1244/J XXIII. GP
Eingelangt am 06.07.2007
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ANFRAGE
des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Programm Ländliche Entwicklung auf dem Prüfstand der EU-Kommission
Am 12. Juni 07 zeigten Sie sich in einer Presseaussendung über die ergebnislosen Verhandlungen mit EU-Agrarkommissarin Fischer Boel über das von Österreich eingereichte Programm für die Ländliche Entwicklung, den von Ihnen so genannten „Grünen Pakt“ besorgt. Sie führen an, die Kommission habe keinen Millimeter Bewegung gezeigt und die Verhandlungen seien in zentralen Fragen ergebnislos verlaufen.
Leider haben Sie weder alle Dialog-PartnerInnen noch das österreichische Parlament über die Fragen zum Programm-Entwurf zur ländlichen Entwicklung, bei der es immerhin um 3,9 Mrd. Euro EU-Mittel geht, bisher informiert noch diese dazu eingeladen, über allfällige Verbesserungen oder notwendige Änderungen zu beraten. Im Zusammenhang mit dem in Brüssel eingereichten Programm ergeben sich zahlreiche Kritikpunkte:
Finanzrahmen für das Umweltprogramm nicht ausgeschöpft:
Erklärungsbedürftig ist zum Beispiel, warum Sie von der Möglichkeit der Ausschöpfung von 80 Prozent der Mittel für die Ländliche Entwicklung für das Agrar-Umweltprogramm keinen Gebrauch machen. Der österreichische Vorschlag bleibt nämlich deutlich darunter: Im Jahr 2006 wurden 653 Millionen Euro für Agrarumweltmaßnahmen ausgegeben, ab 2007 sollen es maximal nur mehr 527 Millionen Euro sein. Jährlich könnten jedoch 88,6 Millionen Euro mehr für den Schwerpunkt 2 (Agrar-Umweltprogramm) verwendet werden, wenn Österreich den möglichen 80 Prozent-Anteil der Gesamtmittel für die ländliche Entwicklung ausschöpfen würde. Derzeit sind jedoch nur 72 Prozent für den Schwerpunkt 2 vorgesehen.
Kein ausreichender Schutz für die BIO-DIVERSITÄT (Gentechnikfreies Saatgut)
Trotz der Forderung vieler NGOs, Bio-Austria oder den Grünen Bäuerinnen und Bauern und trotz einstimmiger Landtagsbeschlüsse im Burgenland, Steiermark und Kärnten wird der Einsatz von gentechnikfreiem Saatgut zum Schutz der biologischen Vielfalt nicht im Programm verankert. - Dies wäre eine Grundmaßnahme, die flächendeckend zum Einsatz kommen könnte. Sie haben es nicht einmal versucht, eine solche Maßnahme ernsthaft auszuarbeiten und dann in Brüssel durchzusetzen!
Erhöhung des TIERBESATZES – DÜNGERANFALL (210 kg/ha)
Laut Grünem Bericht 2006 ist der durchschnittliche Tierbesatz in den Futterbaubetrieben zwischen 1 und 1,23 GVE/ha (Großvieheinheit = 1 Rind mit 500 kg Lebendgewicht) reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche. Im Biobereich liegt er bei 1,1 GVE je Hektar. Die Aufhebung der GVE-Grenzen und damit die Möglichkeit, 3 Rinder und mehr je Hektar im Rahmen des neuen ÖPUL zu halten, ist völlig unakzeptabel und wird auch von vielen Bäuerinnen und Bauern, die mit Hausverstand die Sache beurteilen, massiv abgelehnt. Auch die EU-Kommission kritisiert diese Maßnahme, da sie sowohl die EU-Nitratrichtlinie als auch die EU-Bio-Verordnung nicht entsprechend berücksichtige.
Die Reduktion der einzelbetrieblichen Gesamt-Förderung für Bio-Ackerbauern (ca. 20 %) und Bio-Grünlandbetrieben (ca. 25 -35 %) ist völlig unakzeptabel. Die erhöhten Aufwendungen der Biobäuerinnen und Biobauern z.B. zur Reduktion der Pestizide, zum Schutz der Biodiversität und zum Klimaschutz wird nicht ausreichend bewertet! Damit werden so manche Betriebe auch im Biobereich zum Aufgeben gezwungen sein.
Diese Maßnahme soll 15 % des gesamten Agrar-Umwelt-Programmes ausmachen und auf 1,32 Mill. Hektar zur Anwendung kommen. Allerdings finden sich im bisherigen Entwurf keine wesentlichen Maßnahmen, die über eine normale landwirtschaftliche Bewirtschaftung hinausgehen. Es wird damit kein kreislauforientierter Ansatz z.B. flächengebundene Tierhaltung mit hohem Futteranteil aus dem eigenen Betrieb etc. verbunden. Die EU-Kommission fordert daher zu Recht: Es muss sichergestellt werden, dass eine Maßnahme solchen Umfangs einen echten Mehrwert für die Umwelt darstellt.
TIERSCHUTZMAßNAHMEN
nicht in ganz Österreich gefördert
Völlig unerklärlich ist,
warum nur in Kärnten, Tirol und Vorarlberg der Auslauf und die
Weidehaltung gefördert werden sollen. Der Vorschlag der EU-Kommission, die
Förderung kombiniert auf Basis von 170 Tagen Auslauf im Jahr, davon 100
Weidetage, für ganz Österreich anzubieten, ist sachlich völlig
korrekt und entspricht der Erwartungshaltung der Grünlandbäuerinnen
und –bauern in Österreich.
Erstmals erhalten auch Zuckerrüben-Betriebe eine Umweltförderungen von 150 €/Hektar. Dies ist aus mehreren Gründen als reine Klientel-Politik offenkundig. Die Wirtschaftlichkeit (Stundenlohn) des Zuckerrübenanbaus war bisher im Betriebszweigvergleich besonders gut. Die integrierte Produktion führt in vielen Fällen zu keiner Reduzierung von umweltschädlichen Pestiziden und Düngemitteln, sondern nur zu einer genaueren Beobachtung der Schadensschwelle. In manchen Jahren kann dies sogar zu einem stärkeren Pestizid-Einsatz führen als in der traditionellen Landwirtschaft.
Die Maßnahme „bodennahe Gülleausbringung“ soll in Zukunft mit 1 € je m3-Gülle gefördert werden. Zweifellos bringt diese Ausbringungsmethode eine Geruchsminimierung mit sich. Allerdings stellt sich die Frage, warum z.B. die Festmistausbringung oder die Kompostierung, die zum Humusaufbau führt und damit Boden- und Klimaschutzrelevant ist, nicht gefördert wird.
Die Gesamtfördersumme für Bildungs- und Informationsmaßnahmen (0,7% der Gesamtmittel) ist angesichts der vielseitigen Herausforderungen für Umwelt, Natur und Lebensmittelsicherheit sowie der neuen Ansprüche im Bereich der Lebensmittel-Standards (gentechnikfrei, regional, geographischer Ursprung etc) sehr niedrig.
Die Modulation ab 100 Hektar bis 300 Hektar 92,5 %, über 300
Hektar 85 %, über 1000 ha 75 % Prämienanspruch wurde gegenüber
dem bisherigen Programm reduziert. Auch wenn die Modulation nun für den
Gesamtbetrieb gilt – bleibt der Vorschlag hinter dem Evaluierungsbericht
2005 zurück. Dort heißt es:
“In Anbetracht der Skaleneffekte, die bei Großbetrieben wirksam
werden, wäre eine Diskussion über die Effizienz der eingesetzten
Mittel und die Effektivität der Modulation sinnvoll.“ (Seite
198)
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Warum sind Sie nicht bereit, die bäuerlichen Interessensorganisationen, VertreterInnen der Zivilgesellschaft und den Landwirtschaftsausschuss über die 189 Fragen der EU-Kommission zu informieren und in die Beratungen über allfällige Verbesserungen des Programms einzubinden?
2. Mit welchen Organisationen bzw. Gremien haben Sie die Beantwortung der 189 Fragen und die Zwischenergebnisse der Verhandlungen beraten?
3. Wann werden Sie die angekündigten weiteren Argumente und Berechnungen nachreichen?
4. Nach welchen Modalitäten werden Sie die Verhandlungen mit der Kommission weiter führen und wann bzw. in welcher Weise werden Sie die Partnerinnen und Partner sowie die Öffentlichkeit darüber informieren?
5. Warum haben Sie keinen Gebrauch gemacht von der Möglichkeit der Ausschöpfung von 80 Prozent der Gesamtmittel für die Achse 2 bzw. das Umweltprogramm?
6. Warum haben Sie es nicht einmal versucht, den Einsatz von gentechnikfreiem Saatgut im Umweltprogramm zu verankern?
7. Wie rechtfertigen Sie gegenüber der Kommission die Erhöhung des Tierbesatzes und einen Düngeranfall von 210 kg/ha?
8. Wie rechtfertigen Sie gegenüber den Biobäuerinnen und –bauern, dass sie eine Reduktion der einzelbetrieblichen Gesamtförderung von 20 bis zu 35% hinnehmen müssen?
9. Wodurch soll bei der Maßnahme „Umweltgerechte Bewirtschaftung von Acker- und Grünland“ über die normale landwirtschaftliche Praxis hinausgegangen werden?
10. Warum sollen Auslauf und Weidehaltung nur in Kärnten, Tirol und Vorarlberg gefördert werden? Wie stehen Sie dem Vorschlag der EU-Kommission gegenüber, die Förderung kombiniert auf Basis von 170 Tagen Auslauf im Jahr, davon 100 Weidetage, für ganz Österreich anzubieten?
11. Welche konkreten, messbaren und kontrollierbaren Ziele (Reduzierung von umweltschädlichen Pestiziden und Düngemitteln etc.) verfolgen Sie durch die integrierte Produktion im Zusammenhang mit der Förderung der Zuckerrüben-Betriebe?
12. Wie begründen Sie aus umweltpolitischer Sicht, dass in Zukunft „bodennahe Gülleausbringung“ mit 1 Euro je m³ Gülle gefördert werden soll, während z.B. Festmistausbringung oder Kompostierung, die zum Humusaufbau führen und damit auch boden- und klimaschutzrelevant sind, nicht gefördert werden?
13. Wie begründen Sie angesichts der vielseitigen Herausforderungen für Umwelt, Natur und Lebensmittelsicherheit, dass Bildungs- und Informationsmaßnahmen mit nur 0,7% der Gesamtmittel gefördert werden?
14. Wie begründen Sie im Anbetracht des Evaluierungsberichtes, dass die Modulation gegenüber dem bisherigen Programm reduziert wird?