115/J XXIII. GP

Eingelangt am 29.11.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Bettina Stadlbauer

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend „möglicher Abschuss von entführten Passagierflugzeugen"

Hochbrisante Aussagen zum Fall eines etwaigen Terrorangriffs in Österreich tätigten der Chef
der Luftstreitkräfte des Österreichischen Bundesheeres, Erich Wolf, und der Sprecher von
Minister Platter, Martin Brandstötter, sowie Innenministeriums-Sprecher Oberst Rudolf
Gollia im Falter 48/06 vom 29. November 2006. Würden in Österreich Terroristen einen
Passagierjet kapern, meinte etwa Brandstötter folgendes: „In einem solchen Fall wird
verständigt, wer zu verständigen ist - Verteidigungsminister, Generalstabschef oder dessen
Stellvertreter. Sie können zwar keinen Abschussbefehl erteilen, aber dem Piloten den
Waffengebrauch freigeben. Ob der Soldat einen solchen anwendet, liegt in seinem alleinigen
Ermessen. Im Prinzip fiele das unter Nothilfe. "

Noch deutlicher formuliert es der Chef der Luftstreitkräfte, Generalmajor Erich Wolf: „Gibt
das Flugzeug eindeutig seine Flughöhe auf, geht schnurstracks Richtung Wien oder das volle
Bergisel Stadion, gibt man den Waffengebrauch frei. Doch der Pilot ist in dieser Situation

frei..."(!)

Das Innenministerium wiederum glaubt, die rechtliche Letztverantwortung für einen solchen
Einsatz selbst zu tragen und meint, wenn das BMI das Bundesheer mit seinen Abfangjägern
zur Assistenzleistung auffordert, gilt für den Piloten das Waffengebrauchsgesetz der Polizei
und damit wäre der Abschuss des Fliegers möglich.

Das heißt: In der Regierung ist man sich nicht einig, wer die Verantwortung für den
Abschuss eines von Terroristen gekaperten Flugzeugs trägt, aber, dass sie es abschießen
dürfen, da sind sie sich einig und im Zweifelsfall soll dies der Pilot entscheiden!

Dies steht im krassen Gegensatz zur Rechtsauffassung namhafter österreichischer
Verfassungs- und VölkerrechtlerInnen, die dies vehement in Abrede stellen und betonen, dass
der Abschuss eines Passagierflugzeugs sowohl gegen das strenge Waffengebrauchsrecht der
Polizei verstoße, als auch in völkerrechtlicher Hinsicht der Europäischen


Menschenrechtskonvention widerspreche, wonach unbeteiligte Menschen nicht getötet
werden dürfen, wie dies am 15. Februar 2006 auch das deutsche Bundesverfassungsgericht im
Zusammenhang mit der Aufhebung des "Luftsicherheitsgesetzes" festgestellt hat!
Interessant ist auch, inwieweit diese Terrorszenarien die Entscheidung beeinflusst haben,
ausgerechnet die Kampfbomber der Marke „Eurofighter" anzukaufen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesministerin für Inneres
nachstehende

Anfrage:

1.  Entsprechen die in der Präambel erwähnten Aussagen Ihres Sprechers, Rudolf Gollia,
der offiziellen politischen und rechtlichen Auffassung des Innenministeriums?

2.              Wenn ja, wie begründen Sie dies?

3.              Wenn nein, welche Konsequenzen hat dies für Oberst Gollia?

4.              Ist es Ihrer rechtlichen Auffassung nach möglich, dass ein in Österreich von
Terroristen gekapertes Passagierflugzeug von österreichischen Abfangjägern
abgeschossen wird?

5.              Wenn ja, wie lautet ihre rechtliche Begründung dafür?

6.              Wer müsste eine derartige Entscheidung, ein Flugzeug abzuschießen und Unbeteiligte
zu töten, treffen und verantworten?

7.              Wie beurteilen Sie die Aussage des Verfassungsrechtlers Heinz Mayer bzw. des
Völkerrechtlers Franz Leidenmühler im selbigen Falter-Artikel, wonach der Abschuss
einer Passagiermaschine unzulässig sei, da im Sinne der Europäischen
Menschenrechtskonvention, die auch Österreich unterzeichnet hat, Unbeteiligte nicht
getötet werden dürfen?

 


8.             Innenministeriums-Sprecher Rudolf Gollia meinte in diesem Artikel, dass die
rechtliche Letztverantwortung für einen solchen Einsatz beim BMI liege und im
geschilderten Fall für den Militärpiloten das Waffengebrauchsgesetz der Polizei
anzuwenden wäre. Teilen Sie diese Auffassung?

9.             Wenn ja, wie lautet Ihre genaue juristische Begründung?

10.      Wenn nein, weshalb nicht?

11.      In Deutschland hat das Verfassungsgericht das Luftsicherheitsgesetz als
verfassungswidrig aufgehoben, mit der Begründung, dass der Abschuss einer
entführten Passagiermaschine gegen das Recht auf Leben der unschuldigen Geiseln
verstoße. Wie lautet hier die juristische und politische Beurteilung Ihres Ministeriums?