1224/J XXIII. GP

Eingelangt am 06.07.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Glawischnig-piesczek, Lunacek, Hradecsni, Freundinnen und
Freunde

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Beteiligung Österreichs am umstrittenen Riesenstaudammprojekt llisu

Die Türkei plant mit öffentlicher österreichischer, deutscher und Schweizer
Unterst
ützung den Tigrisfluss auf einer Länge von 130 Kilometern aufzustauen. Es
handelt sich dabei um ein sogenanntes Riesenstaudammprojekt mit dramatischen
kulturellen, sozialen und
ökologischen Konsequenzen. Durch den Stausee würden
mehr als 200 antike St
ätten zerstört, darunter auch die berühmte, seit 11.000 Jahren
durchgehend besiedelte Stadt Hasankeyf, die Anfang Juni 2007 in die Liste der 100
weltweit am meisten bedrohten Kulturst
ätten aufgenommen wurde.

 

Das Tigris-Tal ist eines der wichtigsten Täler der Menschheitsgeschichte und gilt als
Teil Mesopotamiens, als Wiege der westlichen Zivilisation. 55.000 Menschen
verlieren ihre Lebensgrundlagen, NGO's sprechen sogar von bis zu 78.000
Betroffenen. Amnesty International hat festgehalten, dass, sollte das Projekt auf
Basis der vorliegenden Umsiedelungspl
äne der türkischen Behörden durchgeführt
werden, sich die involvierten europ
äischen Regierungen und Unternehmen
wissentlich an Menschenrechtsverletzungen beteiligen.

 

Nach Prüfung durch die Oesterreichische Kontrollbank (OEKB) und Befassung des
im Ausfuhrf
örderungsgesetz (AFG) geregelten Beirates wurde laut Angaben der
OEKB am 26.3.2007 eine Exportgarantie f
ür Lieferungen von Turbinen und
elektromechanischer Ausr
üstung für das türkische Wasserkraftwerk im Volumen von
knapp 285 Millionen Euro wirksam. Die zuvor gegebene
Promesse" wurde in eine
Garantie umgewandelt. Das bedeutet, der Bundesminister f
ür Finanzen hat mit
seiner Unterschrift Gr
ünes Licht für die Exportgarantie gegeben und die OEKB mit
der weiteren Umsetzung (Detailverhandlungen
über Auflagen und Ausfertigung der
Garantie) beauftragt hat. Derzeit laufen nach Angaben der OEKB noch
Verhandlungen der drei Exportkreditagenturen mit den t
ürkischen Kraftwerks-
Errichtern
über die vertraglichen Details, die Garantie ist seitens der OEKB noch
nicht ausgefertigt. Werden die Vertragsverhandlungen positiv abgeschlossen,
übernehmen Österreichs SteuerzahlerInnen über eine öffentliche Haftung das Risiko
f
ür die Beteiligung österreichischer Unternehmen am Projekt llisu. Die Schweizer
Regierung hat den Weg für Kredithaftungen in Höhe von 225 Mio. Franken (138,8
Mio. Euro) frei gemacht, die Deutsche Regierung (Euler-Hermes) haftet für weitere
ca. 100 Mio. Euro1. Die Gesamtkosten des Staudamms werden auf ca. zwei Mrd.
Euro gesch
ätzt. Die von den Projektbetreibern und Kontrollbanken aus Österreich,
Deutschland und der Schweiz erarbeiteten Auflagen in den Bereichen Umwelt,

1                    Beteiligte Unternehmen: Andritz / VA-Tech Hydro (Österreich), Alstom (Schweiz), Züblin

(Deutschland), Nurol (Türkei), Cengiz (Türkei), Celikier (Türkei), emelsu (Türkei).
Auftraggeber: DSI, türkisches Wasseramt

 


Menschenrechte / Umsiedelungen, Kulturerbe entsprechen entgegen den
Behauptungen der Projektbetreiber nicht den Weltbankstandards. Die im Umwelt-
und Menschenrechtsbereich noch strengeren EU-Standards werden glatt verfehlt.
Gem
äß Weltbankstandards hätten eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), ein
Umsiedelungsplan und ein Kulturg
üterplan vorliegen müssen, bevor es zu einer
Entscheidung zur
Übernahme der Haftung kommt. Nach den jetzigen Kriterien ist
eine UVP gar nicht mehr erforderlich und der Umsiedelungsplan sowie der
Kulturg
üterplan sollen während des Baus erstellt werden. Die Kriterien sind so
schwach gew
ählt, dass sie kaum Handhabe ermöglichen, das Projekt auf
internationalen Standard zu bringen. So sollen zum Beispiel erst in den n
ächsten 4-5
Jahren Studien zu den Fischpopulationen im Gebiet gemacht werden. In dieser Zeit
ist der Bau des Staudammes aber bereits weit fortgeschritten. Innerhalb der EU w
äre
diese Vorgangsweise undenkbar und widerrechtlich.

Der durch den Dammbau entstehende Stausee soll eine Fläche von ca. 320 km2
umfassen. Das entspricht der 17fachen Fl
äche des Wörthersees. Laut Angaben der
Projektbetreiber soll der Stausee eine Länge von 130km haben. Berücksichtigt man
allerdings auch die Zuflüsse in den Tigris, die ebenfalls eingestaut werden und die
Auswirkungen flu
ßab des Staudammes, so würden durch das Ilisu-Projekt mehr als
400 km Flüsse zerstört. Die geplante Kapazität des Kraftwerks wird mit 1200 MW
angegeben. Der Ilisu-Damm soll zwei bis drei Prozent des t
ürkischen Strombedarfs
erzeugen.

Eine von Eva Glawischnig geleitete ParlamentarierInnendelegation2 hat sich auf einer
mehrtägigen Reise in Südostanatolien ein Bild vom geplanten türkischen Staudammprojekt
llisu gemacht. Nach Gesprächen mit ExpertInnen, NGO-VertreterInnen, lokalen und
regionalen Beh
örden, GegnerInnen und BefürworterInnen des Projekts haben sich die
Bedenken gegen die geplante
österreichische Beteiligung am Projekt erhärtet.

Menschenrechtsverletzungen

Gespräche mit DorfbewohnerInnen in der Region haben gezeigt, dass die Menschen
bis heute nicht ausreichend
über den geplanten Damm, die Überflutung ihrer Dörfer
durch den Stausee, die Entschädigungen und ihre Zukunft informiert worden sind.

Obwohl gegenüber dem ursprünglichen Plan aus 1999 gewisse Verbesserungen
erkennbar sind, verst
ößt der Umsiedelungsplan nach Angaben von
Menschenrechtsorganisationen was den auf Enteignungen anwendbaren
gesetzlichen Rahmen etwa hinsichtlich Entsch
ädigungen betrifft, wegen dem Mangel
an effektiven und fairen Beschwerdeverfahren für die Betroffenen sowie auf Grund
unzureichender Information und Einbeziehung der lokalen Bev
ölkerung gegen
internationale Menschenrechtsstandards und Weltbankstandards. Die relevanten
internationalen Vertr
äge - insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention
(EMRK), wurden aber von der Türkei ratifiziert und sind für diese somit
v
ölkerrechtlich verbindlich.

Zahlreiche bereits verwirklichte Staudammprojekte in der Region, die ebenfalls oft
mit Beteiligung
österreichischer Unternehmen errichtet wurden, zeigen, dass die vor

2         An der Reise nahmen auch der FPÖ-Abgeordnete Karlheinz Klement und die Grün-
Abgeordnete Bettina Hradecsni teil. VertreterInnen von SP
Ö und ÖVP haben trotz langfristiger und
mehrfacher Einladung nicht an der Reise teilgenommen.

 


dem Bau gegebenen Versprechungen nicht eingehalten wurden. So haben
zahlreiche Menschen in der Region des Birecik-Damms (Fertigstellung: 2001;
beteiligte
österreichische Firmen: Verbundplan und Strabag) am Euphrat bis heute
keine Entsch
ädigungszahlungen erhalten. Der Großteil der Menschen in Birecik sind
heute ärmer als vor dem Dammbau.

Die vom Österreichisch-Deutsch-Schweizer Firmenkonsortium bzw. den
Kontrollbanken der drei L
änder angegeben 11.000 Menschen, die umgesiedelt
werden m
üssen, entsprechen nicht den Tatsachen. Weitere 40.000 Menschen
werden in der vom Firmenkonsortium ver
öffentlichten Statistik als teilweise
betroffen" klassifiziert, weil sie z.B. nur" ihr Land, nicht aber ihr Haus durch die
Überflutung verlieren. Dass diesen Menschen damit ihre Lebensgrundlage
genommen wird, wird von den Baufirmen, den Kontrollbanken und den Regierungen
ignoriert.

Über 80 % der Bevölkerung, der Bürgermeister von Diyarbakir und die Gemeinderäte
der Region haben sich gegen den Damm ausgesprochen. Nach einer
Fragebogenaktion behauptet das Bau-Konsortium, dass
über 80 % der Bevölkerung
f
ür das Projekt seien. Jedoch wurde im Erhebungsbogen die konkrete Frage nach
Zustimmung oder Ablehnung des Damms gar nicht gestellt, die Erhebung wurde
äußerst tendenziös durchgeführt. Eine Befragung im Auftrag der Initiative Keep
Hasankeyf alive" kam zu anderen Resultaten: weit
über 80 % der Bevölkerung ist
gegen das Staudammprojekt.

Der Bürgermeister der in der Region gelegenen Stadt Diyarbakir, Osman Baydemir,
rechnet mit bis zu 40.000 Damm-Flüchtlingen", durch welche sich die ohnehin
bereits sehr angespannte soziale Lage in seiner Stadt massiv versch
ärfen würde.
Durch Vertreibungen und Dammprojekte wuchs die Stadt in den vergangenen zehn
Jahren von 200.000 auf mehr als 1 Million EinwohnerInnen an. Die soziale Situation
in Diyarbakir ist bereits heute extrem angespannt. Die Arbeitslosenrate betr
ägt 70%,
40% der Menschen leben unter der Armutsgrenze. Die von der Stadtverwaltung
organisierten Sozialprojekte (Gesundheitsvorsorge, Bildung, soziale Integration,
Frauenh
äuser etc.) sind am Kapazitätslimit. Es fehlen finanzielle und personelle
Ressourcen. Die bef
ürchteten 30.000 bis 40.000 zusätzlichen Landflüchtlinge
w
ürden die sozial triste Lage in Diyarbakir dramatisch verschärfen. In anderen -
ebenfalls rasant wachsenden - Städten in der Region wie etwa Batman oder Mardin
ist die Situation nicht anders.

Von den versprochenen aber nicht garantierten Entschädigungszahlungen würden
vor allem einige wenige Gro
ßgrundbesitzer mit Wohnsitz in Ankara profitieren. Die
lokale Bev
ölkerung besteht vorwiegend aus landlosen TagelöhnerInnen (Tageslohn:
zwei bis drei Euro) bzw. Menschen mit Landbesitz von weniger als fünf Hektar.

Vernichtung kulturellen Erbes von Menschheitsranq

Die Region des geplanten Ilisu-Staudamms in Südostanatolien gehört zu den
wichtigsten arch
äologischen Regionen der Welt. Viele frühgeschichtliche und
historische St
ätten im Tigris-Tal und einige seiner Zuflüsse würden durch den
Stausee geflutet werden. Obwohl es sich bei der 11.000 Jahre alten Stadt Hasankeyf
und seinen mehr als 200 antiken St
ätten zweifelsohne um ein schützenswertes
Kulturerbe internationalen Ranges handelt und die UNESCO-Definition des


kulturellen Erbes" auf Hasankeyf zutrifft, hat die Türkei bis heute der UNESCO nicht
vorgeschlagen, Hasankeyf in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen.

Am 6. Juni 2007 hat der World Monuments Watch" seine aktuelle im
Zweijahresrhythmus ver
öffentliche Liste der 100 am meisten bedrohten Kulturstätten
herausgegeben. Die Stadt Hasankeyf wurde auf die Liste aufgenommen.

Die mehr als 6.000 aus dem Fels gehauenen Höhlenwohnungen in Hasankeyf sind
weltweit einzigartig. Wer sich selbst vor Ort ein Bild von Hasankeyf und seinen
kulturellen Sch
ätzen gemacht hat, dem wird rasch klar, dass die vom llisu-
Firmenkonsortium angef
ührte Umsiedelung" einiger Kulturmonumente in einen
Archäologiepark" keine Rettung" dieses Weltkulturerbes bedeutet, sondern
zweifelsfrei deren Zerst
örung.

Umweltdesaster: Zerstörung unberührter Flusslandschaften

Der Tigris und seine Zuflüsse bilden - im Gegensatz zum bereits fast vollständig
eingestauten Euphrat - ein noch weitgehend unberührtes, intaktes und ökologisch
extrem artenreiches und wertvolles Fluss-
Ökosystem. Viele Tier und Pflanzenarten
sind in der Region endemisch, das heißt sie kommen nirgends sonst auf der Welt
vor. Bis heute sind noch nicht alle Tier und Pflanzenarten untersucht und
beschrieben. Auf sie werde zunehmend Druck von den t
ürkischen Behörden
ausge
übt, ihre wissenschaftlichen Untersuchungen einzustellen, da ohnehin der
Stausee komme, berichten WissenschaftlerInnen aus der Region.

International renommierte HydrologInnen und Umweltschutzorganisationen weisen
dem von den Unternehmen vorgelegten Ilisu-Umweltgutachten schwere Mängel
nach. Zu den gravierenden ökologischen Auswirkungen zählen u.a.:

         Verschlechterung der Wasserqualität für Bevölkerung

         Vernichtung von Flussauen und Habitaten für seltene Tier- und
Pflanzenarten

         Sedimentierung und Eutrophierung

         Fischsterben, Vernichtung bedrohter Vogelpopulationen

         Wasserhaushalt / Geringe Restwassermengen: Wasserschwankungen
sind
ökologisch wichtig. V.a. die Frühjahrshochwässer sind für den
Fischreichtum von gro
ßer Bedeutung und davon wiederum profitieren die
Menschen. Genau diese Frühjahrshochwässer sollen aber durch llisu
abgefangen werden. Die Mindestwassermenge liegt deutlich unter den
historisch gemessenen Mindestmengen des flie
ßenden Tigris: Nur noch
60m3/s sollen im Sommer flie
ßen dürfen; gemessener Niedrigststand war
bisher 70m3/s.

Wasserrechte: Unzureichende Einbindung des Irak und Syriens

In einem Brief an EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat der irakische
Au
ßenminister Hoshiyar Zebari die EU aufgefordert, bei der türkischen Regierung
gegen den Bau des Ilisu-Staudamms zu intervenieren, da die T
ürkei mit dem Irak
und Syrien keine Konsultationen
über die nach dem Dammbau erheblich verringerte
Restwassermenge im Tigris-Fluss gef
ührt habe. Das wird desaströse Auswirkungen
auf alle Lebensbereiche im Irak haben", hei
ßt es in dem Brief des Ministers. Konkret


sei mit Rückgängen in der landwirtschaftlichen Produktion zu rechnen, ebenso mit
der Ausweitung von W
üsten. Der irakische Außenminister appelliert an Ferrero-
Waldner, alle Anstrengungen zu unternehmen, um zu verhindern, dass Europ
äische
Institutionen und Firmen das Ilisu-Projekt unterst
ützen, solange es nicht ein
Übereinkommen mit Syrien und dem Irak über das Wassermanagement gibt. Der
irakische Minister für Wasserresourcen, Latif Rashid, hat sich in einem Brief an eine
deutsche Nichtregierungsorganisation ähnlich geäußert, wie Der Standard vom 30.
Oktober 2006 berichtet hat. Die T
ürkei gewinnt durch den Staudammbau jedenfalls
deutlich an Kontrolle
über das Wasser des Tigris-Flusses. Es ist daher nicht
auszuschlie
ßen, dass die Türkei dies als Machtinstrument einsetzt. Dadurch droht
der Ilisu-Staudamm die ohnedies krisengesch
üttelte Region noch weiter zu
destabilisieren. Die Weltbank hat das außenpolitische Konfliktpotential des
gesamten S
üdostanatolien-Projekts (22 Staudämme, einer davon Misu) erkannt und
deswegen bereits 1984 eine Finanzierung der Dammprojekte abgelehnt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.              Halten Sie es angesichts der massiven Kritik von ExpertInnen,
Menschenrechtsorganisationen, NGOs, lokalen Beh
ördenvertreterInnen
und der deutlichen Mehrheit der betroffenen Bevölkerung für
verantwortungsvoll und vertretbar, dass die Republik
Österreich dieses
umstrittene Projekt mit Steuergeldern via Oesterreichische Kontrollbank
versichert? Falls ja, warum?

2.              Sind Sie bereit, die Beteiligung Österreichs am Ilisu-Staudamm zu
überdenken? Falls nein, warum nicht?

3.              Haben Sie sich jemals vor Ort selbst ein Bild von dem geplanten Ilisu-
Staudamm und der betroffenen Region gemacht und dort mit Betroffenen,
GegnerInnen und Bef
ürworterInnen gesprochen? Wenn ja, wann und mit
welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht bzw. planen Sie, die Region
noch zu bereisen? Falls ja wann, falls nein, warum nicht? Welche
offiziellen VertreterInnen
Österreichs (Finanzministerium, Kontrollbank)
haben die betroffene Region bereist und wann? Mit welchen Personen
haben diese vor Ort gesprochen? (Bitte um genaue Auflistung)

4.      Aus welchen Quellen stammen die Informationen, die Ihnen bzw. der
Österreichischen Kontrollbank als Grundlage zur Bewertung des geplanten
Ilisu-Projekts gedient haben? Bitte um genaue Angaben.

5.              Schwedische, britische und italienische Firmen haben sich bereits vor
Jahren aus
ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gründen aus dem
Ilisu-Projekt zur
ückgezogen. Selbst die Weltbank hat schon im Jahr 1984
eine Beteiligung am gesamten S
üdostanatolienprojekt abgelehnt. Sind Sie
der Meinung, dass eine staatliche Unterstützung des Ilisu-Projekts dem
Ruf
Österreichs als Umweltmusterland zuträglich ist?

 


6.              Welche Berichte, Untersuchungen und Belege liegen Ihnen vor, die
zweifelsfrei nachweisen, dass das geplante Hisu-Projekt keine
Menschenrechtsverletzungen verursacht und in vollem Einklang mit der
Europ
äischen Menschenrechtskonvention steht? (Bitte um Auflistung)

7.              Ist Ihnen die Kritik von Amnesty International, wonach der aktuell gültige Umsiedelungsplan des türkischen Staates für das Ilisu-Projekt aus 2005
als klarer Versto
ß gegen die Menschenrechte eingestuft wird, bekannt?
Falls ja, wie beurteilen Sie diese Kritik und welche Konsequenzen wurden
das Projektdesign betreffend daraus gezogen?

8.              Wie erklären Sie die Diskrepanz von Aussagen des llisu-
Firmenkonsortiums einerseits, wonach die Betroffenen umfassend
informiert und einbezogen wurden und den Aussagen vieler Menschen in
der Region andererseits, wonach die Betroffenen so gut wie keine
Informationen
über das Projekt bzw. betreffend angeblich zugesagter
Entsch
ädigungen erhalten haben? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus
diesen offensichtlich widersprüchlichen Angaben? Liegt Ihnen der
Fragebogen der Erhebung des Konsortiums vor? Falls ja, bitte um
Übermittlung im Wortlaut. Ist darin die konkrete Frage enthalten, ob die
betroffenen Menschen das Staudammprojekt unterst
ützen, wie vom Bau-
Konsortium behauptet? Wenn nicht, welche Konsequenzen ziehen Sie
daraus?

9.    Öffentlichkeit, NGOs, ExpertInnen und lokale Verwaltungsbehörden vor
Ort wurden erst nach Zusage der Kreditgarantie durch Österreich,
Deutschland, Schweiz von den Auflagen der Kontrollbanken und des
Firmenkonsortiums informiert (Informationen in englischer Sprache im
Internet im April 2007); in t
ürkischer Sprache wurden die Auflagen
überhaupt erst im Juni 2007 veröffentlicht. Sehen Sie in dieser
Geheimhaltungsstrategie keinen Widerspruch zum Versprechen, alle
Betroffenen und Beteiligte rechtzeitig und transparent zu informieren?

10.             Ist Ihnen die Tatsache bekannt, dass im Gebiet des GAP-Projekts
(S
üdostanatolien-Projekt des türkischen Staates, das den Bau von
insgesamt 22 D
ämmen vorsieht, einer davon der geplante Ilisu-Damm) 70
% der landwirtschaftlich bebaubaren Fläche in Staatseigentum, 25% in
Besitz von Gro
ßgrundbesitzerInnen, nur 5% in Besitz einer Vielzahl von
Kleinbauern ist und eine gro
ße Anzahl von Menschen in der Region
landlos ist und sich als Tagel
öhner verdingen müssen? Sehen Sie darin
die vom t
ürkischen Staat versprochenen Entschädigungen nicht auch als
problematisch?

11.             Wie hoch ist die Gesamtsumme an Finanzmitteln, die im Rahmen des
Ilisu-Projekts für Entschädigungen zu Gunsten der betroffenen
Bev
ölkerung veranschlagt ist?

12.             Betrachtet man die Besitzaufteilung der von der geplanten Überflutung
durch den Ilisu-Damm betroffenen Flächen, wie hoch ist dabei der
Flächenanteil (in Prozent) von GroßgrundbesitzerInnen (Flächenbesitz


größer als fünf Hektar), wie hoch ist der Anteil der Besitz-Flächen kleiner
als 5 Hektar (in Prozent) und wie viele Menschen leben in der Region,
besitzen aber kein eigenes Land? (Bitte um genaue Angaben inkl.
Quellenangaben)

13.            Wie hoch ist die Entschädigungssumme für Agrarflächen pro Hektar?

 

14.            Nach türkischem Gesetz sind Entschädigungszahlungen alleine auf den
durch die
Überflutung eintretenden Schaden / Warenwert bei Besitztümern
beschränkt. Keine Entschädigungen werden demnach für andere
wirtschaftliche Verluste (z.B. Kleinh
ändler, Künstler, Mieter, Pächter)
gew
ährt. Sind für diese Personengruppen Entschädigungen vorgesehen?
Falls ja, in welcher H
öhe und auf welcher rechtlichen Grundlage? Falls
nein, warum nicht und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

15.                Ebenfalls nach türkischem Gesetz nicht entschädigt werden Menschen
bzw. Haushalte, die den Nachweis nicht erbringen k
önnen, dass sie länger
als drei Jahre in der Region leben. Sind für jene vom Ilisu-Projekt
Betroffenen Entsch
ädigungen vorgesehen? Falls ja, in welcher Höhe und
auf welcher rechtlichen Grundlage? Falls nein, warum nicht und welche
Konsequenzen ziehen Sie daraus?

16.                Wie hoch ist die vom türkischen Staat budgetierte Gesamtsumme für
Entschädigungen für die vom Ilisu-Damm betroffenen Menschen?

17.            Wie viele Menschen sollen insgesamt entschädigt werden?

18.                Werden auch Menschen entschädigt, die kein Land besitzen, aber denen
als ArbeiterInnen durch das Dammprojekt ebenfalls ihre Lebensgrundlage
entzogen wird? Falls nein, warum nicht? Falls ja, in welcher Höhe?

 

19.             Welche konkrete Rechtsverfahren bilden die Grundlage für diese
Entsch
ädigungen? Welche konkreten Rechtsmittel haben die Betroffenen,
um Beschwerde gegen aus ihrer Sicht unzureichende Entschädigung
rechtlich vorzugehen? Welche Rechtssicherheit haben die Betroffenen
hinsichtlich der Gew
ährung von Entschädigungen? (Bitte um Auflistung
und Quellenangaben)

20.             Betroffene können laut Angaben des Firmenkonsortiums bei
Entsch
ädigungen zwischen Geld und Ersatzland / neuen Häusern wählen.
Jene, die sich für Ersatzland / neue Häuser entscheiden haben aber kein
Mitspracherecht, was den Umsiedelungsplan betrifft und d
ürfen das vom
Staat zugewiesene Land gem. t
ürkischen Gesetzen 10 Jahre lang nicht
wieder ver
äußern. Die Umsiedelungspraxis vieler ähnlicher
Staudammprojekte in der T
ürkei zeigt jedoch, dass die neuen Siedlungen
von den Betroffen oft nicht angenommen wurden, da verabsäumt wurde,
entsprechende Infrastruktur (Stra
ßen, Schulen etc. zu errichten) oder da
das Ersatzland nicht der gewohnten und notwendigen Qualit
ät entspricht.
Halten Sie die entsprechende türkische Gesetzeslage nicht für
problematisch? Welche Ma
ßnahmen sind beim Ilisu-Projekt vorgesehen,


um hier gegenzusteuern? Welche Garantien haben die Betroffenen, dass
internationale Standards eingehalten werden?

21.                Liegen Untersuchungen vor, die bestätigen, dass für die Betroffenen
ausreichende und qualitativ gleichwertige landwirtschaftliche Fl
ächen als
Ersatzland bereit stehen? Falls ja, bitte um entsprechende Angaben. Falls
nein, warum nicht und welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

22.       Wurde im Rahmen des türkischen Umsiedelungsgesetzes ein/e
gesonderte/s Verordnung/Gesetz
über den Umsiedelungsplan für den
Ilisu-Damm erlassen, wie dies das t
ürkische Gesetz prinzipiell als
M
öglichkeit vorsieht? Falls ja, bitte um entsprechende Angaben. Falls nein,
welche rechtlichen Garantien haben die Betroffenen im Fall llisu auf eine
internationalen Standards entsprechende Umsiedelungspraxis?

23.        Im Einzugsgebiet des Ilisu-Staudamms liegen fünf Provinzen, in denen
schon zahlreiche D
örfer während des jahrelangen militärischen Konflikts
zwischen dem t
ürkischen Staat und der kurdischen Bevölkerung geräumt
wurden.

24.        Werden die Entschädigungsansprüche dieser Vertriebenen im aktuellen
Umsiedelungsplan der türkischen Behörden berücksichtigt? Falls ja, in
welcher Form? Falls nein, warum nicht? Bitte um genaue Quellenangabe.

25.                Wie viele neue Arbeitsplätze werden in der Region während der
Bauphase des Damms f
ür die regionale Bevölkerung geschaffen? Bitte um
Angabe der entsprechenden Quellen.

26.             Wie viele neue Arbeitsplätze werden in der Region nach Fertigstellung für
die regionale Bevölkerung langfristig geschaffen und in welchen
Bereichen? Bitte um Angabe der entsprechenden Quellen.

27.             Ist Ihnen die Tatsache bekannt, dass beim so genannten
S
üdostanatolien-Projekt (GAP-Projekt) bereits 80% der geplanten
Dammprojekte realisiert wurden, jedoch bis heute nur 14% der
urspr
ünglich geplanten Bewässerungsanlagen (zur Erschließung neuer
landwirtschaftlicher Fl
ächen als Ersatz für die in den überfluteten
Flusst
älern gelegenen Anbaufeldern) realisiert wurden? Halten Sie diese
Praxis nicht f
ür problematisch, da damit ja offensichtlich wird, dass eines
der zentralen Versprechen für die Bevölkerung, nämlich durch
Bew
ässerungsprojekte neues Land (als Ersatz für die bisher
bewirtschafteten, aber im Zuge der Inbetriebnahme der D
ämme
überfluteten Flächen) zu bekommen, nicht eingehalten wird?

28.                Ist die Errichtung von Bewässerungsanlagen Teil des Ilisu-Projekts? Falls
ja, welche Garantien gibt es, dass im Gegensatz zur bisherigen Praxis
diese auch realisiert werden? Falls nein, warum nicht?

29.                Steht die geplante Flutung der 11.000 Jahre alten Stadt Hasankeyf, der
von ExpertInnen de facto ein Status als UNESCO-Kulturerbe
zugeschrieben wird und die vor kurzem in die Liste der 100 am meisten


bedrohten Kulturgüter der Welt aufgenommen wurde, sowie die Flutung
weiterer zahlreicher, gr
ößtenteils in ihrer Bedeutung unerforschter
arch
äologisch bedeutender Monumente Ihrer Ansicht nach im Einklang mit
den türkischen Gesetzen zum Erhalt archäologischer Güter?

30.              Ist es Ihrer Ansicht nach vertretbar, die 11.000 Jahre alte Stadt
 Hasankeyf, deren historische Bedeutung sogar mit Ephesus gleichgesetzt
wird, den Fluten zu
übergeben für ein Staudammprojekt mit einer
erwarteten Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren?

31.      Würden Sie akzeptieren, dass die Altstadt von Salzburg, UNESCO-Welt-
kulturerbe,einem Stausee weichen muss bzw. einzelne Teile der Stadt in
ein Kulturmuseum transferiert w
ürden? Falls nein, wieso unterstützen Sie
dann die Flutung von Hasankeyf durch österreichisches Steuergeld?

32.       Wie stehen Sie zur Forderung des EU-Parlaments aus dem Jahr 2004,
wonach die t
ürkische Regierung Hasankeyf für Wert befunden werden
sollte in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen zu
werden? Werden Sie sich daf
ür einsetzen, dass die Stadt Hasankeyf in die
UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wird? Falls ja, was
werden Sie tun? Falls nein, warum nicht?

33.         Die EU hat in ihren Fortschrittsberichten zum Beitrittswerber Türkei
mehrfach Kritik an den menschenrechtlichen, sozialen und
umweltpolitischen Rahmenbedingungen des Ilisu-Damm-Baus ge
übt. Die
EU-Kommission fordert darüber hinaus in einem Bericht aus 2004 die
T
ürkei auf, dass alle neuen Investitionen mit dem umweltpolitischen
Acquis in Einklang stehen sollten."

34.         Entsprechen die von den Exportkreditbanken aufgestellten Auflagen dem
umweltpolitischen Acquis der Europ
äischen Union?

35.             Wurde für das llisu-Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach EU-
Standards mit Bürgerbeteiligung und Alternativenprüfung durchgeführt?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis; wenn nein, warum nicht und welche
Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

36.             Stehen die Planungen zum Ilisu-Staudamm, auf deren Grundlage Sie
Gr
ünes Licht für eine Exportgarantie für das Projekt gegebenen haben, im
Einklang mit den einschl
ägigen EU-Richtlinien über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bestimmter Pläne und Programme bzw.
über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter
umweltbezogener Pl
äne und Programme (RL 97/11/EG und RL
2003/35/EG)? Falls ja, aus welchen konkreten Dokumenten und
Pr
üfberichten ist die Einhaltung dieser EU-Umweltstandards ablesbar
(Bitte um konkrete Auflistung); falls nein, warum nicht und welche
Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

37.     Steht das Projekt im Einklang mit europäischem Naturschutzrecht (Natura
 
2000 Richtlinien)? Falls ja, aus welchen konkreten Dokumenten und
  Pr
üfberichten ist die Einhaltung dieser EU-Umweltstandards ablesbar


   (Bitte um konkrete Auflistung); falls nein, warum nicht und welche
  
Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

38.              Steht das Projekt im Einklang mit europäischem Wasserrecht
  (Wasserrahmenrichtlinie)? Falls ja, aus welchen konkreten Dokumenten
  und Pr
üfberichten ist die Einhaltung dieser EU-Umweltstandards ablesbar
 
(Bitte um konkrete Auflistung); falls nein, warum nicht und welche
 Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

39.      Sind Sie der Meinung, dass die öffentliche österreichische Unterstützung
 
von Bauprojekten im Ausland denselben Kriterien und Auflagen
  entsprechen sollte, die auch bei Bauprojekten in
Österreich/der EU
  verpflichtend sind? Falls ja, wieso haben Sie Gr
ünes Licht für die
 
österreichische Exportkredit-Garantie für den Ilisu-Damm gegeben? Falls
  nein, warum nicht?

40.      Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, das österreichische
  Au
ßenhandelsfördergesetz dahingehend zu novellieren, dass bei allen von
 
der Oesterreichischen Kontrollbank versicherten Projekten im Ausland
  l
ückenlos österreichische bzw. EU-Standards hinsichtlich Umwelt-,
  Menschenrechts-, Sozial-, Kultur- und Transparenzstandards gelten
  m
üssen? Würden Sie eine solche Novelle unterstützen? Falls ja, bis wann
 
werden Sie einen entsprechenden Gesetzesvorschlag als
  Ministerialentwurf vorlegen? Falls nein, warum nicht?

41.   In der Anfragebeantwortung 206/AB vom 22.2.2007 halten Sie fest, dass
die OEKB AG mir eine Umwandlung (der Promesse in eine
Garantie;Anm.) nur dann vorschlagen wird, wenn die TORs (Terms of
Reference, also die Projektauflagen seitens der
Exportkreditagenturen;Anm.) in materieller Hinsicht internationale
Standards, wie zum Beispiel Weltbank-Standards, zufrieden stellend
erf
üllen." Entspricht das Ilisu-Projekt den Weltbankstandards für
Staudammprojekte? Falls ja, aus welchen konkreten Dokumenten und
Pr
üfberichten ist deren Einhaltung ablesbar (Bitte um konkrete Auflistung);
falls nein, warum nicht und welche Konsequenzen werden Sie daraus
ziehen?

42. Ein Weltbankstandard steht vor, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung
 
für Großprojekte wie llisu nicht nur vor Abschluss des gegenständlichen
 Vertrages (also im Fall llisu vor der Unterzeichnung der
 Exporthaftungsgarantie durch Sie) sondern sogar vor dem
 Begutachtungsverfahren durch die Bank (also im Fall llisu vor der Pr
üfung
 durch die Oesterreichischen Kontrollbank) vorliegen muss. Ist Ihnen dieser
 Standard bekannt? Falls ja, wie erkl
ären Sie die Tatsache, dass in diesem
 
Punkt der Weltbankstandard glatt gebrochen wurde, da bis heute keine
 Umweltvertr
äglichkeitsprüfung (UVP) für das Ilisu-Projekt vorliegt und auch
 
laut Auflagen der Exportkreditbanken und Betreiber gar keine UVP mehr
 geplant ist, sondern lediglich einige Umweltstudien im Laufe der Bauphase
 
durchgef
ührt werden sollen? Müssten Sie daraus nicht die Konsequenz
 ziehen, die Exportgarantie
Österreichs für das Ilisu-Projekt rückgängig zu
 machen, da doch das
Österreichisch-Deutsche-Schweizer


    Firmenkonsortium und auch die Exportkreditbanken mehrfach klar
    festgehalten haben, dass die Einhaltung von Weltbankstandards f
ür das
   
Projekt verpflichtend sind und hier ein zentraler Weltbankstandard
    offensichtlich nicht eingehalten wird? Falls ja, bis wann werden Sie die
    Garantie r
ückgängig machen? Falls nein, warum nicht?

43.             Weltbankstandards sehen dieselbe Prozedur (Vorlage eines Plans und
  Ver
öffentlichung vor dem Begutachtungsverfahren durch die Bank) für
  unfreiwillige Umsiedlungen vor. Welche Konsequenzen ziehen Sie
  angesichts dieses weiteren Bruchs der von Ihnen als Ma
ßstab angelegten
  Standards?

44.     Weltbank- und OECD-Standards sehen vor, dass die von unfreiwilligen
 
Umsiedlungen Betroffenen eine Unterstützung / Entschädigung erhalten,
 
die ihren Lebensstandard und Lebensunterhalt gegenüber dem Zustand
 
vor der Umsiedelung verbessert oder zumindest auf dem Niveau vor der
 
Umsiedelung erhält. Die entsprechenden türkischen Gesetze sehen
  diesen Standard nicht vor. Wie soll in diesem Punkt die Einhaltung des
  Weltbankstandards sichergestellt werden?

45.     Entspricht das Ilisu-Projekt den OECD-Standards? Falls ja, aus welchen
 
konkreten Dokumenten und Prüfberichten ist deren Einhaltung ablesbar
  (Bitte um konkrete Auflistung); falls nein, warum nicht und welche
  Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

46.     Welche sonstigen internationalen Standards" haben Sie in Ihrer oben
  zitierten Anfragebeantwortung gemeint? Bitte um genaue Angaben. Auf
  die Einhaltung konkret welcher internationalen Standards zielen die vom
 
Österreichisch-Deutsch-Schweizer Firmenkonsortium und den
  Exportkreditbanken erarbeiteten Projektauflagen (TORs) ab?

47.         Die rechtzeitige Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP),
wie dies gemäß internationalen Standards üblich ist, hat den allgemein
anerkannten Sinn, ein Projekt gegebenenfalls so anpassen zu k
önnen,
dass Umweltstandards eingehalten werden. Wenn nun beim Ilisu-Projekt
keine UVP durchgef
ührt wird, sondern lediglich in der Bauphase einige
Umweltstudien durchgef
ührt werden, ist es offensichtlich, dass allfällige
Studienergebnisse nicht mehr in den Planungen ber
ücksichtigt werden
k
önnen.

48.   Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Werden Sie bzw. die OEKB
den Kredit frühzeitig fällig stellen, wenn die Umweltstudien in der
Bauphase negative Umweltauswirkungen des Projekts belegen?

49.  Sind in den Projektauflagen (TORs) klare Kriterien definiert, bei welchen
Ergebnissen der w
ährend der Bauphase durchzuführenden Umweltstudien
seitens des Firmenkonsortiums und der Exportkreditagenturen ein
Baustopp bzw. eine sofortige R
ückzahlung der Kredite schlagend wird?
Wenn ja, bitte um Zitat der relevanten Passagen. Falls nein, warum nicht?

 


50.   In den Projektauflagen (TORs) des Firmenkonsortiums wird u.a.
angegeben, dass die von den t
ürkischen Behörden angegebenen
Umweltauswirkungen zu oberfl
ächlich dargestellt sind und dass keine
aktuellen Daten aus Felduntersuchungen vorliegen. Gleichzeitig wird
angegeben, dass zwar eine gewisse Anzahl lokal und global seltener
Tierarten vom Projekt beeintr
ächtigt werden, aber keine dieser Arten auf
Grund des Ilisu-Projekts aussterben wird (ToR E-13). Wenn das
Konsortium selbst zugibt, dass keine ausreichenden Daten aus
Felduntersuchungen vorliegen, auf welcher seri
ösen Basis kann dann
andererseits geschlossen werden, dass keine der bedrohten Tierarten
aussterben werden?

 

 

 

 

51.  Eine Studie der renommierten Organisation Bird Life Schweiz aus 2006
hat konstatiert, dass den vorhandenen
Important Bird Areas" nicht
Rechnung getragen wurde und die Bestandsaufnahme der Biodiversit
ät
als mangelhaft zu bezeichnen ist. Wie ist dies mit geltenden Weltbank-
und OECD-Standards vereinbar?

52.   Die Weltstaudammkommission (WCD) wurde 1998 als unabhängiges
Experten-gremium von Weltbank und der World Conservation Union
(IUCN) eingesetzt. Die WCD hat Richtlinien f
ür den Bau von
Riesenstaud
ämmen errichtet. Bei der Evaluierung zahlreicher
Dammprojekte kam die Kommission zu ersch
ütternden Ergebnissen.
Staud
ämme würden häufig nicht die erwartete technische und
wirtschaftliche Leistung erbringen, gravierende
ökologische Folgen nach
sich ziehen und sozial negative Auswirkungen nicht ber
ücksichtigen. So
wurden weltweit ca. 40 bis 80 Millionen Menschen nach dem Bau von
Staud
ämmen vertrieben oder umgesiedelt, von denen viele keine
Entsch
ädigungen erhielten. Viele weitere Millionen Menschen mussten
eine schwere Beeinträchtigung ihrer Lebensgrundlagen hinnehmen. Die
Kriterien der WCD sehen daher unter anderem eine effektive Mitwirkung
aller Beteiligten, die umfassende Pr
üfung von Alternativvarianten und den
Erhalt von Existenzgrundlagen vor.

53.  Entspricht das Ilisu-Projekt den Empfehlungen der internationalen
 Weltstaudammkommission? Falls ja, aus welchen konkreten Dokumenten
 
und Pr
üfberichten ist deren Einhaltung ablesbar (Bitte um konkrete
 Auflistung); falls nein, warum nicht und welche Konsequenzen ziehen Sie
 
daraus?

54.   Die geplante Umsiedelung der betroffenen Bevölkerung - in einer stark
patriarchal geprägten Gesellschaft - wird Frauen in besonderen Ausmaß
treffen und die ohnehin problematischen Geschlechterverhältnisse zu
weiteren Ungunsten von Frauen und M
ädchen verändern. Wurden beim
Ilisu-Projekt gemäß Weltbank- und OECD-Richtlinien Frauenbelange
gesondert untersucht? Falls ja bitte um Angabe der entsprechenden
Berichte und Studien. Falls nein warum nicht und welche Konsequenzen
ziehen Sie daraus?

55.  Soferne Entschädigungen ausgezahlt werden, an wen werden diese
innerhalb einer Familie ausbezahlt? Werden Frauen entsch
ädigt? Wenn


   ja, in welcher Form, wenn nein warum nicht? Wurde untersucht, welche
   Konsequenzen dies f
ür Frauen und Mädchen haben wird? Ist eine
   Kooperation bzw. Unterst
ützung der Frauenhäuser der Großstädte der
  
Region geplant? Wenn ja, bitte um konkrete Angaben.

56.    Welche Garantien seitens des türkischen Staates oder anderer
 
Institutionen liegen Ihnen vor, dass die bei anderen, bereits realisierten
  t
ürkischen Dammprojekten aufgetretenen verheerenden Folgen für die
 
Bevölkerung und die Umwelt beim Ilisu-Projekt nicht eintreten? (Bitte um
  Auflistung)

 

 

57.   Der Birecik-Staudamm (Fertigstellung: 2001; beteiligte Firmen:
 Verbundplan und Strabag) am Euphrat ist eines von vielen Beispielen, die
 
zeigen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Auswirkungen
 Staudammprojekte in der T
ürkei realisiert werden. Die türkischen
 Beh
örden haben die Umsiedlung von 30.000 Menschen damals im
 Hinblick auf die Beteiligung der betroffenen Bev
ölkerung und die
 Verbesserung ihrer Lebensbedingungen als vorbildlich gelobt. Berichte
 der Bev
ölkerung an internationale BeobachterInnen sprechen eine andere
 
Sprache: 18 Dörfer im Baustellengebiet wurden von Soldaten gewaltsam
 ger
äumt; mehr als tausend BewohnerInnen eines Dorfes mussten vor den      steigenden Fluten flüchten und ihr Hab und Gut zurücklassen, weil sie
nicht vorgewarnt wurden; die Gr
äber ihrer Ahnen wurden geflutet statt
verlegt; viele Betroffene haben bis heute keine Entsch
ädigung erhalten.
Ähnliche Berichte liegen von fast allen fertig gestellten
Staudammprojekten in S
üdostanatolien und auch aus anderen Regionen
der T
ürkei vor. Sind Ihnen diese Berichte bekannt? Falls ja, welche
Konsequenzen leiten Sie daraus f
ür das geplante Ilisu-Projekt ab? Falls
nein, warum nicht?

58.             Wurden beim Ilisu-Projekt, insbesondere vor dem Hintergrund der
 
Wasserproblematik in der Region und der geopolitischen Spannungen mit
 
Syrien und Irak in der Planungsphase dem internationalen
 
Völkergewohnheitsrecht entsprechende rechtskonforme Konsultationen
  betreffend der zu erwartenden grenz
überschreitenden
  Umweltbeeintr
ächtigungen geführt? Falls ja, bitte um Angabe der
  entsprechenden Berichte und Quellen und wieso beklagt der irakische
  Au
ßenminister in einem Brief an EU-Kommissarin Ferrero-Waldner das
  Fehlen eben solcher Konsultationen? Falls nein, welche Konsequenzen
  ziehen Sie daraus?

59.             Wurden im Rahmen der Prüfung des Projekts durch die Oesterreichische
 
Kontrollbank auch umfassend Alternativen zum geplanten
  Riesenstaudamm gepr
üft, wie dies der Weltbankstandard vorsieht? Falls
  ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, warum nicht?

60.             Die Kontrollbank hat ein Unabhängiges Expertenkomitee" eingerichtet
  um die Einhaltung der 150 Auflagen zu
überwachen sollen. Der
  Vorsitzende dieses
unabhängigen" Komitees ist Robert Zwahlen, der für
 
den Schweizer Konzern Elektrowatt arbeitet. Elektrowatt ist an der
  Errichtung zahlreicher Wasserkraftwerke in der ganzen Welt beteiligt ist,


  darunter viele Skandalprojekte, wie z.B. der berüchtigte Atatürk-Staudamm
  
in der Türkei, mit dokumentierten Fällen von Umweltzerstörung und
  Menschenrechtsverletzungen. Die meisten anderen Mitglieder des so
  genannten
unabhängigen" Expertenkomitee stehen ebenfalls in
  Naheverh
ältnissen zu Kraftwerksfirmen oder staatlichen türkischen
  Institutionen. Das Expertenkomitee wurde zudem vom
österreichisch-
  deutschen-schweizer Firmenkonsortium eingesetzt und kann daher nur als
 
befangen bezeichnet werden. Nach welchen Kriterien wird die OEKB bei
  allf
älliger Nicht-Einhaltung der Auflagen Sanktionen verhängen, wenn es
  offensichtlich ist, dass das Expertenkomitee des Konsortium keine
  unabh
ängige Bewertung gewährleisten kann? Wird die OEKB eigene,
  wirklich unabh
ängige ExpertInnen in die Region schicken? Wie werden
  Kontrolle und Monitoring genau organisiert?

61.              Welche Konsequenzen bzw. Sanktionen werden Sie / die OEKB Im Falle
  
der Nicht-Einhaltung der Auflagen (ToRs) durch die türkischen Betreiber
  einleiten? Wurde im Vertrag der Exportkreditbanken mit den t
ürkischen
  Betreibern eine vorzeitige F
älligstellung (Rückzahlungsklausel) der Kredite
  
vereinbart? Falls ja, bitte um Übermittlung des entsprechenden Wortlauts
  bzw. Inhalts. Ist genau festgelegt, wann die R
ückzahlungsklausel wirksam
  wird? Falls ja bitte um entsprechende Angaben.

62.      Welche Geschäftsbanken werden die Kredite für das Ilisu-Projekt
   vergeben?

63.      Wurde bei der OEKB um Refinanzierung der Kredite angesucht? Falls ja,
   
von wem?

64.      Gemäß OECD-Richtlinen können für Projekte, die als erneuerbare
   Energien" klassifiziert werden, g
ünstigere Kreditkonditionen gewährt
   werden. Ist das Ilisu-Projekt in diese Kategorie eingeordnet und werden
   
g
ünstigere Kreditbedingungen gewährt?

65.      Ist Ihnen bekannt, dass beim völlig veralteten Stromübertragungsnetz in
  der Region des geplanten Ilisu-Damms Netzverluste von 20% auftreten,
  w
ährend der internationale Durchschnitt bei Netzverlusten nur 8% beträgt?
 
Sind Sie nicht auch der Meinung, dass eine Investition in die Erneuerung
  des
Übertragungsnetzes eine sinnvollere Investition wäre als in den
  geplanten llisu Damm? H
ätten hierbei nicht österreichische Firmen
  mitwirken k
önnen? Sind Ihnen diesbezügliche Gespräche Österreichs mit
  der T
ürkei bekannt?

66.   In der Türkei gibt es enorme, bisher ungenutzte Potenziale im Bereich
erneuerbare Energien. Allein für die Windkraft wird das Potenzial auf
50.000 MW gesch
ätzt. Zum Vergleich: Das Hisu-Wasserkraftwerk hätte
eine Leistung von 1.200 MW. Das in der Türkei im Jahr 2005
beschlossene Gesetz zur F
örderung erneuerbarer Energien wird von
EnergieexpertInnen und NGOs zwar als Schritt in die Richtung
bezeichnet, sei jedoch nicht ausreichend geeignet, um die hohen
Potenziale im Bereich Wind- und Sonnenenergie effizient und rasch zu
nutzen.
Sind Sie nicht auch der Meinung, dass eine Kooperation des


  Staates Österreich mit der Türkei auf dem Gebiet der erneuerbaren
  Energien
ökologisch, sozial und wirtschaftlich vernünftiger wäre, als sich
  an einem umstrittenen Riesenstau-dammprojekt zu beteiligen? Sind Ihnen
 
Gespr
äche von österreichischen RegierungsvertreterInnen mit der Türkei
  bekannt, um das gro
ße österreichische Know-how österreichischer
  Unternehmen im Bereich
Ökoenergien anzubieten?

67.          Stauseen produzieren durch faulende Pflanzen und Kohlenstoffzufuhr
  
aus dem Einzugsgebiet (Eutrophierung) Treibhausgase.

68.          Ist Ihnen bekannt, dass Riesenstaudammprojekte nicht wie von den
   Errichtern behauptet als
saubere Energiegewinnungsprojekte" zu
   bewerten sind, sondern erhebliche negative Auswirkungen auf das Klima
  
haben?

 

69.        Das Ilisu-Projekt ist eines der weltweit umstrittensten Projekte, was die
 bef
ürchteten Konsequenzen für Menschen, Kulturgüter und Umwelt
 betrifft. Auf der Home-page der OEKB ist nun zu lesen, die Kreditlaufzeit
 
sei
>10 Jahre". Trotz wiederholter telefonischer Anfragen von
 MitarbeiterInnen von NGOs war die OEKB nicht bereit, die genaue
 Laufzeit des Kredites zu nennen. Sollte die Kreditlaufzeit 15 Jahre
 betragen, so bedeutet dies, dass llisu einen Sonderkredit (laut OECD
 Kriterien) in der Sparte
Erneuerbare Energieprojekte" erhalten hat.

70.   Wie viele Jahre beträgt die Kreditlaufzeit für das Ilisu-Projekt seitens der
OEKB? Handelt es sich dabei um einen Sonderkredit (laut OECD
Kriterien) in der Sparte
Erneuerbare Energieprojekte"? Sind Sie der
Auffassung, dass der Ilisu-Staudamm ein umweltfreundliches Projekt ist,
das Sonderr
ückzahlkonditionen erhalten sollte?

71.           Sind Ihnen die Stellungnahmen des irakischen Wasserministers Latif
Rashid sowie des irakischen Au
ßenminister Hoshiyar Zebari bezüglich der
bisher völkerrechtlich notwendigen, aber noch immer nicht erfolgten
Konsultationen der T
ürkei mit den Tigris-Anrainerstaaten bekannt? Stellen
die fehlenden Konsultationen Ihrer Meinung nach einen Bruch mit den f
ür
die Vergabe der Garantie zu erfüllenden TORs dar?

72.    Kennen Sie das Gutachten der renommierten VölkerrechtlerInnen Prof.
Boisson de Chazournes, Prof. Crawford und Prof. Philippe Sands, in dem
es u.a. hei
ßt:"... appropriate efforts should be taken to be satisfied that
Turkey has provided full Information to Syria and Iraq in advance of a
decision to proceed, and that Syria and Iraq have been provided with an
opportunity to set forth their views and, as necessary, to participate in
meaningful and good faith consultations. Such consultations should allow
for an exchange of views in which no party has closed its mind as to the
concems of the other"?
Entsprechen die bisher diesbezüglich gesetzten
Schritte diesen Empfehlungen?

73.    In dem o.a. Gutachten heißt es weiter: "Finally, (...), the possibility cannot
be excluded that a State agency or instrumentality which provides
financial support to a project that violates a rule of international law can


  itself give rise to the international responsibility of the State of which the
 
public body forms a part." Ersehen Sie daraus die Gefahr, dass die
  Republik
Österreich für die Nichtbefolgung des Völkerrechts seitens der
 
Türkei zur Verantwortung gezogen werden könnte? Wenn nein, warum
 
nicht?

Abschließend dürfen wir ersuchen, dass sich die Beantwortung der gestellten Fragen nicht in
Hinweisen auf die vom Firmenkonsortium veröffentlichten Informationen (betr. Auflagen etc.)
ersch
öpft, da diese sehr unklar strukturiert sind, sondern die einzelnen Fragen ausführlich beantwortet
werden.