1632/J XXIII. GP

Eingelangt am 11.10.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

an Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten

 

betreffend Umwelt- und Sozialprobleme im Zusammenhang mit der Winterolympiade 2014 in Sotschi

 

 

Am 5. Juli 2007 wurde in Guatemala die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bekannt gegeben, die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi (Russland) abzuhalten.

 

Die olympischen Spiele sollen laut derzeitigen Plänen in zwei Olympia-Parks stattfinden. Ein Park wird sich etwa 25 km vom Stadtzentrum Sotschis entfernt an der Schwarzmeerküste im Sumpfgebiet Imeretinskaya Lowland befinden, der zweite in der Bergregion Krasnaya Polyana, etwa 50 km von Sotschi entfernt.

 

Laut IOC-Evaluierungsbericht sollen sieben Austragungsorte innerhalb des Sotschi-Nationalparks erbaut werden. Betroffen wäre eine Fläche von mindestens 800 ha. Zwei dieser Örtlichkeiten, das Olympische Dorf in Krasnaya Polanya sowie die Bob-Bahnen, werden sich nach den derzeitigen Plänen im Kaukasus-Biosphärereservat (Caucasus State Biosphere Reserve) befinden. Dieses Reservat ist Teil des seit 1999 bestehenden UNESCO-Weltnaturerbes „Westkaukasus“, das letzte große unberührte Berggebiet Europas.

 

Für den Bau der Infrastruktur veranschlagt das russische Planungskomitee 9 Mrd. USD, nochmals 9 Mrd. USD sollen Privatfirmen in das Projekt stecken. Auch österreichische Firmen sind dabei an Aufträgen interessiert.

 

Werden die Bauarbeiten durchgeführt, wie es im offiziellen Bewerbungsdokument (Bid Book) vorgesehen ist, wird dies negative ökologische wie auch soziale Folgen nach sich ziehen:

 


1. Schädigungen im Naturschutzgebiet und Biosphärereservat

 

Wie oben erwähnt, sind etliche Bauvorhaben in der Pufferzone bzw. direkt an der Grenze des Weltnaturerbes „Westkaukasus“ geplant. Dies gefährdet zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die in die Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, IUCN) aufgenommen wurden.

Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs) wurden auf Druck russischer Umweltorganisationen zwar zugesagt, aber für die bisherigen Planungen schienen UVPs weder aus Sicht der russischen Regierung noch des IOC notwendig gewesen zu sein. Der russische Rechnungshof hatte laut Presseberichten 2006 festgestellt, dass von 18 bereits begonnenen Bauprojekten im Nationalpark lediglich fünf die gesetzlich vorgeschriebenen Auflagen erfüllten.

 

2. Bedrohung des Sumpfgebietes Imeretinskaya Lowland

 

In den Imeretinskay Lowlands sind über 200 verschiedene Vogelarten, unter ihnen auch einige gefährdete bzw. geschützte Arten, beheimatet. In den Lowlands überwintern überdies viele Zugvögel.

An diesem Ort sollen zahlreiche Sportstätten sowie das zentrale Olympische Dorf untergebracht werden. Weiters ist ein thermisches Kraftwerk sowie der Neubau eines großen Frachthafens (zum Transport der für die massive Bautätigkeit notwendigen Materialien) geplant.

Das bedeutet eine massive Einschränkung des Lebensraumes für die zahlreichen Vogelarten. Deshalb hat die russische Regierung Umweltorganisationen ursprünglich das Gebiet an der Mündung des Psou-Flusses als Naturreservat angeboten. Davon    ist heute keine Rede mehr, im Gegenteil: Genau dort soll der neue Frachthafen    gebaut werden.

 

3. Gefährdung des Trinkwassers und verstärkte Lärmbelästigung durch Flughafen-Ausbau

 

Der Mzymta Fluss - Trinkwasser-Reservoir für Sotschi – soll wegen der Ausbaupläne des Adler -Flughafens umgeleitet werden. Dadurch ist, wenn nicht die entsprechen-   den Umweltschutzmaßnahmen getroffen werden, die Trinkwasserversorgung von Sotschi gefährdet.

Für die AnrainerInnen bedeutet der Ausbau des Flughafens eine Verschärfung der bereits bestehenden extremen Lärmbelästigung.

 

4. Umsiedelungsmaßnahmen

 

Wahrscheinlich werden Hunderte EinwohnerInnen von Sotschi im Zuge der Bauarbeiten umgesiedelt werden müssen. Mindestens 200 Häuser sind in den Imeretinskaya Lowlands betroffen, aber es werden auch Umsiedelungen in Adler   sowie Krasnaya Polyana erwartet. Viele der BewohnerInnen wohnen zwar bereits     seit Generationen auf ihrem Land, Landtitel haben aber nicht alle. Die Legalisierung der Landtitel wurden von den Behörden in den letzten Jahren – wohl auch im     Hinblick auf die Olympia-Bewerbung Sotschis – nicht mehr anerkannt. Viele BewohnerInnen der Lowlands etwa leben von Zimmervermietung sowie den      Erträgen ihrer Gärten und brauchen eine neue Lebensgrundlage.

Bisher wurden von offizieller Seite keine Pläne für Kompensationszahlungen, Umschulungen und andere begleitende Maßnahmen bekannt gegeben.

 

5. Bedrohung von Sotschi durch Giftmüll-Altlasten

 

Die seit 50 Jahren bestehende Adler- sowie die seit 25 Jahren bestehende Loo Solid Waste Range -Müllhalde in Sotschi stellen eine permanente Gefährdung für Boden  und Grundwasser dar. Gefährlich werden können ein Abrutschen der Halden sowie  das Durchsickern toxischer Materialien in die umgebenden Flüsse. Eine dritte Müllhalde, die Navaginskaya Solid Waste Range, wurde offiziell geschlossen,   vergiftet die Stadt jedoch weiterhin.

Eigentlich sind insg. 48 Mio. US-Dollar für Maßnahmen zur Verhinderung von Erdrutschen sowie für die Rehabilitation der Mülledeponien Adler und Loo    vorgesehen. Aber mehr als ein Jahr ist vergangen und die geschehen ist noch     nichts.

Notwendig wäre eine Sanierung der Müllhalde sowie der Neubau einer modernen   Müll-Entsorgungsanlage, um die Verseuchung der Küste und des Meereswassers in der Nähe der Olympiaanlagen zu verhindern.

 

 

In Russland kommt und kam es wegen all dieser Bedenken immer wieder zu Protestaktionen von Umweltgruppen, wie Greenpeace, WWF und der lokalen Umweltorganisation Environmental Watch on the North Caucasus.

Bisher fanden keine öffentlichen Hearings statt, in der die betroffene Bevölkerung   oder kritische Umweltorganisationen einbezogen gewesen wären.

 

Bei der Jahresversammlung des für die UNESCO-Konvention zuständigen World Heritage Committees wurde beschlossen, im Jahr 2008 eine Delegation in das     Gebiet zu entsenden. Dies könnte bedeuten, dass das Gebiet „Westkaukasus“ in die Liste des gefährdeten Weltnaturerbes aufgenommen wird.

 

Inzwischen hat die russische Regierung zwar versprochen, Maßnahmen zum Schutz des UNESCO-Reservats und des Sumpfgebietes zu ergreifen. Konkrete (Finanzierungs-)Pläne oder auch nur Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden bisher nicht vorgelegt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1. Werden Sie sich in Ihren Kontakten mit der russischen Regierung dafür einsetzen, dass die noch durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs) für

        die im Zusammenhang mit der Winterolympiade 2014 geplanten Bauvorhaben nach höchsten europäischen Standards durchgeführt werden? Werden Sie sich  in diesem Zusammenhang dafür einsetzen, dass diese UVPs auch die

ökologisch nachhaltige Nutzung der Infrastruktur nach der Olympiade überprüfen?

 

2. Werden Sie sich in Ihren Kontakten mit der russischen Regierung dafür einsetzen, dass die für die derzeit geplanten Bauvorhaben, die in der Pufferzone bzw.    direkt an der Grenze des Weltnaturerbes „Westkaukasus“ angesiedelt sein sollten, alternative Standorte in ökologisch weniger sensiblen Gegenden gefunden werden?

 

3. Werden Sie sich in Ihren Kontakten mit der russischen Regierung dafür einsetzen, dass nicht weitere Schutzzonen des Nationalparks von Sotschi umgewidmet werden, um eine Bautätigkeit dort zu ermöglichen, sowie dass bereits vorgenommene Umwidmungen wieder rückgängig gemacht werden?

 

4. Werden Sie sich in Ihren Kontakten mit der russischen Regierung dafür einsetzen, dass eine Schutzzone für die in den Imeretinskaya Lowlands beheimateten   Vögel eingerichtet wird?

 

5. Werden Sie sich in Ihren Kontakten mit der russischen Regierung dafür einsetzen, dass die Bauvorhaben so gestaltet werden, dass zu keiner Zeit die Trinkwasserversorgung von Sotschi gefährdet wird?

 

6. Werden Sie sich in Ihren Kontakten mit der russischen Regierung dafür einsetzen, dass Umsiedelungen im Zuge der Bauvorhaben möglichst gering zu halten    sind? Und werden Sie sich dafür einsetzen, dass Umsiedelungen – so sie unumgänglich sind – nach international anerkannten Standards (was Entschädigungszahlungen, Schaffung neuer Einkommensmöglichkeiten, Durchführung von Stakeholder-Prozessen etc. anlangt) durchgeführt werden?

 

7. Werden Sie sich in Ihren Kontakten mit der russischen Regierung dafür einsetzen, dass die Giftmüll-Halden saniert werden und eine moderne Müllverbrennungs-anlage errichtet wird, um die Gesundheit der EinwohnerInnen von Sotschi    ebenso wenig zu gefährden wie die der  Olympia-SportlerInnen,  -Funktionär-Innen und –BesucherInnen?

 

8. Werden Sie sich innerhalb der Europäischen Union dafür einsetzen, dass die EU    in allen ihren Kontakten mit  Russland die  unter den Fragen 1. bis 7.  ange-führten Probleme und Maßnahmen anspricht?