1640/J XXIII. GP
Eingelangt am 16.10.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde
betreffend von Österreich umzusetzende Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union
In der öffentlichen Diskussion spielt die Umsetzung von EU-Richtlinien, z.B. bei einzelnen Vertragsverletzungsverfahren, in das nationale Recht immer wieder eine wichtige Rolle. Die Frage des Hochschulzuganges für EU-Bürgerinnen und –Bürger wurde auf diese Weise durch ein Urteil des EuGH vom 7.07.2005 ebenso virulent wie beispielsweise die Verletzung der RL 93/89 bei der Erhöhung der Mautgebühren für die Benützung der Brennerautobahn am 26.09.2000 zu einer Verurteilung der Republik geführt hat. Es ist daher von eminentem Interesse der Abgeordneten zum Nationalrat, von der Bundesregierung Kenntnis darüber zu erlangen, welche Richtlinien durch die jeweils zuständigen Bundesministerien und Bundesländer bisher noch nicht umgesetzt wurden und welche Richtlinien in den nächsten Jahren fristgerecht umzusetzen wären.
Auf der
anderen Seite ist es ebenfalls für die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit
von
Bedeutung, Kenntnis darüber zu haben, welche Verordnungsinhalte mit dem
geltenden
nationalen Recht im
Widerspruch stehen und dieses derogieren. In solchen Fällen sollte der nationale Gesetzgeber die mit
unmittelbar anwendbarem EU-Recht im Widerspruch
stehenden Bestimmungen
aufheben bzw. anpassen.
Von der EU-Kommission wird als Ziel ein Umsetzungsdefizit von maximal 1,5 % akzeptiert. Die EU-Staats- und Regierungschef legten überdies auf der Tagung des Europäischen Rates in Barcelona im Frühjahr 2002 das Ziel der so genannten Nulltoleranz fest. „Nulltoleranz“ besagt, dass alle Richtlinien innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der Umsetzungsfrist umgesetzt sein sollen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Welche EU-Richtlinien waren mit Stichtag 1. Juni 2007 nicht vollständig bzw. überhaupt nicht umgesetzt?
2. Wann sind die diesbezüglichen Umsetzungsfristen abgelaufen?
3. Welche Bundesgesetze oder Verordnungen bzw. Landesgesetze sind von einer Umsetzung betroffen?
4. Welche Inhalte dieser Gesetze oder Verordnungen sind davon betroffen?
5.
Wie viele und welche
dieser Richtlinien sind ausschließlich durch den Bund umzusetzen?
Welche/r
Bundesminister/in ist jeweils dafür zuständig?
6.
Wie viele und welche
dieser Richtlinien sind sowohl vom Bund als auch von den Ländern
(Landtage) umzusetzen?
Welche/r Bundesminister/in ist jeweils dafür zuständig?
7. Wie viele und welche dieser Richtlinien sind ausschließlich von den Ländern (Selbständiger Wirkungsbereich) umzusetzen?
8. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung im Einzelfall dem Nationalrat bisher keine diesbezüglichen Regierungsvorlagen übermittelt bzw. allenfalls keine entsprechende Verordnung erlassen? Welche Gründe gab es, die gegen eine fristgerechte Umsetzung sprachen? Wer erhob jeweils Einwände?
9. Bei welchen dieser Richtlinien ist die Umsetzung seit mehr als 2 Jahren überfällig?
10. Welche EU-Richtlinien waren bzw. sind nach dem 1. Juni 2007 umzusetzen?
11. Wann lief bzw. läuft dafür die jeweilige Frist
ab (Aufschlüsselung auf Richtlinien und
jeweilige Fristen)?
12. Wie viele und welche dieser Richtlinien sind ausschließlich durch den Bund umzusetzen? Welche/r Bundesminister/in ist jeweils dafür zuständig?
13. Wie viele und welche dieser
Richtlinien sind sowohl vom Bund als auch den Ländern
umzusetzen? Welche/r
Bundesminister/in ist jeweils dafür zuständig?
14. Wie viele und welche dieser Richtlinien sind ausschließlich von den Ländern (Selbständiger Wirkungsbereich) umzusetzen?
15. Was sind die politischen Hauptinhalte dieser Richtlinien und welche Bundesgesetze oder Verordnungen bzw. Landesgesetze werden voraussichtlich zu ändern sein?
16. Welche EU-Verordnungen, die bis 1. Juni 2007 in Kraft getreten sind, stehen mit nationalen Rechtsvorschriften im Widerspruch?
17. Welche Bundesgesetze oder Verordnungen bzw. Landesgesetze sind davon betroffen?
18. Welche Inhalte dieser Gesetze bzw. Verordnungen sind davon betroffen?
19. Warum hat die Bundesregierung bisher dem Nationalrat diesbezüglich noch keine Regierungsvorlagen übermittelt oder entsprechende Verordnungen erlassen, um jeweils die Widersprüche zwischen europäischem und nationalem Recht aufzulösen?
20. Welche Gründe gibt bzw. gab es, die gegen eine derartige Rechtsbereinigung sprachen?
21. Wie viele Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich wegen mangelhafter bzw. unterbliebener Umsetzung von EU-Richtlinien waren bzw. sind beim EuGH anhängig (Art 226 EGV)? Um welche Verfahren handelt es sich konkret? Wie ist der Stand der einzelnen Verfahren? Wie viele und welche Verfahren betreffen die Republik Österreich, wie viele und welche die Bundesländer?
22. Wie viele Vertragsverletzungsverfahren wurden bereits durch Urteil des EuGH abgeschlossen?
Um welche Verfahren handelte es sich konkret? Wie viele und welche Urteile betrafen die Republik Österreich, wie viele und welche die Bundesländer?
23. Welche Kosten sind bislang bei den einzelnen Ressorts nach Verurteilungen Österreichs durch den EuGH angefallen? Welche Bundesministerien waren davon betroffen (Ersuchen um Aufschlüsselung auf Verfahren, Bundesministerien und Kosten)?
24. Welche Kosten haben die Bundesländer nach einer Verurteilung Österreichs durch den EuGH wegen nicht fristgerechter und/oder unvollständiger Richtlinienumsetzung übernehmen müssen (Aufschlüsselung auf Verfahren, Bundesländer und jeweils Kosten)?
25. Wie sieht einerseits mit Stichtag 1. Juni 2007 bzw. andererseits das letztbekannte Ranking über die Umsetzung von EU-Richtlinien bei den EU-Mitgliedsstaaten aus (Ersuche um Prozentangabe)?
Worauf sind Ihrer Meinung nach die derzeit bestehenden Umsetzungsdefizite in Österreich zurückzuführen?
26. Wie viele und welche Vorabentscheidungsverfahren wurden durch Österreichs Gerichte und Gerichtshöfe bislang an den EuGH herangetragen (Aufschlüsselung der Verfahren)?
27. Wie viele und welche Vorabentscheidungsverfahren wurden bereits mit Urteil des EuGH abgeschlossen? Welche konkreten Entscheidungen traf dabei jeweils der EuGH (Ersuche um Darstellung der Erkenntnisse)?
28. Zu welchen legislativen Maßnahmen und/oder behördliche Vollzugsmaßnahmen führten diese Urteile des EuGH? Welche sind noch offen? Welche Bundesminister/innen sind dabei im Verzug? Sind dazu Koordinierungsmaßnahmen im Sinne des Bundesministeriengesetzes durch das BKA notwendig?
29. In wie vielen und welchen Fällen wurden aufgrund von Urteilen des EuGH Ersatzansprüche aus dem Titel Staatshaftung (z.B. legislatives Unrecht) gegenüber dem Bund oder anderen Gebietskörperschaften gestellt?
Wenn ja, welche Summen wurden geltend gemacht? Welche Bundesministerien oder sonstige Gebietskörperschaften waren davon betroffen? Wie wurden diese Ansprüche erledigt?
30. Welche Maßnahmen werden Sie aufgrund Ihrer Koordinierungskompetenz gegenüber dem/r jeweils zuständigen Bundesminister/in bzw. gegenüber den Bundesländern (z.B. im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung) ergreifen, die nach erfolgter Umsetzung von EU-Richtlinien oder anderer Rechtsakte jedoch die in den jeweiligen EU-Richtlinien, VOen etc. vorgeschriebenen Kontrollen nicht vornehmen?
31. Wann und wie oft tagte die Ende letzten Jahres eingerichtete „Umsetzungskommission"? Welche Ergebnisse wurden dabei jeweils erzielt?