656 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (610 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Tabakgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden

 

Zielsetzungen und Inhalt des Entwurfes:

Artikel I schlägt Änderungen bei den Nichtraucherschutzbestimmungen im Tabakgesetz vor. Maßnahmen zur Sicherstellung des Nichtraucherschutzes in öffentlich zugänglichen Gebäuden/Räumen zählen international zu den wichtigen gesundheitspolitischen Maßnahmen im Rahmen der Tabakkontrolle und sind Gegenstand von Empfehlungen und rechtsverbindlichen Vorgaben im internationalen und EU- Rahmen. In vielen Ländern sind in letzter Zeit vermehrte Bemühungen zur Verbesserung des Nichtraucherschutzes zu beobachten. Auch in Österreich sieht das Tabakgesetz bereits einschlägige Bestimmungen zum Schutz vor unfreiwilliger Tabakexposition vor. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 167/2004 wurden die Nichtraucherschutzmaßnahmen generell auf Räume öffentlicher Orte erstreckt, jedoch blieben die Gastronomie und bestimmte öffentliche Veranstaltungen bis dato von dem in Räumen öffentlicher Orte geltenden Rauchverbot ausgenommen. Die Gastronomiebereich soll nunmehr in Umsetzung des Übereinkommens der Regierungsparteien vom Jänner 2007 (Einbeziehung auch die Gastronomie in den gesetzlichen Nichtraucherschutz, wobei „abgetrennte Raucherzonen“ gestattet sein sollen) in den tabakgesetzlichen Nichtraucherschutz mit einbezogen werden, zumal immer mehr Studien auf die mit dem Passivrauchen einher gehenden Gesundheitsrisiken hinweisen.

Weitere Änderungen im Tabakgesetz:

Im Zusammenhang mit dem Entfall des bisher von den Telefonanbietern zur Verfügung gestellten Ortstarifes wird der Verpackungshinweis auf das Rauchertelefon adaptiert. Die sich aus einschlägigen EU-Vorgaben ergebenden Informationspflichten der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über die Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen werden im Tabakgesetz verankert. Der Kreis der im Rahmen der behördlichen Überprüfung von Tabakerzeugnissen heranzuziehenden Labors wird erweitert, sodass auch auf ausländische wirtschaftsunabhängige Labors zurückgegriffen werden kann. Schließlich werden redaktionelle Textbereinigungen vorgenommen.

Artikel II bis IV schlagen im Zusammenhang mit dem in Gastronomiebetrieben zum Schutz vor Tabakrauch im Tabakgesetz (Artikel I) vorgesehenen Arbeitsverbot für werdende Mütter flankierende sozialversicherungsrechtliche Maßnahmen vor. Durch die Neuregelung soll sichergestellt werden, dass für den Zeitraum des Arbeitsverbots Anspruch auf Wochengeld besteht.

Finanzielle Auswirkungen:

Im Artikel I sieht der Entwurf Verwaltungsstraftatbestände für das Zuwiderhandeln gegen Obliegenheiten der Inhaber bestimmter Gebäude bzw. Einrichtungen zum Schutz vor den gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens vor. Einerseits unterliegt künftig den Nichtraucherschutzbestimmungen und den damit einher gehenden Obliegenheiten auch die Gastronomie mit ihren insgesamt rund 60.000 vom Fachverband Gastronomie verzeichneten Gasthäusern, Restaurants, Gasthöfen, Raststätten, Kaffeehäusern und Kaffeerestaurants, Buffets, Espressi, Konditoreien, Wein- und Bierlokalen, Pubs, Branntweinschenken, Bars, Tanzlokalen und Diskotheken, Kantinen, Werksküchen und Mensabetrieben, Schutzhütten, Würstelbuden etc., darüber hinaus sind auch die zur Verabreichung von Speisen oder Getränken berechtigten Buschenschanken und wohltätigen Veranstaltungen davon erfasst. Allfällige Obliegenheitsverletzungen können Gegenstand eines  Verwaltungsstrafverfahrens sein, wobei seitens der Gastronomietreibenden unter Umständen auch die für den Vollzug der bau-, feuerpolizeilichen bzw. denkmalschutzrechtlichen Vorschriften zuständigen Behörden im Rahmen der Abklärung bau-, feuerpolizei- bzw. denkmalschutzrechtlicher Vorfragen befasst werden. Jedoch kann allein schon für diesen Bereich eine Einschätzung, wie viele jener Gastronomiebetriebe, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle den Nichtraucherschutzbestimmungen nicht entsprechen, auch in der Folge den entsprechenden Obliegenheiten nicht nachkommen und im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens belangt werden, im Vorhinein nicht abgeschätzt werden.

Andererseits bestehen bereits nach geltendem Recht Rauchverbote für eine überaus große, im Detail nicht zu beziffernde Zahl an Räumlichkeiten für Unterrichts-, Fortbildungs- oder Verhandlungszwecke bzw. zur schulsportlichen Betätigung  sowie für alle öffentlich zugänglichen Gebäude und Räume, zumal als „öffentlicher Ort“ im Sinne des Tabakgesetztes jeder Ort gilt, der durch einen nicht von vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden kann. Der Begriff „öffentlicher Ort“ umfasst somit beispielsweise die Amtsgebäude, schulischen oder anderen Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche beaufsichtigt, aufgenommen oder beherbergt werden, die Hochschulen und Einrichtungen der beruflichen Bildung, die der Darbietung von Vorführungen oder Ausstellungen dienenden Einrichtungen, die Einrichtungen des öffentlichen und privaten Bus-, Schienen-, Flug- und Schiffverkehrs, alle Geschäftslokale, Einkaufszentren, Büroräume oder ähnliche Räume mit Kunden- bzw. Parteienverkehr, die Hallenbäder, Fitnesscenter, Sporthallen u.v.m. Auch diese Rauchverbote ziehen künftig für die betreffenden Verantwortlichen entsprechende, bei Zuwiderhandeln an Verwaltungsstrafsanktionen geknüpfte Verpflichtungen nach sich.

Es ist somit künftig eine unüberschaubar große, insgesamt nicht bezifferbare Zahl von Einrichtungen nicht nur von den Nichtraucherschutzbestimmungen erfasst, sondern auch von den damit einher gehenden Bemühungspflichten, die künftig, im Falle des Zuwiderhandelns, unter Umständen ein Verwaltungsstrafverfahren nach sich ziehen können. Die dadurch verursachten Änderungen im Aufwand und bei den Erlösen sind damit nicht quantifizierbar, zumal ihre tatsächlichen Auswirkungen bei den Behörden im Rahmen von Verwaltungsstrafverfahren sich weitgehend als Reflex auf das allfällige deliktische Verhalten Dritter – nämlich auf mögliche Verstöße von Inhabern der in Betracht kommenden Einrichtungen gegen die betreffenden, sich aus dem Nichtraucherschutz ergebenden Pflichten – darstellen; andererseits kann auch die Zahl jener von den neuen Bestimmungen erfassten Gastronomiebetriebe, die sich zur Klärung allfälliger bau-, feuerpolizei- bzw. denkmalschutzrechtlicher Vorfragen an die betreffenden Behörden wenden werden, im Vorhinein nicht abgeschätzt werden, zumal hinsichtlich der dafür ausschlaggebenden Größe der Betriebe, den Verabreichungsplätzen bzw. der Zahl der Einraum- bzw. Mehrraumbetriebe keine gesicherten Daten bei den Gewerbebehörden bzw. der Österreichischen Wirtschaftskammer erfasst bzw. keine einschlägigen Statistiken geführt werden.

In Summe ist wohl davon auszugehen, dass ein gewisser Teil der in Betracht kommenden Verantwortlichen ihren auf die Nichtraucherschutzbestimmungen bezogenen Obliegenheiten nicht nachkommen und in Folge entsprechender Anzeigen einem Verwaltungsstrafverfahren unterzogen werden wird, sodass die neuen Strafbestimmungen einen, im Vorhinein allerdings nicht zu beziffernden, Mehraufwand beim Personaleinsatz und Kosten bei den Verwaltungsstrafbehörden sowie bei den zur Klärung allfälliger Vorfragen befassten, für bau- oder feuerschutzpolizeiliche Angelegenheiten bzw. bei der Denkmalschutzbehörde nach sich ziehen werden, wobei dem Mehraufwand der Verwaltungsstrafbehörden im Rahmen der Vollziehung der neuen Strafbestimmungen die zu erlösenden Verwaltungsstrafen gegenüberstehen.

Schließlich kann es im Bereich des Sozialversicherungsrechtes zu Ansprüchen im Zusammenhang mit dem für werdende Mütter in jenen Gastronomiebetreiben bzw. Gasträumen, in denen aufgrund von Ausnahmebestimmungen weiterhin geraucht werden darf, vorgesehenen Arbeitsverbot kommen, in den Artikeln II bis IV finden sich dazu flankierende sozialversicherungsrechtliche Regelungen. Im Jahr 2007 gab es rund 2400 Mutterschutzmeldungen in der Wirtschaftsklasse „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“ (Hotels, Gasthäuser, Restaurants, Cafes). Es ist davon auszugehen, dass durch die Neuregelung zusätzlich pro Betroffene rund 26 Wochen Wochengeldanspruch besteht, der nach § 168 ASVG zu 30% vom Krankenversicherungsträger und zu 70% aus den Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds zu tragen ist. Im Jahr 2006 beanspruchten rund 550 Frauen aufgrund arbeitsinspektionsärztlicher Freistellungszeugnisse „individuellen Mutterschutz“. Gerade im Gastgewerbe ist die Zahl der Freistellungszeugnisse überdurchschnittlich hoch. Von der bestehenden Restmenge der relevanten Mutterschutzmeldungen (rund 1850 Fälle) ist nur ein Teil in „Raucherbetrieben“ tätig, in denen keine Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung stehen. Daher ergibt sich durch die Neuregelung eine geringe zusätzliche Belastung der Sozialversicherungsträger und des Familienlastenausgleichsfonds.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich Artikel I des  Entwurfs auf Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG (“Gesundheitswesen”), die Artikel II bis IV stützen sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG („Sozialversicherungswesen“).

 

Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 01. Juli 2008 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Mag. Johann Maier, Dr. Erwin Rasinger, Sigisbert Dolinschek, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Dr. Kurt Grünewald, Dietmar Keck, Theresia Haidlmayr, Dr. Sebastian Eder, Karl Donabauer sowie die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit

angenommen.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter August Wöginger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (610 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2008 07 01

                               August Wöginger                                             Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau