Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser

zum Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (537 d.B.)

 

Mit der gegenständlichen, umfangreichen Änderung des Luftfahrtgesetzes (LFG) sollen den Erläuterungen zufolge primär die EU-Vorgaben aus den „Single European Sky“-Paket umgesetzt werden. Daneben wird auf einzelne „Anpassungen an Erfordernisse der Vollziehungspraxis“ und „Verwaltungsvereinfachungen“ insbesondere bei Zivilflugplatz-Bewilligungen hingewiesen. Weiters wird das Gesetz in formaler Hinsicht spät aber doch an die immerhin bereits 1990 ergangenen Legistischen Richtlinien angepasst.

 

Im Zuge der Begutachtung konnten einige höchst seltsame Vorschläge aus dem Entwurf eliminiert werden. So wurde nach harscher Kritik die Idee doch wieder verworfen, im Wege einer Verfassungs-Kannbestimmung (!) Deutsch als Amtssprache für den Bereich Luftfahrt in Österreich auszuschalten. In diesem Wege hätten auf die Schnelle die zum Teil hunderte Seiten umfassenden, in Englisch abgefassten Anhänge zum Abkommen über die Internat. Zivilluftfahrt, zB der für Flughafen-Ausbaumaßnahmen relevante Annex 14, rechtsverbindlich werden sollen. Eine Umsetzung dessen wäre nicht nur ein bürgerfeindlicher Akt gewesen, sondern auch ein Sicherheitsrisiko - jeder Freizeit-Pilot hätte künftig hunderte Seiten komplexer englischer Fachlektüre korrekt verinnerlicht haben müssen.

Auch hinsichtlich der Ideen zur Einschränkung der Kundmachung luftfahrtrechtlicher Vorgaben wurde der offenbar mancherorts behördlich gewünschten erhöhten Geheimnistuerei die Spitze genommen. Die Beschränkung auf „luftfahrtübliche Kundmachung“ auch bei Dingen, die sehr wohl auch „normalsterbliche“ Normunterworfene betreffen, die dann nur mit größten Schwierigkeiten Zugang zu für sie relevanten Normen gehabt hätten, wäre ebenfalls schlicht bürgerfeindlich gewesen.

 

Aus Sicht der Grünen ist diese Gesetzesänderung dennoch weiterhin in entscheidenden Teilen unvollständig bzw. kritisch einzuschätzen:

 

1. Grundsätzlich zu kritisieren ist, dass die von den Grünen seit vielen Jahren geforderten Neuerungen, die für eine zeitgemäße Sanierung des österreichischen Luftfahrtrechts in Sachen Gesundheitsschutz und Nachbarrechte nötig wären, einmal mehr fehlen:

-       Fehlende explizite Nennung von Gesundheits- und Belästigungsschutz der Nachbarn im Gesetz (weiterhin Umweg-Regelung über "Sicherheit", "sonstige öffentliche Interessen"),

-       fehlende Parteistellung der Nachbarn schlechthin - nur Grundstückseigentümer in Sicherheitszonen derzeit erfasst

-       fehlendes Verfahren zur Sanierung der Defizite bei bestehenden Luftfahrt-Anlagen.

Angesichts der zahlreichen konkreten Konflikte rund um Luftfahrt-Anlagen bis hin zum mittlerweile von der EU-Kommission verbrieften jahrelangen rechtswidrigen Ausbau des Flughafens Wien-Schwechat, die mit Regelungsmängeln und bürgerfeindlicher Regelungsgestaltung im Luftfahrtrecht in Verbindung stehen, ist besonders schwerwiegend, dass die Gelegenheit zur Sanierung dieser Mängel erneut nicht genutzt wird.

 

2. Die EU-Vorgaben aus dem Paket „Single European Sky“ werden gezielt unvollständig umgesetzt:

Die europarechtlichen Vorgaben für den Einheitlichen Europäischen Luftraum normieren als Grundsätze „eine sichere, wirtschaftliche effiziente und umweltfreundliche Nutzung des Luftraums“ (vgl. Art. 6 „Flugsicherungsdienste-Verordnung“ EG-VO Nr. 551/2004). Der Teil „umweltfreundlich“ ist jedoch bei der nunmehrigen, seitens des BMVIT als vollständig dargestellten Umsetzung unberücksichtigt geblieben. Damit werden entgegen der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben und entgegen der europarechtlichen Vorgaben und völkerrechtlichen Verpflichtungen die Anforderungen an den Umweltschutz und insbesondere dem Schutz der Anrainer, bzw. der durch Fluglärm belasteten Bevölkerung gänzlich außer Acht gelassen. Konkrete Vorschläge zur Nachbesserung dessen wurden in der Begutachtung eingebracht, aber ignoriert.

Grundsätze von Umweltschutz und insbesondere AnrainerInnenschutz und Schutz der durch Fluglärm belasteten Bevölkerung müssten in den Allgemeinen Bestimmungen (I. Teil), in den Regelungen über Flugplätze (IV. Teil) und den Regelungen über Sicherung der Luftfahrt (VIII. Teil) sowie insbesondere auch im Rahmen der Luftverkehrsregeln (§ 124 LFG) und der Aufgaben der Flugsicherung (§ 119 und 120a LFG) verankert werden. So wäre der Vorschlag zur Neufassung von §120a LFG zB dahingehend zu ergänzen, dass die ACG bei Festlegung von An- und Abflugverfahren, An- und Abflugrouten und Verfahren für den Streckenflug neben „sicherer geordneter und flüssiger Abwicklung des Flugverkehrs“ und „Abwehr von der Allgemeinheit drohenden Gefahren“ insbesondere die Interessen des Umweltschutzes und die Erhaltung der Flughafenregionen als Lebens-, Erholungs- und Arbeitsraum zu gewährleisten hat. Ziel sollte es sein, eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die bestehenden Regelungen bzw. eine Neuregelung der „Luftverkehrsregeln“ zu schaffen (vgl. zB §§ 3 Abs 3, 7 Abs 3 oder 19 Abs 1 und Abs 5 LFR).

 

3. Die in der Novelle vorgesehene Festlegung von Sicherheitszonen auch für Flugfelder mit Instrumentenflugbetrieb sollte unterbleiben. Sie würde einen erheblichen Eingriff in die Rechtssphäre der betroffenen LiegenschaftseigentümerInnen darstellen, der durch das vergleichsweise weniger schwerwiegende öffentliche Interesse an Flugfeldern keinesfalls ausreichend legitimiert ist. Die nachträgliche Eintragung ins Grundbuch und die hinzutretenden Verpflichtungen für die Kennzeichnung bzw. Instandhaltung der Kennzeichnung für bereits bestehende Luftfahrthindernisse (zu § 95ff, Kennzeichnung, Anzeigeverpflichtung für Luftfahrthindernisse, die vor 1994 errichtet wurden, nachträgliche Überbindung umfangreicher und kostenintensiver Verpflichtungen) werden die Akzeptanz für den Betrieb der Flugfelder eher nicht erhöhen. Es konnten seitens der BMVIT-VertreterInnen auch bei der Ausschussbehandlung der LFG-Novelle keine konkreten Angaben über mögliche Zahl von Betroffenen und mögliche Kosten gegeben werden.

 

4. Die Novelle enthält einige weitere kritische Detailpunkte.

So ist die Neuregelung nach Ziffer 15 der Vorlage (keine Beurkundung als „betriebsfähig“ zB für Militärflugzeuge nötig, weil „Technologien der Zukunft“) fragwürdig: Folgt man den Erläuterungen, so dürfte bei „Technologien der Zukunft“ – was immer das im Sinne des Bestimmtheitsgebots umfassen sollte – generell keine Beurkundung als „betriebsfähig“ mehr nötig sein, was aufgrund der mit solchen „Technologien der Zukunft“ oft verbundenen Risken doch in Frage zu stellen wäre.

Im Ausschuss stellte sich auch heraus, dass zu Ziffer 20 – Entfall Übermittlungspflicht flugmedizinischer Berichte an zuständige Behörde bei Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses – auch VertreterInnen der Regierungsmehrheit so wie die Grünen der Ansicht sind, dass es keineswegs irrelevant für die Behörde ist, über diese Zeugnisse zu verfügen und hier Verwaltungsvereinfachung den sachlichen Erfordernissen vorgezogen wird – überdies mit dem Datenschutz als Vorwand, was angesichts der sonstigen Großzügigkeit der Regierung beim Umgang mit Datenschutzfragen besonders ärgerlich ist.

 

Dieser Vielzahl gravierender Kritikpunkte stehen in dieser Novelle nur sehr vereinzelt positiv zu bewertende Elemente wie der EU-konforme Ausbau der Seveso-Regelungen gegenüber.

 

Eine Zustimmung der Grünen zu dieser Vorlage ist daher nicht möglich.