1714/J XXIII. GP

Eingelangt am 30.10.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten NEUBAUER und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend aktuelle Missstände in der Justizverwaltung

A) Zur Zahl 467/J-NR/2007 erging seitens des Anfragestellers Abg.z.NR Neubauer und Kollegen eine Parlamentarische Anfrage an die Bundesministerin für Justiz in Bezug auf Missstände in der Justizverwaltung rund um die Libro-Causa.

Angesichts der offenkundig zu Tage tretenden Lücken dieser Anfragebeantwortung wurde — unter Berücksichtigung der besonderen rechtsstaatlichen Bedeutung - zur Aufklärung der im Rahmen der parlamentarischen Anfrage 467/J und der diesbezüglich ergangenen Anfragebeantwortung aufgekommenen Aspekte, deren Transparentmachung Gegenstand der parlamentarischen Interpellations- und Kontrollrechte ist, beschlossen, im Parlament der Republik Österreich eine Anhörung der Betroffenen durchzuführen und fanden die entsprechenden Anhörungstermine an mehreren Tagen im Parlament statt. Der diesbezügliche Abschlussbericht liegt bei und bildet einen integrierenden Bestandtteil der gegenständlichen Anfrage.

Hervorgekommen sind in den Einvernahmen - welche der Frau Bundesministerin für Justiz unter einem zur amtswegigen Prüfung und pflichtgemäßen Veranlassung übermittelt werden - in Bezug auf den Gegenstand der parlamentarischen Anfrage 467/J und der diesbezüglich ergangenen Anfragebeantwortung (von der Bundeministerin für Justiz an die Präsidentin des Nationalrates gerichtete parlamentarische Anfragebeantwortung BMJ-Pr7000/025-Pr 1/2007, ergangen zur [Anfrage-]Zahl 467/J-NR/2007, XXIII. GP.-NR 492/AB) mehrere relevante Aspekte, die zutageteten ließen, dass die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz teils unschlüssig, teils sachlich unrichtig ist, da auf die präzisen Fragen nur pauschale Antworten gegeben wurden und dadurch das parlamentarische Interpellationsrecht unterlaufen wurde.


Daher wird der Bundesministerin für Justiz nochmals die Möglichkeit gegeben, die noch offenen Anfragepunkte einzeln, vollständig und korrekt (statt pauschal, unvollständig und sachlich falsch) zu beantworten.

Dabei sei auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hingewiesen, derzufolge falsche Mitteilungen bzw. die von einem Bundesminister beabsichtigte Täuschung des Nationalrates über tatsächliche Vorgänge den Nationalrat in seinem konkreten Recht auf Einleitung von Maßnahmen der rechtlichen Kontrolle der Vollziehung schädigen und - insbesondere bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen - Amtsmissbrauch gemäß § 302 StGB darstellen können (OGH, 14 Os 125/92 vom 12. Oktober 1993).

Sohin ergeht - unter Bezugnahme auf den beiliegenden Bericht - hiermit folgende

ANFRAGE:

1.) Ist es zutreffend, dass der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Justizverwaltungsorgan Mag. Löb und Rechtsanwalt Dr. Kresbach die ihnen zustehende Einsichtnahme in die Schöffendienstliste seines Gerichtes verweigerte?

2) Ist es zutreffend, dass der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Justizverwaltungsorgan die Schöffendienstliste erst zu Ende der Rechtsmittelfrist aufgrund des Einschreitens des Oberlandesgerichtspräsidenten als Aufsichtsorgan herausgab?

3.) Wann erlangte das BMJ von wem erstmals Kenntnis davon?

4.) Ist es zutreffend, dass das Bundesministerium für Justiz mit einem Schreiben aus 9/2006 seitens unmittelbar Betroffener (Korrespondenz Löb-BMJ) über diesen Missstand informiert wurde?

5.) Wer schritt diesbezüglich wann beim Oberlandesgericht ein?

6.) Was wurde daraufhin verfügt?


7.) Welche weiteren Untersuchungsmaßnahmen im Rahmen der Justizverwaltung sind anhängig oder gedenken Sie zur restlosen Aufklärung der Fakten in diesem Zusammenhang im Rahmen Ihrer Zuständigkeit zu veranlassen?

8.) Wurden alle Schöffen im 2. Quartal 2005/2006, Abteilung 42, 46, am Landesgericht Wiener Neustadt exakt nach der Reihenfolge der Schöffendienstliste berufen?

9.) Wenn nein, welche wurden nicht berufen?

10.) Wurde Schöffe Nummer 139 aus der genannten Liste ordnungsgemäß berufen?

11.) Wurde Schöffe Nummer 139 aus der genannten Liste beim genannten Gericht im Strafverfahren gegen Rettberg u.a. als Schöffe eingesetzt?

12.) Wenn nein, warum nicht?

13.) Welche Konsequenzen werden Sie als Bundesministerin treffen, wenn eine ordentliche Ladung und Einsetzung aller Schöffen in Reihenfolge der Schöffenliste ohne sachliche Gründe unterblieben ist?

14.) Können Sie als rechtskundige Ministern angesichts der Häufung von Absonderlichkeiten in der Justizverwaltung beim Landesgericht Wiener Neustadt eine Befangenheit der Richterin Mag. Borns im Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Eckert ausschließen?

15.) Sind Ihnen die Rechtsgutachten der Professoren Zagler und Seiler in diesem Zusammenhang bekannt?

16.) Wie lautet deren Inhalt?


17.) Ist Ihnen diesbezüglich die Abhandlung von Dr. Hollaender „Abgesondert geführte Verfahren - Richterliche Befangenheit bei Vorverurteilung eines Mittäters", erschienen in der juristischen Fachzeitschrift „Anwalt aktuell", März-Ausgabe 2007, bekannt?

18.) Wurde diese Abhandlung Ihrem Kabinett von Rechtsanwalt Dr. Dohr zur Kenntnis gebracht? 19.) Wie lautet der Inhalt dieser Abhandlung?

20.) Werden Sie folglich die staatsanwaltschaftlichen Behörden zur Stellung eines Ablehnungsantrages gegen befangene Richter veranlassen?

21.) Werden Sie folglich der Generalprokuratur den Auftrag geben, in diesem Zusammenhang eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes an den Obersten Gerichtshof zu erheben, um zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit im gegenständlichen Verfahrenskomplex hinsichtlich der Befangenheitsfrage und der Schöffenmissstände eine objektive und letztgültige Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof über diese Aspekte ohne weitere zeitliche Verzögerung zu ermöglichen?

22.) Werden Sie angesichts der rechtlichen Erwägungen von Oberstaatsanwalt Hofrat Helmuth Seystock zum mangelnden juristischen Inhalt der von Staatsanwalt Fuchs im Libro-Verfahren erhobenen Anklage letzteren anweisen, die Anklage gegen Dr. Eckert zurückzuziehen?

23.) Wenn ja: wann? Wenn nein: warum nicht?

24.) Kann ein Forderungskäufervertreter Beteiligter des Delikts nach § 156 StGB sein?

25.)Wenn nein, welche Kosten sind dem österreichischen Steuerzahler bisher dadurch erwachsen, dass der ursprünglichen rechtlichen Analyse von Oberstaatsanwalt Seystock nicht Folge geleistet wurde?

26.) Welche amtswegigen Konsequenzen ziehen Sie als ein dem Legalitätsprinzip verpflichtetes Organ aus dem Ihnen nunmehr zur Kenntnis gelangten Inhalt beiliegenden Abschlussberichtes


und  der Ihnen   unter einem  übermittelten  Tondokumente der  diesem  zugrundeliegenden Anhörungen?


ERHEBUNGSBERICHT DES ABGEORDNETEN NEUBAUER ZUR AUFKLÄRUNG  AKTUELLER JUSTIZMISSSTÄNDE

                                     in Österreich

unter Bezugnahme auf die Parlamentarische Anfrage 467/J-NR/2007 und die von Seiten der Bundesministerin für Justiz unter der Zahl BMJ-Pr7000/025-Pr 1/2007 ergangene parlamentarische Anfragebeantwortung (Beilagen zu den parlamentarischen Materialien: XXIII. GP.-NR 492/AB)

Zur Zahl 467/J-NR/2007 erging seitens des Anfragestellers Abg.z.NR Neubauer und

Kollegen eine Parlamentarische Anfrage an die Bundesministerin für Justiz in Bezug auf

Missstände in der Justizverwaltung rund um Vorgänge  beim Landesgericht Wiener

Neustadt.

Hintergrund   der   parlamentarischen   Anfrage   war   der   Umstand,   dass   sich   bei

verschiedenen zivil- und strafrechtlichen Verfahren in letzter Zeit diverse Beschwerden

hinsichtlich der Justizverwaltung des betreffenden Gerichtes mehrten.

Eine  dieser Beschwerden   hat  zum   Teil   auch   bereits   zur Anhängigkeit  beim

Europäischen Menschengerichtshof in  Straßburg geführt (vgl. Dossier 5711/07,

Cour Européenne des Droits de l'Homme, Conseil de l'Europe).

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Auch in den Medien wurde von Anfang an heftige Kritik an Objektivitätsmängeln in

diesem Verfahren laut:

Format 48/04 vom 26.11.2004, Seite 46: Staatsanwälte uneinig - Laut einem internen Papier der

Oberstaatsanwaltschaft... unschuldig. Trotzdem droht ihm die Anklage"

News" Nr. 4/06 vom 26.01.2006, Seite 69: Knalleffekt im Justizfall Libro: Hauptgläubiger lässt Klage gegen

Ex-Libro-Boss fallen. Prozess vorm Platzen. Der Vergleich mit dem einzig verbliebenen Hauptgläubiger, der

Bank Austria Creditanstalt, ist erfüllt. Damit gibt es jetzt keinen möglichen Geschädigten mehr. Alle laut

Anklage angeblich Geschädigten haben keinerlei Forderungen. Dass es dennoch zu einem Prozess kommt,

halten zahlreiche Justizexperten für einen Fehler. Sogar in der Oberstaats- anwaltschaft Wien gab es

bereits Stimmen, die Causa besser ohne Anklageerhebung zu den Akten zu legen. Allerdings waren die

beiden Wirtschaftsanwälte Rettbergs 2004 für fünf Wochen in Untersuchungshaft genommen worden. Als

Anwälte sind die beiden bis heute suspendiert. Allein um sich eine Blamage zu ersparen, so meinen

Beobachter, werde die Justiz sehr bestrebt sein, dass es zu einer Verurteilung kommt."

Format" Nr. 10/06 vom 10.03.2006, Seite 34: Richterin Birgit Borns muss derzeit nicht nur den Gerichtsakt

lesen, sie erwartet auch gehöriger Druck seitens der Justiz."

Am 3.August 2007 brachte ORF-Online unter dem Titel „Muss Rettberg-Prozess wiederholt werden?" einen großen Artikel in der besagten Rechtsangelegenheit.

Der ORF berichtet dabei, dass der Prozess gegen den früheren Libro- Generaldirektor Andre Rettberg, der im Mai 2006 in Wiener Neustadt wegen versuchter betrügerischer Krida verurteilt worden ist, möglicherweise wiederholt werden müsse, weil die Schöffenliste ignoriert worden sei". Weiters wird mitgeteilt, dass der OGH im Hinblick darauf entsprechende Recherchen am Landesgericht Wiener Neustadt veranlasst und einen schriftlichen Bericht angefordert habe, um feststellen zu können, ob Rettbergs Vorbringen den Tatsachen entspreche". Auch die Generalprokuratur - sozusagen die oberste Hüterin des Strafrechts - wurde bereits eingeschaltet. Die Behörde soll nach Eintreffen des Berichts diesen materiell und formell prüfen.

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Da die Wahrung der Objektivität im Rahmen der Justizverwaltung aber gerade bei solchen Großverfahren aus rechtsstaatlichen Gründen besonders wesentlich ist, richteten die unterzeichneten Abgeordneten daher an die Bundesministerin für Justiz eine diesbezügliche zur Zahl 467/J-NR/2007 ergangene parlamentarische Anfrage, woraufhin von Seiten der Bundesministerin für Justiz unter der Zahl BMJ-Pr7000/025-Pr 1/2007 eine an die Präsidentin des Nationalrates gerichtete parlamentarische Anfragebeantwortung erfolgte, die in den parlamentarischen Materialien zu XXIII. GP.- NR 492/AB amtlich dokumentiert ist.

Angesichts der offenkundig zu Tage getretenen Lücken der zitierten Anfragebeantwortung wurde - unter Berücksichtigung der besonderen rechtsstaatlichen Bedeutung - zur Aufklärung der im Rahmen der parlamentarischen Anfrage 467/J und der diesbezüglich ergangenen Anfragebeantwortung aufgekommenen Aspekte, deren Transparentmachung Gegenstand der parlamentarischen Interpellations- und Kontrollrechte ist, beschlossen, in Räumen des Parlaments der Republik Österreich eine Anhörung der Betroffenen bzw. Beteiligten durchzuführen und fanden die entsprechenden Anhörungstermine an mehreren Tagen dort statt. Befragt wurden im Zuge dessen u.a.:

                                 Rechtsanwalt Dr. Elmar KRESBACH

                                 Rechtsanwalt Dr. Gerhard ECKERT

                                 Rechtsanwalt Dr. Michael DOHR

                                 Andre Marten RETTBERG

                                 Mag. Michael LÖB

Zur Wahrung der Grundrechte wurden den Anhörungen überdies unabhängige Rechtsexperten beigezogen, die in der Folge die Sach- und Rechtslage einer juristischen Überprüfung unterzogen.

Zur Ermöglichung optimaler Transparenz und im Sinne des Grundsatzes "audiatur et altera pars" wurde im Übrigen auch dem Präsidenten des betroffenen Landesgerichtes Wiener Neustadt, Herrn Hofrat Mag. Rudolf Masicek, die (persönlich oder durch einen Vertreter wahrzunehmende) Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme anheim gestellt, um die anfragegegenständlichen Punkte, soweit Themen der Justizverwaltung seines Gerichtes betreffend, aus seiner Sicht klarzustellen, wovon er aber keinen Gebrauch machte.

Ausgeblieben ist somit (als einziger): Hofrat Mag. Rudolf MASICEK

Hervorgekommen sind in den Einvernahmen - welche der Frau Bundesministerin für Justiz unter einem zur amtswegigen Prüfung und pflichtgemäßen Veranlassung übermittelt werden -in Bezug auf den Gegenstand der parlamentarischen Anfrage 467/J und der diesbezüglich ergangenen Anfragebeantwortung (von der Bundesministerin für Justiz an die Präsidentin des Nationalrates gerichtete parlamentarische Anfragebeantwortung BMJ-Pr7000/025-Pr 1/2007, ergangen zur [Anfrage-]Zahl 467/J- NR/2007, XXIII. GP.-NR 492/AB) folgende - nach dem Aufbau der parlamentarischen Anfrage und deren Beantwortung gegliederte - Kernaspekte:


Die parlamentarische Anfrage lautete wie folgt:

1)   Ist  es  zutreffend,  dass  der  Präsident   des  Landesgerichtes Wiener Neustadt  als Justizverwaltungsorgan wiederholt diversen Prozessbeteiligten die ihnen zustehende Einsichtnahme in die Schöffendienstliste seines Gerichtes verweigerte bzw. diese erst zu        Ende       der       Rechtsmittelfrist        aufgrund       des       Einschreitens       des Oberlandesgerichtspräsidenten als Aufsichtsorgan herausgab?

a) Wenn ja, kam es dadurch zu einer Beeinträchtigung von Rechtsmittelausführungen?

b)               Wenn ja,  auf welche gesetzliche  Grundlage stützte sich der Präsident des

Landesgerichtes Wiener Neustadt?

2)   Ist es  zutreffend, dass das Bundesministerium für Justiz mit einem Schreiben aus 9/2006 seitens unmittelbar Betroffener (Korrespondenz Löb-BMJ) über diesen Missstand informiert wurde?

Wenn ja, welche Maßnahmen wurden daraufhin unternommen?

3)   Ist  es   zutreffend,   dass   derselbe   Gerichtshofspräsident  die   Einsichtnahme   in   die Schöffendienstliste    auch    gegenüber    weiteren     Prozessbeteiligten    bis     zuletzt verweigerte?

a)                                    Wenn ja, wann hat das Bundesministerium für Justiz erstmals davon erfahren?

b)                                    Wenn ja, von wem?

c)                                    Wenn ja, welche disziplinären Maßnahmen wurden gesetzt?

4)               Welche weiteren  Untersuchungsmaßnahmen  im  Rahmen der Justizverwaltung sind anhängig bzw. welche gedenken Sie zur restlosen Aufklärung der Fakten in diesem Zusammenhang zu veranlassen?

Die diesbezüglich ergangene Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz

lautete wie folgt:

Zu 1 bis 4:

Der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt hat nach den mir vorliegenden Berichten sämtlichen schriftlichen Anträgen der Prozessbeteiligten auf Einsichtnahme im Verfahren 46 Hv 9/05d des Landesgerichtes Wiener Neustadt (Libro-Causa") in die im Präsidium des Landesgerichtes Wiener Neustadt aufliegende Schöffendienstliste umgehend entsprochen.

Schriftliche Anträge von Prozessbeteiligten, die an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gerichtet waren, wurden an den Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt mit dem Ersuchen um Entsprechung weitergeleitet. Auch diesen Anträgen hat der Präsident des Landesgerichtes umgehend entsprochen. Sämtliche schriftliche Anträge von Prozessbeteiligten auf Einsicht in die Schöffendienstliste des Landesgerichtes Wiener Neustadt wurden erst unmittelbar vor Ende der bis 1. Februar 2007 laufenden Rechtsmittelfrist gestellt; der Präsident des Landesgerichtes hat diese Anträge noch vor dem Ende der Rechtsmittelfrist positiv erledigt.


Auch aus dem Schreiben von Mag. M. L. vom 27. September 2006 ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine im Rahmen der Dienstaufsicht des Bundesministeriums für Justiz wahrzunehmende Verweigerung der Einsichtnahme in die Schöffenliste durch den Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt. Dem Herrn Präsidenten wurde vom Bundesministerium für Justiz - unter Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit - aufgetragen, das Beschwerdevorbringen, primär die lange Dauer der Protokoll- und Urteilsausfertigung, zu prüfen, dem Einschreiter zu antworten und darüber zu berichten. In weiterer Folge legte der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt sein Antwortschreiben an Mag. M. L. vor, aus dem hervorging, dass das Urteil und die Verhandlungsprotokolle mittlerweile abgefertigt worden waren. Ein Anlass für darüber hinausgehende dienstaufsichtsbehördliche Maßnahmen bestand daher nicht.

Auf Grundlage der dazu gepflogenen Erhebungen traten - auf die jeweiligen Anfragebeantwortungsaspekte bezogen - folgende Tatsachen zutage:

Erhebungsergebnisse:

ad 1)

Die Formulierung umgehend entsprochen" trifft nicht zu.

Die  Beschwerdekorrespondenz  mit dem  BMJ  wurde  von  Herrn  Mag.  Michael  LÖB

vorgelegt. Aus   dieser geht hervor, dass die Schöffenliste bereits im  Herbst 2006

verlangt wurde und dies dem BMJ bekannt war. Übermittelt wurde die Liste aber erst

Ende   Februar    2007   unmittelbar   vor   Ende   der   Rechtsmittelfrist   nach   mehreren

Beschwerden beim Oberlandesgericht Wien.

ad 2)

Mag. Michael  LÖB wollte die Abfertigungen des  Urteils, der Verhandlungsliste und

Schöffenliste. Die Schöffenliste wurde im an ihn gerichteten Antwortschreiben des BMJ

nicht behandelt - sie wurde totgeschwiegen. Das Urteil und das Verhandlungsprotokoll

wurden unter Überschreitung der gesetzlichen Frist übermittelt.

Welche Maßnahmen unternommen wurden, blieb seitens der Bundesministerin für Justiz

unbeantwortet.

ad 3)

Laut dem Zeugen Rechtsanwalt Dr. Elmar KRESBACH wurde überdies von ihm die

Einsicht in die Schöffenliste auch bei Gericht verlangt, ihm diese aber verweigert.

Das Landesgericht Wiener Neustadt reagierte erst nach mehreren Beschwerden beim Oberlandesgericht. Es darf aber nicht dazu kommen, dass erst nach Einlangen einer Beschwerde beim OLG die Anträge beim Landesgericht Wr. Neustadt positiv erledigt werden. Durch diese Verzögerungen kam es laut den einvernommenen Rechtsanwälten auch zur Beeinträchtigung von Rechtsmittelausführungen. Auch das BMJ wurde informiert. Disziplinäre Maßnahmen hätten erfolgen müssen, sind aber bisher unterblieben.

ad 4)


Welche weiteren Untersuchungsmaßnahmen im Rahmen der Justizverwaltung anhängig sind und welche die Bundesministerin für Justiz zur restlosen Aufklärung der Fakten in diesem Zusammenhang zu veranlassen hat, ist bisher noch offen geblieben. Ein ähnliches Verhalten der Bundesministerin wie bei ihrer Reaktion auf die vorhergehenden Anfragepunkte findet sich insofern auch bei Punkt 4, man ließ auch hier die Beantwortung unter den Tisch fallen. Insbesondere fällt bei Vergleich der Aussagen von Mag. Löb und von Rechtsanwalt Kresbach in Bezug auf die Einsichtverweigerung durch Präs. Masicek auf, dass auch hier die Einsichtname in die Schöffenliste laut Kresbach von Präs. Masicek verweigert wurde. Dies macht ein identes Muster deutlich und einen Missstand, den die Justizministerin als zuständiges oberstes Verwaltungsorgan hätte wahrnehmen müssen.

Insgesamt wird festgehalten, dass die Anfragebeantwortung der Punkte 1 bis 4 krass unbefriedigend erscheint, sie ist teils unschlüssig, teils sachlich unrichtig, da auf die präzisen Fragen nur pauschale Antworten gegeben wurden und dadurch das parlamentarische Interpellationsrecht unterlaufen wurde.

Daher wird der Bundesministerin für Justiz nochmals die Möglichkeit gegeben, die Anfragepunkte einzeln, vollständig und korrekt (statt pauschal, unvollständig und sachlich falsch) zu beantworten. Dabei sei auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hingewiesen, demzufolge falsche Mitteilungen bzw. die von einem Bundesminister beabsichtigte Täuschung des Nationalrates über tatsächliche Vorgänge den Nationalrat in seinem konkreten Recht auf Einleitung von Maßnahmen der rechtlichen Kontrolle der Vollziehung schädigen und - insbesondere bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen - Amtsmissbrauch gemäß § 302 StGB darstellen können (OGH, 14 Os 125/92 vom 12. Oktober 1993).

Die parlamentarische Anfrage lautete weiters wie folgt:

5)               Wurden   alle   Schöffen   im   2.   Quartal   2005/2006,   Abteilung   42,   46,   am

Landesgericht     Wiener     Neustadt     exakt     nach     der     Reihenfolge     der Schöffendienstliste berufen?

a)                                  Wenn nein, welche wurden nicht berufen?

b)                                  Wenn nein, aus welchen Gründen wurden einzelne Schöffen nicht gemäß der Schöffendienstliste berufen?

 

6)                                  Wurde Schöffe Nummer 139 aus der genannten Liste ordnungsgemäß berufen?

7)                                  Wurde Schöffe Nummer 139 aus der genannten Liste beim genannten Gericht im Strafverfahren gegen Rettberg u.a. als Schöffe eingesetzt?

Wenn nein, warum nicht?

Die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz lautete diesbezüglich

wie folgt:


Zu 5 bis 7:

Die Vorsitzende Richterin im Verfahren 46 Hv 9/05d des Landesgerichtes Wiener Neustadt verfügte die Ladung der Schöffen laut Dienstliste; tatsächlich wurden von der zuständigen Leiterin der Geschäftsabteilung nur die Schöffen Nr. 136, 137, 138 und 140 geladen. Es kann heute nicht mehr nachvollzogen werden, ob die Ladung des Schöffen Nr. 139 aus einem Versehen der Leiterin der Geschäftsabteilung oder einer - allenfalls zuvor telefonisch mitgeteilten - Bekanntgabe einer Verhinderung dieses Schöffen unterblieben ist.

Erhebungsergebnisse:

ad 5 bis 7) Aus der Anfragebeantwortung ergibt sich, dass Schöffe Nr. 139 ohne sachlichen Grund nicht geladen wurde. Da über jeden Ladungsvorgang und insbesondere über jede Verhinderung ein Aktenvermerk existieren müsste, kann somit nicht von einer Verhinderung des Schöffen Nr. 139, geschweige denn von einem gültigen Verhinderungsgrund, ausgegangen werden. Vielmehr erhellt, dass die Ladung dieses Schöffen ohne sachlichen Grund unterblieben ist. Hätte es einen sachlichen Grund gegeben, hätte die Bundesministerin für Justiz diesen genannt. Laut ihren Erhebungen ist es aber nicht nachvollziehbar, warum die Ladung des Schöffen Nr. 139 unterblieben ist. Damit steht fest, dass diese ohne ersichtlichen sachlichen Grund unterblieben ist. Die rechtliche Konsequenz daraus ist, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt wurde. Dies ist ein schwerer Missstand, der auf ein Versagen der Justizverwaltung zurückzuführen ist und Verfahrensnichtigkeit begründet.

ad 7a) Es stellt bereits für sich einen Missstand dar, dass die Ladung des Schöffen unterblieben ist und die Bundesministerin für Justiz trotz justizintern gepflogener Erhebungen bisher nicht in der Lage ist, dem Parlament die Gründe dafür bekannt zu geben. Dies drängt zur Folgerung, dass beim Landesgericht Wiener Neustadt bei der Schöffenladung willkürlich vorgegangen wurde.

Diesbezüglich wird die Bundesministerin für Justiz entsprechende Konsequenzen für diesen Missstand zu ziehen haben.

Die parlamentarische Anfrage lautete weiters wie folgt:

8)               Ist    es   zutreffend,    dass    oben    genannter   Gerichtshofspräsident   in   einer

Justizverwaltungsentscheidung die Befangenheit der Richterin Mag. Borns im Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Eckert verneinte?

9)                                 Würde eine Befangenheit der Richterin eine Ablehnung selbiger rechtfertigen?

10)                          Wurde ein Ablehnungsantrag betreffend Befangenheit der Richterin gestellt?

 

a)                                 Wenn ja, wurde dem Ablehnungsantrag entsprochen?

b)                                 Wenn nicht entsprochen wurde, mit welcher Begründung?


11) Können Sie ausschließen, dass angesichts dieser Häufung von Absonderlichkeiten in der Justizverwaltung beim Landesgericht Wiener Neustadt eine Befangenheit gegenüber den Betroffenen oder einem von ihnen vorliegen könnte?

a)                                     Sind  dem  BMJ  bezüglich derartiger  Befangenheitskonstellationen  Fachartikel oder Rechtsgutachten aus dem Bereich der Rechtsforschung und Rechtslehre bekannt?

b)                                     Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt?

Die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz lautete diesbezüglich

wie folgt:

Zu 8 bis 11:

Die Vorsitzende des Verfahrens 46 Hv 9/05d des Landesgerichtes Wiener Neustadt wurde mit der Behauptung ihrer Befangenheit abgelehnt. Der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt wies diesen Antrag mit Beschluss vom 22. Jänner 2007 ab. Es handelte sich dabei nicht um eine Justizverwaltungsentscheidung, sondern um die Entscheidung eines nach Art. 87 Abs. 1 B-VG unabhängigen Richters.

Erhebungsergebnisse:

ad 8 bis 11) Die Beantwortung der Fragen 8 bis 11 ist insgesamt unzureichend, da nichts sagend und ohne tragfähige Begründung. Der Hinweis, dass es eine Entscheidung des Richters sei, kann eine Begründung nicht ersetzen. Es wurde im Zuge der parlamentarischen Erhebungen Einblick in Rechtsgutachten der Universitätsprofessoren Zagler und Seiler genommen. Denen zu folge lag und liegt eine eindeutige Befangenheit der Richterin Mag. Borns im Verfahren gegen Dr. Eckert vor. Was wird die Bundesministerin für Justiz unternehmen?

Die Frage 11, insbesondere den Unterpunkt 11a, hat die Bundesministerin für Justiz überhaupt nicht beantwortet, was einen Verstoß gegen ihre verfassungsmäßige Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen darstellt.

Der im Zuge der parlamentarischen Erhebungen einvernommene Rechtsanwalt Dr. Dohr gab in diesem Zusammenhang an, im Bundesministerium für Justiz vorstellig gewesen und dem Kabinett der Frau Bundesministerin alle Unterlagen und die Gutachten der Universitätsprofessoren Zagler und Seiler vorgelegt zu haben. Die Bundesministerin wäre demnach verpflichtet, von den vorliegenden Befangenheitsaspekten Kenntnis zu nehmen und im Rahmen ihrer Kompetenzen über die staatsanwaltschaftlichen Behörden die notwendigen Veranlassungen zu treffen, um die Befangenheit durch eine Ablehnung des Gerichts, zu der die Staatsanwaltschaft befugt und gemäß § 3 StPO auch berufen ist, zu vermeiden. Insbesondere hätte die Bundesministerin u.a. auch die Möglichkeit, der Generalprokuratur den Auftrag zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erteilen (dazu im Folgenden). Von diesem Recht hat sie Gebrauch zu machen, denn es ist ein fundamentales Recht im Rechtsstaat, ein faires Verfahren vor einem unbefangenen Gericht zu bekommen. Wenn die Richterin Mag. Borns Herrn Rechtsanwalt Dr. Eckert bereits vor Beendigung seines Gerichtsverfahrens


in einem gegen andere Beschuldigte geführten Verfahren als schuldig bezeichnete, dann kann von ihr im nachfolgenden Verfahren gegen ihn unmöglich eine Unvereingenommenheit erwartet werden, sondern ist vielmehr offenkundig zumindest der Anschein einer Befangenheit gegeben.

Die parlamentarische Anfrage lautete weiters wie folgt:

12)            Ist es  zutreffend, dass diese Befangenheitsfrage des Landesgerichts Wiener Neustadt   bereits  zur Anhängigkeit eines  Verfahrens  gegen  Österreich  beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geführt hat?

Die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz lautete diesbezüglich

wie folgt:

Zu 12:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Republik Österreich weder im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Verantwortliche des Unternehmens LIBRO noch in einem allfälligen Beschwerdeverfahren BNr 5711/07 nach Artikel 49 Absatz 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, BGBl III Nr. 13/2000 idF III Nr. 19/2007 befasst. Es ist daher nicht bekannt, ob ein formelles Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer allfälligen Beschwerde eingeleitet worden ist.

Erhebungsergebnisse:

ad 12) Anfragestellerseitige Recherchen haben ergeben, dass es sehr wohl ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gibt. Es ist - laut schriftlicher Bestätigung der Stellvertretenden Kanzlerin der ersten Sektion K. Reid vom 22. Februar 2007 - unter der Aktenzahl 5711/07 seit dem 14. Februar 2007 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass die Bundesministerin für Justiz dem Parlament die gegenständliche Frage nicht beantworten konnte!

Die parlamentarische Anfrage lautete weiters wie folgt:

13)            Können  Sie grundsätzlich zur Vermeidung einer Menschenrechtswidrigkeit die staatsanwaltschaftlichen  Behörden  zur Ausstellung  eines Ablehnungsantrages gegen befangene Richter veranlassen?

Wenn ja, werden Sie dies gegenständlich tun?

14)     Können    Sie    grundsätzlich   der   Generalprokuratur   den   Auftrag   geben,   eine Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu richten?

Wenn ja, werden Sie dies zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit im gegenständlichen Verfahrenskomplex hinsichtlich der Befangenheitsfrage und/oder der Schöffenmissstände tun, um solcherart eine objektive und letztgültige Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof über diese Aspekte ohne weitere zeitliche Verzögerung zu ermöglichen?


Die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz lautete diesbezüglich

wie folgt:

Zu 13 und 14:

Nach § 72 Abs. 1 StPO kann - unter anderem der Staatsanwalt - über die Verpflichtung der betroffenen Gerichtspersonen zur Ausschließungsanzeige hinaus - Mitglieder des Gerichtshofs oder Protokollführer ablehnen, wenn er Gründe anzugeben und darzutun vermag, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden in Zweifel zu setzen. Nach § 29 Abs. 1 StAG kann das Bundesministerium für Justiz der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft diesbezüglich grundsätzlich eine Weisung erteilen. Das Bundesministerium für Justiz kann darüber hinaus gemäß § 33 Abs. 2 StPO auch bei der Generalprokuratur anregen, gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichts, von denen es Kenntnis erlangt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erheben. Nach den mir vorliegenden Informationen haben die im Verfahren 46 Hv 9/05d des Landesgerichtes Wiener Neustadt Angeklagten A. M. R. und Rechtsanwalt Mag. M. L. gegen das Urteil des genannten Gerichtes vom 12. Mai 2006 (in Ansehung der Schuldsprüche) fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof eingebracht, wobei auch die in der Anfrage angesprochenen Themen releviert wurden. Der Mitangeklagte, Rechtsanwalt Dr. G. E., gegen den derzeit das Verfahren zu 46 Hv 48/06s des Landesgerichtes Wiener Neustadt im Hauptverhandlungsstadium anhängig ist, hat in einer von seinem Verteidiger verfassten und an die Generalprokuratur gerichteten Anregung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ebenso die seiner Ansicht nach vorliegende Befangenheit der Verhandlungsrichter moniert. Schon im Hinblick auf die Befassung des Obersten Gerichtshof sowie der Generalprokuratur durch die Genannten sehe ich derzeit keine Veranlassung für eine - zusätzliche - Befassung der Generalprokuratur (auch) durch das Bundesministerium für Justiz.

Erhebungsergebnisse:

ad 13 und 14:

Die Anfragebeantwortung ist falsch.

Ein Privater kann bei der Generalprokuratur anregen, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu ergreifen.

Die Bundesministerin für Justiz hingegen kann der Generalprokuratur den Auftrag zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erteilen. Zum Nachweis der - der Bundesministerin in ihrer Anfragebeantwortung offenbar nicht bekannten - Rechtslage wird auf Paragraf 33 der österreichischen Strafprozessordnung verwiesen, welcher wie folgt lautet:

   „§ 33. (1) Die Verhandlungen vor dem Obersten Gerichtshofe gehören


in den Geschäftskreis des bei diesem bestellten Generalprokurators oder seiner Stellvertreter.

(2) Der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshofe kann von Amts wegen oder im Auftrage des Bundesministeriums für Justiz gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichtes, der zu seiner Kenntnis gelangt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, und zwar auch dann noch erheben, wenn der Angeklagte oder der Ankläger in der gesetzlichen Frist vom Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde keinen Gebrauch gemacht hat. Den Staatsanwälten liegt ob, die Fälle, die sie zu einer solchen Nichtigkeitsbeschwerde für geeignet halten, den Oberstaatsanwälten vorzulegen; diese haben zu beurteilen, ob die Fälle dem Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof anzuzeigen sind."

Weshalb hat die Bundesministerin diese Möglichkeit der Auftragserteilung an den Generalprokuratur in ihrer Anfragebeantwortung verschwiegen? Laut Gesetz hat sie eindeutig dieses Recht und angesichts des übereinstimmenden Inhalts der Gutachten von Professor Zagler und Professor Seiler hätte sie von diesem Recht Gebrauch machen müssen.

Es wäre daher zunächst zu klären, wieso der Anfragensteller auch in diesem Punkt von der Bundesministerin fehl informiert wurde, und sodann hätte die Bundesministerin den Auftrag an die Generalprokuratur zu erteilen, eine Wahrungsbeschwerde zu erheben, damit der Oberste Gerichtshof über das Problem der Befangenheit entscheiden kann. Da die Anregung von Rechtsanwalt Dr. Dohr die Generalprokuratur nicht zur Erhebung einer Wahrungsbeschwerde veranlasste, besteht die einzige Möglichkeit zur Bewirkung der Erhebung einer solchen durch einen Auftrag der Bundesministerin für Justiz. Einen solchen Auftrag muss sie erteilen, weil sie aufgrund des Rechtsstaatsprinzips verpflichtet ist, dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen und von einer ihr zustehenden Kompetenz (diesfalls: Auftragserteilung) Gebrauch zu machen, wenn Anlass dazu besteht. Angesichts der eindeutigen Ergebnisse der erwähnten Rechtsgutachten besteht Anlass dazu, denn wenn Anscheinsbefangenheit bereits für die Annahme von Befangenheit im Rechtssinne hinreichend ist und der Anschein der Befangenheit der Richterin Mag. Borns im Verfahren gegen Dr. Eckert immerhin bei zwei anerkannten Universitätsprofessoren für Straf- und Strafprozessrecht erweckt worden ist, dann kann unmöglich verneint werden, dass die gegebene Konstellation der Verfahrensführung gegen Dr. Eckert nicht zumindest den Anschein der Befangenheit erweckt.

ad 13a: Die Frage 13a) wurde überhaupt nicht beantwortet.

Die parlamentarische Anfrage lautete weiters wie folgt:

15) Ist es zutreffend, dass im Vorfeld der strafrechtlichen Aufarbeitung des Libro- Verfahrens von Oberstaatsanwalt Helmuth Seystock (Oberstaatsanwalt in der Oberstaatsanwaltschaft Wien) eine fachliche Analyse zum Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft gefertigt wurde?

a)           Wenn ja, was besagte die vorgenannte Analyse in ihrem vollen Wortlaut?

b)                 Wenn   ja,   welche   rechtlichen   Erwägungen   lagen   der  ersten   ursprünglichen Fassung von Oberstaatsanwalt Seystock zugrunde?


Die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz lautete diesbezüglich

wie folgt:

Zu 15:

Es trifft zu, dass der für die Prüfung des Vorhabensberichtes der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zuständige Sachbearbeiter bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien, OStA HR Dr. Helmut Seystock, in einem ersten, nicht approbierten - und somit auch der zuständigen Fachabteilung im Bundesministerium für Justiz nicht zur Kenntnis gebrachten - Bericht vom 13. Oktober 2004 zunächst beabsichtigte, die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zur Abgabe einer Erklärung gegenüber dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Wiener Neustadt anzuweisen, dass kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung von Rechtsanwalt Dr. G. E. sowie in nennenswerten Teilbereichen auch hinsichtlich A. M. R. und Rechtsanwalt Mag. M. L. gefunden wurde (§ 109 Abs 1 StPO).

Die Bekanntgabe des Inhalts dieses nicht approbierten Berichtes der Oberstaatsanwaltschaft Wien in seinem vollen Wortlaut" steht mir nicht zu, würde sie doch § 35 des Staatsanwaltschaftsgesetzes umgehen, der die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Einsicht in Behelfe und Unterlagen der staatsanwaltschaftlichen Behörden regelt. Soweit diese Bestimmung auf das Einsichtsrecht einer gesetzgebenden Körperschaft Bezug nimmt, ist auf Artikel 53 Abs 3 B-VG und § 33 Abs 3 Geschäftsordnungsgesetz 1975 (GOG-NR) in Verbindung mit § 25 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse zu verweisen, wonach ein solches Einsichtsrecht (nur) für parlamentarische Untersuchungsausschüsse vorgesehen ist. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich von der wörtlichen Wiedergabe des Berichts Abstand nehmen muss und in der Folge nur auf dessen grundsätzlichen Inhalt und seine rechtliche Erwägungen eingehen kann: Der Oberstaatsanwaltschaft Wien lag ein Bericht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vor, in dem sie die Einbringung einer Anklageschrift gegen sechs Personen in Aussicht nahm. Im Entwurf dieser Anklageschrift lastete die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt dem Angeklagten A. M. R. insbesondere an,

1.)    als    Schuldner    mehrerer   Gläubiger    deren    Befriedigung    vor   allem    durch Vermögensverschiebungen in der Größenordnung von ca. 4,6 Millionen Euro an eine Treuhandgesellschaft   und   durch   das   Verschweigen   dieser  Transaktion   gegenüber Gläubigerbanken sowie durch weitere Malversationen geschmälert zu haben und          2.) nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit zwei Gläubigerbanken durch Zahlungen in einer Größenordnung von ca. 790.000 Euro begünstigt zu haben. Fünf Mitangeklagten warf die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt Beitragshandlungen hiezu vor.

Der zuständige Sachbearbeiter OStA HR Dr. Seystock erachtete die von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erhobenen Vorwürfe als für die Erzielung von Schuldsprüchen nicht hinreichend tragfähig und hielt hiezu in seiner Stellungnahme zum Punkt 1.) des Anklageentwurfes im Wesentlichen sinngemäß fest, eine Schädigung einzelner Gläubiger - deren Forderungen teilweise noch gar nicht feststünden - sei bis dato nicht erweislich. Zumindest die Großgläubiger des Hauptbeschuldigten hätten vermutlich auch bei konkursmäßiger Verwertung des gesamten Vermögens des Gemeinschuldners keine höheren Befriedigungsquoten erhalten können als durch den von ihnen angestrebten stillen Ausgleich". In diesem Zusammenhang nahm OStA HR Dr. Helmut Seystock auch auf nachträgliche, unmittelbar bei der Oberstaatsanwaltschaft


Wien eingebrachte Rechtfertigungen zweier - letztlich nicht angeklagter - Beschuldigten Bezug, die der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt (noch) nicht zur Kenntnis gelangt waren.

Zum zweiten von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erhobenen Vorwurf hielt OStA HR Dr. Helmut Seystock fest, es sei einerseits fraglich, ob der Beschuldigte im Zeitpunkt der getätigten Zahlungen überhaupt zahlungsunfähig war, andererseits sei durch diese Zahlungen nur eine quotenmäßige Befriedigung der Gläubigerbanken angestrebt worden, womit aber das von § 158 StGB geschützte Rechtsgut - nämlich die Gleichbehandlung aller Gläubiger - nicht verletzt worden sei. Überdies seien die inkriminierten Zahlungen nicht vom Gemeinschuldner, sondern für diesen von dritter Seite geleistet worden.

Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien schloss sich diesen Ausführungen hinsichtlich der fiktiven Schadensberechnung und der ebenso fiktiven Ermittlung allfälliger Konkursquoten nicht an. Insbesondere die Tatsache, dass es - wie von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt im Anklageentwurf ausgeführt - Ziel des Hauptangeklagten gewesen sei, sich einen Millionenbetrag zu erhalten, lasse Zweifel an der Richtigkeit der angestellten Berechnungen aufkommen.

OStA HR Dr. Seystock stimmte dieser Argumentation im Zuge einer behördeninternen Besprechung zu und schlug vor, die letztlich auch vom Bundesministerium für Justiz genehmigte und beim Landesgericht Wiener Neustadt eingebrachte Anklageschrift zu konzipieren.

Erhebungsergebnisse:

ad 15:

Wenn im Bericht von Oberstaatsanwalt Seystock vom 13. Oktober 2004 - laut Anfragebeantwortung - hervorkam, dass "kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung von Rechtsanwalt Dr. G.E. ...gefunden wurde" (Seite 4 der Anfragebeantwortung), wieso wurde dieser dann angeklagt?

Die Anfragebeantwortung führt nur Gründe für die Anklage gegen A.M.R. an (Seite 4 und 5) und was dessen Ziel gewesen sei. Zu G.E. (gemeint ist damit offenbar: Rechtsanwalt Dr. Gerhard ECKERT) wird nichts angeführt, das eine von der ursprünglichen Beurteilung durch Oberstaatsanwalt Seystock abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.

Dies klärt nicht, wieso dennoch - entgegen der rechtlichen Analyse vom Oberstaatsanwalt Seystock vom 13. Oktober 2004 - Anklage gegen Rechtsanwalt Dr. Eckert erhoben wurde. Zweifel drängen sich insofern an der rechtlichen Fundiertheit von Staatsanwalt Mag. Fuchs auf.

Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft zur Justizverwaltung gehört und nicht zur Rechtsprechung. Es liegt also eine volle Organverantwortlichkeit der Bundesministerin für Justiz als hierarchisch übergeordnetes Organ vor, das zur Dienst- und Fachaufsicht über die staatsanwaltschaftlichen Behörden berufen ist.


Die parlamentarische Anfrage lautete weiters wie folgt:

17)                           Wenn ja, wurde jenen  Erwägungen  im  Bereich  der  staatsanwaltschaftlichen Behörden letztlich Rechnung getragen?

18)                           Wenn nein welche Kosten sind dem österreichischen Steuerzahler bisher dadurch erwachsen, dass der ursprünglichen rechtlichen Analyse von Oberstaatsanwalt Seystock nicht Folge geleistet wurde?

Die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz lautete diesbezüglich wie folgt:

Zu 17 und 18:

Die ursprünglich von OStA HR Dr. Seystock angestellten Überlegungen fanden im weiteren Verfahren teilweise Berücksichtigung. Die von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt in Aussicht genommene Anklage wurde hinsichtlich eines Anklagefaktums und in Ansehung dreier Mitbeschuldigter von der Oberstaatsanwaltschaft Wien - in Übereinstimmung mit der Ansicht des Bundesministeriums für Justiz - nicht genehmigt.

Erhebungsergebnisse:

ad 17:

Es liegt ein Widerspruch in der Anfragenbeantwortung vor. Warum wurde Dr.Eckert angeklagt, obwohl Oberstaatsanwalt Seystock es abgelehnt hat?

Die aktuellen Erhebungen haben überdies ergeben, dass - wie von Oberstaatsanwalt Seystock angesprochen - Dr. Eckert als Vertreter des Forderungskäufers aufgetreten ist; das Delikt der Betrügerischen Krida konnte er somit gar nicht begehen, weil ihm dazu die Subjektseigenschaft fehlte!

Weshalb Staatsanwalt Mag. Fuchs weiterhin die Anklage gegen Dr. Eckert aufrechterhält, ist insofern rechtlich nicht nachvollziehbar. Vielmehr hätte Staatsanwalt Mag. Fuchs die Anklage zurückzuziehen. Insofern wird die Bundesministerin für Justiz - die im Zuge der parlamentarischen Anfrage und deren Beantwortung Kenntnis von diesen Aspekten erlangte - in pflichtgemäßer Ausübung ihrer Dienstaufsicht über die staatsanwaltlichen Behörden entsprechende Veranlassungen treffen müssen, falls Staatsanwalt Mag. Fuchs dies unterlässt.

Insbesondere auch angesichts der Ergebnisse der eingehenden Analyse der rechtlichen Grundlagen des angeklagten Delikts in der Juni-Ausgabe 2007 des österreichischen Anwaltsblattes fand die erwähnte Rechtsmeinung von Oberstaatsanwalt Dr. Seystock in ihren tragenden juristischen Aspekten Bestätigung und lässt sich folglich die gegen Dr. Eckert gerichtete Anklage der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt rechtlich nicht aufrechterhalten.


Die Bundesministerin für Justiz muss insofern umgehend die notwendigen Veranlassungen zur Herstellung des rechtsrichtigen Zustandes sicherstellen.

Doch auch das Vorgehen gegen Mag. Löb und Andre Rettberg ist im Anlassfall rechtlich fraglich, denn im Einklang mit der Rechtsmeinung von Oberstaatsanwalt Hofrat Dr. Seystock kann das angeklagte Delikt rechtlich gar nicht vorliegen, wenn eine Schädigung einzelner Gläubiger - deren Forderungen gar nicht feststehen - nicht erweislich ist und die Großgläubiger des Hauptbeschuldigten auch bei konkursmäßiger Verwertung des gesamten Vermögens des Gemeinschuldners keine höheren Befriedigungsquoten erhalten hätten können. Gleichermaßen ist der Einwand von Oberstaatsanwalt Hofrat Dr. Seystock zum von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erhobenen Vorwurf zutreffend, dass durch Zahlungen, durch die nur eine quotenmäßige Befriedigung der Gläubigerbanken angestrebt wurde, keine Rechtsgutsverletzung eingetreten ist. Da überdies die inkriminierten Zahlungen nicht vom Gemeinschuldner, sondern für diesen von dritter Seite geleistet worden sind, ist die Tatbestandsmäßigkeit nicht gegeben. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt und des Landesgerichtes Wiener Neustadt ist insofern rechtlich nicht nachvollziehbar. Folglich wird die Bundesministerin für Justiz im Wege der ihr unterstellten staatsanwaltlichen Behörden, insbesondere der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof, auf die Aufhebung der insofern aufgrund einer verfehlten Anklage der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt rechtsirrig ergangenen Urteile des Landesgerichtes Wiener Neustadt gegen Mag. Löb und Andre Rettberg hinzuwirken haben, um auch diesbezüglich den rechtsrichtigen Zustand herzustellen.

ad 18:

Diese Frage ist von der Bundesministerin für Justiz bisher überhaupt nicht beantwortet worden, was einen Verstoß gegen ihre verfassungsmäßige Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen darstellt.