Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten an den Nationalrat betreffend Südtirol

Autonomieentwicklung 2003-2006

 

 

Südtirol besitzt nach wie vor einen besonderen Stellenwert für die österreichische Außenpolitik. Die Südtirolautonomie stellt die Lösung eines Minderheitenkonflikts dar, die sich international sehen lassen kann. Das Zusammenleben der verschiedenen Sprachgruppen im Land gestaltet sich positiv. Österreich ist zufrieden mit dem Stand der Autonomie, die österreichische Bundesregierung nimmt jedoch ihre Schutzfunktion für Südtirol weiterhin sehr ernst und verfolgt daher die Entwicklungen sehr aufmerksam. Seit dem Wegfall der Grenzkontrollen und der Einführung des EURO ist das Zusammenleben über die Brennergrenze im Alltag noch enger und selbstverständlicher geworden. Am 5. September 2006 fand im Bozener Landtag ein Festakt anlässlich des 60. Jahrestages der Unterzeichnung des Pariser Vertrages (Gruber-Degasperi-Abkommen) statt, der den Grundstein der Südtirolautonomie darstellt. Geladen waren der frühere italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti, der 1946 Sekretär des damaligen italienischen Außenministers Alcide Degasperi war, sowie der ehemalige österreichische Staatssekretär und Botschafter Ludwig Steiner. Bei diesem Anlass sowie auch im Rahmen der Besuche von Bundespräsident Klestil 2002 und Bundespräsident Fischer 2004 und 2006 in Italien wurde übereinstimmend sowohl von österreichischer als auch italienischer Seite die große Bedeutung der Südtirolautonomie betont. Wenn wir auf die vergangenen drei Jahre Südtirolpolitik – also auf den Zeitraum seit dem letzten formellen Bericht vom Juni 2003 über die Autonomieentwicklung 2000-2003 - zurückblicken, können wir feststellen, dass es bei einigen Kernanliegen gelungen ist, für die Südtirolautonomie letztlich zufrieden stellende Regelungen zu finden bzw. mögliche Gefahren abzuwenden.

 

 

1. Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung

 

Aufgrund einer Beschwerde des interethnischen Vereins CONVIVIA bei der Europäischen Kommission (EK) im Jahre 2001 wegen angeblicher EU-rechtlicher Bedenken hinsichtlich Datenschutzrecht und Verhältnismäßigkeit der 10-jährigen Bindungswirkung der gemäß Autonomiestatut anlässlich der staatlichen Volkszählung abzugebenden Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung (als Voraussetzung für die korrekte Anwendung des ethnischen Proporzes bei der Vergabe öffentlicher Stellen sowie beim sozialen Wohnbau in Südtirol) und der darauf folgenden Untätigkeit Roms, der EK einen (mit Bozen akkordierten) Lösungsvorschlag vorzulegen, drohte Italien die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Nach wiederholten Interventionen von österreichischer Seite bei der EK und italienischen Politikern einigten sich die Südtiroler Landesregierung und die römische Regierung nach langen Verhandlungen und einem positiven Gutachten des italienischen Datenschutzbeauftragten in der Sechser-Kommission am 26. April 2005 auf einen Kompromiss, der für Bozen tragbar ist und die Kernbestimmungen bestehen lässt. Der Text wurde sodann vom italienischen Ministerrat verabschiedet und ist durch Veröffentlichung im Gesetzesblatt in Kraft getreten. Die italienische Regierung hat in der Folge die EK übner diese Lösung in Kenntnis gesetzt, wodurch diese für Südtirol, aber auch für die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Italien potentiell sehr problematische Frage positiv erledigt werden konnte.

 

 

2. Italienische Verfassungsreform

 

Nach fast vierjähriger Debatte innerhalb der Mitte-Rechts-Koalition segnete der Senat in Rom am 16. November 2005 endgültig das Reformenpaket ab, mit dem die Macht des Ministerpräsidenten ausgedehnt und Kompetenzen der Regionen deutlich erweitert werden sollten. Für das Paket stimmten 170 Senatoren, 132 dagegen. Die drei Senatoren der Südtiroler Volkspartei enthielten sich bei der Schlussabstimmung der Stimme. Kernpunkt der Reform war die von der Lega Nord geforderte "Devolution", welche die Kompetenzen der 15 Regionen ohne Sonderstatut wesentlich stärken sollte. Die Regionen sollten exklusive Kompetenz in den Bereichen lokale öffentliche Sicherheit, Gesundheits- und Schulwesen erhalten. Zur Finanzierung dieser Bereiche sollten sie die auf regionaler Ebene eingetriebenen Steuern selbst verwalten können. Das strikt zentralistische Steuersystem sollte zu Gunsten der Regionen geändert werden. Rom sollte wegen seiner Rolle als Hauptstadt eine Sonderautonomie erhalten und über stärkere Finanzierungen verfügen. Da das Verfassungsgesetz nicht mit der erforderlichen 2/3 Mehrheit verabschiedet wurde, musste die Reform verfassungsgemäß einem Referendum unterzogen werden. Am 25. und 26. Juni 2006 lehnte eine Bevölkerungsmehrheit die Verfassungsreform mit 61,4% Neinstimmen ab, in Südtirol lag die Ablehnung sogar bei 76,4%.

 

Die Auswirkungen der geplanten Verfassungsreform auf Südtirol wären tief greifend gewesen. Der ursprüngliche Entwurf der Verfassungsreform sah Regelungen vor, die letztlich eine Änderung regionaler Sonderstatute auch ohne Zustimmung der betreffenden Region, u.a. in Berufung auf „nationale Interessen“, erlaubt hätte. Mitte Oktober 2004 wurde der Gesetzesentwurf in der Abgeordnetenkammer in erster Lesung in einer Fassung beschlossen, die gegenüber den Erstentwürfen erhebliche Verbesserungen für Südtirol darstellten. Den Anliegen Südtirols konnte dabei in folgender Weise Rechnung getragen werden:

·        Die „Schutzklausel“ wäre aufrecht geblieben, d.h. gesamtstaatliche Reformvorhaben hätten keine einschränkende Auswirkung auf allfällige weiter reichende Bestimmungen der Sonderautonomien gehabt (sie hätten höchstens ein „Mehr“ an Autonomie bringen können - bezogen auf den über das Statut hinaus gehenden „Status quo“ der Autonomie).

·        Die „Gleichschaltung“ der Gesetzgebungsperioden des neuen föderalen Senats mit den regionalen Gesetzgebungskörpern hätte nur einmal (zu Beginn des neuen Systems) im Jahr 2011 stattfinden sollen. Danach hätte die Legislaturperiode etwa des Südtiroler Landtages wieder autonom bestimmt werden können.

·        „Einvernehmensklausel“: eine staatliche Gesetzesvorlage, die das Südtiroler Autonomiestatut abgeändert hätte, wäre nicht wirksam geworden, wenn ihr der Südtiroler Landtag mit 2/3-Mehrheit die Zustimmung versagt hätte (zunächst war das Quorum bei 4/5 gelegen).

·        Betreffend das „nationale Interesse“, das den Staat zum Eingreifen in die Gesetzgebung der Regionen und Provinzen ermächtigen hätte sollen, wäre laut dem damaligen Reformminister Calderoli einerseits die „Schutzklausel“ so ausgelegt worden, dass damit auch eine Berufung auf das nationale Interesse abzuwehren gewesen wäre, andererseits wäre ein Mechanismus zur Entscheidung über das Vorliegen des nationalen Interesses eingeführt worden (Mehrheit in beiden Kammern), der eine Anwendung in der Praxis schwierig erscheinen ließ.

 

Die damals real zu befürchtende Gefahr, dass die Reform bestehende Autonomieregeln Südtirols verletzen könnte, wurde damit im Zuge intensiver Bemühungen abgewendet. Auch das Vorhaben mancher Kreise von Alleanza Nazionale, eine Sonderbestimmung zum Schutz der "italienischen Minderheit" in Südtirol zu verankern, konnte verhindert werden. Südtirol ist Österreich für die in diesem Zusammenhang geleistete Unterstützung sehr dankbar. Da die Verfassungsreform durch das Referendum zu Fall gebracht wurde, kommen auch die oe. für Südtirol positiven Lösungsansätze nicht zum Tragen. Daher haben sich die SVP-Abgeordneten (die SVP ist mit der seit den Parlamentswahlen vom April 2006 regierenden Mitte-Links-Union unter MP Romano Prodi ein Wahlbündnis eingegangen) von den Klubobleuten der Fraktionen der Union die schriftliche Zusicherung geben lassen, dass wenigstens die Einvernehmensklausel in einem eigenen Verfassungsgesetz verankert werden soll.

 

 

3. Wahlrechtsreform

 

Die italienische Abgeordnetenkammer hat im Oktober 2005 mit den Stimmen der Regierungsmehrheit eine Reform des italienischen Wahlrechts beschlossen, die eine Rückkehr zu dem erst 1993 abgeschafften Proportionalsystem vorsieht. Im Dezember 2005 hat der Senat zugestimmt, womit das Gesetz zur Änderung des Wahlrechts beschlossen worden ist. Für die Südtiroler Anliegen fiel die Wahlrechtsreform durchaus akzeptabel aus. In sehr intensiven Verhandlungen mit den Regierungsvertretern gelang es den SVP-Parlamentariern - insbesondere den Abgeordneten Zeller und Brugger - einerseits die Südtiroler Vertretung in der Kammer von den nationalen 2% bzw. 4%-Schwellen auszunehmen (Quorum ist lediglich die Erreichung von 20% in der Region Trentino-Südtirol; negativ beurteilt wurde allerdings die Abschaffung der Vorzugsstimmen) und andererseits für die Vertretung im Senat überhaupt das bisherige Mehrheitswahlrecht zu belassen (in der Region Trentino-Südtirol als einziger Ausnahme in Italien!). In der Kammer kann Südtirol somit weiterhin fix mit 3 Abgeordneten rechnen (allenfalls sogar noch mit einem vierten über eine regionale Listenverbindung mit dem Trentiner PATT, wie bei den Wahlen 2006 dann auch realisiert); im Senat sind künftig wie bisher 2 Senatoren fix bzw. einer über eine Listenverbindung möglich. Von besonderem Interesse ist die Tatsache, dass das Beibehalten des Mehrheitswahlrechts nur für die Region Trentino-Südtirol wesentlich damit begründet wurde, dass sich das zuständige Innenministerium in seinem Gutachten zum Gesetzesentwurf auf Paketmaßnahme 111 (betreffend die Festlegung der Senatswahlkreise für Südtirol) berufen hat. Die Abg. Brugger und Zeller vermerkten in ihren Plenarerklärungen mit entsprechender Befriedigung, dass damit von italienischer Seite dem internationalen Charakter der Südtirol-Autonomie Rechnung getragen worden sei.

 

 

4. Gegenseitige Anerkennung von Studientiteln

 

Der Notenwechsel aus 1999 über die gegenseitige Anerkennung von akademischen Graden und Titeln wurde zuletzt 2003 mittels ergänzenden Notenwechsels an die modifizierten Inhalte von Studiengängen angepasst. Er hat für die Anerkennung der von Südtirolern in Österreich erworbenen Grade und Titel große Bedeutung. Im Hinblick auf die Universitätsreformen in beiden Ländern fand im Mai 2003 in Wien eine weitere Expertentagung statt. Auf Basis eines österreichischen Entwurfs wurde der Text eines weiteren Notenwechsels paraphiert. Die umfangreichen Beilagen (Liste der Gleichwertigkeiten und Detailtabellen) wurden der italienischen Seite im September 2004 zur Begutachtung übermittelt. Im Hinblick auf offenbar größere Probleme in der inneritalienischen Begutachtung ersuchte die italienische Seite um ein erneutes Zusammentreffen der bilateralen Expertengruppe, das am 7. und 8. Februar 2006 in Rom stattfand. Bei dieser 18. Tagung einigte man sich auch über die umfangreichen Beilagen (Liste der Gleichwertigkeiten und Detailtabellen). Nach einer notwendig gewordenen nachträglichen Klärung einiger Detailfragen konnte am 4. Dezember 2006 die definitive Einigung über den Text des Notenwechsels erzielt und am 11. Dezember 2006 paraphiert werden. In der Folge werden nunmehr auf beiden Seiten die für die Unterzeichung und die Einbringung in die Parlamente nötigen Schritte bzw. Verfahren eingeleitet, was auf österreichischer Seite bereits erfolgt ist. In den nächsten Wochen wird Österreich der italienischen Seite einen Terminvorschlag für ein weiteres Treffen der Expertenkommission in Österreich machen. Dabei soll die Liste der gleichgestellten Studien um seither neu eingerichtete Bakkalaureats- und Magisterstudien ergänzt werden.

 

 

5. Schutzfunktion Österreichs / Debatte zur Verankerung in der Bundesverfassung

 

Für Österreich steht die Schutzfunktion für Südtirol auf Grundlage des Pariser Abkommens außer Frage, von Italien wird diese Auffassung zwar nicht explizit geteilt, jedoch von der Regierungspolitik der letzten Jahre stillschweigend hingenommen. Neu aufgeflammt war die Diskussion 2004 im Zusammenhang mit der im Österreichkonvent debattierten Idee einer Verankerung der österreichischen Schutzfunktion für Südtirol in der überarbeiteten österreichischen Bundesverfassung, was die italienische Regierung (sowohl jene unter MP Berlusconi als auch die gegenwärtige unter MP Prodi) heftig ablehnt.

 

Am 21. September 2006 nahm der österreichische Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und BZÖ einen Entschließungsantrag an, der sich dafür ausspricht, die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol in eine neue Bundesverfassung aufzunehmen. Diese Initiative war ursprünglich aus einer Petition der Tiroler und Südtiroler Schützen hervorgegangen, die von fast allen Südtiroler sowie einigen Nord- und Osttiroler Bürgermeistern ebenfalls unterschrieben und dem Präsidenten des Nationalrates, Andreas Khol, im Jänner 2006 überreicht worden war.

 

 

6. Toponomastik

 

Grundsätzlich wäre die Frage der Toponomastik (Ortsnamen) laut Statut vom Landtag zu behandeln bzw. die nötigen Gesetze von diesem zu beschließen, wobei im Autonomiestatut festgeschrieben steht, dass das Prinzip der Zweisprachigkeit beachtet werden muss. Ursprünglich stellte diese Festschreibung einen Fortschritt für die deutschsprachige Minderheit dar, da davor alles rein italienisch angeschrieben bzw. auch der gesamte amtliche Schriftverkehr auf Italienisch erfolgen musste.

 

Nachdem in der abgelaufenen Legislaturperiode jedoch eine Einigung über den von Landeshauptmann Durnwalder dem Südtiroler Landtag vorgelegten Vorschlag zur Regelung der Toponomastikfrage (Ersatz der faschistischen Tolomei-Ortsnamensdekrete aus den 20er Jahren) gescheitert ist, brachte Durnwalder den entsprechenden Gesetzesantrag im Frühjahr 2004 erneut im Landtag ein. Landeshauptmann Durnwalder und der italienische Regionenminister La Loggia vereinbarten überdies die Einsetzung einer paritätischen Kommission, die ebenfalls Lösungsvorschläge ausarbeiten soll. Die Südtiroler Schützen äußerten bei einem Besuch bei Nationalratspräsident Khol in Wien Anfang Mai 2004 ihre Kritik an den Durnwalder-Vorschlägen; Präsident Khol verwies auf die Zuständigkeit der Südtiroler Landesregierung, in welche Österreich volles Vertrauen habe.

 

Kern des Vorschlages des Landeshauptmanns ist es, die Lösung der Frage in „Makro- und Mikrotoponomastik“ zu teilen; für erstere sollte der Landtag, für letztere die Gemeinden zuständig sein. Dies würde konkret bedeuten, dass von den 8.200 alten Namen, die durch Tolomei abgeschafft und „italianisiert“ wurden, alle Gemeinden mit mehr als 100 Einwohnern, alle Flüsse, Seen und Berge zweisprachig geführt werden sollen. Dies hätte zur Folge, dass von den 8.200 toponomastischen Bezeichnungen 600-700 zweisprachig blieben. Diese würden per Landesgesetz beschlossen. Betreffend die Gemeinden mit weniger als 100 Einwohnern würde die Zuständigkeit für die allfällige Einführung der Zweisprachigkeit den Gemeinden übertragen. Die italienischen Mitglieder der Kommission haben in der Presse diesen Vorschlägen des Landeshauptmanns eine Absage erteilt.

 

 

7. Europaregion Tirol

 

Im Februar 2005 fand eine Sitzung des Dreierlandtages, im Juli 2005 eine Regierungskonferenz der drei Landesregierungen statt.

 

Österreich unterstützt die Europaregion Tirol ebenso wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften im Allgemeinen.


8. Innenpolitik - Wahlen

 

Das wohl wichtigste Ereignis des Jahres 2003 waren die Landtagswahlen in Südtirol am 26. Oktober. Die Südtiroler Volkspartei (SVP) musste zwar einen Stimmenverlust von 1% hinnehmen, konnte allerdings ihre absolute Mehrheit (55,6%) und auch ihre 21 Mandate (von insgesamt 35) halten. Landeshauptmann Luis Durnwalder erhielt mehr als 110.000 Vorzugsstimmen. Alleanza Nazionale (AN) musste ebenfalls Stimmenverluste in der Höhe von 1,2%-Punkten (nunmehr 8,4%) in Kauf nehmen, blieb aber dennoch stärkste italienische Partei und ist weiterhin mit drei Mandaten im Südtiroler Landtag vertreten. Auch ihr rechter Ableger Unitalia-Movimento per l’Alto Adige schaffte mit dem letzten Reststimmenmandat den Wiedereinzug in den Landtag (1,5%). Die Grünen schafften den Gewinn eines weiteren Mandates und sind nunmehr mit drei Abgeordneten im Landtag vertreten (7,9%). Die Union für Südtirol (UfS) konnte Stimmengewinne verzeichnen, erreichte aber kein zusätzliches drittes Mandat (6,8%). Die Freiheitlichen konnten ihren Stimmenanteil im Vergleich zu den Landtagswahlen 1998 verdoppeln (von 2,5% auf 5%) und sind nunmehr mit zwei Mandaten vertreten. Das Mitte-Links Bündnis „Unione autonomista“ (3,7%) sowie das Projekt „Frieden und Gerechtigkeit – gemeinsam links“ (3,8%) sind mit je einem Mandat im Landtag vertreten. Forza Italia (FI) ist der Einzug in den Landtag gelungen (3,4%), scheiterte aber am Ziel, ein zweites Mandat zu erringen und Alleanza Nazionale als stärkste italienische Partei zu überholen. Den Einzug in den Landtag verfehlt haben die Rosa Alternative (1,0%) und die Ladins (1,4%), letztere aufgrund des in seinem Ausmaß unerwarteten Erfolges der SVP in den ladinischen Tälern.

 

Veronika Stirner-Brantsch (SVP) wurde zur Präsidentin des Landtages für die erste Hälfte der Legislaturperiode und der Chef der größten italienischen Partei Giorgio Holzmann (AN) zu ihrem Stellvertreter gewählt. Gemäß den Proporzbestimmungen wurde der der italienischen Volksgruppe angehörende Grüne Abgeordnete Riccardo dello Sbarba am 18. Mai 2006 zum Landtagspräsidenten für die 2. Hälfte der Legislaturperiode gewählt und die SVP-Abgeordnete Rosa Thaler als dessen Stellvertreterin.

Am 22. Dezember 2003 war die Regierungsbildung abgeschlossen. Landeshauptmann Luis Durnwalder nannte in seiner vierten Regierungsrede folgende Prioritäten für die 5-jährige Legislaturperiode: das Absichern des Erreichten, der Schutz des Lebensraumes und der Erhalt des hohen Standards im Gesundheits- und Sozialwesen.

 

Als Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) am 13. Juni 2004 zogen drei Südtiroler Kandidaten in das EP ein: Michl Ebner (SVP), Lilli Gruber (Uniti nell’Ulivo) und Sepp Kusstatscher (Grüne). Die Wahlbeteiligung lag bei 72%. Die größte Überraschung der EU-Wahl in Südtirol war Star-Journalistin Lilli Gruber, die den Ulivo auf Platz zwei in Südtirol brachte.

 

Die am 8. Mai 2005 abgehaltenen Gemeinderatswahlen in Südtirol erbrachten folgende Ergebnisse: 58,8 Prozent der Wähler gaben der SVP das Vertrauen, das waren 3,7 Prozentpunkte weniger als fünf Jahre zuvor. Ingesamt musste die SVP 53 Sitze abgeben, bleibt mit 1.489 Mandaten aber die beherrschende Kraft in den Gemeindestuben Südtirols. Nach den Stichwahlen am 22. Mai stellt sie 107 der 116 Südtiroler Bürgermeister. Die Union für Südtirol erzielte einen Stimmenzuwachs von 0,7%-Punkten (von 3% auf 3,7%) und 53 Mandate (16 mehr als 2000) und ist damit in allen 31 Gemeinden - mit Ausnahme von Bozen - in denen die Union mit eigener Liste antrat, zumindest mit einem Mandat vertreten. Zugewinne in wesentlich geringerem Umfang gab es auch bei den Freiheitlichen (von 0,2% auf 0,6%); in elf Gemeinden traten sie mit eigenen Listen an und stellen 11 (bis dahin 5) Gemeinderäte. Die Bürgerlisten holten sich 190 Sitze (+68); ihr Stimmenanteil stieg von 6% auf 9%; in unverändert vier Gemeinden stellen sie den Bürgermeister. Die Grünen holten insgesamt 26 Sitze (+10) und erhöhten ihren Stimmenanteil von 3% auf 3,7%.

 

Die Zahl der Gemeinderäte des Mitte-Links-Lagers reduzierte sich von 115 auf 83, jedoch zogen Margherita und Democratici di sinistra (DS), denen auch mehrere Bürgerlisten nahe stehen, landesweit eine relativ zufrieden stellende Bilanz. Alleanza Nazionale (AN) musste teils empfindliche Verluste hinnehmen; allein in Bozen hat AN gegenüber dem Jahr 2000 3,97 Prozent an Stimmen eingebüßt. Forza Italia (FI) kam auf insgesamt 16 Gemeinderäte, allein in Bozen und Meran waren es je fünf. In der Landeshauptstadt konnte mit Giovanni Benussi auch der von FI unterstützte Bürgermeisterkandidat in die Stichwahl einziehen. Der ehemalige Bürgermeister Salghetti-Drioli mit seiner Koalition aus Margherita, Demokratischer Linker, Grünen und Südtiroler Volkspartei bekam nur 34,8% der Stimmen, der Mitte-Rechts Kandidat Benussi 42,2%.

 

Bei den Stichwahlen am 22. Mai 2005 kam es in der Stadt Bozen zu einer Pattsituation. Der Kandidat der Mitte-Rechts-Parteien, Giovanni Benussi, gewann mit 7 Stimmen Vorsprung die Bürgermeisterwahl gegen den regierenden Bgm. Giovanni Salghetti-Drioli, der von Mitte-Links und im 2. Wahlgang auch von der SVP unterstützt wurde. Da die Benussi unterstützenden Mitte-Rechts-Parteien jedoch im Gemeinderat in der Minderheit waren (27 zu 21 für Mitte-Links), gab es für die von ihm vorgeschlagene Regierungsmannschaft im Gemeinderat keine Mehrheit. Sowohl in Meran als auch in Brixen konnten die SVP-Kandidaten die Stichwahlen für sich entscheiden: in Meran erhielt der amtierende Bürgermeister Günther Januth 58,4% der Stimmen, sein AN angehörender Gegenkandidat Mauro Minniti 41,6%. In Brixen gewann Bürgermeister Albert Pürgstaller gegenüber seinem grünen Herausforderer Hans Heiss mit 58,3%.

 

In der Folge kam Bozen unter kommissarische Verwaltung, und es wurden für den 6. November 2005 Neuwahlen angesetzt. Bei diesen konnte der bis dato eher unbekannte Mitte-Links Kandidat, Luigi Spagnolli, bereits im ersten Durchgang die absolute Stimmenmehrheit für das Bürgermeisteramt auf sich vereinen. Er erhielt 50,36% (28.986 Stimmen), Benussi 45,20% (26.017 Stimmen). Die Wahlbeteiligung stieg im Vergleich zum Mai um 1,5 Prozentpunkte. Bei den ebenfalls nochmals durchzuführenden Gemeinderatswahlen gab es auch ein unerwartetes Ergebnis: zum zweiten Mal seit 1952 (nach den Gemeinderatswahlen 1980) hat die SVP im Stadtrat die relative Stimmenmehrheit erhalten, überdies war es ihr bestes Ergebnis seit 1960. Die italienischsprachige Kandidatin Elena Artioli erhielt 787 Vorzugsstimmen und landete damit an siebenter Stelle in der SVP-Vorzugsstimmenliste. Alleanza Nazionale bleibt zwar die stärkste italienische Partei, hat jedoch im Vergleich zu Mai 1 Mandat verloren (von 9 auf 8), was zum Rücktritt ihres Vorsitzenden Giorgio Holzmann führte. Forza Italia behielt ihre 5 Sitze. Die Democratici di Sinistra haben 5 Sitze (Mai: 4) gewonnen, die Liste des Gewinners der Maiwahlen, die Lista Benussi, hat ihre Sitze von 2 auf 4 verdoppelt. La Margherita hingegen ist von 6 auf 4 zurückgefallen, die Verdi-Grüne-Verc von 3 auf 2. Die Democrazia Cristiana per le Autonomie hat 1 Mandat dazugewonnen (2). Mit 2 Sitzen gleich geblieben sind Unitalia, Rifondazione partito comunista sowie das Projekt Bozen, die Socialisti Democratici Italiani, die Lega Nord und die UDC mit je 1 Sitz. Der neue Bürgermeister Luigi Spagnolli kann sich auf 27 von 50 Stimmen im Gemeinderat stützen.

 

Am 9. und 10. April 2006 fanden in Italien Parlamentswahlen statt, die natürlich auch für Südtirol von großer Bedeutung waren. Trotz Stimmenverlusten konnte die SVP ihre sechs Mandate halten und kam auf 182.703 Stimmen. Insgesamt erhielt die SVP ca. 53,5% der Wählerstimmen, das sind um 7-8% weniger als 5 Jahre davor, allerdings ca. gleich viel wie bei den Landtagswahlen 2003. Stimmen gingen einerseits an die Freiheitlichen, andererseits an Grüne sowie an Forza Italia, die Alleanza Nazionale in Südtirol überholte.

 

In die Abgeordnetenkammer zogen wieder Siegfried Brugger, Karl Zeller und Hans Widmann ein. Ebenfalls auf der SVP-Wahplattform kandidierte Giacomo Bezzi vom Partito Autonomo Trentino Tirolese (PATT), der auch einen Sitz in der Kammer errang. Im Senat ist die SVP wie bisher durch Helga Thaler Ausserhofer und Oskar Peterlini sowie erstmals durch Manfred Pinzger vertreten. Im Senat sind die drei Senatoren aufgrund der dünnen Mehrheit der italienischen Regierung ein Zünglein an der Waage.