1906/J XXIII. GP

Eingelangt am 08.11.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

 

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Ursula Haubner

und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend türkisch-kurdische Ausschreitungen in Österreich

Türken und Kurden tragen zunehmend ihre gewaltsamen Konflikte auch in Österreich aus. So nehmen in den letzten Monaten Straßenschlachten zwischen Türken und Kurden erschreckend zu: In jüngster Zeit kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen in St. Pölten, Salzburg, Linz, Graz und Innsbruck. In Tirol soll sogar von Schusswaffen Gebrauch gemacht worden sein. In Graz wurden unbeteiligte Passanten, darunter die FPÖ-Spitzenkandidatin für die Gemeinde- ratswahl, Susanne Winter, verprügelt. In Linz fuhren Türken mit zwei Autos in eine Kurden- demonstration.

Insbesondere der letzte Fall einer wahren Straßenschlacht zwischen Türken und Kurden mit 100 Beteiligten und mehreren Schwerverletzten sowie eines Brandanschlags mit einem Molotow-Cocktail gegen ein türkisches Vereinslokal am vergangenen Sonntag in Wien-Fa- voriten erschreckte die österreichische Bevölkerung und lässt eine zunehmende Bedrohung für die öffentliche Sicherheit erkennen. Geschäftsleute mussten ihre Lokale zusperren und verbarrikadieren.

Die Ausschreitungen der Türken und Kurden beschränkten sich jedoch nicht bloß auf die Straße. Im Anschluss an die Auseinandersetzungen versuchte ein Unbekannter im UKH Meidling zu einem Verletzten vorzudringen. Dabei trat er die Tür zur Intensivstation ein und schlug einen Arzt nieder. Der niedergeschlagene Arzt befindet sich nun selbst in ärztlicher Behandlung. Erst nach dem Angriff gegen den Arzt bezog die WEGA Stellung im Kranken- haus.

Nach einem Artikel des Kurier vom Dienstag dieser Woche seien die ermittelnden Polizisten im Spital von den Verletzten und den sich als Angehörige ausgebenden Besuchern auf Fragen nach dem Tathergang zunächst mit den Worten abgewiesen worden, „die Angelegenheit selbst regeln" zu wollen. Eine derartige offenbar traditionsbedingte Ankündigung der Selbst- justiz müsste für die Polizei ein ernsthaftes Warnsignal darstellen.

In Österreich stehen nach diversen Schätzungen 200.000 Türken (bzw. türkischstämmige Österreicher) ungefähr 100.000 Kurden (bzw. kurdischstämmigen Österreichern) gegenüber. Die ohnehin angespannte Lage zwischen den beiden Volksgruppen verschlechtert sich zuneh- mend durch den drohenden Einmarsch der Türkei in die Kurdengebiete des Nordirak und durch Gerüchte über eine schleichende Vergiftung des PKK-Führers Abdullah Öcalan mit Strontium und Chrom in türkischer Gefangenschaft. In Österreich rüsten Vertreter beider Konfliktparteien gleichzeitig nicht nur in der verbalen Auseinandersetzung auf: Nach Aussage des Polizei-Oberst Buchegger vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbe- kämpfung sei die Stimmung zwischen Türken und Kurden aufgeheizt. Es gibt auch Ankün- digungen von türkischer wie von kurdischer Seite nurmehr in Gruppen auf die Straße zu gehen.

 


Erschreckend ist, dass selbst angesichts der massiven Gewaltakte der letzten Zeit z.B. die Wiener Integrationsstadträtin Frauenberger (SPÖ) jegliches Integrationsproblem noch gänz- lich leugnet und den Kopf in den Sand steckt. Auch die Polizeiführung versucht laut einigen Hinweisen von Medienberichterstattern in ihrer offiziellen Bekanntgabe zu den Vorfällen vom Sonntag augenscheinlich zu kalmieren und das Ausmaß der Gewalttätigkeiten bewusst herunterzuspielen: Die Straßenschlacht wurde als Privatfehde dargestellt, der Brandanschlag ganz verschwiegen.

Dabei war die sonntägliche Straßenschlacht offenbar sogar vorhersehbar. Bereits zwei Stunden vor den Ausschreitungen wurde die Polizei durch einen Passanten von entsprechen- den Plänen informiert. Der Polizei konnten sogar drei Autokennzeichen Verdächtiger mitge- teilt werden. Allerdings war die Polizei nicht in der Lage, die Spur der späteren Randalierer aufzunehmen und die Schlachten auf Wiener Straßen zu verhindern. „Momentan tun wir uns ein bisserl schwer", so der Ermittlungsleiter Michael Mimra von der Kripo Süd. Auch der Brandanschlag war zwar im Internet angekündigt, wurde von der Polizei aber nicht ver- hindert.

Für kommenden Samstag ist in Wien bereits die nächste „Demonstration" angemeldet und sollte ursprünglich sogar vom Westbahnhof über die Mariahilfer Straße zur türkischen Bot- schaft führen. Durch die energischen Proteste des BZÖ am gestrigen Tag konnte dies jedoch verhindert werden. Die Demonstration nimmt nun eine andere Route. In Innsbruck wird am Samstag eine Demonstration von Kurden und Türken unter Beteiligung der Jungsozialisten stattfinden. In Linz wird am kommenden Sonntag eine Demonstration von ca. 8.000 Türken erwartet.

Angesichts der eskalierenden Gewalttaten im Rahmen türkischer bzw. kurdischer Versamm- lungen stellt sich die Frage, ob sich die Polizei mit einer Überwachung weiterer ange- kündigter Demonstrationen begnügen darf oder ob es nicht an der Zeit wäre zum Beispiel durch die Untersagung derartiger Versammlungen die Sicherheit der Bürger sicherzustellen und eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens zu unterbinden.

Daher richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Inneres nachstehende

Anfrage:

1.                           Wie stellt sich die Straßenschlacht vom Sonntag zwischen einer kurdisch(stämmig)en und einer türkisch(stämmig)en Gruppe in Wien-Favoriten im Hinblick auf die beteilig- ten Personen, ihre Hintermänner und die Hintergründe der offenbar organisierten Aus- schreitungen nach derzeitigem Wissensstand dar?

2.                           Wieso konnte die Straßenschlacht trotz des rechtzeitigen und konkreten Hinweises aus der Bevölkerung nicht verhindert werden?

3.                           In welcher Phase der Auseinandersetzung war die Polizei mit jeweils wie vielen Polizis- ten vor Ort? Wie war der konkrete Verlauf der Ausschreitung und des Polizeieinsatzes?


4.             Wieso konnte der Brandanschlag auf das türkische Kulturzentrum „Atatürk" in Wien trotz der Ankündigung im Internet nicht verhindert werden?

5.                           Gibt es weitere Hinweise auf eine vernetzte interne Koordination der Anschläge und Straßenschlachten durch die Konfliktparteien? Sind aufgrund solcher Hinweise in näch- ster Zeit weitere Straßenschlachten zwischen Türken und Kurden zu befürchten? Wenn es keine konkreten Hinweise gibt: Rechnen Sie aufgrund der deutlich erkennbaren Es- kalation der Lage mit weiteren Straßenschlachten wie in St. Pölten, Salzburg, Linz, Graz, Innsbruck und Wien?

6.                           Ist es richtig, dass die Polizeiführung versucht, die Ausmaße der Ausschreitungen be- wusst herunterzuspielen? Wenn ja, warum? Wenn nein, wieso wurde die Straßen- schlacht als Privatfehde bezeichnet und der Brandanschlag auf das Kulturzentrum von der Polizei in der offiziellen Bekanntgabe gar nicht erwähnt?

7.                           Wieso tut sich die Polizei „momentan ein bisserl schwer"? Wieso wird die Polizei so häufig von diesen Auseinandersetzungen überrascht?

8.                           Besteht durch den Konflikt zwischen Türken und Kurden eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und unbeteiligte Bürger? Wenn ja, wie reagieren Sie als für die Sicherheit in Österreich verantwortlicher Innenminister konkret darauf? Wenn nein, wieso kommt es dann Ihrer Ansicht nach derzeit vermehrt zu Szenen wie in St. Pölten, Salzburg, Linz, Graz, Innsbruck und Wien?

9.                           Wie beurteilen Sie die mehr als blauäugige Aussage der Wiener Integrationsstadträtin Frauenberger (SPÖ), die in den Vorfällen des letzten Wochenendes „kein Integrations- problem" sieht?

10.                    Davon ausgehend, dass Sie nicht in ähnlicher Weise den Kopf in den Sand stecken wol- len: Welche konkreten Integrations-Schritte werden Sie setzen, um (auch bei schon ein- gebürgerten Ausländern) die Einhaltung der österreichischen Rechts- und Grundord- nung konsequent durchzusetzen und kriegsähnliche Auseinandersetzungen und Selbst- justiz wirksam zu unterbinden?

11.                    Welche Demonstrationen kurdischer sowie türkischer Gruppen sind für die nächsten Wochen bereits für welche konkreten Termine und Orte angemeldet bzw. mit welchen unangemeldeten Versammlungen rechnen Sie?

12.                    Ist es richtig, dass in Wien, Innsbruck und Linz schon am kommenden Wochenende wieder Großdemonstrationen von Türken oder Kurden jeweils in der Innenstadt ange- meldet bzw. angekündigt sind?

13.                    Wenn ja, wie beurteilen Sie jeweils die Bedrohungslage und werden hier nach den jüngsten Vorkommnissen weitere gewalttätige Ausschreitungen erwartet? Wenn nein, auf welcher Grundlage wurde diese negative Gefahrenprognose erstellt und die deutli- chen Hinweise auf zu erwartende Auseinandersetzungen entkräftet?

14.                    Wäre es im Sinne einer Beruhigung der Konfliktparteien aber auch des Schutzes un- schuldiger Bürger nicht sinnvoller, Versammlungen zu untersagen bzw. sie zumindest bei den ersten Gewaltzeichen umgehend aufzulösen?

15.                    Wird die Polizei wenigstens verhindern, dass die höchstwahrscheinlich gewaltträchtigen Demonstrationen in überfüllten Einkaufsstraßen und Zentren stattfinden? Wenn nein, wie rechtfertigen Sie die dadurch höhere Gefahr für Unbeteiligte?


16.                    Wie viele Polizisten werden in Linz, Innsbruck und Wien konkret zusätzlich im Einsatz sein? Wurde die Bereitschaft der Polizei für dieses Wochenende erhöht? Wenn ja, um wie viele Polizisten? Wenn nein, warum nicht?

17.                    Haben Privatleute oder Händler in Wien, Innsbruck und Linz bereits um polizeilichen Schutz für sich oder ihre Lokale gebeten? Welchen Schutz kann die Polizei konkret si- cherstellen und welche Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs ist zu erwarten?

18.                    Können Sie den Wienern, Innsbruckern und Linzern - ob Passanten oder Händler - ver- sichern, dass die öffentliche Ordnung am kommenden Wochenende und auch künftig aufrecht erhalten bleibt?

19.                    Herr Minister, welche regionale Brennpunkte gibt es in Österreich, an denen aufgrund der Wohnsituation eine erhöhte Gefahr für Zusammenstöße zwischen Kurden und Tür- ken besteht, die auch für unbeteiligte Passanten und Anwohner gefährlich werden kön- nen? Wo befinden sich diese Brennpunkte und was wird zur Beseitigung der Gefähr- dungssituation konkret getan?

20.                    Wie entwickelte sich die Zahl der angemeldeten und der unangemeldeten Demonstrati- onen, die in irgendeiner Form den Konflikt zwischen Türken und Kurden betreffen, seit Anfang 2006? Bei wie vielen dieser Demonstrationen wurden Straftatbestände verwirk- licht?

21.                    Wie hoch sind bisher die Kosten für die Polizeieinsätze bei kurdischen bzw. türkischen Demonstrationen im Jahr 2007?

22.                    Wie hat sich die Gefährdungssituation in Österreich durch Gerüchte über eine schlei- chende Vergiftung des PKK-Führers Abdullah Öcalan mit Strontium und Chrom in tür- kischer Gefangenschaft bzw. durch den drohenden Einmarsch der Türkei im kurdisch dominierten Nordirak verändert?

23.                    Wie viele Kurden bzw. Türken halten sich derzeit mit welchem fremdenrechtlichen Sta- tus legal bzw. nach Ihren Schätzungen illegal in Österreich auf?

24.                    Welche fremdenrechtlichen Konsequenzen werden die Gewalttaten der letzten Zeit für die Täter jeweils haben?

25.         Wie beurteilen Sie das Beispiel des italienischen Ministerpräsidenten Prodi, der mittels Erlass die präventive Abschiebung gewaltbereiter rumänischer Staatsbürger ermöglicht?

26.                    Halten Sie vor dem Hintergrund steigender Kriminalität die vorzeitige Haftentlassung insbesondere ausländischer Straftäter durch das Haftentlastungspaket der Justizministe- rin für das richtige Signal?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 2 GOG-NR dringlich zu behandeln.