1226/J XXIII. GP
Eingelangt am 06.07.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde
an Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend
betreffend die Kostentragung allgemein empfohlener Impfungen
Entsprechend dem raschen Fortschritt verfügbarer und sinnvoller Impfungen wird jedes Jahr vom Gesundheitsministerium mittels Erlass ein Impfplan verlautbart. Nachdem der aktuelle Impfplan dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entspricht, sind laut Ärztegesetz ÄrztInnen verpflichtet, diese Impfungen ihren PatientInnen anzuraten. Zudem sollen nach dem Impfkonzept 1998 alle empfohlenen Impfungen kostenfrei angeboten werden.
Die Pneumokokkenimpfung wird im Österreichischen Impfplan seit Dezember 2002 allgemein empfohlen. Die Durchimpfungsrate ist allerdings gering, da der teure Impfstoff mit Ausnahmen für Risikofälle privat zu finanzieren ist.
Da Risikogruppen nicht immer ausreichend präzise zu definieren sind und auch nur ungenau erfasst werden, hat sich die Zahl der invasiven Pneumokokkeninfektionen in Deutschland trotz Verfügbarkeit einer Impfung nicht wesentlich verringert. Die Strategie, nur Risikokinder kostenfrei zu impfen muss daher als gescheitert betrachtet werden. In Konsequenz dessen haben Deutschland und andere Staaten daher die allgemeine Impfung empfohlen, welche kostenfrei angeboten wird. Durch Pneumokokken- Massenimpfungen in den USA reduzierten sich mit steigender Durchimpfungsrate die Infektionen mit jedem Jahr bei den Geimpften signifikant.
Auch die Ansteckung von Eltern und Großeltern durch geimpfte Kinder und Enkel ging deutlich zurück. Die indirekten Effekte seltenerer invasiver Pneumokokkeninfektionen bei SeniorInnen sind allerdings an hohe Durchimpfungsraten gekoppelt.
Wohl hauptsächlich aufgrund der außerhalb der Risikogruppen selbst zu bezahlenden Kosten der Pneumokokkenimpfung (Impfung und Impfstoff zum Apothekenabgabepreis betragen in Summe etwa 512 €) ist die Durchimpfungsrate in Österreich minimal (max 20.000 Kinder pro Jahr). Vermeidbare Infektionen bei Kindern sind die Folge. Obwohl die Pneumokokkenimpfung aller Säuglinge eine absehbare Kosten/Nutzen Effizienz verspricht, wird in Österreich die gescheiterte Strategie der Impfung von Risikokindern beibehalten. Bei flächendeckendem Einsatz des Impfstoffes wäre statt des Apothekenabgabepreises von ca.117 € ein Preis von max. 50 € zu erreichen.
Nach einer Stellungnahme des Chemiereports.at (3/2007: 57) soll die konjugierte Pneumokokkenimpfung bereits 8 Jahre nach Einführung in den USA auch in den Ländern der Dritten Welt breit eingesetzt werden. Auch in einem Positionspapier der WHO (Weekly epidemiological record 2007;82:93-104 von 23.3.2007) wird die flächendeckende Einführung in Entwicklungsländern empfohlen. Bislang vergingen bis zum Einsatz neuer Impfstoffe in diesen Staaten meist etwa 15 Jahre.
Was nun in Entwicklungsländern als prioritär geplant ist, hätte spätestens seit 2003 auch im Industrieland Österreich flächendeckend umgesetzt werden können.
Ab Herbst 2007 wird voraussichtlich eine Impfung gegen Herpes zoster (Gürtelrose) erhältlich sein. Dieser Impfstoff wird etwa 200 € kosten und ist besonders bei älteren Menschen von Bedeutung.
Im Jahr 2006 wurde die Rotavirusimpfung für Säuglinge empfohlen (Kosten von Impfung und Impfstoff ca. 290 € ). Durch diese Impfung könnte ein Großteil aller 5.000 Krankenhausaufnahmen pro Jahr wegen Rotavirus-Brechdurchfall vermieden werden. Eine kürzlich veröffentlichte gesundheitsökonomische Bewertung der Rotavirusimpfung für Deutschland (M. Wiese-Posselt, Monatsschrift Kinderheilkunde 2007;155/2:167-75) ergab allerdings, dass 1 € für Impfstoffkosten und Impfung nur 0,366 € an Reduktion der Krankheitskosten auslöst.
Trotzdem plant Österreich die kostenfreie Impfung der Rotavirusimpfung aller Kinder und nicht die kostenfreie Pneumokokkenimpfung aller Kinder, die einen weit aus größeren Kosten/Nutzen Effekt hätte.
Beide Impfungen sind medizinisch indiziert, bescheren allerdings den Eltern bis zum zweiten Lebensjahr ihrer Kinder Kosten von etwa 800 €. Auch wenn diese Kosten mitunter durch Aktionen etwas gedrückt werden, sind sie für Eltern immer noch eine schwerwiegende Hürde und leisten einer Zwei-Klassenmedizin Vorschub.
Seit 2007 wird die erste humane Papillomavirusimpfung (HPV-Impfung) im Impfplan allgemein empfohlen. Diese hat das Potential, 70% der Gebärmutterhalskarzinome und 90% der Genitalwarzen zu verhindern. In Folge suspekter Abstriche werden bei etwa 5.000 Frauen pro Jahr Konisationen (mit einem erhöhten Risiko der Frühgeburtlichkeit bei späterer Schwangerschaft) durchgeführt, bei etwas 500 Frauen wird jährlich Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Davon verstirbt ein Drittel. Etwa 1% der Bevölkerung im Alter von 15-49 Jahren leiden an stigmatisierenden Genitalwarzen, die schwer zu behandeln sind und häufig rezidivieren.
Auch diese Impfung soll trotz erheblichem Einsparungspotential bei den Folgekosten durch die erfolgreiche Prävention privat bezahlt werden (Kosten 660 €). Da die HPV Impfung ab dem 9.Lebensjahr allgemein empfohlen wird, sind annähernd 1.500 € privat zu finanzieren, wenn man die lt. Impfplan empfohlenen Pneumokokken- ,Rotavirus- und HPV-Impfungen durchführen lässt. Dazu kommen die Kosten von 164 € der Impfung gegen Windpocken, die in Österreich ab dem neunten Lebensjahr empfohlen wird.
Für medizinisch und gesellschaftlich höchst sinnvolle, weil auch Folgekosten sparende Präventionsmaßnahmen, die von Ihrem Ministerium empfohlen werden, entstehen pro Kind privat zu tragende Kosten von ca.1.650 €.
Laut Epi Bull (Epidemiologisches Bulletin) des Robert Koch Institutes vom 21. März 2007 müssen einer Berechnung nach nur achtundneunzig 10 jährige Mädchen geimpft werden, um einen späteren Fall von Gebärmutterhalskrebs zu verhindern. Im Vergleich zu anderen kostensparenden Interventionen ist daher auch der teure HPV Impfstoff vergleichsweise preiswert.
Am 24.3.07 haben Sie in Salzburg mitgeteilt, dass ihr Budget mit 25 Mio. € belastet würde, um nur einen Jahrgang Mädchen zu impfen. Wir können das nicht nachvollziehen und kommen selbst bei einer 100%igen Durchimpfungsrate auf etwa die Hälfte der Kosten, zumal ja Impfhonorare nicht aus Ihrem Budget finanziert werden.
Bis zum Ende der Schulpflicht betragen die Kosten der laut Impfplan allgemein empfohlenen Impfungen zwar nur etwa 10 € pro Monat, dennoch werden etwa 50% der Gesamtkosten in den ersten zwei Lebensjahren schlagend. Würden diese Impfungen im Rahmen des Impfkonzeptes angekauft, könnten die Kosten weiter reduziert werden und es ließe sich die Durchimpfungsrate auf das gewünscht hohe Niveau steigern.
Die Konfliktsituation von ÄrztInnen, allgemein empfohlene Impfungen nachdrücklich empfehlen zu müssen, obwohl sie für viele Eltern finanziell nicht oder nicht leicht leistbar sind, wäre beseitigt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1) Stimmen Sie der Aussage zu, dass durch eine flächendeckende Pneumokokken-Impfung etwa 75 % der schwersten Infektionen sowie der Todesfälle vermeidbar wären?
2) Haben Sie vor, die im Impfkonzept empfohlene Impfung gegen Pneumokokken kostenfrei in Österreich einzuführen?
3) Welche Motive haben das Gesundheitsministerium seit Zulassung des Pneumokokkenimpfstoffes gehindert, die flächendeckende, kostenfreie Impfung für Säuglinge einzuführen, obwohl sich durch diese Maßnahme kostenintensive Krankheitsfolgen reduzieren ließen?
4) Warum beharrt das Gesundheitsministerium darauf, weiterhin höhere Kosten für die Behandlung und Rehabilitation von Kindern mit invasiven Pneumokokkeninfektionen in Kauf zu nehmen?
5) Warum argumentieren Sie bei Budgetverhandlungen nicht mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen kostenloser, präventiver Impfangebote, die bis zu 5.000 Kindern pro Jahr einen Krankenhausaufenthalt bei durch Rotaviren verursachtem Brechdurchfall ersparen?
6) Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um eine Herpes Zoster Impfstoff kostenfrei anzubieten?
7) Wie sollen sich pflegebedürftige MindestrentnerInnen diesen Herpes Zoster Impfstoff privat finanzieren?
8) Welche Maßnahmen haben Sie für 2007/08 vorgesehen, um die kostenfreie HPV-Impfung zu ermöglichen, die Frauen in Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit
- in Zukunft pro Jahr 3.500 Konisationen (70 % von 5.000) erspart
- bei etwa 300 von 500 Frauen pro Jahr die Diagnose eines durch HPV verursachten Karzinoms verhindert
- bei etwa 110 Frauen pro Jahr ein weit vorzeitiges Sterben an Gebärmutterhalskarzinom verhindert
- vielen Tausenden in Österreich lebenden Menschen die stigmatisierende Diagnose Genitalwarzen erspart?
1) Andere entwickelte Industrieländer wie Australien oder nunmehr auch Deutschland bieten dieses Jahr die HPV-Impfung für alle Frauen von 12 bis 27 Jahren kostenfrei an, um damit eine maximale Reduktion von Gebärmutterhalskarzinomen zu erreichen. Welche Budgetmittel haben Sie für 2007/08 eingeplant, um dieses Ziel auch zu erreichen?
2) Wenn Sie keine Budgetmittel eingeplant haben, wie wollen Sie die durch HPV verursachten Krebserkrankungen schnellstmöglich weiter als bisher reduzieren?
3) Halten Sie es für zumutbar und gerecht, dass, wenn Private die hohen Kosten der HPV-Impfung selbst bezahlen, die Sozialversicherungsträger und das Gesundheitssystem die Nutznießer der dadurch bedingten Einsparungen sind?
4) Welche Maßnahmen haben Sie budgetär umgesetzt, um die allgemein empfohlenen Impfungen für Kinder und Jugendliche auch kostenfrei anbieten zu können?
5) Ab wann wird dies für welche Impfung zu erwarten sein?
6) In Deutschland gibt es eine neue gesetzliche Regelung, nach der die von der Deutschen Ständigen Impfkommission allgemein empfohlenen Impfungen von den Krankenkassen kostenmäßig getragen werden. Planen Sie für Österreich eine ähnliche Lösung, welche die Kostentragung aller derzeit und zukünftig allgemein empfohlenen Impfungen erfasst?