1097/J XXIII. GP

Eingelangt am 27.06.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Erhalt und Wiederherstellung natürlicher Fließgewässerstrecken in der Steiermark

 

 

 

 

 

 

Uns liegt ein Bericht der Ziviltechnikkanzlei Dr. Kofler mit dem Titel „Kriterien zur Ausweisung naturschutzfachlich hochwertiger Fließgewässer(abschnitte) in der Steiermark, Revision vom 11. 5. 07“ vor. Er wurde im Auftrag des Amtes der Stmk. Landesregierung, der Verbund Austrian Hydro Power AG, des Kleinkraftwerksverein Österreich und der STEWEAG/STEG erstellt und soll dem der KonsenswerberIn vor Eingang in eine kosten- und zeitintensive Planung eine Antwort auf die Frage geben, ob für einen bestimmten Standort „eine naturschutzfachliche Hochwertigkeit und dadurch bedingt ein Ausschluss der Wasserkraftnutzung“ gegeben ist. Das Modell, sogenannte „Tabuzonen“ zu bestimmen, wurde damit zugunsten eines Kriterienkatalogs fallen gelassen. Landesrat Wegscheider will dem Vernehmen nach diesen Kriterienkatalog nach einer zweimonatiger Begutachtungsphase mit normativer Wirkung versehen.

 

Der vorliegende Kriterienkatalog wäre das Ende für die frei fließenden Gewässer in der Steiermark. Nach Einschätzung von Experten, die den Katalog geprüft haben, wären nur 1-2% aller Gewässerabschnitte in der Steiermark nicht für eine energetische Nutzung geeignet, dh: 98-99% aller Gewässerabschnitte könnten nach diesem Kriterienkatalog durch Wasserkraftwerke genutzt werden. Die Steiermark läuft Gefahr, ihre schönsten frei fließenden Gewässer auf immer zu verlieren: anstatt rauschender Bergflüsse monotone Restwasserstrecken mit monatelangen Niedrigstwasserständen, anstatt lebender Flüsse in den flacheren Landesregionen aufgestaute leblose Gewässer.

 

Die Hauptkritik am Kriterienkatalog besteht in Folgendem:

 

*        Die Kriterien für die Schutzwürdigkeit von Gewässer(abschnitten) sind derart hoch angesetzt, dass sie in Wildnisgebieten Anwendung finden könnten, aber nicht im durch Kulturlandschaft stark überformten Mitteleuropa. Ein 'Probelauf' des Kriterienkatalogs im Naturpark Sölktäler erbrachte für den Naturschutz verheerende Resultate, da von allen im Naturpark befindlichen Gewässern nur zwei bis drei kurze Flussabschnitte nach den Kriterien des Katalogs nicht für eine Errichtung von Wasserkraftwerken geeignet wären. Wenn in einer Region mit extensiver und naturnaher Bewirtschaftung, in einem Gebiet das als Naturpark seine Attraktivität wesentlich aus den naturnahen Gewässern zieht, 'grünes Licht' für Wasserkraftwerke an nahezu allen Bächen gegeben wird, wie sieht es dann in anderen Gebieten aus?

 

*        Der Kriterienkatalog soll überall gleich angewendet werden: bereits bestehende Schutzgebiete – Nationalparks, Naturparke, Natura 2000, Naturschutzgebiete u.a. – werden nicht berücksichtigt. Wozu hat man diese Schutzgebiete überhaupt geschaffen, wenn sie dann nicht einen stärkeren Schutz aufweisen als nicht geschützte Landschaften? Nach dem Kriterienkatalog wäre z. B. auch ein Kraftwerk im Nationalpark Gesäuse möglich. (Dass sich Bewohner und Gäste von Regionen mit 'attraktiven Gewässern' durchaus gegen Kraftwerke aussprechen, hat das Beispiel Koppentraun gezeigt. Erst kürzlich haben sich 19 000 Menschen mit ihrer Unterschrift gegen diesbezügliche Kraftwerkspläne ausgesprochen.)

 

Die Wasserrahmenrichtlinie trägt den Mitgliedstaaten auf, eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern bzw den Zustand zu verbessern und zu sanieren, damit ein guter Zustand der Oberflächengewässer erreicht wird.

 

Der oben angesprochene Kriterienkatalog hat hingegen den Zweck, einen weiteren generösen Ausbau der Wasserkraft und damit eine massive Verschlechterung des ökologischen Zustands zu ermöglichen. Insofern wird die Wasserrahmenrichtlinie und das Wasserrechtsgesetz konterkariert und stellt sich die Frage, inwiefern das Gebot der gegenseitigen Berücksichtigung der Gebietskörperschaften Bund und Land damit verletzt wird.

 

Weiters stellt sich natürlich die Frage, was das Bundesministerium und die ihm untergeordnete mittelbare Bundesverwaltung zur Verwirklichung der Umweltziele bereits getan hat und was noch ausständig ist, um frei fließende Gewässerstrecken sicher zu stellen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass jetzt noch Wasserkraft-Projekte durchgeboxt werden sollen, bevor die sehr planmäßig angelegten Instrumente der Wasserrahmenrichtlinie resp des Wasserrechtsgesetzes wirklich zu greifen beginnen. Oder umgekehrt: Dass mit der Installierung der planmäßigen Instrumente so lange zugewartet wird, bis alle halbwegs „ergiebigen“ Fließgewässerstrecken zerstört sind.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

1.      a)      Wurden dem Bundesministerium als oberster Wasserrechtsbehörde bzw den ihm untergeordneten Dienststellen der Kriterienkatalog (Bericht Dr. Kofler) zur Kenntnis gebracht?

b)      Werden das Bundesministerium bzw die ihm unterstellten Dienststellen zum Begutachtungsentwurf aus fachlicher Sicht (wie decken sich die Aussagen des Kriterienkatalogs mit den Erhebungen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie betreffend Fließgewässer) und aus rechtlicher Sicht (wie vertragen sich die Ergebnisse des Kriterienkatalogs mit den Zielsetzungen der WRRL und des WRG zu Erhalt und Sanierung von Fließgewässerstrecken?) Stellung nehmen?

c)      In welcher Weise vermag dieser Kriterienkatalog den Vollzug des Wasserrechtsgesetzes zu beeinflussen?

2.      a)      Welche Maßnahmen sind bzw waren zu Erhalt und Sanierung von Fließgewässerstrecken im Sinne der WRRL und des WRG bis zu welchem Zeitpunkt von welcher Verwaltungsebene zu setzen?

b)      Werden diese Maßnahmen nach dem Wasserrechtsgesetz (Maßnahmenverordnung und Bewirtschaftungsplan) sicherstellen, dass ein Wasserkraftbau an allen Fließgewässerstrecken in schützenwerter Natur (insbesondere in Landschafts- und Naturschutzgebieten) ausgeschlossen ist?

c)      Wieviel % der Fließgewässerstrecken sollen in der Steiermark zu solchen Tabuzonen erklärt werden?

d)      Wieviel % der Fließgewässerstrecken in der Steiermark sind derzeit nicht in gutem Zustand und müssen gemäß der WRRL saniert werden?

e)      In welcher Form wird die Öffentlichkeitsbeteiligung an den unter a) angesprochenen Maßnahmen sichergestellt werden?

3.         Können Sie einen genauen Zeitpunkt nennen, bis zu welchem Sie die Verordnung zur Definition der ökologischen Ziele für Oberflächengewässer erlassen wollen?

4.         Welche Schutzgebiete betreffend Fließgewässer wurden in das Verzeichnis gemäß Art 11 der WRRL, das bis 2004 zu erstellen war, für die Steiermark aufgenommen?