Vorblatt

Problem:

Es besteht noch keine bilaterale österreichisch-schweizerische Regelung für die Nutzung der Wasserkräfte des Inn und seiner Zuflüsse im Grenzgebiet zur Erzeugung elektrischer Energie.

Ziel:

Schaffung einer derartigen Regelung.

Inhalt:

Regelung der Nutzung der Wasserkraft des Inn und seiner Zuflüsse im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet zur Erzeugung elektrischer Energie, insbesondere des Baus und des Betriebs der Anlagen, der Aufteilung der  Energie zwischen den Vertragsstaaten, der zu erteilenden Bewilligungen, der fiskalischen, zollrechtlichen und wirtschaftlichen Fragen sowie der Schlichtung von Streitfällen.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Neben der Gewinnung zusätzlicher Energie sind positive Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Investitionen zu erwarten.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine finanziell nachteiligen Auswirkungen auf den Bund.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Durch die an Österreich gerichtete Entscheidung des Rates 2007/485/EG vom 10. Juli 2007 wurde Österreich ermächtigt, mit der Schweiz ein Abkommen zu schließen, das von Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Bestimmungen enthält (ABl. Nr. L 182/29 vom 12.07.2007).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Nutzbarmachung des Inn und seiner Zuflüsse im Grenzgebiet hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Mit Ministerratsbeschluss vom 25. Juli 1952 wurde die Ständige Österreichisch-Schweizerische Delegation für die Nutzung der Wasserkräfte der gemeinsamen Innstrecke gebildet. Auch die Frage eines diesbezüglichen Abschlusses eines bilateralen Staatsvertrages reicht viele Jahre zurück.

So wurde in der 9. Sitzung der Innkommission der Beschluss gefasst, dass für den Wasserkraftausbau eine staatsvertragliche Regelung zwischen Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft getroffen werden soll. Unter Federführung des BMaA wurde in der Folge mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft ein Staatsvertragsentwurf ausgearbeitet und dieser Entwurf von den Delegationsleitern der Innkommission am 24. Mai 1989 paraphiert; die Österreichische Bundesregierung hat diesen Abkommensentwurf in den Ministerratssitzungen vom 26. September und 21. November 1989 genehmigt.

Eine Unterfertigung des Staatsvertrages ist in den Folgejahren aus verschiedenen Gründen nicht erfolgt. Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union war der Staatsvertragsentwurf zu überarbeiten. Nach innerstaatlicher Abklärung und Herstellung des Einvernehmens mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft wurde gemäß dem Beschluss der Bundesregierung vom 16. Sept. 2003, Pkt. 7 des Beschl.Prot. Nr. 22, und der entsprechenden Ermächtigung des Herrn Bundespräsidenten das Abkommen am 29. Oktober 2003 in Bern von Dr. Christian Furrer (Direktor des damaligen Bundesamtes für Wasser und Geologie) namens der Schweiz sowie von Dr. Karl Vetter von der Lilie (Österreichischer Botschafter in der Schweiz) namens der Republik Österreich unterzeichnet.

In der Folge wurde der Staatsvertrag vom Schweizerischen Parlament am 18. März 2005 genehmigt. Dieser Beschluss der Schweizerischen Bundesversammlung erlangte nach ungenutztem Verstreichen der Referendumsfrist am 7. Juli 2005 Rechtskraft.

Erst durch die an Österreich gerichtete Entscheidung des Rates 2007/485/EG vom 10. Juli 2007 zur Ermächtigung Österreichs, mit der Schweiz ein Abkommen zu schließen, das von Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Bestimmungen enthält (ABl.Nr.L  182/29 v. 12.07.2007), kann nunmehr die Ratifikation dieses Abkommens erfolgen.

Kern des Abkommens bildet die geplante Errichtung des Grenzkraftwerkes Inn durch die Gemeinschaftskraftwerk Inn GmbH (GKI). Der Aufstau des Inns erfolgt in Ovella, wodurch zugleich die negativen Auswirkungen des Schwalles des oberliegenden Schweizer Kraftwerkes Pradella-Martina auf das österreichische Staatsgebiet wesentlich reduziert werden. Zur Erzielung einer wirtschaftlichen Fallhöhe erfolgt die Abarbeitung des Innwassers über einen Druckstollen im ca. 23 km gerinneabwärts liegenden Krafthaus Ried/Prutz.

Besonderer Teil

Zur Präambel:

In der Präambel wird einleitend insbesondere festgehalten, dass die Vertragsstaaten ein Interesse an einer gemeinsamen Nutzung der Wasserkräfte des Inn und seiner Zuflüsse im Grenzgebiet haben und eine aus ökologischer Sicht wünschenswerte Verbesserung des Wasserabflusses im Inn herbeigeführt werden soll.

Klargestellt wird auch, dass die Nutzbarmachung der Wasserkraft Gegenstand von einvernehmlichen Entscheidungen sein soll, wobei den Interessen beider Vertragsstaaten und den abweichenden Rechtsvorschriften Rechnung zu tragen ist.

Zu Art. 1:

In diesem Artikel werden die wichtigsten Begriffsbestimmungen des Abkommens definiert.

Zu Art. 2:

Dieser Artikel regelt den grundsätzlichen Gegenstand des Abkommens, nämlich die Nutzbarmachung der Grenzgewässer sowie des Stillerbaches und des Sampoirbaches.

Zu Art. 3:

Art. 3 erläutert die Lage und die Zuordnung der einzelnen Anlagenteile näher.

ad Z 1: Der Aufstau des Inns erfolgt in Ovella, wodurch zugleich die negativen Auswirkungen des Schwalles des oberliegenden Schweizer Kraftwerkes Pradella-Martina auf das österreichische Staatsgebiet wesentlich reduziert werden. Zur Erzielung einer wirt­schaftlichen Fallhöhe erfolgt die Abarbeitung des Innwassers über einen Druckstollen im ca. 23 km gerinneabwärts liegenden Krafthaus Ried/Prutz. Das Wasser des rechtsufrigen Stillerbaches wird in einer Turbine in der Sperre Ovella abgearbeitet und vergrößert die Restwassermenge in der Ausleitungsstrecke des Inn.

ad Z 2: Das Wasser des linksufrigen Zubringers Schalklbach wird durch Aufstau in der 35 m hohen Talsperre Spissermühle und Abarbeitung im Krafthaus Schalklbach genutzt. In diesen Speicher kann auch der Sampoirbach aus schweizerischem Gebiet überge­leitet werden.

ad Z 3: Dieses Abkommen gilt sinngemäß auch für allfällige künftige Nutzungen der ange­führten Grenzgewässer.

Zu Art. 4:

Dieser Artikel beinhaltet weitere technische Angaben zur Stauhaltung und zur Wasserkraftnutzung.

Zu Art. 5:

In Art. 5 wird klargestellt, dass entsprechend dem österreichischen Wasserrechtsgesetz (WRG)1959 neben rein energiewirtschaftlichen Interessen auch ökologische und sonstige relevante öffentliche Interessen wie z.B. der Hochwasserschutz und das Landschaftsbild bei der Bewilligung zu berücksichtigen sind.

Zu Art. 6:

Dieser Artikel regelt die Herstellung des wechselseitigen Einvernehmens über die jeweils innerstaatlich durchzuführenden Bewilligungsverfahren.

Zu Art. 7:

In diesem Artikel wird die Überwachung der Betriebssicherheit und die Instand­haltung der Anlagen geregelt; für Bauwerke auf österreichischem Gebiet und ge­meinsame Bauwerke im Grenzbereich gelten die österreichischen Sicherheits­vorschriften.

Zu Art. 8:

Dieser Artikel beinhaltet Bestimmungen hinsichtlich der Aufsicht über den Bau, den Betrieb und die Instandhaltung der Anlage. Die Aufsicht wird im beiderseitigen Einvernehmen durchgeführt, für die notwendige Koordinierung wird eine gemeinsame Aufsichtskommission eingerichtet.

Zu Art. 9:

In Art. 9 wird die Aufteilung der erzeugten elektrischen Energie geregelt. Entsprechend den zwischenstaatlich allgemein üblichen Prämissen wird bei Grenzgewässern, bei denen die  Staatsgrenze in der Gewässermitte verläuft,  die Energie zu gleichen Teilen beiden Staaten zugewiesen, bei den übrigen Gewässerstrecken entsprechend ihrem Anteil an den nutzbaren Wassermengen und den Gefällen. Eine wechsel­seitige Einflussnahme auf die den beiden Staaten zukommende elektrische Energie durch den jeweils anderen Staat wird ausgeschlossen.

Zu Art. 10.:

Dieser Artikel regelt die Ausfuhr der in den Anlagen erzeugten elektrischen Energie in den Staat des Vertragspartners.

Zu Art. 11:

In diesem Artikel wird die Namhaftmachung des Berechtigten (Bewilligungsinhaber) geregelt.

Zu Art. 12:

Art. 12 bestimmt, dass der Erwerb und die Übertragung der Bewilligung auf neue Berechtigte unter Pflege des gegenseitigen Einvernehmens möglich ist.

Zu Art.13:

Dieser Artikel stellt klar, dass das Recht für die Wasserkraftnutzung in jedem Staatsgebiet von der jeweils zuständigen innerstaatlichen Behörde verliehen wird.

Zu Art. 14:

Art. 14 regelt die koordinierte Vorgangsweise der zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten in den Bewilligungsverfahren. Durch die vorgesehene Ab­stimmung der „Berechtigungsbedingungen“ (nach österreichischem Recht „Auflagen“) wird sichergestellt, dass das Projekt vollkommen der österreichischen Rechtsordnung entspricht.

Zu Art.15:

In Art. 15 wird auf den Fall des Erlöschens der Bewilligungen eingegangen; bei Eintritt des Erlöschens regeln die Vertragsstaaten einvernehmlich die notwendigen Vorkehrungen (z.B. Beseitigung der Anlagen, Wiederherstellung des früheren Wasserlaufes).

Zu Art. 16:

Dieser Artikel regelt die vor Ablauf der Berechtigungsdauer erforderliche Herstellung des Einvernehmens über die  Fortsetzung bzw. die Beendigung des Betriebes der Anlagen. Durch die langen Zeitvorgaben wird sicherge­stellt, dass eine ausgereifte und akkordierte Lösung des weiteren Betriebes gefunden werden kann.

Zu Art. 17:

In Art. 17 wird bestimmt, dass jeder Vertragsstaat Arbeitnehmer, die im anderen Vertragsstaat zur Erwerbstätigkeit zugelassen sind, für Arbeiten im Rahmen dieses Abkommens auf seinem Staatsgebiet grundsätzlich zulässt.

Zu Art. 18:

Art. 18 verweist zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung auf die Bestimmungen des diesbezüglichen bilateralen Abkommens.

Zu Art. 19:

In diesem Artikel werden die Begriffe „Bauzone“, „Werkzone“, „Ein- und Ausgangsabgaben“ sowie „Freier Verkehr“ definiert.

Zu Art. 20 und 21:

Diese Artikel sehen Eingangs- und Ausgangsabgabenbefreiungen vor. Diese Befreiung umfasst Waren, die zum Bau, zur Instandhaltung, zur Erneuerung oder zum Betrieb von Anlagen verwendet werden, Waren zur Errichtung von abkommensgegenständlichen Betriebs- und Verwaltungsgebäuden sowie von Wohnstätten für Betriebsangehörige. Weiters umfasst die Befreiung in die Bau- und Werkzone zur persönlichen Verpflegung eingebrachte Lebensmittel, Bier und nichtalkoholische Getränke, sofern die Mengen den Tagesbedarf nicht übersteigen und unter bestimmten Voraussetzungen Lebensmittel und Getränke in der Werkskantine. Hinsichtlich der Ein- und Ausfuhr von Tabakwaren gelten die jeweiligen Bestimmungen der Vertragsstaaten über den (kleinen) Grenzverkehr.

Zur Abweichung von Art. 2 Buchstabe d der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem wurde Österreich durch die Entscheidung des Rates 2007/485/EG vom 10.Juli 2007, ABl. Nr. L 182/29 v. 12.07.2007 ermächtigt.

Zu Art. 22:

Art. 22 bestimmt, dass Waren, die nach diesem Abkommen ein- oder ausgangsabgabenfrei bleiben, von wirtschaftlichen Ein- und Ausfuhrverboten und -beschränkungen befreit sind.

Zu Art. 23:

Nach Art. 23 wird für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugsanhänger, die in einem der Vertragsstaaten zugelassen sind, im Rahmen des Einsatzes im anderen Vertragsstaat keine Kraftfahrzeugsteuer erhoben.

Zu Art. 24:

Dieser Artikel regelt die Bewilligung für abkommensrelevante grenzüberschreitende Fernmeldeanlagen.

Zu Art. 25:

Art. 25 Z 1 stellt klar, dass der Berechtigte für den Vollzug dieses Abkommens der abgabenbehördlichen Aufsicht jedes der beiden Vertragsstaaten nach dessen abgabenrechtlichen Vorschriften unterliegt.

Nach Z 2 treffen die Behörden der Vertragsstaaten einvernehmlich Maßnahmen zur Überwachung des Personen- und Warenverkehrs sowie des Verbrauchs und der Verwendung von Waren, für die eine Abgabenfreiheit nach den Art. 20 und 21 des Abkommens gewährt wird.

Zu Art. 26:

In diesem Artikel ist geregelt, dass die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einvernehmlich die örtliche Begrenzung der Anlagen sowie der Bau- und Werkszonen feststellen; die Bau- und Werkzonen sind vom Berechtigten zollsicher zu umfrieden.

Zu Art. 27:

Inhalt von Art. 27 sind die Befugnisse der Grenzabfertigungs- und Grenzaufsichtsorgane sowie der Organe der abgabenbehördlichen Aufsicht im Staatsgebiet des anderen Vertragsstaates.

Zu Art. 28:

Dieser Artikel normiert eine wechselseitige Unterstützungsverpflichtung der Organe und Dienststellen der Vertragsstaaten bei Zuwiderhandlungen gegen die Ein- und Aus- und Durchfuhr von Waren.

Zu Art. 29:

In Art. 29 wird bestimmt, dass bei strafbaren Handlungen gegen die in Art. 27 genannten Organe des einen Vertragsstaates im Staatsgebiet des anderen Vertragsstaates die strafrechtlichen Vorschriften zum Schutz von öffentlichen Bediensteten des letztgenannten Vertragsstaates gelten.

Zu Art. 30:

Nach Art. 30 darf außer den in den Art. 8 und 27 genannten Organen die Bau- und Werkzonen des anderen Staatsgebietes nur betreten, wer einen gültigen Grenzübertrittsausweis mitführt.

Zu Art. 31:

Art. 31 betrifft Bestimmungen über die Ausstellung und Gültigkeitsdauer der Grenzübertrittsausweise.

Zu Art. 32:

In diesem Artikel werden die Gründe dargelegt, unter welchen die Ausstellung eines Grenzübertrittausweises zu versagen bzw. der Grenzübertrittsausweis zu entziehen ist.

Zu Art. 33:

Art. 33 regelt das behördliche Vorgehen bei missbräuchlicher Verwendung des Grenzübertrittsausweises.

Zu Art. 34:

Dieser Artikel legt fest, dass in bestimmten Einzelfällen die Grenzaufsichtsorgane das Betreten der Bau- und Werkzonen ohne Grenzübertrittsausweis gestatten dürfen; auch bei Unglücksfällen oder Notständen ist den Hilfskräften das Betreten des Staatsgebietes des anderen Vertragsstaates ohne Grenzübertrittsausweis gestattet.

Zu Art. 35:

Soferne sich bei der Durchführung des Abkommens erhebliche Schwierigkeiten ergeben oder die maßgebenden Verhältnisse sich wesentlich ändern, werden die Vertragsstaaten auf Verlangen eines Vertragsstaates diesbezügliche Gespräche aufnehmen.

Zu Art. 36:

Art. 36 beinhaltet detaillierte Regelungen betreffend eine bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens mögliche Einrichtung eines Schiedsgerichtes.

Zu Art. 37:

In Art. 37 wird ausdrücklich festgehalten, dass dieses Abkommen nicht die Verpflichtungen der Republik Österreich berührt, die sich aus deren Zugehörigkeit zur Europäischen Union ergeben.

Zu Art. 38:

Art. 38 regelt die Ratifikation des Abkommens und den Zeitpunkt des Inkrafttretens.