng erwiesen; er soll daher entsprechend weiter gefasst werden.

Zu Z 2 und 5 (§ 5 Abs. 1a und § 30 Abs. 1a RAO)

Die Änderungen dienen der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 3 und 4 (Änderungen der §§ 8b und 8c RAO)

In der Protokollanmerkung zum Ministerrats-Beschluss vom 7.11.2007 ist festgehalten, dass das Bundesministerium für Finanzen davon ausgeht, dass in Bezug auf die §§ 8b Abs. 2 und 4, 8c Abs. 1 und 8d RAO sowie in den korrespondierenden Bestimmungen der NO noch eine Anpassung an die in der Novelle des Bankwesengesetzes enthaltenen Bestimmungen (§§ 40 ff) erfolgen wird. Damit soll eine möglichst wortgleiche Umsetzung der RL 2005/60/EG – 3. Geldwäsche-Richtlinie – in allen Anwendungsbereichen erfolgen.

Ein Unterschied ergab sich aus der im geltenden Recht in der RAO und der NO vorgesehenen Möglichkeit, die Identität der Partei anstelle eines Lichtbildausweises durch einen amtlich dokumentierten, in gleicher Weise beweiskräftigen Vorgang festzustellen, wo die Feststellung durch einen amtlichen Lichtbildausweis nicht möglich ist. Diese Art der Feststellung stand daher keinesfalls im Belieben des Rechtsanwalts oder Notars, sondern sollte nur dort möglich sein, wo die Vorlage eines Lichtbildausweises bei Inanspruchnahme von Rechtsdienstleistungen – insbesondere wegen der gebotenen Dringlichkeit – eben nicht möglich ist, etwa weil ein Verdächtigter ohne Lichtbildausweis betreten und in Haft genommen wurde, weil ein Asylwerber bei überstürzter Flucht keine Ausweispapiere bei sich hat und sich aus dem Recht der Partei auf ein faires Verfahren die Notwendigkeit ergibt, sofort eine Transaktion vorzunehmen, etwa um seine Verteidigung vorzubereiten oder seine Rechtsdurchsetzung effektiv gestalten zu können. Das kann der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt beauftragt wird, zur Sicherung des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue oder des Milderungsgrundes der Schadenswiedergutmachung die Beute für die Geschädigten kurzfristig zu verwahren oder zu hinterlegen, oder wenn zur Erstattung eines Sachverständigen-Gutachtens zur Entlastung des Beschuldigten ein Kostenvorschuss zu bezahlen oder Privatgutachten, Dolmetschdienste oder Detektivleistungen zu entlohnen sind, um etwa eine Enthaftung erreichen zu können oder Fristen zu wahren. Das soll nun durch die Formulierung klargestellt werden, dass „eine Transaktion im Zusammenhang mit Art. 6 EMRK geboten ist“. Nur im Fall des kumulativen Vorliegens beider Voraussetzungen – (tatsächliche) Unmöglichkeit der Vorlage des Ausweises und Unaufschiebbarkeit der Vertretungshandlung zur Sicherung der Verteidigungsrechte beziehungsweise des Rechts auf effektive Rechtsdurchsetzung – kann der Rechtsanwalt oder Notar die Identität durch einen amtlich dokumentierten, in gleicher Weise beweiskräftigen Vorgang feststellen.

Ein weiterer Unterschied zur Formulierung im Bankwesengesetz bestand in der Definition des „wirtschaftlichen Eigentümers“, der nach § 2 Z 75 BWG nur die natürliche Person erfasst, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Kunde letztlich steht. Der Auftraggeber, den die Definition der Richtlinie – und damit auch § 8d RAO und § 36d NO – einschließt, wird  in § 40 Abs. 2 BWG behandelt, wo vorgesehen ist, dass „der Nachweis der Identität des Treugebers bei natürlichen Personen durch Vorlage des Originals oder einer Kopie des amtlichen Lichtbildausweises (…) des Treugebers zu erfolgen (hat), bei juristischen Personen durch beweiskräftige Urkunden“. Diese Passage wurde in § 8b Abs. 4 RAO und § 36c Abs. 4 NO übernommen (wo die Maßnahmen zur Feststellung des wirtschaftlichen Eigentümers geregelt sind), wobei der etwas engere Begriff des „Treugebers“ durch den für den Bereich der Rechtsdienstleistungen geeigneteren Begriff „Auftraggeber“ ersetzt wurde. Damit soll sichergestellt werden, dass von jedem „wirtschaftlichen Eigentümer“, „in dessen Auftrag“ (nach der Diktion der Richtlinie) „eine Transaktion oder Tätigkeit ausgeführt wird“, bei natürlichen Personen zumindest eine Ausweiskopie zu fordern ist. Bei einer Kette von Auftraggebern ist von jedem Auftrageber zumindest eine Ausweiskopie zu verlangen und aufzubewahren.

Im Gleichklang mit der Formulierung in § 41 Abs 1 BWG und Art. 22 Abs. 1 lit. a der Richtlinie wurde der bisherige Terminus „begründeter Verdacht“ durch die Umschreibung „wenn er weiß, den Verdacht oder berechtigten Grund zu der Annahme hat“ ersetzt, ohne dass dadurch eine materielle Änderung eintreten wird, weil jeder „Verdacht“ in einem Tatsachensubstrat gegründet und damit objektiviert sein muss und somit viel mehr als eine bloße Vermutung zum Gegenstand hat, wie sich schon aus der Abfolge der Aufzählung der Wissenskomponenten in der Richtlinie ergibt.

Zu Z 6 (§ 37 Abs. 1 Z 3 RAO)

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag ist nach § 37 Abs. 1 Z 3 RAO zur Erlassung von Richtlinien für die Ausbildung von RechtsanwaltsanwärterInnen berufen. Obwohl aus dem Gesamtkontext ableitbar fehlte in diesem Zusammenhang bislang aber eine ausdrückliche Anordnung, dass sich die in den Richtlinien näher festzulegenden inhaltlichen Anforderungen der Ausbildung insbesondere an den Erfordernissen der Rechtsanwaltsprüfung und der späteren Berufsausübung zu orientieren haben. Dies soll nunmehr entsprechend klargestellt werden.

Zu Artikel II (Änderungen der Notariatsordnung)

Zu Z 1 und 4 (§ 11 Abs. 1 und § 117a Abs. 2a NO)

Die Änderungen dienen der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 2 und 3 (Änderungen der §§ 36b und 36c NO)

Siehe die Begründung zu den Änderungen zu Z 3 und 4 des Artikel I.

Zu Z 5 (Änderung der §§ 143 und 152a NO)

Die im Ministerialentwurf vorgeschlagenen Bestimmungen über die Abschaffung der Notariatsarchive sind in der Regierungsvorlage nicht mehr enthalten, weil zeitgleich auch eine Neuregelung der Aufbewahrungsfristen erfolgen soll, die noch technischer Anpassungen bedarf und bei nächster Gelegenheit gemeinsam umgesetzt werden soll. Es besteht jedoch jetzt schon Einigkeit darüber, dass bis zur legistischen Umsetzung der Abschaffung der Notariatsarchive den Gerichten die Möglichkeit gegeben werden soll, die ältesten, im Jahr 1853 beginnenden Aktenbestände an das Österreichische Staatsarchiv und die Landesarchive auszulagern; dies sah auch Art. XVII § 21 des Ministerialentwurfs vor.

Dazu werden dem § 143 NO die neuen Abs. 2 und 3 angefügt, die als Ausnahme von der in Abs. 1 normierten dauernden Verwahrung die Möglichkeit vorsehen, 30 Jahre ab Übernahme die Akten dem Österreichischen Staatsarchiv und (bei regionaler Bedeutung) dem Landesarchiv zur Übernahme anzubieten. Da die verwahrten Akten Archivgut einer Bundesdienststelle darstellen (die Aufgaben der Notariatsarchive werden gemäß § 152 NO von den Landesgerichten übernommen), hat das Österreichische Staatsarchiv die Akten zu übernehmen. Da die Akten in aller Regel Daten enthalten, die gemäß § 1 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes zu löschen wären (§ 5 Abs. 3 Bundesarchivgesetz), darf das Archivgut erst nach Ablauf einer Schutzfrist von 50 Jahren zur Nutzung freigegeben werden (§ 8 Abs. 3 Bundesarchivgesetz).

Die Möglichkeit der Auslagerung steht im gebundenen Ermessen der Landesgerichte, weil zu erwarten ist, dass sich die Anfragen betreffend das Notariatsarchiv weiterhin an die Landesgerichte richten werden, die auch zur Ausstellung öffentlicher Urkunden (§ 149 NO) allein zuständig bleiben. Die Landesgerichte werden am Besten beurteilen können, zu welchen Aktenbeständen noch (gehäuft) Nachfragen auftreten, und ob es sinnvoll ist, diese Aktenbestände zur unmittelbaren Auskunftserteilung und allfälligen Erstellung von Ausfertigungen notarieller Urkunden zurückzubehalten oder die anfragenden Personen an das Landesarchiv oder Österreichische Staatsarchiv weiterzuleiten bzw. gegebenenfalls die Akten für die Ausstellung öffentlicher Urkunden und/oder Auskunftserteilung rückzufordern. Schließlich kann in der Vereinbarung zwischen Landesgericht und Landesarchiv auch geregelt werden, ob und inwieweit das Landesarchiv den Auskunftsberechtigten auch direkt Auskunft gibt.

Notarielle Urkunden, die nach dem 31.12.1999 errichtet wurden, sind gemäß § 110 Abs. 3 bereits im Urkundenarchiv des österreichischen Notariats gespeichert und können daher bereits nach Ablauf von zehn Jahren vernichtet werden, soweit sich nicht eine längere Aufbewahrungsfrist aus der Urkunde selbst oder deren Zweck ergibt bzw. eine solche explizit oder konkludent vereinbart ist.

Zu Artikel IV (Änderungen des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter)

Zu Z 10 (§ 62 Abs. 1 DSt)

Mit der zu Art. IV Z 10 der Regierungsvorlage vorgesehenen Änderung des § 62 Abs. 1 DSt (zusätzliches Mehrheitserfordernis bei der Wahl des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission) soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass insbesondere mit dem neuen ersten Abschnitt des ABAG der OBDK neue Aufgaben übertragen werden, die sich nicht mehr nur auf den Bereich der Rechtsanwaltschaft beschränken. Es scheint konsequent, dieses zusätzliche Erfordernis auch bei der Wahl des Vizepräsidenten vorzusehen.

Zu Artikel XVII (In-Kraft-Treten, Übergangsbestimmungen und Vollziehung)

Eine Sonderregelung für das Außerkrafttreten war im Hinblick auf die Fristsetzung des VfGH bis 31.7.2008 für die Aufhebung der Bestimmungen über die Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen im Erbschaftssteuergesetz notwendig.“

 

Ein vom Abgeordneten Mag. Gernot Darmann eingebrachter Abänderungsantrag fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Heribert Donnerbauer mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Ein von den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Heribert Donnerbauer eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit der Änderung der studienmäßigen Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und des Notars wurde einstimmig beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Bereits für Studienanfänger muss sichergestellt sein, ob und unter welchen Voraussetzungen ihnen ein rechtswissenschaftliches Studium den Zugang zu den juristischen Kernberufen (Rechtsanwalt, Notar, Richter und Staatsanwalt) eröffnet. Das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 legt nun zwar konkrete Wissensgebiete fest, lässt aber im Detail offen, in welchem konkreten Ausmaß und in welcher fachlichen Durchdringung Kenntnisse im einzelnen Wissensgebiet erworben werden müssen, um die vom Gesetz für die Ausübung der Berufe geforderte hinreichende rechtswissenschaftliche Ausbildung sicherzustellen.“

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2007 11 22

                            Dr. Gertrude Brinek                                                  Mag. Heribert Donnerbauer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann