348 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (169 der Beilagen): Kündigung des Übereinkommens (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art, 1935

Bei der völkerrechtlichen Kündigung eines Staatsvertrages ist grundsätzlich das gleiche Verfahren wie beim Abschluss einzuhalten. Das Übereinkommen (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art wurde als Staatsvertrag gemäß Art. 50 B-VG vom Nationalrat genehmigt (BGBl. Nr. 324/37). Daher ist das Übereinkommen ebenfalls mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG zu kündigen.

Die Kündigung hat nicht den Charakter eines verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Staatsvertrages im Sinne von Art. 50 Abs. 3 B-VG. Sie betrifft auch nicht Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder, sodass eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B-VG nicht erforderlich ist. Ein Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 BVG ist ebenfalls nicht erforderlich.

Das Übereinkommen Nr. 45 wurde von Österreich am 3. Juli 1937 ratifiziert (BGBl. Nr. 324/37). Umgesetzt ist das Übereinkommen durch das Beschäftigungsverbot für Frauen im untertägigen Bergbau in § 2 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Beschäftigungsverbote und - beschränkungen für Arbeitnehmerinnen vom 4. Oktober 2001 (BGBl. II Nr. 356/2001).

Dieses Beschäftigungsverbot verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) vom 5. Juli 2006 (zuvor: Art. 5 der Richtlinie 76/207/EWG). Unabhängig vom Tätigkeitsfeld ist demnach jegliche unmittelbare und mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf den Zugang zur Beschäftigung verboten. Unterschiedliche Regelungen für Männer und Frauen sind nur dort zulässig, wo sie zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, erforderlich sind.

Mit Urteil vom 1. Februar 2005 (Rechtssache C-203/03) entschied der EuGH über eine von der Europäischen Kommission eingebrachte Vertragsverletzungsklage, in der unter anderem vorgebracht wurde, dass das oben genannte Beschäftigungsverbot für Frauen im untertägigen Bergbau gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Österreich stützte sich in dieser Frage insbesondere auf die Bindung an das ratifizierte Übereinkommen Nr. 45.

Hinsichtlich des Beschäftigungsverbotes für Frauen im untertägigen Bergbau wurde die Klage vom EuGH schließlich nur deshalb abgewiesen, weil zum Zeitpunkt der bisher einzigen Kündigungsmöglichkeit des Übereinkommens Nr. 45 seit dem österreichischen EU-Beitritt (30. Mai 1997 bis 29. Mai 1998) die Unvereinbarkeit des Beschäftigungsverbotes für Frauen im Untertagebergbau mit der damals anzuwendenden Richtlinie 76/207/EWG nicht mit Klarheit festgestellt war, um Österreich zu verpflichten, das Übereinkommen Nr. 45 zu kündigen.

Jedenfalls hält der EuGH fest, dass Frauen von einer Beschäftigung nicht nur deshalb ausgeschlossen werden dürfen, weil sie im Durchschnitt kleiner und weniger stark sind als der Durchschnitt der Männer, solange Männer mit ähnlichen körperlichen Merkmalen zu dieser Beschäftigung zugelassen werden. Der EuGH stellt fest, dass das Beschäftigungsverbot für Frauen im untertägigen Bergbau keine zulässige unterschiedliche Behandlung darstellt.

Österreich sollte daher, um eine EU-konforme Regelung der Beschäftigung von Frauen im untertägigen Bergbau zu schaffen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt das Übereinkommen Nr. 45 kündigen. Das Übereinkommen Nr. 45 kann gemäß seinem Artikel 7 nur alle zehn Jahre, gerechnet ab seinem erstmaligen Inkrafttreten (30. Mai 1937), gekündigt werden. Die nächste Möglichkeit, dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes die Kündigung mitzuteilen, besteht daher innerhalb von zwölf Monaten ab dem 30. Mai 2007. Die Wirkung der Kündigung tritt ein Jahr nach deren Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt in Kraft. Bis dahin ist Österreich völkerrechtlich verpflichtet, das Beschäftigungsverbot für Frauen in untertägigen Bergwerken beizubehalten.

Aufgrund des Art. 5 Abs. 1 lit. e des von Österreich ratifizierten Übereinkommens (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen, 1976, ist die Kündigung von Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation mit den maßgebenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden (ÖGB, BAK, WKÖ, VÖI) zu beraten. Das Übereinkommen verpflichtet zu Verfahren, die wirksame Beratungen sicherstellen. Dementsprechend wurden die österreichischen Sozialpartner bereits Ende 2006 über die Kündigungsabsicht informiert, und es wurde ihnen die Gelegenheit eingeräumt, allfällige Einwendungen gegen die Kündigung vorzubringen. Einwendungen wurden jedoch keine erhoben; der ÖGB hat ausdrücklich der Kündigung zugestimmt.

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Er enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 27. November 2007 in Verhandlung genommen.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Kündigung des Übereinkommens (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art, 1935 (169 der Beilagen) wird genehmigt.

Wien, 2007 11 27

                                Silvia Fuhrmann                                                          Mag. Andreas Schieder

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann