1/J XXIII. GP
Eingelangt am 30.10.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Dringliche Anfrage
gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR
der Abgeordneten Dr. Cap
und GenossInnen
an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend Ausstieg aus dem Eurofightervertrag
Eine gültige Entschließung des Bundesrates (E-218-BR/2006)
vom
20.
September 2006 fordert den sofortigen Stopp der Beschaffung von
Eurofighter
Kampfflugzeugen und Offenlegung der Verträge.
Die vorangegangenen Erhebungen des Bundesrates im Zeitraum April bis
September
2006 brachten folgendes Ergebnis:
Die Zweifel an der Korrektheit und
Sachgemäßheit des Beschaffungsvorganges
des
Eurofighter sind keinesfalls entkräftet; vielmehr hat sich diese Frage auf
die
klar zum Ausdruck gekommene Einflussnahme des Bundesministers für
Finanzen
im Zeitraum zwischen 25. Juni 2002 und 2. Juli 2002 zugespitzt. Die
enorme
Belastung des Gesamtbudgets der Republik Österreich und des
Budgets
des Bundesministeriums für Landesverteidigung, dem in
zunehmenden
Ausmaß Mittel für die Erfüllung anderer vorrangiger
Beschaffungen
und für die Aufrechterhaltung eines umfassenden
Dienstbetriebes
fehlen, wurde klar unterstrichen. Es wurde aufgezeigt, dass
der
zwar unbestätigte, aber offenkundig den Tatsachen entsprechende
veröffentlichte
Teil des Vertragswerkes zwischen der Republik Österreich und
der
Eurofighter Jagdflugzeug GmbH/EADS eine bedenkliche Benachteiligung
des
Vertragspartners Republik Österreich mit sich bringt und vermuten
lässt,
dass
in den unveröffentlichten kommerziellen Teilen weitere den Interessen der
Republik
zuwiderlaufende Vertragsklauseln enthalten sind.
Der Österreichische Rechnungshof hat in seinem Wahrnehmungsbericht
hinsichtlich
der Luftraumüberwachungsflugzeuge (Kaufverträge, Finan-
zierung,
Gegengeschäftsvertrag) festgestellt, dass
•
die Luftraumüberwachung
für die
nächsten 30 Jahre
nur
eingeschränkt
möglich ist;
•
neben den Finanzierungskosten von 2,167 Milliarden Euro weitere 463
Mio
Euro für Nebenbeschaffungskosten erforderlich sind;
•
die offiziell veranschlagten jährlichen Betriebskosten von 50 Mio
Euro
nicht
realistisch und darin nicht alle Kostenbestandteile enthalten
sind;
•
enorme Mängel bei der Vertragsgestaltung vorhanden sind, darunter
auch
ein so genannter „Einredeverzicht", der bei Leistungsmängeln
keine
Einstellung der Ratenzahlung ermöglicht;
•
die Anzahl der militärischen Anforderungen, wie etwa Ziele in
der
Nacht
erkennen zu können oder
Selbstschutz-Systeme, jährliche
Flugstunden,
Pilotenausrüstungen und Betriebsstandorte,
erheblich
reduziert
wurde und Träger für
Aufklärungseinrichtungen sowie
Zusatztanks im Gegensatz zur Angebotseinholung im Kaufvertrag nicht
mehr
vorgesehen waren.
Nicht zuletzt angesichts der wesentlichen Abänderungen im
kommerziellen
Bereich
erachtet der Rechnungshof die Vorgangsweise des BMLV als mit
hohem
Risiko behaftet.
Ebenso wiesen die Erkenntnisse des Rechnungshofes hinsichtlich des
Vergabeverfahrens
zur Beschaffung von 24 Kampfflugzeugen erhebliche
Mängel
nach:
• Musskriterien wurden in Sollkriterien
ohne nachvollziehbare Begründung
umgewandelt;
•
neue Entscheidungskriterien wurden ohne nachvollziehbare Dokumentation
in
das bereits laufende Vergabeverfahren einbezogen;
•
die Kostendarstellung im
Zuge des Ministerratsvortrages
zur Typen-
entscheidung
wurde unrichtig wiedergegeben;
•
Akten hinsichtlich eines anders lautenden Ministerratsvortrages, die
einen
anderen
Bieter begünstigten, waren im Zuge der Rechnungshofprüfung
nicht
auffindbar;
•
die Beurteilung der Gegengeschäfte erschien als nicht
nachvollziehbar,
ebenso
eine entsprechende Kommunikation zwischen dem BMLV und dem
BMWA;
•
es erfolgte keine Überprüfung der tatsächlichen
Leistungsfähigkeit des
angebotenen
Kampfflugzeuges des Typs Eurofighter.
Aus der Rechnungshofkritik ergibt sich klar, dass die
Regierung trotz Kenntnis
eines
wesentlich höheren Preises am 2. Juli 2002 und am 1. Juli 2003
Ministerratsentscheidungen
auf Basis von falschen bzw. geschönten
Preiskalkulationen
herbeigeführt hat. Ebenso haben sich die Ankündigungen
von
Bundeskanzler Schüssel hinsichtlich der Finanzierung der Abfangjäger
über
eine Wirtschaftsplattform als nicht haltbar herausgestellt.
Eine große Mehrheit der Österreicherinnen und
Österreicher steht der
Eurofighterbeschaffung
höchst skeptisch gegenüber, bezweifelt die Sinnhaftigkeit
dieser
teuren Anschaffung und erwartet von der neuen Bundesregierung einen
kostengünstigen
Ausstieg aus diesem Vertragsverhältnis. Die bekannt gewordenen
Teile
der Vertragskonstruktion lassen den Schluss zu, dass ein Rücktritt der
Republik
von diesem Vertrag durch die Vertragskonstruktion möglichst erschwert
wurde.
Grundsätzliche kaufmännische Überlegungen wurden seitens der
Republik
außer Acht gelassen - die Vorteile
des Verkäufers überwiegen.
Aus
diesem Grund stellen die
unterzeichneten Abgeordneten
an den
Bundesminister
für Landesverteidigung folgende
Anfrage:
1.
Durch welche Person bzw. durch welche Personengruppe wurde seitens
der
Republik Österreich der Eurofighterkaufvertrag vereinbart und
formuliert,
geordnet nach Namen und Dienststelle bzw. Unternehmen?
2.
Welche Möglichkeiten
der Vertragsauflösung
wurden mit der
Eurofighter
Jagdflugzeug GmbH vertraglich vereinbart und welche
Kosten
ziehen diese
vertraglich
vereinbarten, einseitigen
Auflösungsmöglichkeiten
nach sich?
3.
Ist es richtig, dass mit Stichtag 1. November 2006, also
übermorgen,
bei
Vertragsausstieg 45 Prozent des Gesamtkaufpreises durch
die
Republik
an den Verkäufer zu bezahlen sind und wenn ja, durch
welche
Person bzw. welches
Personengremium wurde diese
Vertragsbestimmung
mit dem Verkäufer verhandelt und vereinbart?
4.
Ist es richtig, dass die Republik nicht Eigentümer der Software des
angekauften
Waffensystems wird und
aus diesem Grund ein
Weiterverkauf
der Kampfflugzeuge nahezu unmöglich ist und wenn ja,
von
welcher Person bzw. von welchem Personengremium wurde diese
Vertragsbestimmung
mit dem Verkäufer verhandelt und vereinbart?
5.
Ist es richtig, dass
bedingt durch einen vertraglich
vereinbarten
Einredeverzicht
die Republik unabhängig
von der mangelfreien
Leistung
von 18 Kampfflugzeugen zur Ratenzahlung verpflichtet ist
und diese Ratenzahlung um zusätzliche Zinskosten von 230.000 Euro
bis
2007 aufgeschoben wurde und wenn ja, von welcher Person bzw.
von
welchem Personengremium wurde diese Vertragsbestimmung mit
dem
Verkäufer verhandelt und vereinbart?
6.
Wurden durch Sie bzw. Ihr Ressort Ausstiegsmöglichkeiten aus dem
Eurofighterkaufvertrag
aufgrund der zahlreichen
Vorfälle seit
Vertragsabschluss
geprüft und wenn ja, was waren die Ergebnisse
dieser
Prüfung?
7.
Wurden durch Sie bzw. Ihr Ressort Ausstiegsmöglichkeiten aus dem
Kaufvertrag
mit dem Verkäufer
bzw. Subauftragnehmern des
Verkäufers
erörtert und wenn ja, was waren die Ergebnisse dieser
Besprechungen?
8.
Welche Personen hatten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses exakte
Kenntnis
über den Inhalt des Vertrages?
9.
Waren
sämtliche
Regierungsmitglieder
im Zeitpunkt des
Ministerratsbeschlusses
über die Vertragsinhalte hinsichtlich eines
Ausstieges
durch die Republik
Österreich und den
daraus
resultierenden Kosten informiert und wenn nein, warum nicht?
In formeller
Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2
GOG
dringlich zu behandeln.