Vorblatt

Problem:

Der Erdgasbedarf Europas wird in Zukunft gewaltig zunehmen. Zur Deckung des prognostizierten Verbrauchszuwachses ist erforderlich außereuropäische Energiequellen zu erschließen und durch die Errichtung von Transportsystemen die Anbindung Europas an diese Energiequelle zu ermöglichen. Eines dieser Transportsysteme soll als Erdgaspipelineprojekt „Nabucco“ realisiert werden. Damit verbunden ist ein gewaltiger Investitionsbedarf, der zur Absicherung dieser Investitionen ein internationales Übereinkommen mit Drittstaaten erforderlich macht. Dieses Übereinkommen wäre als gesetzesergänzender Staatsvertrag zu qualifizieren, der dem Erzeugungsmechanismus des Art. 50 B-VG unterliegt.

Ziel:

Ermächtigung der Bundesregierung zum Abschluss eines Regierungsübereinkommens zur Sicherstellung der Realisierung des Erdgaspipelineprojekts „Nabucco“.

Lösung:

Schaffung einer gesetzlichen Rechtsgrundlage, die zur Realisierung des Erdgaspipelineprojekts „Nabucco“ den Abschluss eines Übereinkommens als Regierungsübereinkommen ermöglicht. Die Ermächtigung der Bundesregierung zum Abschluss eines Regierungsübereinkommens kann gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG und der Entschließung des Bundespräsidenten vom 31. Dezember 1920, BGBl. Nr. 49/1921, nicht durch den Gesetzgeber sondern nur durch den Bundespräsidenten erfolgen.

Alternativen:

Abschluss eines gesetzesergänzenden Staatsvertrages.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine unmittelbaren Auswirkungen. Die Haftungsübernahme oder die Übernahme sonstiger Verpflichtung für den Bund oder die Republik Österreich anlässlich des Regierungsübereinkommens ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Beim Nabuccoprojekt handelt es sich um ein Projekt von gesamteuropäischer Bedeutung, dessen Realisierung für den Wirtschaftsraum Europa von entscheidender Bedeutung ist. Daher sind die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich positiv.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Kein Widerspruch zu EU-Recht.

Durch die Ernennung eines EU-Koordinators hat die EU zu erkennen gegeben, dass sie das Nabuccoprojekt als ein Projekt von gesamteuropäischer Bedeutung ansieht. Aufgabe dieses Koordinators ist es, die europäische Dimension des Vorhabens zu fördern und einen grenzübergreifenden Dialog zwischen den Bauträgern, dem öffentlichen und dem privaten Sektor, den lokalen und regionalen Behörden und der örtlichen Bevölkerung in Gang zu setzen.

Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

1. Gasversorgungssituation Europas:

Einer Studie zufolge (A.T. Kearney, „Russland am Gashahn“, January 2006) wird der jährliche Erdgasverbrauch Europas von 482 Mrd. Kubikmeter im Jahr 2003 auf 780 Mrd. Kubikmeter im Jahr 2030 ansteigen. Im gleichen Zeitraum ist jedoch ein Rückgang der Europäischen Erdgasförderung von 268 Mrd. Kubikmeter auf 117 Mrd. Kubikmeter pro Jahr prognostiziert. Bisher kommen fast 90% der Gasimporte Europas aus Russland, Algerien und Norwegen, wobei Russland mit 43,5% das mit Abstand wichtigste Herkunftsland für Gas ist und auch bleiben werde. Um die steigende Nachfrage nach Erdgas befriedigen zu können, wird jedoch in Zukunft der Erschließung von alternativen außereuropäischer Erdgasquellen eine höhere Bedeutung zukommen. Damit verbunden ist auch der Ausbau transeuropäischer und transnationaler Erdgasfernleitungen.

Um die Gasversorgung sicherzustellen, werden bis zum Jahr 2020 Investitionen in Höhe von 25 Mrd. Euro notwendig sein. Diese müssten in Pipelines und Flüssiggas-Importe per Schiff investiert werden. Dabei würden alleine die Investitionen Pipelines bis 2020 rund 15 Mrd. Euro erfordern.

2. Das Nabucco - Gaspipelineprojekt

Eines der Erdgasfernleitungsprojekte von gesamteuropäischer Bedeutung ist derzeit das Gaspipeline-Projekt „Nabucco“. Diese Gaspipeline, mit einer Länge von 3.300 km soll von der osttürkischen Grenze über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn bis nach Baumgarten in Niederösterreich führen und die Region am Kaspischen Meer über die Südkaukasuspipeline mit den europäischen Gasmärkten verbinden. Die maximale Transportkapazität dieser Pipeline beträgt in der letzten Ausbaustufe rund 31 Mrd. Kubikmeter pro Jahr.

Mit der Umsetzung des Projektes werden folgende Ziele erreicht:

-       Öffnung eines neuen Korridors für Gaslieferungen aus der Kaspischen Region und dem Nahen Osten nach Europa,

-       Stärkung der Rolle der betroffenen Staaten als Transitregion,

-       Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Region und in Europa insgesamt,

-       Diversifizierung der Lieferrouten und Lieferquellen,

-       Stärkung der Drehscheibenfunktion des österreichischen Leitungsnetznetzes und des Hub Baumgarten innerhalb des europäischen Netzes,

-       Stärkung des Wettbewerbes und der Marktliquidität.

Träger dieses Projektes ist die Nabucco Gas Pipeline International GmbH an der zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Unternehmen OMV Gas International GmbH (Österreich), MOL Hungarian Oil and Gas Plc. (Ungarn), S.N.T.G.N. Transgaz S.A. (Rumänien), Bulgargaz-Holding EAD (Bulgarien) und BOTAŞ Petroleum Pipeline Corporation (Türkei) beteiligt sind. Die Durchführung des Projektes soll über nationale Gesellschaften erfolgen, die als Tochtergesellschaften der Nabucco Gas Pipeline International GmbH derzeit in Gründung begriffen sind  (Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gegründet, Türkei in Gründung).

Die prognostizierte Investitionssumme beläuft sich auf rund 5 Mrd. Euro, die durch ein Bankenkonsortium aufgebracht werden. Zur Absicherung der Finanzierung des Projektes streben die beteiligten Unternehmen ein sog. „intergovernmental agreement“ zwischen den fünf betroffenen Staaten an. Die Europäische Kommission hat sich zu einem diesbezüglich vorgelegten Entwurf positiv geäußert.

3. Zum Inhalt dieses Bundesgesetzes

Gemäß Art. 50 B-VG dürfen politische Staatsverträge, andere nur, sofern sich gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden Charakter haben mit Genehmigung des Nationalrates abgeschlossen werden.

Dem zur Absicherung des Nabuccoprojekts intendierten Regierungsübereinkommen kommt gesetzesergänzender Inhalt zu. Da jedoch auf Grund der übrigen am Nabuccoprojekt beteiligten Staaten die zur Absicherung der Finanzierung dieses Projektes erforderlichen Vereinbarungen im Rahmen von Regierungsübereinkommen möglich sind, soll durch das vorliegende Bundesgesetz eine geeignete Rechtsgrundlage geschaffen werden, die es ermöglicht, zur Absicherung dieses Projektes ein erforderliches internationales Übereinkommen auf Basis eines Regierungsübereinkommens abzuschließen.

Gemäß Art. 65 Abs. 1 B-VG schließt der Bundespräsident die Staatsverträge ab. Gemäß Art. 66 Abs. 2 B‑VG kann der Bundespräsident zum Abschluss bestimmter Kategorien von Staatsverträgen die Bundesregierung oder die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ermächtigen. Von dieser Ermächtigung hat der Bundespräsident mit Entschließung vom 31. Dezember 1920, BGBl. Nr. 49/1921, Gebrauch gemacht. Gemäß dieser Entschließung dürfen Staatsverträge, die nicht gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung des Nationalrates bedürfen, insofern solche Verträge nicht die ausdrückliche Bezeichnung als Staatsverträge führen oder der Vertragsabschluss nicht durch Austausch von Ratifikationsurkunden erfolgt, von der Bundesregierung abgeschlossen werden, soweit solche Verträge in der Form von Regierungsübereinkommen abgeschlossen werden, bzw. vom zuständigen Bundesminister im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Äußeres, soweit solche Verträge in Form von Ressortübereinkommen abgeschlossen werden.

Die Kompetenz zu regeln, wem das Recht zum Abschluss von Staatsverträgen zukommt, liegt daher allein beim Bundespräsidenten, der diese Kompetenz auf Vorschlag der Bundesregierung im Rahmen des Art. 66 Abs. 2 B-VG ausüben kann. Dieses Bundesgesetz kann daher nur an die durch Art. 65 f B-VG sowie die Entschließung des Bundespräsidenten getroffene Zuständigkeitsverteilung anknüpfen und die im Sinne des Art. 18 B-VG erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen für verordnungsrangige völkerrechtliche Abkommen schaffen.

Durch das vorliegende Bundesgesetz soll eine geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss eines solchen Regierungsübereinkommens, das zur Verwirklichung des grenzüberschreitenden Erdgasfernleitungsprojekts „Nabucco“ erforderlich ist, geschaffen werden. Von dieser Ermächtigung ist die Übernahme von Bundeshaftungen oder sonstiger Verpflichtungen des Bundes oder der Republik Österreich ausgenommen.

Die im Gesetz vorgesehenen Determinanten sind erforderlich um dem Erfordernis des Art. 18 B-VG zu entsprechen und so eine geeignete gesetzliche Grundlage für den Abschluss eines derartigen Übereinkommens auf der Stufe eines Ressortübereinkommens zu schaffen.

Bezüglich der steuerlichen Behandlung ist vorgesehen, im Übereinkommen die Inländergleichbehandlung und die Verpflichtung der Vertragsparteien zur bestmöglichen Behandlung im Rahmen der steuerlichen Gesetzgebung zu verankern. Eine Änderung der in Österreich geltenden steuerrechtlichen Bestimmung ist jedenfalls nicht intendiert.