1907/J XXIII. GP

Eingelangt am 08.11.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend

betreffend „Glückspiel-Wetten: Pathologische Spielsucht in Österreich - Maßnahmen"

„Verhaltensbezogene Süchte" werden ein immer größeres Problem in unserer Gesellschaft. Dazu
gehört auch die Glückspielsucht. Die Schulden betragen pro betroffenen Spielsüchtigen
durchschnittlich rund 45.000 Euro. Geschätzte 20.000 Personen sind in Österreich spielsüchtig.

Am 11.Oktober 2007 feierte das B-T"AS" Beratungs- und Therapiezentrum für
Glückspielabhängige und Angehörige, die älteste und einzige störungsspezifische
Facheinrichtung in Österreich ihr 25-jähriges Jubiläum. Dieses Beratungs- und Therapiezentrum
hat im Jahr 2006 rund 7.134 Beratungs- und Therapiegespräche durchgeführt. Persönlich wurden
insgesamt 794 Personen (davon 517 SpielerInnen und 277 Angehörige) betreut. Der Anteil der
Frauen unter den hilfesuchenden Glücksspieler ist weiter gestiegen und betrug 17,2 %. Im Mittel
wurden die Glückspieler-Klienten 7,5 Monate lang betreut. Gestiegen ist kontinuierlich die
Anzahl der GlückspielerInnen, die als Spielort Internet angeben (von den 2006 Betreuten spielten
bereits 7 % im Internet, im Jahr 2002 gab noch keine Klienten das Internet als Spielort an).

Das Hauptsuchtproblem ist in Österreich aber weiterhin das Geld-Automatenspiel, dies gilt
insbesondere für Minderjährige. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um das in einigen
Bundesländern erlaubt „Kleine Glückspiel" handelt oder um illegale Automaten, die bespielt
werden. Geldautomatenspieler stellen auch die weitaus größte Gruppe in den bestehenden
therapeutischen Einrichtungen.

Aus Sicht von Prof. Scholz (Suchtklinik de LaTour) wird am Modellfall Kärnten mit wesentlich
fundierten epidemiologischen Daten eindrucksvoll bestätigt, dass in dieser Region bereits vor
Ablauf des ersten Jahrzehntes nach der Änderung der landesrechtlichen Bestimmungen eine
dramatische Steigerung von beratungs- und behandlungsbedürftigen Spielern bzw. auch deren
Angehörigen eingetreten ist. Aus allen vorliegenden Daten kann somit ein deutlicher Hinweis auf
die Zunahme von Glückspielabhängigkeiten durch freie Zugänglichkeit des „Kleinen


Glückspiels" gezogen werden. Daraus folgen laut Prof. Scholz auch massiv erhöhte öffentliche
Therapiekosten und Sozialleistungen für die genannten Personenkreise.

In den letzten Jahren hat im Zusammenhang mit illegalem Glückspiel, dem kleinen legalen
Glückspiel (Wien, Kärnten, Steiermark und NÖ) oder mit Sportwetten in Wettcafes sowie mit
Glückspielen im Internet (z.B. Onlinecasinos) nicht nur die Anzahl der Spielsüchtigen und die
damit verbundene Verschuldung von Spielern (Pathologische Spieler) zugenommen, sondern
auch die Kriminalität - und zwar in den unterschiedlichen Formen.

Pathologische Glücksspieler begehen wie Drogenabhängige häufig Raubüberfälle auf
Tankstellen, Wettbüros, Trafiken, Banken oder veruntreuen anvertraute Gelder, um ihre
Spielsucht zu finanzieren (Beschaffungskriminalität).

So haben im Jahr 2006 Überfälle auf Wettbüros von 67 (2005) auf 97 zugenommen, dies
bedeutet eine Zunahme von 44,8 %. In vielen Fällen handelte es sich bei den Tätern um wett-
bzw. spielsüchtige Personen, die das verspielte bzw. verwettete Geld zurückholen wollten.
Regelmäßig wird über Gerichtsverfahren und rechtskräftige Verurteilungen wegen Raub, Betrug,
Untreue o.a. in Medien berichtet.

Illegale Spielautomaten findet man derzeit in allen Bundesländern, auch dort wo das "Kleine
Glückspiel" erlaubt ist (Wien, Kärnten, Steiermark und NÖ). Es handelt sich dabei immer um
illegales Glückspiel, das strafrechtlich verboten ist. Die Spielautomaten müssten beschlagnahmt
werden. Mit illegalem Glückspiel werden jährlich Umsätze in Millionenhöhe erzielt,
Millionengewinne für die Anbieter. Besonders spielsüchtige Menschen sind Opfer dieser
Kriminalität. Bekannt sind nicht nur tragische Einzelschicksale, sondern auch ruinierte Familien
und Existenzen. Eine generelle Legalisierung des "Kleinen Glücksspiels" kann - wie von einigen
angestrebt - dieses Problem allerdings nicht lösen. Im Gegenteil, Spielsuchtfälle würden weiter
zunehmen. Das Automatenspiel stellt nach Angaben anerkannter Suchtforscher das größte
Gefährdungspotential für Spielsüchtige dar.

Aber die Kontrolle des illegalen Glückspiels hat in allen Bundesländern versagt. Dabei macht
auch die aktuelle Rechtslage die Verfolgung nicht leicht: Verschiedene Behörden,
unterschiedliche Verfahren, Abgrenzung Bundes- und Landesrecht, mangelhafte Zusammenarbeit
zwischen einzelnen Behörden sowie fehlendes Personal haben nach Einschätzung des
Fragestellers die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels in den letzten Jahren erschwert.


Verantwortlich für die effektive Verfolgung des illegalen Glücksspiels sind neben
Bezirksverwaltungsbehörden und den Polizeidirektionen, der Wachkörper Bundespolizei. Das
Bundeskriminalamt ist dabei nach Auskunft des BMI die zentrale Ansprechstelle für die
Bekämpfung der Glückspielkriminalität.

Notwendig sind daher neben klaren Verboten (Regulierungen) gezielte Informations- und
Aufklärungsmaßnahmen gegenüber Minderjährigen (Schulen) und Risikogruppen (insbesondere
MigrantInnen).

Ergänzt werden müssen diese Maßnahmen durch effektive Kontrollen und abschreckende
Sanktionen. Illegale Automaten müssen von den zuständigen Behörden beschlagnahmt und
gerichtliche Strafanzeigen nach § 168 StGB gegen die Automatenbetreiber erstattet werden. Es
sollte zum Schutz von Spielsüchtigen wie auch aus Jugendschutzgründen dabei keine Toleranz
geben.

Mit der AB 3133/XXII.GP vom 17.08.2005 wurden die Fragen des Fragestellers zur Spielsucht
beantwortet. Aus systematischen Gründen werden ähnliche Fragen wieder gestellt, um die
aktuellen Informationen zu erhalten.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie
und Jugend nachstehende

Anfrage:

1.          Liegen Ihnen nun konkrete Zahlen vor, wie viele Menschen in Österreich „spielsüchtig"
oder „wettsüchtig" sind (Aufschlüsselung männlich / weiblich)?

Wenn nein, wie hoch werden diese geschätzt?

2.          Liegen Ihnen nun konkrete Zahlen vor, wie viele Jugendliche in Österreich „spielsüchtig"
oder „wettsüchtig" sind (Aufschlüsselung männlich / weiblich)?

Wenn nein, wie hoch werden diese geschätzt?

3.          Wie wird seitens Ihres Ressorts „Spielsucht" definiert?


4.         Wie viele spielsüchtige oder wettsüchtige Menschen in Österreich sind zugleich
verschuldet (Aufschlüsselung Männer/Frauen)?

Wie hoch ist aus Sicht des Ressorts die durchschnittliche Verschuldung?
Welche diesbezüglichen Studien gibt es dazu?

5.         Welche Formen des Glückspiels (Roulette, „kleines Glückspiel", Internetangebote,
Sportwetten etc.) sind aus Sicht des Ressorts besonders für die Wett- und Spielsucht
verantwortlich?

Gibt es entsprechende öffentliche Studien?
Wenn ja, zu welchem Ergebnis kommen diese?

6.                                     Wie viele Suizidfälle durch Spielsüchtige sind Ihnen in den letzten fünf Jahren bekannt
geworden (Aufschlüsselung auf Jahre)?

7.                                     Wird diese Spielsucht in Österreich als Krankheit anerkannt und eine Behandlung bzw.
Gruppentherapie durch die Krankenkassen bezahlt?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

8.          Sehen Sie als Verpflichtung der Sozialversicherungsträger an, die Kosten für eine
entsprechende Therapie zu übernehmen?

Wenn nein, warum nicht?

9.                                     Welche Haltung nimmt zu dieser Sucht die EU-Kommission ein?

10.    In welchen Krankenanstalten sind entsprechende Abteilungen oder Ambulanzen
eingerichtet (Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

11.    Wie hoch liegt der Erfolg bei einer ambulanten oder stationären Therapie?

12.    Wo gibt es in Österreich stationäre Therapiestellen?

Wie viele Therapieplätze gibt es (jeweils Aufschlüsselung auf Bundesländer)?


13.    Wie viele Gruppen und/oder Selbsthilfeeinrichtungen bzw. Ambulanzen (öffentliche
Suchtberatungsstellen) zur Bekämpfung der Spielsucht gibt es in Österreich
(Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

14.    Wie viele und welche Gruppen und/oder Selbsthilfeeinrichtungen zur Bekämpfung der
Spielsucht wurden von Ihren Ressorts 2006 und 2007 unterstützt (Aufschlüsselung auf
Bundesländer)?

15.                                Wenn nein, werden Sie in Zukunft Info- und Beratungsdienste von Selbsthilfegruppen
ideell und finanziell unterstützen?

16.                                Welche Geldmittel (Förderungen) stehen diesen Gruppen bzw. Selbsthilfeeinrichtungen
2007 als öffentliche Förderung ihres Bundesministeriums zur Verfügung?

Welche finanziellen Mittel 2008?

17.                                Wer ist in Österreich für die Beratung und Betreuung dieser Spielsucht zuständig (z.B.
Sozialmedizinischer Dienste)?

18.                                Welche Organisationseinheit ist in Ihrem Ministerium für die Bekämpfung dieser Sucht
zuständig?

19.                                Welche Möglichkeiten ergeben sich zur Behandlung von Spielsüchtigen für
niedergelassene Ärzte oder entsprechend ausgebildete Fachärzte oder Psychotherapeuten
nach dem Gesundheitsreformgesetz?

20.               Welche Maßnahmen planen Sie aus gesundheitspolitischen Gründen 2007 und 2008 zur
Bekämpfung der Spielsucht?

Welche präventiven Aktivitäten sind geplant?

21.       Halten Sie zur Bekämpfung dieser Spielsucht zusätzliche legislative Maßnahmen - in
Abstimmung mit anderen Ressorts - für notwendig?

Werden Sie in Anbetracht des Suchtpotentials vorliegenden Daten zusätzliche legislative
Maßnahmen zur Stärkung des Spielerschutzes vorschlagen?
Wenn nein, warum nicht?


22.       In welcher Form werden Sie die Öffentlichkeit - insbesondere Jugendliche (Schulen) und
MigrantInnen- auf die Problematik dieser Suchterkrankung aufmerksam machen?