IV-5 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Mittwoch, 12. Dezember 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIII. Gesetzgebungsperiode               Mittwoch, 12. Dezember 2007

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

RAT 15278/07

Europäischer Rat am 13./14. Dezember 2007 – Entwurf der erläuterten Tagesordnung

(24853/EU XXIII.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Mittelpunkt des EU-Hauptausschusses, der im Vorfeld des Europäischen Rats vom 13. und 14.Dezember zusammentrat, stand nicht nur die geplante Unterzeichnung des EU-Reformvertrags (Vertrag von Lissabon). Die Abgeordneten nützten die Gelegenheit, auch auf die brennende Frage der weiteren Entwicklung des Kosovo einzugehen und nochmals den Tschad-Einsatz zu diskutieren. Auch die Ausweitung des Schengenraums und die zukünftige Erweiterung der Union wurden von den Abgeordneten diskutiert und kontroversiell bewertet.

 

 

 

 

Seitens der beiden Regierungsfraktionen und der Grünen wurde der Vertrag von Lissabon begrüßt. Er mache die EU funktionsfähiger und demokratischer, so der Tenor der diesbezüglichen Wortmeldungen. Auch laut Bundesministerin Ursula Plassnik bringt der neue Vertrag ein Mehr an Demokratie und Sicherheit und mehr Klarheit. Sie kündigte an, dass sich die Bundesregierung um eine umfassende Information der Bevölkerung bemühen werde. Die EU-Grundrechte-Charta sei beispielgebend und werde in Strassburg feierlich von den Präsidenten des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Rats proklamiert.

 

Abgeordneter Josef Cap (S) meinte, mit dem Vertrag würden Schritte gegen ein neoliberales Modell gesetzt. Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) appellierte, jeder, dem Europa und die österreichischen Interessen wichtig seien, müsse diesem Vertrag zustimmen. Er sei besser als der bisherige Zustand, auch wenn man durchaus Probleme ansprechen könne. Schüssel hob insbesondere die Stärkung der nationalen Parlamente und die plebiszitären Aspekte des Vertrags hervor.

 

Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) stellte den Zusammenhang zwischen Reformvertrag und Lissabon-Strategie her und unterstrich die soziale Komponente, die auch in der Erklärung zur Globalisierung enthalten ist. In dieser Erklärung wird darauf eingegangen, mit welchen europäischen und sozialen Methoden man der Globalisierung begegnen könne. Sie erhofft sich dabei ein stärkeres Selbstbewusstsein der EU im Handel mit Drittstaaten, insbesondere dass in Zukunft ausschließlich Waren ausgetauscht werden, die sozialen und ökologischen Mindeststandards entsprechen.

 

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) ging auf die Demokratisierung der EU durch diesen Vertrag sowie auf die Stärkung der Grundrechte ein. Sie bedauerte, dass Großbritannien und Polen der Charta nicht beigetreten sind.

 

Im Gegensatz dazu kritisierte Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) den EU-Reformvertrag, da er seiner Auffassung nach grundlegende Bausteine der Bundesverfassung ändere. In diesem Zusammenhang nannte Bösch unter anderem das vereinfachte Änderungsverfahren, die Flexibilitätsklausel, den Vorrang des Unionsrechts und die aus seiner Sicht De-facto-Abschaffung der immerwährenden Neutralität. Der diesbezügliche Antrag auf Stellungnahme, den Reformvertrag nicht zu unterzeichnen, wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit. Grundsätzlich wurde jedoch von den Abgeordneten der Wunsch nach der Möglichkeit einer europaweiten Volksabstimmung vorgebracht.

 

Bösch artikulierte eine grundsätzliche Kritik an der EU, die über österreichische Interessen, wie beispielsweise beim freien Universitätszugang oder in Hinblick auf Gentechnikfreiheit, hinwegfahre. Er machte der Regierung den Vorwurf, dass sie die Gelegenheit des Reformvertrags, der einstimmig beschlossen werden muss, nicht genützt habe, wesentliche Interessen Österreichs durchzusetzen. Bösch thematisierte in diesem Zusammenhang die Transitproblematik, das langfristige Verbot der Gentechnik und den langfristigen Ausstieg aus der Atomwirtschaft. Auch der Schutz des heimischen Wassers ist seiner Ansicht nach nicht ausreichend. Wichtige Punkte sind für ihn weiters die Benes-Dekrete und Avnoij-Bestimmungen. Ihm fehlen auch Verbesserungen für Nettozahler in der EU. Kritik übte er daran, dass es für die nationalen Parlamente im EU-Gesetzgebungsprozess keine rote Karte, sondern nur eine gelbe Karte geben wird. Damit könnten keine Beschlüsse verhindert werden, sondern es handle sich lediglich um einen Aufschub.  

 

Auch Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) lehnte den Reformvertrag ab. Dieser stelle selbstverständlich einen Verfassungsvertrag dar, sagte er, da das ganze Vertragswerk der EU verfassungsbegründend sei. Im Gegensatz zu den BefürworterInnen des Vertrags sah Fichtenbauer darin ein Abgehen vom Subsidiaritätsprinzip. Es werde eine exklusive Rechtsetzungskompetenz der Union implementiert und in vielen Bereichen hätten die Nationalstaaten nur dann Kompetenzen, wenn die EU nicht handelt. Damit werde ein erheblicher Kompetenzverzicht und Transformationsakt an andere Rechtsträger vollzogen, so Fichtenbauer.

 

Darauf reagierte Klubobmann Wolfgang Schüssel (V), es würden viele Probleme, die die EU mit sich bringt, zurecht angesprochen. In Summe sei der Vertrag ein großer Schritt nach vorne. Vor allem würden auch die nationalen Parlamente gestärkt, zumal die EU-Kommission einen neuen Beschluss fassen müsse, wenn ein Drittel der nationalen Parlamente einen ihrer Vorschläge ablehnt. Das sei zwar keine rote, aber immerhin eine fast orange Karte. Es mache auch keinen Sinn, dauernd eine Welle von Vertragsänderungen zu fordern. Dies sei Thema der von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer erwähnten Reflexionsgruppe, die auf Initiative Frankreichs über die Zukunft Europas mit einem Horizont bis etwa 2050 nachdenken soll. Die Zusammensetzung dieser Gruppe wird laut der Information Gusenbauers erst 2008 beschlossen und sie soll ihre Arbeit auch erst nach Abschluss des Ratifikationsprozesses des Vertrags von Lissabon aufnehmen. Auch der Bundeskanzler wandte sich gegen eine rote Karte der nationalen Parlamente, da dadurch die Gesamtheit des europäischen Institutionensystems in Frage gestellt würde. Eine solche Vorgangsweise würde nach Auffassung Gusenbauers auch den Fortschritt in Europa behindern.

 

Auch Abgeordneter Herbert Scheibner (B) äußerte sich ablehnend zum vorliegenden Vertrag, der zwar besser sei als die aktuelle Situation aber einen Rückschritt zum ursprünglichen Verfassungsvertrag darstelle, und kaum Lösungen bringe. Er brachte daher einen Antrag auf Stellungnahme ein, der darauf abzielt, einen neuen Vertrag für Europa auszuhandeln und zwar mit Blickrichtung auf eine vollständige, institutionelle und kompetenzrechtliche Reform der EU. Das BZÖ spricht darin von einem Kerneuropa der Nettozahler unter Teilnahme Österreichs. Europa sollte in Form eines Modulsystems aufgebaut werden, wodurch mit weiteren Staaten Assoziationsabkommen geschlossen werden können. Den äußersten Kreis sollten Länder bilden, die in Form einer besonderen Partnerschaft an die EU gebunden sind. Der neue Vertrag für Europa sollte auch die räumlichen, finanziellen sowie kulturellen Grenzen Europas festschreiben. Weiters fordert das BZÖ die Durchführung von Volksabstimmungen über grundsätzliche Fragen der europäischen Integration. Auch dieser Antrag erhielt nicht die erforderliche Mehrheit, da er von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt wurde.  

 

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer lehnte die Idee eines Kerneuropa ab und meinte, notwendig seien alle Bemühungen, möglichst viele Staaten zusammenzuführen. Als Besorgnis erregend bezeichnete er jedoch die Entwicklung eines Europa a la carte, wie es im Bereich Schengen, des Euro und der Grundrechte-Charta der Fall sei. Als inakzeptabel hielt er es, wenn einige Staaten in Fragen mitreden und mitentscheiden wollen, wo sie selbst dann nicht dabei sind.  Der Zweite Präsident des Nationalrates, Michael Spindelegger (V), wies darauf hin, dass es bereits im heutigen Europa eine verstärkte Zusammenarbeit gibt, jedoch nicht in zentralen Bereichen. In zentralen Bereichen müssten alle an einem Strang ziehen.

 

Der Antrag der Grünen auf Ausschussfeststellung, die Bundesregierung möge auf europäischer Ebene eine politische Initiative zur Abhaltung einer europaweiten Volksbefragung über den Reformvertrag setzen, wurde von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt. Begründung dafür war, dass eine derartige Volksbefragung nur einen ersten Schritt darstellen könnte und daher keine Unterzeichnung des Vertrags möglich wäre.

 

Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) widersprach auch dem Bundeskanzler hinsichtlich der europäischen Migrationspolitik. Der Bundeskanzler hatte in seiner einleitenden Stellungnahme gemeint, die Schlussfolgerungen gewährleisteten eine gute Balance zwischen den Interessen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes. Es sei das Interesse Europas, Schlüsselkräfte zu holen, gleichzeitig aber auch den eigenen Arbeitsmarkt zu schützen. Ihm sei es wichtig gewesen, dass die Zuwanderung in der nationalen Kompetenz bleibt und jener Staat, der die Zuwanderung genehmigt, dafür auch die Verantwortung trägt. Eine unbeschränkte Zuwanderung könne es nicht geben, unterstrich der Bundeskanzler. Abgeordneter Bösch trat hingegen für eine restriktive Migrationspolitik ein. Er vermutete eine hohe illegale Flüchtlingsbewegung. Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) wiederum kritisierte das Eintreten von ÖVP-Politikern für die Blue Card als Option der legalen Einwanderung. Diese würde zu sehr in die innerstaatlichen Kompetenzen eingreifen, befürchtete sie. Daraufhin stellte Präsident Michael Spindelegger (V) klar, dass es keine EU-Zugangsquoten geben dürfe und der Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt den einzelnen Nationalstaaten überlassen bleiben müsse. Abgeordnete Elisabeth Hlavac (S) teilte diese Auffassung und begrüßte es, dass in Zusammenhang mit Migration auch von Integration gesprochen wird.

 

Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) kritisierte schließlich die Sprache der Dokumente. Dadurch werde auch deutlich, warum so viele BürgerInnen die EU nicht verstehen.

 

 

 

 

Sehr unterschiedlich fiel auch die Bewertung der Erweiterung des Schengenraums aus. Für den Bundeskanzler ist die Erweiterung ein Symbol für ein freies und offenes Europa. Die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen während der EURO 2008 seien keineswegs ein Argument gegen die Schengenerweiterung, sondern schlicht und einfach die Übernahme des erfolgreichen Sicherheitskonzepts von Deutschland, sagte er. Die Grenzkontrollen würden in dieser Zeit nicht nur gegenüber den neuen Mitgliedsländern, sondern auch gegenüber den alten gelten, betonte Gusenbauer.

 

Klubobmann Wolfgang Schüssel (V) wies auf die hohen Investitionen der betreffenden Staaten zur Sicherheit der EU-Außengrenzen hin und hielt aus seiner Sicht fest, Schengen bringe nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, für den Tourismus und die Wirtschaft zahlreiche Vorteile, sondern auch ein Mehr an Sicherheit. Ebenso positiv äußerten sich die Abgeordneten Elisabeth Grossmann (S) und Elisabeth Hlavac (S). Grossmann zeigte sich besorgt darüber, dass die Vision eines grenzenlosen Europas von der, durch manche Seiten geschürten, Angst überschattet wird. Im Gegensatz dazu verlangte Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) einen sofortigen Stopp der Schengenerweiterung. Diese sei ein übereilter Schritt, sagte er.

 

 

 

 

Kritische Töne, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, kamen seitens der Abgeordneten zum möglichen Beitritt der Türkei. Abgeordneter Josef Cap (S) meinte dazu, ein Mitglied Türkei würde eine Überforderung der EU darstellen. Damit sei auch die Grundsatzfrage, was die EU eigentlich sei, angesprochen. Ist die EU ein europäisches Modell oder ein euroasiatisches-mediterranes Modell? In letzterem Fall müsste man die Bevölkerung vor einer solchen Erweiterung befragen, bemerkte Cap. Grundsätzlich sollte man laut Cap über die zukünftige Organisationsstruktur des Mittelmeerraums in Bezug auf Europa nachdenken, so seine Auffassung.  Diese Gedanken über den Mittelmeerbereich wurden auch von Abgeordnetem Herbert Scheibner (B) geteilt.

 

Nachdem Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) und Abgeordneter Herbert Scheibner (B) einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen mit der Türkei verlangt hatten, reagierte Klubobmann Wolfgang Schüssel (V) mit dem Hinweis, die EU habe bereits bei acht Kapiteln die Stopptaste gedrückt. Auch der Entwurf für die Schlussfolgerungen des Rats enthalte kein Wort zu den Beitrittsperspektiven, sagte er. Die österreichische Position werde weiterhin auf eine Form der besonderen Partnerschaft drängen. Bundesministerin Ursula Plassnik meinte dazu ergänzend, im Laufe der beiden letzten Jahre sei mehr Realität eingekehrt und sie bestätigte die österreichische Präferenz für eine besondere Partnerschaft. Man werde abwarten, wie die Verhandlungen laufen, so Plassnik, vorher werde es aber auf alle Fälle eine Volksabstimmung geben, bekräftigte sie. Sie informierte die Abgeordneten, dass der Fortschrittsbericht über die Türkei auf zahlreiche Mängel hinweise.

 

Der Antrag auf Stellungnahme des BZÖ betreffend sofortiger Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt. Die Grünen waren die einzige Fraktion, die sich dezidiert für einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen haben. So vertrat Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) die Auffassung, diesen riesigen Wirtschaftsraum zu vernachlässigen, wäre fahrlässig. Er habe bei seinem Besuch in der Türkei einen ausgezeichneten Eindruck gewonnen.

 

 

 

 

Bundesministerin Plassnik thematisierte auch die Frage der Annäherung der Balkanstaaten und unterstrich, dass deren Zukunft in der EU liege. Dadurch dass mit den Staaten Verträge abgeschlossen worden sind, sei ein wichtiges politisches Etappenziel erreicht worden. Kroatien bezeichnete die Ministerin als Vorbild für die Region, was auch von Präsident Spindelegger (V) betont wurde. Er wies darauf hin, dass die Verhandlungen mit Kroatien außerordentlich gute Fortschritte machten und 16 von 33 Kapiteln bereits abgeschlossen seien. Klubobmann Wolfgang Schüssel (V) erachtete die Beitrittsperspektive für den ganzen Balkan, das heißt auch für Serbien und den Kosovo, als einen sehr wichtigen Beitrag zum Frieden in dieser Region.  

 

 

 

 

Einen großen Raum in der Diskussion nahm die Frage des Kosovo ein. Bundesministerin Ursula Plassnik bedauerte, dass keine Lösung gefunden werden konnte, sie unterstrich jedoch die Bereitschaft der EU, eine führende Rolle zu übernehmen. Auf Grundlage der UNO-Resolution Nr. 1244 kündigte sie auch die Bereitschaft Österreichs an, an einer internationalen Mission zum Aufbau einer rechtsstaatlichen Ordnung im Kosovo beizutragen.  Sie hob insbesondere die politische Verpflichtung zum Gewaltverzicht im Kosovo und in Serbien hervor.

 

Sowohl Bundeskanzler Alfred Gusenbauer als auch Bundesministerin Ursula Plassnik konnten zum Bericht von Matti Ahtisaari und Albert Rohan, der eine überwachte Unabhängigkeit vorsieht, keine Alternative erblicken. Man könne nicht länger warten, so der Bundeskanzler, und die derzeitige Situation sei nicht aufrecht zu erhalten. Der Kosovo sei das letzte ungelöste Problem des 20.Jahrhunderts am Balkan. Die ungeklärte Situation habe darüber hinaus einen ökonomischen Abstieg von einem ohnehin niedrigen Niveau nach sich gezogen.

 

Seitens der Abgeordneten wurde die uneinheitliche Linie der EU bedauert. Abgeordneter Josef Cap (S) forderte insbesondere eine präzise Argumentation für den Fall der Unabhängigkeitserklärung ein, insbesondere in Hinblick auf Minderheiten in anderen Staaten. Auch der Zweite Präsident des Nationalrates, Michael Spindelegger (V), plädierte für ein möglichst einheitliches Vorgehen der EU, warnte aber davor, angesichts der großen Sensibilität davor, derzeit große Erklärungen abzugeben. Momentan sei die Diplomatie gefragt, meinte er.

 

Dem gegenüber fehlte Abgeordneter Ulrike Lunacek (G) eine klare Positionierung Österreichs. Auch gebe es keinen Schutz der anderen Minderheiten im Kosovo. Die Schlussfolgerungen gingen auch nicht auf die möglichen Auswirkungen einer Unabhängigkeitserklärung, auf die Nachbarschaft des Kosovo ein. Diese würde sicherlich nicht zur Stabilität in der Region beitragen, so Lunacek. Sie hielt auch die Resolution Nr. 1244 für ein weiteres Mandat nicht ausreichend und trat für ein neues Mandat ein. Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) urgierte ein Wirtschaftskonzept der EU, da die extrem schlechte wirtschaftliche Lage ein enormes Sicherheitsrisiko mit sich bringe, was sich durch eine eventuelle Unabhängigkeitserklärung verschärfen werde. Das BIP pro Kopf im Kosovo betrage 1/34 von Österreich. Das sei das Niveau der ärmsten afrikanischen Länder, fügte Van der Bellen hinzu.

 

Dazu erklärte der Bundeskanzler, die Resolution sei deshalb ausreichend, weil in ihr keine Bindung an eine Statuserklärung und auch keine Frist enthalten seien. Er war sich in dieser Einschätzung mit Bundesministerin Plassnik einig. Die Resolution gewähre ein weitreichendes Mandat, sagte Gusenbauer und gab zu bedenken, dass eine neue Resolution mehr Probleme bringen würde. Der Kosovo sei ein europäisches Problem und ohne EU sei der Kosovo ökonomisch nicht lebensfähig. Die EU müsse daher die sicherheitspolitische und ökonomische Verantwortung wahrnehmen. Gusenbauer stellte auch fest, der Versuch einer nochmaligen Verhandlung sei nicht nutzlos gewesen, da es in bestimmten Fragen zu guten Fortschritten und vernünftigen Kooperationen mit Serbien gekommen sei. Hinsichtlich der Linie der EU zeigte sich Gusenbauer vorsichtig zuversichtlich. Die Vorarbeiten gingen in Richtung eines Weges, der von einer großen Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten getragen werde. In der EU habe sich die Geschlossenheit verdichtet, so die Formulierung der Außenministerin.

 

Der Zweite Präsident des Nationalrates, Michael Spindelegger (V), gab zu bedenken, dass der Erwartungsdruck nach den Wahlergebnissen in Richtung einseitiger Unabhängigkeitserklärung steige, was die Situation gefährlich mache. Vom UNO-Sicherheitsrat, der zu dieser Frage in Kürze tage, sei auch keine Positionierung zu erwarten. Der Beitrag Österreichs in diesem Zusammenhang sei jedoch nicht gering zu schätzen. Spindelegger erinnerte an das Wiener Büro Ahtisaaris, an dessen österreichischen Stellvertreter Rohan und daran, dass ein Großteil der Verhandlungen in Österreich stattgefunden hat. Von Österreich seien auch sehr viele Initiativen ausgegangen, sagte Spindelegger.

 

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) kritisierte, die internationale Gemeinschaft habe Erwartungen geweckt, die von vornherein nicht erfüllbar gewesen sind. Das Ganze sei ein Etikettenschwindel gewesen, und eine einseitige Unabhängigkeitserklärung werde die Sicherheitslage in Bosnien und am Balkan extrem gefährden. Der Bundeskanzler meinte dazu, den Kosovo könne man nicht als einen Präzedenzfall für andere Konfliktherde heranziehen, da es dort in der Vergangenheit ethnische Säuberungswellen gegeben habe. Die EU müsse alle Maßnahmen setzen, dass es nicht zu einer Instabilität in der gesamten Region komme. Ähnlich die Formulierung des Abgeordneten Herbert Scheibner (B), der meinte, man habe viel zu lange mit Utopien gearbeitet und damit für Unsicherheit gesorgt. Wie Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) kritisierte Scheibner die Außenministerin, ihre Aussagen zum Kosovo seien zu unpräzise.

 

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) brachte zu dem Thema einen Antrag auf Stellungnahme ein, der den Bundeskanzler und die Außenministerin auffordert, sich für eine einheitliche Linie der EU-Mitgliedsstaaten einzusetzen, die klar die Unterstützung der Europäischen Union für die völkerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovo zum Ausdruck bringt. Dieser Antrag wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt.

 

 

 

 

Auch der Tschad-Einsatz wurde abermals von den Abgeordneten thematisiert. Vor allem seitens des BZÖ vermisste Abgeordneter Herbert Scheibner (B) klare und rasche logistische Entscheidungen im Rahmen der Europäischen Sicherheitspolitik. Dies sehe man insbesondere beim geplanten Einsatz im Tschad, der in Folge eklatanter Koordinierungsdefizite auf europäischer Ebene verschoben werden musste. In einem Antrag auf Stellungnahme fordert das BZÖ daher den Bundeskanzler sowie die Bundesministerin für Europäische und Internationale Angelegenheit auf, sich beim kommenden Rat für klare und rasche logistische Entscheidungen im Sinne einer effizienten Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einzusetzen, die geeignet ist, die Sicherheit der Soldaten zu gewährleisten. Auch dieser Antrag wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit.

 

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) äußerte nochmals große Zweifel an der Neutralität des Einsatzes indem sie auf die Rolle Frankreichs hinwies. Demgegenüber kritisierte Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) aus seiner Sicht die von der Opposition geführte Kampagne gegen den Einsatz und betonte, dass dieser von Irland geleitet werde und nicht von Frankreich. Mit großem Nachdruck wies er auf die humanitäre Komponente der Mission hin, die deshalb mehr als gerechtfertigt sei.

 

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wies die, wie er sagte, Polemik, es handle sich um einen postkolonialen Einsatz Frankreichs, als haltlos zurück. An der Mission beteiligten sich sämtliche allianzfreien und neutralen EU-Staaten und die afrikanischen Anrainerstaaten hätten den Einsatz ausdrücklich begrüßt. Die Mission sei aus humanitären Gründen dringend geboten, sagte er.

 

Bundesministerin Ursula Plassnik stellte in diesem Zusammenhang klar, dass das in Medien von ihr kolportierte Zitat, wonach die militärische Lage nicht einschätzbar sei, falsch sei. Der Einsatz werde gut vorbereitet und man tue alles, um die Sicherheit der Soldaten zu gewährleisten.

 

 

 

 

Im Rahmen der Diskussion wurde auch der EU-Afrikagipfel angesprochen. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) bezeichnete die Formulierungen der Schlussfolgerungen in Bezug auf die gescheiterten Partnerschaftsabkommen als blauäugig. Dazu erläuterte der Bundeskanzler, es sei nun wichtig, Interimsabkommen abzuschließen, da die Verträge nun ausliefen, was für viele Staaten Probleme mit sich bringe. Österreichs Haltung sei aber eine flexible, betonte er und aus der Sicht der Bundesregierung könne man sich durchaus vorstellen, bei der endgültigen Ausgestaltung der Verträge in höherem Ausmaß die Wünsche der afrikanischen Staaten zu berücksichtigen.

 

 

 

 

Angesprochen von Abgeordnetem Alexander Van der Bellen (G) auf die Klimapolitik und die derzeitigen Verhandlungen in Bali bat Bundeskanzler Gusenbauer anzuerkennen, dass in den Schlussfolgerungen die Nuklearenergie nicht als erneuerbare Energie definiert wird. Was den Klimaschutz betrifft, so brauche man in Europa neue Instrumente und eine Kohärenz der politischen Linien. Die Wegekostenlinie sei nicht ausreichend. In Bali gehe es um ein Post-Kyoto-Regime und quantifizierbare Reduktionen. Europa müsse selbst einen relevanten Beitrag leisten. Notwendig sei aber die Integration mehrerer Staaten als bisher in ein globales Abkommen, da der Anteil Europas am CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren nur mehr 10 % betragen werde. Bali sei aber nur der Verhandlungsbeginn und seiner Meinung nach würde es bereits einen Erfolg darstellen, wenn sich mehr Staaten entschließen könnten, an einem solchen Verhandlungsprozess teilzunehmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Ausschussfeststellung wurde von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

der Abgeordneten Ulrike Lunacek, Alexander Van der Bellen, Eva Glawischnig

 

Eingebracht im Zuge des EU-Hauptausschusses am 12. Dezember 2007 zur Vorbereitung des Europäischen Rates am 13. und 14. März 2007

 

 

 

Ausschussfeststellung betreffend  Europäischer Rat am 13./14. Dezember 2007- Entwurf der erläuterten Tagesordnung  (24853/EU XXIII.GP)

 

Am 11.Mai 2005 wurde der Vertrag über eine Verfassung für Europa, die sogenannte „EU-Verfassung“, im Nationalrat mit überwältigender Mehrheit ratifiziert. Quer durch alle Fraktionen wurden die objektiven Verbesserungen gegenüber der bisherigen Rechtslage anerkannt. Nur eine Abgeordnete der FPÖ stimmte damals dagegen.

 

Am selben Tag fand ein Entschließungsantrag (258/UEA XXII.GP) von Abgeordneten der ÖVP und der FPÖ bezüglich einer europaweiten Volksabstimmung breite Zustimmung im Plenum:

„Die Bundesregierung wird ersucht, weiterhin und verstärkt für die Abhaltung EU-weiter Volksabstimmungen über künftige Änderungen des Vertragswerks der Europäischen Union (Europäische Verfassung), die die Grundprinzipen der nationalen Verfassungen betreffen, sowie für die generelle europarechtliche Verankerung der Möglichkeit europaweiter Volksabstimmungen über Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für Europa einzutreten.“

 

Nach nunmehr zweieinhalb Jahren und dem Scheitern des europäischen Verfassungsvertrages, soll am 13. Dezember der neue Reformvertrag in Lissabon offiziell unterzeichnet werden und bedarf danach in allen 27 Mitgliedsländern einer Ratifizierung, um wie geplant rechtzeitig vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 in Kraft treten zu können. Die Lähmung, welche die EU nach den beiden gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden erfasste,  veranschaulichte drastisch wie das Nein von nur zwei Ländern, selbst wenn ein Großteil der Mitgliedsstaaten die Verfassung ratifiziert hat, die Entwicklung Europas auf Eis legen kann.

 

Daraus ergibt sich in logischer Konsequenz, dass Veränderungen im Vertragssystem der Europäischen Union oder auch andere zentrale Fragen europäischer Politik einem gesamteuropäischen Souverän vorgelegt werden sollten.

 

Dies fordern die Grünen bereits seit Jahren. Doch obwohl, wie die vorher zitierten Passagen verdeutlichen, sowohl von allen Parteien immer wieder Zustimmung signalisiert wurde und etwa auch von Seiten des Bundespräsidenten Fischer Anregungen für EU-weite Referenden zu vernehmen war (siehe Die Presse (Wien), 25.10.2005: Fischer  regt EU-weite Referenden an), bleiben ambitionierte Initiativen der Regierung aus. Es ist mittlerweile klar, dass die Abhaltung von  EU-weiten Referenden aus verfassungsrechtlichen Gründen (einige EU-Staaten müssten erst ihre Verfassungen dafür ändern) im genannten Zeitraum unrealistisch ist. Eine Alternative dazu ist die Abhaltung einer europaweiten Volksbefragung.

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird ersucht, auf europäischer Ebene eine politische Initiative zur Abhaltung einer europaweiten Volksbefragung über den Reformvertrag zu setzen.

 

 

Der Hauptausschuss beschließt weiters im Sinne des § 39 GOG, dass diese Ausschussfeststellung der Auszugsweisen Darstellung der Verhandlungen beigefügt und als Kommuniqué veröffentlicht wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

der Abgeordneten Dr. Bösch, Dr. Graf und Dr. Fichtenbauer

 

betreffend Verhalten der Mitglieder der österreichischen Bundesregierung

am Europäischen Rat am 13. und 14. Dezember 2007 bzgl.

eines „Vertrag zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft“

 

 

 

Vor dem Europäischen Rat am 13. und 14. Dezember 2007 soll der „Vertrag zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft“, kurz „EU-Reformvertrag“ oder „Vertrag von Lissabon“ genannt, von den Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden. Neben vielen inhaltlichen Bedenken sollte die Ratifizierung dieses „EU-Reformvertrags“ in der Republik Österreich zwingend in Form einer Volksabstimmung geschehen.

 

Denn laut dem renommierten Verfassungsexperten Prof. Karl Albrecht Schachtschneider würden durch ein Inkrafttreten des „EU-Reformvertrags“ grundlegende Bausteine unserer Bundes-Verfassung geändert: So etwa durch das „Vereinfachte Änderungsverfahren“ nach Art. 33. Abs. 6 EUV, durch eine Generalermächtigung zu Mittelbeschaffung nach Art. 269 Abs. 1 VAU, durch die „Flexibilitätsklausel“ des Art. 308 Abs. 1 VAU, durch den Vorrang des Unionsrechts aufgrund einer Erklärung der Regierungskonferenz und nicht zuletzt durch die De-Facto-Abschaffung der „immerwährenden Neutralität“ Österreichs.

 

 

 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung werden aufgefordert, den Vertrag zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft  am 13. Dezember 2007 in Lissabon nicht zu unterzeichnen.“

 

Wien, am 12. Dezember 2007

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist nicht durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

des Abgeordneten Scheibner

 

betreffend Neuverhandlung eines Vertrages für Europa sowie generelle Verpflichtung der Durchführung von Volksabstimmungen über grundsätzliche Fragen der Europäischen Integration

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 12.12.2007

 

 

 

Mit dem Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden war es offensichtlich, dass der am 17. und 18. Juni 2004 politisch akkordierte und am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichnete Vertrag über eine Verfassung für Europa keine Chance auf Inkrafttreten haben würde. Die Ablehnung des Europäischen Verfassungsvertrages hat gezeigt, wie groß die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Politik dieser Europäischen Union ist.

 

Die Europäische Union ist für viele Bürger kompliziert, undurchschaubar und zu zentralistisch. Die, nicht nur räumliche, Distanz zwischen den Bürgern und dem Entscheidungszentrum ist offenkundig. Mehr Bürgernähe, erhöhte Transparenz, gelebte Subsidiarität sowie Schritte gegen das bestehende Demokratiedefizit sind ein Gebot der Stunde.

 

Trotz dieses negativen Stimmungsbefundes der europäischen Bevölkerung streut man nun seitens der Europäischen Union seinen Bürgern Sand in die Augen und legt ihnen neuerlich einen sich nur marginal vom ursprünglichen Verfassungsentwurf unterscheidenden „EU-Reformvertrag“ vor. Ein Kommentar einer spanischen Tageszeitung auf den im Juni 2007 beim Europäischen Rat erzielten Kompromiss, wonach „das Übereinkommen (Anm. Reformvertrag) es der EU erlaubt einigermaßen weiter zu wurschteln“, stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass dieser Reformvertrag nicht geeignet ist, die wirklichen Probleme und Defizite der Europäischen Union zu lösen. „Europa ist das Herz verloren gegangen, es sind Rückschritte gemacht worden“, ist das wenig ermutigende Resümee des italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi gegenüber der Tageszeitung La Repubblica.

 

Offensichtlich und vordergründig die Zielsetzung dieses Werkes:

Um in einem neuerlichen Ratifizierungsverfahren in den Mitgliedstaaten allfällige Referenden mit unlieben Ergebnissen hintanzuhalten, „haben sich die Regierungen der EU-Staaten auf kosmetische Änderungen der Verfassung geeinigt, um sie leichter verdaubar zu machen – sprich um Referenden zu vermeiden.“ (Giscard d` Estaing am 17. Juli 2007 Pressedienst des EP) . Zugleich warnt der ehemalige französische Präsident in diesem Zusammenhang davor, „die Bürgerinnen und Bürger mit einer Mogelpackung für dumm zu verkaufen.“

 

In dieselbe Kerbe schlägt angesichts des vorliegenden Reformvertrages der ehemalige italienische Premierminister Giuliano Amato, wenn er ironisch feststellt: „Wenn bei der Regierungskonferenz auch so ein Dokument herauskommt, kann jeder Regierungschef zu seinem Parlament sagen: Seht her, das ist absolut unlesbar, ein typischer Brüsseler Vertrag, nichts Neues, kein Referendum notwendig.“ (EU-Observer 16. Juli 2007)

 

Im Vordergrund europäischer Politik stehen derzeit somit die Aufgaben einer Krisenfeuerwehr, die durch Korrekturen, die bestenfalls den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Mitgliedstaaten darstellen, versucht, die eine Krise vor dem Aufkeimen der nächsten zu beenden.

 

Eine ernsthafte Debatte über die Zukunft der EU ist daher dringend notwendig. Dabei steht immer wieder die Option eines „Kerneuropas“ in Diskussion, wie unter anderem vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Prodi angedacht. Bestätigt wird diese Sicht der Dinge, wenn im Il Messaggero nach dem Kompromiss über einen EU-Reformvertrag zu lesen war, dass „eine EU der zwei Geschwindigkeiten unvermeidlich wäre.“

 

Nicht zuletzt bestätigte der luxemburgische Regierungschef Juncker die Richtigkeit unseres Weges, der am 6. November 2007 unter Anspielung auf das einseitige Ausscheren Großbritanniens aus einzelnen Politiken der Europäischen Union, unmissverständlich erklärt, dass es um einen Kern von EU-Ländern herum Umlaufbahnen geben sollte, auf denen Länder Platz nehmen können sollten, die nicht alle Politiken voll mitgestalten wollten. „Gehe man einen solchen Entwicklungsweg nicht, werde es in der EU irgendwann einen Crash geben,“ stellt er sogar die Zukunft dieser Europäischen Union im Falle der Fortsetzung des derzeitigen Kurses der kleinen Korrekturen in Frage.

 

Die Weiterentwicklung Europas muss von einem Ausbau von Demokratie und Bürgerrechten geprägt sein. Mehr Gemeinsamkeit in Europa darf niemals weniger Freiheit für seine Bürger bedeuten. Regelungsdichte und Bürokratie sind abzubauen, anstatt sie auf supranationale europäische Ebenen zu verlagern. Im Sinne der Verwirklichung und Umsetzung dieser Ideen ist es erforderlich, den bestehenden Rechtsbestand sowie die Strukturen und Mechanismen der Union auch generell zu überdenken und neue Formen der Integration zu entwickeln. Kosmetische Änderungen können diesen Anforderungen nicht gerecht werden.

 

 

 

Im Sinne eines Europas für und nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger sowie im Interesse des Friedensprojektes Europa stellt der unterfertigte Abgeordnete daher nachstehenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

 

„Der Bundeskanzler sowie die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten werden aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene, beim Europäischen Rat, den Europäischen Räten sowie den entsprechenden Fachministerräten für die Umsetzung nachstehender Maßnahmen im Interesse eines auf Frieden und Wohlstand abzielenden Europas der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen:

 

 

 

Weiters werden der Bundeskanzler sowie die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich auf Europäischer Ebene bei den Europäischen Räten sowie den entsprechenden Fachministerräten einzusetzen für:

 

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

 

 

Wien, am 12. Dezember 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP, Grünen und FPÖ abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

des Abgeordneten Scheibner

 

betreffend die Notwendigkeit einer einheitlichen Positionierung der Europäischen Union im Sinne der Unterstützung der Unabhängigkeit des Kosovo

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 12.12.2007

 

 

 

Nach dem endgültigen Scheitern einer Lösung des Kosovokonflikts am Verhandlungstisch und den Beteuerungen der kosovarischen Führung, eine Unabhängigkeitserklärung nicht mehr lange aufschieben zu wollen, ist Gefahr in Verzug, und eine einheitliche Sprache der Europäischen Union in dieser Frage dringlicher denn je. „Der Kosovo wird nicht mehr sehr lange warten, weil er acht Jahre auf die Klarstellung seines Status gewartet habe,“ so ein Sprecher in Pristina am 10.12.2007. Angesichts des in der Frage des Kosovo ergebnislos beendeten Rates Allgemeine Angelegenheiten vom Montag dieser Woche liegt es nun am Europäischen Gipfel, hier doch noch eine gemeinsame Linie im Interesse des Kosovo bzw. der gesamten Region zu finden. Denn „das lange Zögern hat leider die Gefahr verstärkt, dass Serbien im schlimmsten Fall Gewalt und Unruhe schürt sowie sich mit großer Wahrscheinlichkeit in die eigenen nationalistischen Illusionen verbeißt.“ so die dänische Tageszeitung „Politiken“ vom 11.12.2007.

Eine rasche und einheitliche Unterstützung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die Europäische Union bzw. die internationale Staatengemeinschaft kann geeignet sein, die explosive Situation im Kosovo zu entschärfen.

 

 

Aus diesen Gründen stellt der unterfertigte Abgeordnete nachstehenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

„Der Bundeskanzler sowie die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten werden aufgefordert, sich beim Europäischen Rat am 14. Dezember 2007 für eine einheitliche Linie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzusetzen, die klar die Unterstützung der Europäischen Union für die völkerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovo zum Ausdruck bringt.“

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

Wien, am 12. Dezember 2007

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP, Grünen und FPÖ abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

 

 

des Abgeordneten Scheibner

 

 

betreffend die Notwendigkeit klarer und rascher logistischer Entscheidungen im Sinne einer effizienten Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 12.12.2007

 

 

 

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 1778 vom 25. September 2007 eine so genannte multidimensionale Präsenz im Osten des Tschad und im Nordosten der zentralafrikanischen Republik autorisiert. Der in der Region Darfur seit vielen Jahren andauernde Konflikt zwischen unterschiedlichen Rebellenorganisationen und der Regierung im Tschad unter Führung von Präsident Idris Déby, hat bisher ca. 250.000 Menschenleben gefordert und mehr als 2,5 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht, von denen viele in Flüchtlingslagern im Osten des Tschad leben und neben permanenter Unterversorgung immer wieder Aggressionen und Einschüchterungsversuchen von Rebellengruppen ausgesetzt sind. Am 15. Oktober dieses Jahres hat schließlich der Rat der EU die Durchführung der EU-Überbrückungsmission EUFOR TCHAD/RCA mit bis zu 4000 Soldaten beschlossen. Mittlerweile ist bekannt, dass sich die Anzahl der Soldaten bei ca. 3000 einpendeln wird. Davon sollen neben den bis zu 240 Soldaten aus Österreich 350 bis 400 aus Irland, 200 aus Schweden, bis zu 400 aus Polen, ca. 50 aus Finnland, bis zu 150 aus Belgien und schließlich bis zu 1.500 aus Frankreich kommen.

 

Der Auftrag von EUFOR TCHAD/RCA umfasst hauptsächlich den Schutz von Zivilpersonen, insbesondere von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, die Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage im Operationsgebiet, um humanitäre Hilfsleistungen zu erleichtern, den Schutz von Personal, Einrichtungen und Ausrüstung und die Gewährleistung der Bewegungsfreiheit von Personal der Vereinten Nationen.

 

Wie jüngst bekannt wurde scheitert ein Einsatz derzeit jedoch an den mangelnden logistischen Voraussetzungen infolge eines eklatanten Koordinierungsdefizits auf Europäischer Ebene. Nach wie vor fehlen beispielsweise Hubschrauber sowie ein Feldlazarett.

 

 

 

 

 

Im Sinne der Gewährleistung der maximalen Sicherheit der Soldaten in diesem Einsatz sowie bei künftigen Einsätzen im allgemeinen stellt der unterfertigte Abgeordnete nachstehenden

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

 

 

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

 

„Der Bundeskanzler sowie die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten werden aufgefordert, beim Europäischen Rat am 13. und 14. Dezember 2007 für klare und rasche logistische Entscheidungen im Sinne einer effizienten Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die geeignet ist die Sicherheit der Soldaten zu gewährleisten, einzutreten.“

 

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist nicht durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. nicht auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

 

 

 

 

Wien, am 12. Dezember 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

i. Vm § 31 d GOG-NR

 

 

des Abgeordneten Scheibner

 

betreffend sofortigen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 12.12.2007

 

 

 

Wie bereits der mit 6. Oktober 2004 vorgelegte Bericht der Europäischen Kommission deutlich machte, konnte und kann die Türkei die Erfüllung der dafür erforderlichen Kriterien nicht erreichen. Umso unverständlicher war daher die Empfehlung der Europäischen Kommission, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufzunehmen.

 

Dennoch wurde auf Basis des Fortschrittsberichts, der Beurteilung sowie der Empfehlung der Kommission von den Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat unter niederländischem Vorsitz anlässlich des Dezembergipfels 2004 beschlossen, mit der Türkei am 3. Oktober 2005 Beitrittsverhandlungen zu beginnen.

 

Diese wurden jedoch vor einem Jahr aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Türkei zum Einlenken in der Zypernfrage und damit zur vollständigen Umsetzung des Zollabkommens durch die Nichteröffnung einzelner Verhandlungskapitel bis zur Klärung der Zypernfrage „verlangsamt“.

 

Nunmehr ist die Eröffnung von zwei weiteren Verhandlungskapiteln geplant. Die Verhandlung dieser Kapitel soll jedoch – nicht zuletzt aufgrund des Widerstandes des französischen Präsidenten Sarkozy – nicht mehr im Rahmen einer Beitrittskonferenz sondern nur mehr in Form einer Regierungskonferenz stattfinden.

 

 

Die Zeit der Empfehlungen und Androhungen gegenüber der Türkei bzw. die mangelnde Bereitschaft, der Türkei reinen Wein einzuschenken, dass aus Sicht der Europäischen Union eine Vollmitgliedschaft nicht denkbar ist, muss nun endlich vorbei sein. Daher sind die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei umgehend abzubrechen.

 

Abgesehen von weiterhin bestehenden Defiziten unter anderem im Bereich der Minderheitsrechte, im Bereich der Rechte von Kindern und Frauen, fehlende politische Reformen sowie Probleme der Korruption, (siehe Fortschrittsbericht vom November 2007) hat ein Land, das ein Mitglied der Europäischen Union nicht anerkennen will, als Vollmitglied in dieser Staatengemeinschaft keinen Platz.

 

 

 

 

Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen bestätigt sich einmal mehr die Richtigkeit jenes in der Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrates am 15.12.2004 eingebrachten Antrages, mit dem die ablehnende Haltung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und damit zu einem Beitritt der Türkei zur EU klar zum Ausdruck gebracht wurde. Als Alternative zu einem Vollbeitritt wurde weiters verlangt, dass die Europäische Union in Verhandlungen mit der Türkei mit der Zielrichtung einer primärrechtlich verankerten verstärkten Zusammenarbeit in Form einer Partnerschaft für Europa eintreten sollte. Dieser Antrag wurde jedoch von allen anderen im Hauptausschuss vertretenen Parteien abgelehnt.

 

 

 

Aus diesen Gründen stellt der unterfertigte Abgeordnete nachstehenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

i. Vm § 31 d GOG-NR

 

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

„Der Bundeskanzler sowie die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten werden ersucht, sich beim Europäischen Rat für ein Ende der Verhandlungen mit der Türkei mit dem Ziel eines Vollbeitritts zur Europäischen Union einzusetzen und stattdessen für Verhandlungen mit der Zielrichtung einer primärrechtlich verankerten verstärkten Zusammenarbeit in Form einer Partnerschaft für Europa einzutreten.“

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist nicht durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. nicht auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

 

 

 

Wien, am 12. Dezember 2007