141/J XXIII. GP

Eingelangt am 30.11.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Sburny, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur

 

betreffend Rechnungshofkritik an der Vergabepraxis bei Mitteln der Forschungsförderung

 

 

 

Forschung, Technologie und Innovation sind zentrale Kriterien für die Entwicklung moderner Gesellschaften. Ihre Förderung stellt einen Grundpfeiler der Lissabon-Agenda der Europäischen Union dar, und das Nationale Reformprogramm für Wachstum und Beschäftigung unterstreicht seine Bedeutung für Österreich. Die Bundesregierung sieht sich folgerichtig dem Barcelona-Ziel der Europäischen Union verpflichtet, das eine Forschungsquote von 3% bis 2010 anstrebt. Diese Quote ist jedoch ein ausschließlich quantitativer Indikator. Um die Forschungsintensität der europäischen Gesellschaften zu erhöhen, bedarf es grundlegender Veränderungen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systeme und Institutionen.

 

 

Im Sinne der Erreichung dieser Zielvorstellung kam es in den letzten Jahren zu Reformen der Organisation der Technologie- und Innovationspolitik in Österreich. Als neue Institutionen wurden u.a. der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE), die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und die Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS) eingerichtet. Auf der Finanzierungsseite wurden von der Bundesregierung seit 2001 Sondermittel für Forschung und Entwicklung in der Form von sog. „Offensivprogrammen“ bereit gestellt. Des weiteren wurde 2004 eine Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung eingerichtet. Laut Österreichischem Forschungs- und Technologiebericht 2005 konnten dank dieser Einrichtungen die drei involvierten Ministerien (BMVIT, BMBWK und BMWA) allein in den Jahren 2002-2004 Forschungsförderungen in der Höhe von über EUR 1,3 Mrd. an inländische Empfänger(organisationen) ausschütten. Im Mai 2005 kündigte die Bundesregierung zusätzliche Mittel für F&E (Offensivprogramm III oder sog. „Forschungsmilliarde“) in der Höhe von 1 Mrd. € für die Periode 2007 bis 2010 an.

 

 

Die Zuteilung dieser umfangreichen Mittel, die nicht aus den Regelbudgets des Bundes stammen, erfolgt durch das BMF an die zuständigen Ressorts und orientiert in der Regel an den Empfehlungen des RFTE. Ein derartiger institutioneller Aufbau weist dem RFTE ein hohes Ausmaß von Verantwortung zu. Um dieser Verantwortung im System der Forschungsförderung gerecht werden zu können, benötigt der RFTE sowohl institutionelle und personelle Unabhängigkeit, als auch die Möglichkeit, seine inhaltlichen Empfehlungen an einer übergreifenden Strategie ausrichten zu können. Weiters müssen in ausreichendem Maße Ressourcen zur Verfügung gestellt werden und umfassende Informationen über die gesamten relevanten Förderungen vorliegen.

 

 

Der vor kurzem vorgelegte Rechnungshofbericht 2006/10 zum „Zustandekommen von Empfehlungen des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) im Bereich Biowissenschaften und Biotechnologie (Life Sciences)“ weist einige schwere Kritikpunkte an diesem System der Mittelvergabe auf. So weist  der Rechnungshof insbesondere darauf hin, “dass der Rat zentrale Zielsetzungen des Nationalen Forschungs– und Innovationplans, wie insbesondere das Ziel einer effizienteren und abgestimmten Förderungspolitik, verfehlte. Weiters gab er das wesentliche Instrument zur Durchsetzung der strategischen Ziele auf, nämlich die Mittelvergabe an abgestimmte Programme und Initiativen zu binden.“

 

 

Des weiteren nennt der Rechnungshof weitere gravierende strukturelle Mängel, darunter etwa:

 

·        Das Nachgeben des RFTE auf „massiven Druck“ des BMBWK und der Life-Science-Community (5.4).

·        Die fehlende Abstimmung der Ressorts, die darüber hinaus dem RFTE „die zur Umsetzung seiner Strategie tatsächlich aufgewendeten Finanzmittel nicht bekannt“ gaben (12.1).

·        Die Verwendung von Offensivmitteln „zur Beseitigung von Budgetengpässen“ anstatt „für nachhaltig strukturverbessernde Maßnahmen“ (17.2).

·        Die fehlende Ermittlung von „Folgekosten von Infrastrukturinvestitionen“ sowie in Folge die nicht erfolgte Vorsorge durch „Bedeckung in den Jahresbudgets“ (17.2)

·         Gravierende Mängel in der Programmabwicklung“ des GEN-AU-Programms wie Kostenüberschreitungen, fehlende Originalbelege sowie ein Fehlbetrag in der Höhe von rund EUR 1,24 Mio.

 

 

Dieser Auszug an Kritikpunkten des Rechnungshofes an der Förderpraxis des Bundes im Bereich Life Sciences – lt. RFTE ein „wesentliches Zukunftsfeld Österreichs“ – unterstreicht dramatisch die seit Jahren von den Grünen vorgebrachte Kritik am aufgebauten System der Forschungsförderung: Die Dotierung der Forschungsförderung aus Offensivmitteln anstatt aus den Regelbudgets der Ministerien begünstigt Sektordenken, regt zu intransparentem Handeln an und belastet die Kooperation zwischen den Fördergebern. Wenn Mittelvergabe auf Druck erfolgt, werden inhaltliche Kriterien zurückgestellt und die Orientierung an übergeordneten strategischen Überlegungen wird erschwert. Empfänger von Förderungen leiden unter der daraus resultierenden mangelnden Planbarkeit. Die optimale Wirkung sowie die Nachhaltigkeit der eingesetzten Offensivmittel muss vor diesem Hintergrund ernsthaft hinterfragt werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1)     Welche Anstrengungen wurden seitens des BMBWK bis zum Jahr 2005 unternommen, um den RFTE in der Erstellung einer Strategie betreff Life Science zu unterstützen?

 

2)     Werden bei den Empfehlungen des RFTE Genderaspekte berücksichtigt? Wie kann seitens des BMBWK sichergestellt werden, dass Genderaspekte bei den Empfehlungen des RFTE berücksichtigt werden? Wurden seitens des BMBWK Anstrengungen in diese Richtung unternommen? Wenn ja, wann? Wenn ja, welche?

 

3)     Wie wird vom BMBWK der Vorwurf des Rechnungshofs interpretiert, dass „von den Ressorts massiv Druck auf den Rat ausgeübt wurde“? Dies insbesondere vor dem Hintergrund der anders lautenden Feststellung des BMBWK, dass es keinem Ressort gelingen könne, sich gegenüber dem Rat durchzusetzen?

 

4)     Zur Kooperation BMBWK-RFTE: Wie funktioniert in der Praxis jener Prozess, der zur Abgabe einer Stellungnahme des RFTE betreffs eines vom BMBWK aus Offensivmitteln geförderten Vorhabens führt? Von welcher Stelle geht in der Regel die Initiative zur Ausarbeitung einer Empfehlung aus? Welche Unterlagen werden auf Basis welcher Kriterien zwischen welchen Stellen ausgetauscht? Wie werden die Kriterien definiert, auf deren Basis der RFTE seine Empfehlungen abgibt? Welche Stellen können auf diese Kriterien Einfluss nehmen? Wie lange dauert der Prozess zwischen der ersten Kenntnisnahme eines Vorhabens durch den RFTE und der Abgabe einer Empfehlung? An wen wird die Empfehlung gerichtet? Ist der Prozess der Erstellung von Empfehlungen formalisiert, und wenn ja, wo ist diese Formalisierung festgeschrieben? Besteht für das BMBWK die Möglichkeit, den Inhalt der Empfehlung zu beeinflussen? Wenn ja, auf welche Art und in welchem Stadium der Erstellung der Empfehlung? Was ist – in der Praxis – die Bedeutung der Empfehlung des Rates?

 

5)     Gibt es im BMBWK eine zentrale Anlaufstelle für die Fördervergabe im Bereich Life Science? Wenn ja, welche ist dies? Gibt es für andere Förderbereiche ähnliche Anlaufstellen? Wenn ja, welche sind dies?

 

6)     Welche Anstrengungen werden seitens des BMBWK unternommen, seine Förderaktivitäten im Bereich Life Science mit jenen anderer Fördergeber auf Bundes- und Länderebene zu koordinieren?

 

7)     In welcher Höhe wurden vom BMBWK seit dem Jahr 2000 Mittel der Forschungsförderung vergeben? Aus welchen Töpfen stammten die Mittel (Regelbudget, Offensivmittel I, II, etc.)? Wer sind bzw. waren die Empfänger(organisationen)? Für welchen Anteil daran lagen Empfehlungen des RFTE vor? Welcher Anteil dieser Mittel kam der Forschung im engeren Sinne (d.h. exkl. PR, Verwaltung etc.) zugute?

 

8)     Welche Instrumente des strategischen Controllings von in der Forschungsförderung eingesetzten Mittel stehen dem BMBWK zur Verfügung? Werden diese als ausreichend angesehen? Gibt es konkrete Vorschläge für Verbesserungen? Wurden seit Erstellung des Rechnungshofberichts konkrete Projekte bereits in Angriff genommen? Wenn ja, welche personellen und finanziellen Ressourcen wurden dafür bereitgestellt, und wann ist mit einer Finalisierung bzw. vollständigen Implementierung zu rechnen?

 

9)     Wie interpretiert das BMBWK vor dem Hintergrund der Kritik des Rechnungshofs an der mangelhaften Übermittlung fundierter Daten an den RFTE seine aus §7 Forschungsorganisationsgesetz erwachsenden Verpflichtungen zur Erstellung einer umfassenden Forschungsdokumentationsdatenbank?

 

10)    Welche Schritte wurden seitens des BMBWK seit der letztjährigen Kritik des Rechnungshofs (geäußert in seinem Bericht 2005/9) an der mangelhaften Aufbereitung und Offenlegung von Daten der Forschungsförderung im Sinne des Forschungsorganisationsgesetzes zur Verbesserung dieser Situation getätigt? Welche personellen und finanziellen Ressourcen wurden dafür bereitgestellt, und wann ist mit einer Finalisierung bzw. vollständigen Implementierung zu rechnen?

 

11)    Wie erklärt man sich seitens des BMBWK die im Bericht des Rechnungshofs 2006/10 auf Seite 19 auftretenden Widersprüche zwischen BMBWK und dem Rechnungshof bezüglich der Existenz mittelfristiger Budgetpläne für geförderte Vorhaben?

 

12)    Wie hoch sind die dem BMBWK in den Jahren 2007 bis 2010 anfallenden Folgekosten für die beiden von ihm geförderten Einrichtungen „Institut für Molekulare Biotechnologie GmbH“ (IMBA) und „Forschungszentrum für Molekulare Medizin“ (CeMM)? Wie gliedern sie sich auf und wie ist derzeit geplant, diese Folgekosten zu bestreiten? Ist absehbar, dass die Folgekosten auch ohne weitere Offensivmittel finanziert werden können?

 

13)    Ist das BMBWK der Meinung, dass in den Jahren 2000 – 2005 die Aufteilung vorhandener Offensivmittel im Bereich Life Sciences zwischen den Ministerien optimal war, oder hat das praktizierte System der Mittelallokation zu relativer Unter- bzw. Überdotierung einzelner Vorhaben geführt? War die Mittelallokation optimal im Sinne der nachhaltigen Steigerung der Forschungsintensität der heimischen Wirtschaft sowie der Gesellschaft als Ganzem?