1091/J XXIII. GP

Eingelangt am 26.06.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Graf und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften

Das Verbotsgesetz 1947 (Verfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP) sorgt re­gelmäßig für Diskussionen im Inland aber auch für Verwunderung im Ausland, steht dieses Gesetz doch in einem Spannungsverhältnis zu dem herrschenden Grund­rechtskatalog, insbesondere zu den Grundrechten der Kommunikationsfreiheit und der persönlichen Freiheit.

Vor allem die §§ 3g und 3h bilden immer wieder die Grundlage für politische Prozes­se. Die letzten prominenten Fälle, welche wegen ausgesprochener Worte strafrecht­lich belangt wurden, waren jene des ehemaligen Bundesrats John Gudenus und des britischen Historikers David Irving. Aktuell ist ein Fall in der öffentlichen Diskussion, in dem drei junge Männer in Oberösterreich strafrechtlich wegen ihrer politischen Über­zeugung belangt werden.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die EMRK, wie auch das Staatsgrundge­setz (StGG) sowohl die individuelle Meinungsfreiheit ( jeder Mensch hat das unveräßerliche Recht sich durch den Austausch von Meinungen und Informationen geistig und sozial zu verwirklichen".) als auch die Informationsfreiheit {jeder Mensch hat das Recht Nach­richten und Ideen ohne Eingriffe staatlicher Behörden empfangen zu dürfen.") schützen überrascht es nicht, dass das Verbotsgesetz auch in der rechtswissenschaftlichen Lehre teilweise schärfster Kritik unterzogen wird.

Die hohen Strafandrohungen machen das Verbotsgesetz im Lichte des Grundrechtes auf persönliche Freiheit menschenrechtswidrig. Die im § 3g immanente Unbestimmt­heit rufen den Rechtsstaat geradezu auf den Plan.

Zutreffende Kritik wurde z.B. vom Ordinarius für Strafrecht Univ. Prof. Dr. Bertel ge­übt, wenn er in der Festschrift für Univ. Prof. Dr. Platzgummer über die Betätigung im nationalsozialistischen Sinn" schreibt:

Von rechtsstaatlichen Gesetzgebern erwartet man gerade bei schweren Verbrechen eine sorg­fältige Beschreibung der tatbildmäßigen Handlung. Was ist aber eine Betätigung im national­sozialistischen Sinn? Unbestimmter hätte das Gesetz kaum ausfallen können. (...) Die Strafe muss dem Unrecht - und Schuldgehalt der Tat angemessen sein. Das ist ein Grundsatz, durch den sich Rechtsstaaten von Regimen nach Art des nationalsozialistischen unterscheiden. Im Übrigen bekennen wir uns zur Meinungs- und Pressefreiheit, weil wir wissen, dass sich (...) in einem Land mit Meinungsfreiheit und freien Medien die Wahrheit nicht unterdrücken lässt."

 


Konsequenter Weise fordert Univ. Prof. Dr. Bertel, dass nur Verhaltensweisen, die darauf abzielen in Österreich ein NS-Regime zu installieren Freiheitsstrafen von ei­nem bis zu zwanzig Jahren rechtfertigen. Im Übrigen wäre die Anwendung des Art. IX Abs. 1-4 EGVG, der eine Geldstrafe von bis zu 2.180.-- vorsieht, Schuld ange­messen.

Richtiger Weise fällt auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit § 3h ebenso vernichtend aus: „Was für Gründe kann es geben, die Äußerung einer abwegigen Meinung, an die der Täter überdies glaubt, mit Strafe zu bedrohen? (...) Eine Wahrheit, die nicht ge­glaubt wird, wird durch Strafdrohungen nicht glaubwürdiger. Der Grund für die Bestrafung solcher Äußerungen ist also das Ärgernis, das Sie erregen. (...) Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu zwanzig Jahren. Dieser Strafsatz ist unbegreiflich hoch. "

Abschließend kommt Univ. Prof. Dr. Bertel in dieser Publikation, die unter anderem von Bundesministerium für Justiz, vom Parlamentsklub der ÖVP und der Erzdiözese Wien finanziert wurde zu dem Ergebnis, dass sich der Gesetzgeber beim Beschluss des § 3h in einer schwierigen Lage befunden hat:

„Wenn die Abgeordneten für die qualifiziert öffentliche „Ausschwitz-Lüge" eine geringere Strafe beschlossen hätten, hätten ihnen manche Leute vorgeworfen Sympathien, mit Neo­Nazis zu haben. (...) Dennoch hätten sich die Abgeordneten klar und deutlich zum Rechtsstaat bekennen sollen. In einem Rechtsstaat müssen die angedrohten und verhängten Strafen Schuld angemessen sein (vgl. Art. 1 Abs. 3 PersFG). Wer für Ärgernis erregende Meinungs­äußerungen Freiheitsstrafen von einem bis zu zehn Jahren fordert, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, selbst Nazimethoden zu propagieren. "

Auch das Urteil namhafter Vertreter des unabhängigen österreichischen Journalis­mus steht mit dieser rechtswissenschaftlichen Analyse im Einklang, z.B. forderte Christian Ortner in der Presse vom 20. Juni 2005, dass das Verbotsgesetz ersatzlos abgeschafft werden sollte:

„Mit gutem Grunde kennen demokratische Rechtsstaaten rund um die Welt keine Gesetze, die das Vertreten einer politischen Ansicht — und sei sie noch so widerwärtig und blutbefleckt — unter Strafe stellen. Deshalb kann in den USA, die immerhin 100.000 Soldaten in dem Krieg gegen die Nazis opferten, jeder der verrückt genug ist, eine NSDAP gründen, deshalb ist so­gar im semidemokratischen Russland die Kommunistische Partei, Millionen ihr zu dankender Toter zum Trotz, auch nicht verboten worden. Dem Wesen einer Demokratie läuft es eben diametral zuwider, bei Mehrheitsbeschluss festzulegen, welche Meinung zulässig ist und wel­chen nicht."

Anlässlich der Verhaftung von David Irving wurde in der Presse vom 23. Dezember 2005 bereits zutreffend erkannt, dass die Beschränkung der Meinungsfreiheit in Ös­terreich jene freut, die in der Türkei Dichter einsperren wollen: „Was zählt, ist der Um­stand, dass die Meinungsfreiheit in Österreich auf eine der Türkei zumindest im Kern ver­gleichbare Art und Weise eingeschränkt ist, in dem eben das Vertreten bestimmter Meinungen verboten wird. Eine Meinungsfreiheit aber, die nur jenes Geschichtsbild verteidigt, das einem selber passt, ist gar keine Meinungsfreiheit. "


In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesmi­nisterin für Justiz folgende

Anfrage:

1.             Wie viele Personen wurden seit 1992 wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz 1947 von den staatsanwaltschaftlichen Behörden ange­klagt?

2.             Wie viele Personen wurden verurteilt?

3.             Wie viele Personen wurden zu unbedingten Haftstrafen verurteilt?

4.             Wie viele Personen wurden wegen Verstößen gegen das Verbotsge­setz 1947 in U-Haft genommen?

5.             Wie lange ist die durchschnittliche Dauer der U-Haft in solchen Fällen?

6.             Wie viele Verfahren nach dem Verbotsgesetz 1947 sind derzeit anhägig?

7.             Wie viele Personen sitzen derzeit wegen behaupteter Verstöße gegen

das Verbotsgesetz 1947 in U-Haft?

8.             Wie beurteilen Sie die Dauer dieser Untersuchungshaft?

9.             Für den Fall, dass die U-Haftdauer bzw. die Verfahrensdauer in den derzeit anhängigen Verfahren nach dem Verbotsgesetz übermäßig lan­ge erscheint, ist Ihrerseits in Aussicht genommen, diesen allfälligen, der Justizverwaltung zuzurechnenden Missstand im Wege der Dienstauf­sicht zu beanstanden und abzustellen?