1934/J XXIII. GP
Eingelangt am 08.11.2007
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Anfrage
der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Scheibner, Mag. Darmann
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Folgeanfrage zur Dringlichen Anfrage betreffend keine Gnade für Kinderschänder und gegen gefährliche vorzeitige Haftentlassungen
Da die Beantwortung der Dringliche Anfrage des BZÖ durch die Justizministerin in der Plenarsitzung am 17.10.2007 als auch die Einigung im Ministerrat einige Fragen ganz oder teilweise offen ließ und darüber hinaus zahlreiche weitere Fragen aufwarf ist die nachstehende Folgeanfrage geboten:
Justizminister Dr. Christian Broda, im Amt von 21. April 1970 bis 24. Mai 1984, ist den Österreicherinnen und Österreichern unter anderem mit seiner Schreckensvision einer „gefängnislosen Gesellschaft“ in Erinnerung geblieben. Allein von 1970 bis 1980 stieg die Zahl der strafbaren Handlungen von 285.507 auf 347.013 – das waren 61.506 oder 22 % Straftaten mehr pro Jahr!
Wenn sich nun die erste sozialdemokratische Justizministerin seit Broda ausdrücklich als dessen Nachfolgerin sieht, ist dies für die auf Sicherheit bedachte Bevölkerung zu Recht ein Alarmsignal. Dies umso mehr, als sich – bedingt durch ausländische Straftäter und viele der organisierten Kriminalität zuzurechnende Straftaten – die Sicherheitssituation in Österreich nach einem Rückgang der Kriminalität in den vergangenen Jahren (2006 wurden um 15.777 gerichtlich strafbare Delikte weniger registriert als 2005) wieder deutlich verschlechtert hat, wie die aktuelle Statistik angezeigter strafbarer Handlungen von Jänner bis August 2007 belegt:
§ + 12,3 % in Oberösterreich,
§ + 8,0 % in Vorarlberg,
§ + 7,3 % im Burgenland,
§ + 6,4 % in Niederösterreich,
§ + 5,1 % in Tirol,
§ + 4,1 % in Kärnten,
§ + 3,5 % in Salzburg und
§ leicht sinkende Zahlen nur in Wien (wo allerdings bereits 36 Prozent aller bundesweit verzeichneten Straftaten begangen werden!) und in der Steiermark.
Derzeit wäre also eigentlich hartes Durchgreifen zur Kriminalitätsbekämpfung erforderlich und nicht die Umsetzung gefährlicher Utopien!
Utopie und Ideologie haben jedoch nicht schon das vorgelegte Haftentlastungspaket, sondern auch die Anfragebeantwortung der Ministerin am 17.10.2007 geprägt. Die Ministerin ließ dementsprechend die Gelegenheit aus, sich ideologisch von den Broda’schen Vorstellungen zu distanzieren. Falsch verstandene Resozialisierungsgedanken führten dann auch zu der Aussage der Ministerin, das vorgelegte Bündel von Maßnahmen (das Haftentlassungspaket) stelle bloß einen ersten Schritt für mehr Sicherheit dar.
Höchst fraglich ist dabei, welche Sicherheit gemeint ist. Denn die Sicherheit der Bevölkerung kann keinesfalls gemeint sein. Allenfalls die Rechtsbrecher können sicher sein, nicht die volle Strafe absitzen zu müssen! Aufgrund der ministeriellen Aussagen ist die Befürchtung vor weiteren Haftentlassungen oder Hafterleichterungen begründet:
Angesichts von jährlich rund 2.500 bekannt werdenden Fällen von Kindesmissbrauch (Quelle: BKA) und einer um ein Vielfaches höher liegenden Dunkelziffer nicht zur Anzeige gebrachter Missbrauchsfälle herrscht speziell in diesem Bereich weiterhin massiver Handlungsbedarf – dabei darf nicht auf Haftentlassung und die gute Hoffnung vertraut werden. Die Sicherheit der Bevölkerung ist hierfür ein zu hohes Gut!
§ Mindeststrafen und Strafverschärfungen wurden immer wieder gefordert, finden sich aber nicht in Entwürfen des Justizministeriums wieder.
§ Eine vom BZÖ initiierte Entschließung für ein Berufsverbot für Sexualverbrecher wurde im Mai 2007 zwar vom Nationalrat – gegen die Stimmen der Grünen – angenommen, trotz Ablauf der Umsetzungsfrist mit 1. September 2007 liegt dem Nationalrat aber nach wie vor nicht einmal ein Bericht der Bundesregierung vor.
§ Auch die allgemeine Empörung über die Schutzlosigkeit von Volksschülern gegenüber einem amtsbekannten Sexualtäter auf Freigang hat die Justizministerin nicht zum Tätigwerden veranlasst.
§ Die Bevölkerung empfindet die Strafen für Sexualdelikte und Kindesmisshandlung im Gegensatz zu den für Eigentumsdelikte verhängten Strafen als eklatant unausgewogen.
§ Die im geltenden Regierungsprogramm angekündigte Verschärfung der Strafdrohung für lang andauernde Freiheitsentziehung und Gewalt (Fall Kampusch) wartet immer noch auf ihre Umsetzung.
Offenbar entspricht aber ein härteres Vorgehen gegen Sexualstraftäter nicht dem Selbstbild von Justizministerin Berger, was angesichts dessen, dass einer Justizministerin die Sicherheit der Bevölkerung primäre Aufgabe sein sollte, ein mehr als bedrohlicher Befund ist.
Auch etliche andere berechtigte, weil im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung liegende Vorschläge im Bereich des Strafrechts werden von Justizministerin Berger beharrlich nicht aufgegriffen. Hierzu zählen beispielsweise:
§ effektive Auflagen und Kontrollmaßnahmen auch ohne bedingte Entlassung
Auch ohne bedingte Entlassung sollte die Möglichkeit bestehen, bereits im Urteil Auflagen und Kontrollmaßnahmen im Einzelfall auszusprechen. Der Einsatz dieser Mittel hängt dann nicht von einer oft gerade wegen der Gefährlichkeit des Straftäters abgelehnten bedingten Entlassung ab.
§ Bessere Rückfallsvermeidung durch Unterscheidung zwischen verschiedenen Straftätergruppen
Durch eine stärkere Unterscheidung in Strafrecht und Strafvollzug hinsichtlich der Resozialisierungsmöglichkeit zwischen verschiedenen Straftätergruppen (z.B. zwischen Berufskriminellen einer- und gestrauchelten Bürgern andererseits) könnten Rückfälle besser vermieden werden.
§ nachträgliche Einweisung von Sexualstraftätern in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher
In vielen Fällen, in denen erst während der Haft Klarheit über das Gefährdungspotential des Verurteilten gewonnen wird, wäre die Einweisung von Sexualstraftätern in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher auch nach Haftende durch das Gericht sehr wünschenswert.
§ deutliche Aufstockung der Zahl der Justizwachebeamten
Die Justizministerin konnte sich in den Budgetverhandlungen in diesem Punkt gegen den Finanzminister nicht wirklich durchsetzen.
§ Errichtung zusätzlicher Haftraumkapazitäten
Die schon in der XXII. GP vorbereitete Erweiterung der Haftraumkapazitäten wurde durch die Justizministerin nur sehr verzögert und abgeschwächt weiterbetrieben statt dringend notwendige weitere Projekte anzugehen.
Nach diesem Befund über die Dinge, die Justizministerin Berger nicht tut und weiterhin nach eigenen Aussagen in der Anfragebeantwortung nicht tun wird, soll nun geprüft werden, was sie tut: Schon kurz nach ihrem Amtsantritt kündigte Justizministerin Berger an, die Häftlingszahlen in den überbelegten heimischen Strafvollzugsanstalten durch ein Haftentlastungspaket um 10 Prozent senken zu wollen. Dies wären bei einem Rekordstand von über 9.000 Straf- und Untersuchungshäftlingen (davon fast die Hälfte Ausländer und viele Berufsverbrecher) über 900 Straftäter, die entweder gar nicht inhaftiert oder vor Abbüßen ihrer Haftstrafe wieder früher auf die Bevölkerung losgelassen würden.
Trotz heftiger Kritik schickte die Justizministerin das von ihr angedrohte Haftentlastungspaket nun nach längerer Funkstille Ende September in Begutachtung. Am 07.11.2007 war das Paket Gegenstand im Ministerrat. Die vorgesehenen Regelungen sollen aber bereits mit 1. Jänner 2008 in Kraft treten, womit belegt ist, dass Justizministerin Berger (entgegen ihrer Beteuerungen anlässlich der Einrichtung eines Broda-Gedenkschreins im Bundesministerium für Justiz) nicht einmal ernsthaft plant, bei der Intensität der parlamentarischen Verhandlung derart wichtiger strafrechtlicher Änderungen in die Fußstapfen des von ihr gerühmten Amtsvorgängers zu steigen. Dies brachte sie auch bei der Anfragebeantwortung am 17.10.2007 durch ihr wenig engagiert wirkendes Auftreten gegenüber dem Parlament zum Ausdruck.
Der vorliegende Entwurf entpuppt sich gemäß den Ankündigungen als echter Anschlag auf die Sicherheit in Österreich. Die Justizministerin gibt zwar vor, durch bessere Gestaltung des Strafvollzugs mehr Sicherheit anzustreben, in Wahrheit jedoch höhlt der Entwurf Strafrecht und Strafvollzug in deren wesentlicher Schutzfunktion für die Bevölkerung deutlich aus und beschränkt sich genau auf das, was die Justizministerin bereits in ihrer ersten Pressekonferenz angekündigt hat:
Das Ziel des Haftentlastungs- oder besser Haftentlassungspaket liegt – neben dem höchstpersönlichen Ziel der Ministerin, die Nachfolge Brodas zu erlangen – in einer deutlichen Reduktion der Haftstrafen, um die aufgrund steigender Kriminalität überfüllten Gefängnisse zu leeren und den dringend erforderlichen Bau zusätzlicher Haftanstalten entbehrlich zu machen. Die Interessen der Bevölkerung kommen dabei leider ganz überwiegend zu kurz. Dies hat auch der Minister für Inneres zumindest teilweise erkannt und sich schon im Begutachtungsverfahren wie augenscheinlich im Ministerrat dagegen opponiert. Das Haftentlastungspaket wurde zwar in einigen Kernpunkten abgeändert. Nichtsdestotrotz stellt es weiterhin einen Anschlag auf die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Bevölkerung dar.
Dies zeigen folgende Beispiele:
· „Reform“ der bedingten Entlassung (Dies ist das Kernstück des Entwurfs).
In Reaktion auf die durch „richterliches Gewohnheitsrecht“ herausgebildete regional deutlich unterschiedliche Wahrscheinlichkeit, bei gleichen Voraussetzungen bedingt entlassen zu werden, schießt die Justizministerin durch eine allgemein deutliche Erleichterung der bedingten Entlassung über das Ziel hinaus. Eine Vereinheitlichung der Rechtsanwendung wäre durchaus wünschenswert, um den „Entlassungstourismus“ zwischen den in verschiedenen Gerichtssprengeln liegenden Strafvollzugsanstalten abzustellen. Die Zahl der bedingten Entlassungen aber generell und undifferenziert deutlich hochzuschrauben gefährdet aber gerade in Zeiten zunehmender Professionalisierung der Straftäter die Sicherheit. Bedingte Entlassungen mögen bei gestrauchelten Normalbürgern sinnvoll sein, bei ausländischen Berufsverbrechern sind sie nach Meinung der Antragsteller absolut fehl am Platz.
Bedenklich ist weiters, dass nach den Vorstellungen der Justizministerin bedingte Entlassungen künftig aus generalpräventiven Gründen nur noch sehr beschränkt abgelehnt werden können (nur bei Verurteilten, die aus einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedingt entlassen werden wollen).
Zum guten Glück wurde die ursprüngliche geplante Verkürzung der grundsätzlichen Mindestanhaltezeit von drei auf zwei Monate nicht vom Ministerrat gebilligt. Jedoch besteht offenbar weiters die Möglichkeit der bedingten Entlassung auch aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe. Die bedingte Entlassung nähert sich damit dem gelockerten Vollzug einer Freiheitsstrafe als neue Vollzugsform an.
· Besondere Vergünstigungen für ausländische Straftäter
Statt sich – wie im geltenden Regierungsprogramm noch angekündigt – der Verhinderung des „Kriminaltourismus“ zu widmen und zur angekündigten „deutlichen Verstärkung der Bemühungen auf Übernahme des Strafvollzugs durch den Heimatstaat“ hinzuwirken, sieht die Justizministerin für (EU-)ausländische Straftäter sogar eine besondere Vergünstigung vor:
Statt ihre Strafhaft nach Möglichkeit im Heimatland abzusitzen, sollen nicht aufenthaltsverfestigte ausländische Verurteilte künftig noch früher als einheimische Straftäter, nämlich regelmäßig nach Verbüßung der Hälfte der Strafe, aus der Strafhaft zu entlassen sein, wenn gegen sie ein Aufenthaltsverbot besteht und sie freiwillig auszureisen versprechen. Sollten sie dieses Geschenk missbrauchen, ist nur der Vollzug des Strafrestes vorgesehen. Wenigstens bei den gefährlichsten ausländischen Rechtsbrechern zeigte die Ministerin ein Einsehen und nahm eine vom BZÖ für sämtliche (!) Regelungen zur bedingten Entlassung geforderte Differenzierung nach der Art des Delikts vor.
Praktisch bedeutet dies: Endlich von der Polizei – meist erst nach etlichen Straftaten – dingfest gemachte ausländische Berufsverbrecher werden künftig regelmäßig gegen das Versprechen (!) auszureisen bereits nach der halben Strafe im Inland (!) auf freien Fuß gesetzt, statt dass für einen Vollzug der Haftstrafe bzw. die Resozialisierung in ihrem Heimatland gesorgt würde und ohne ihre Rückkehr dorthin (wohl sehr zur „Freude“ der Sicherheitsbehörden des eigenen Landes) auch nur sicherzustellen. Diese ausländischen Berufsverbrecher können also von ihrer kriminellen Organisation unmittelbar nach der Ausreise in anderen Ländern eingesetzt werden, ja selbst – z.B. unter einem neuen Namen – in Österreich, weil sie ja für den Fall einer nochmaligen Festnahme lediglich den Vollzug der ausstehenden Reststrafe riskieren.
Etwas wirklichkeitsfremd mutet auch die Erläuterung dieses Vorschlags an, die davon ausgeht, dass bei ausländischen Straftätern der Vollzugszweck der Resozialisierung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Enthaftung erreicht sei.
· Einsatz der elektronischen Fußfessel unter technischen Einschränkungen
Kritikwürdig ist auch, dass die bereits in der XXII. GP initiierte elektronische Fußfessel nun technisch eingeschränkt zum Einsatz kommen soll – man begnügt sich mit einer Überwachungsmöglichkeit auf Basis einer Festnetz-Technologie. Frei- und Ausgänge sollen in Zukunft zwar überwacht werden, die mindere Technologie wird aber nur eine Überwachung an der Arbeitsstelle oder am Wohnsitz ermöglichen – damit kann eine Wiederholung des Falles der missbrauchten Volksschülerin in Wien aber sicher nicht verhindert werden.
Angesichts dieser Fakten liegt wohl auf der Hand, dass die ersten Begründungen der Justizministerin – „10 % weniger Häftlinge“ – korrekter waren als der jetzt im vorliegenden Entwurf gemachte Versuch, die Reform als angeblich der Sicherheit der Bevölkerung dienend schön zu reden.
Deshalb richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Weshalb bauen Sie keine neue Haftanstalten, wenn – wie Sie in der Anfragebeantwortung am 17.10.2007 ausführen – übervolle Gefängnisse an sich ein Sicherheitsrisiko sind?
2. Weshalb sorgen Sie nicht für die dringend notwendige echte Personalaufstockung in den Haftanstalten, welche über den Erhalt des Personalstandes in absoluten Zahlen hinausgeht, sondern begnügen sich mit einer Steigerung um nur 14 veranschlagte Justizwachebeamte im Vergleich Budget 2005 zu Budget 2008?
3. Sie sprechen in Ihrer Anfragebeantwortung von einer Rückfallquote bei Sexualstraftätern von fünf Prozent. Können Sie bitte den Titel, den Verfasser und die Fundstelle dieser Statistik nennen?
4. An anderer Stelle Ihrer Anfragebeantwortung sprechen Sie davon, dass 99 von 100 Sexualstraftäter Ersttäter sind und es sich nur in einem Fall um einen Rückfalltäter handelt. Können Sie bitte auch den Titel, den Verfasser und die Fundstelle dieser Statistik nennen?
5. Wie wollen Sie sicherstellen, dass auch bei einer – nach unserer Ansicht und der Meinung seriöser Statistiker zu gering angesetzten – Rückfallquote von fünf Prozent nicht unschuldige Mädchen oder Buben Opfer eines Sexualstraftäters werden?
6. Gibt es Pläne, aufgrund der dringlichen Anfrage den Anteil der Asylbewerber an den etwa 3.600 ausländischen Inhaftierten aus über 100 Nationen zu ermitteln?
7. Wenn nein, warum nicht?
8. Wird die Anzahl der Asylbewerber nicht erhoben, da Sie ansonsten mit einer – aus Ihrer Sicht negativen – Beeinflussung der Asyldebatte rechnen?
9. Weshalb setzen Sie – wenn es Ihnen um die Sicherheit der Bevölkerung geht – den Vorschlag nicht um, die oft wünschenswerte Möglichkeit der Einweisung von Sexualstraftätern in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher auch nach Haftende durch das Gericht zu schaffen?
10. Wieso verschließen Sie sich gesetzlich bisher nicht geregelten Maßnahmen wie der Kombination von voller Strafableistung und anschließenden Maßnahmen (maßgeschneiderte Therapie und Maßnahmen der Bewährungshilfe)?
11. In der Debatte auf die Anfragebeantwortung ziehen Sie sich diesbezüglich auf das geltende Recht zurück. Abgeordneter Scheibner hat auf Ihren Zwischenruf zurecht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber Gesetze auch ändern kann. Werden Sie die Kombination von voller Strafe und anschließender Maßnahmen in das von Ihnen vorgelegte Paket aufnehmen?
12. Wenn nein, warum nicht?
13. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie vorschlagen, um den Justizanstalten für ihre Entscheidungen über Hafturlaub und Freigang künftig auch die der Polizei vorliegenden Informationen über Strafanzeigen zugänglich zu machen?
14. Werden Sie – wie vom Innenminister gefordert – auch eine Gefährdungseinschätzung von allen Sexualstraftätern in einer Sexualstraftäterdatei aufnehmen?
15. Wenn nein, warum nicht?
16. Wenn ja, wer wird Zugriff auf diese Datei erhalten und werden Sie diese Datei auch öffentlich zugänglich machen?
17. Wann werden Sie einen Gesetzesentwurf zur Verschärfung der Strafdrohung für lang andauernde Freiheitsentziehung und Gewalt (Fall Kampusch) vorlegen?
18. Wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, der – wie von allen Parteien im Justizausschuss am 20.09.2007 gefordert, SPÖ und Grüne ausdrücklich eingeschlossenen - die eklatanten Ungleichgewichte bei den Strafen für Eigentumsdelikte im Vergleich zu Delikten gegen Leib und Leben oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung beseitigt?
19. Werden Sie die BZÖ-Forderung auf ausschließlich lebenslange Freiheitsstrafen bei schweren Straftaten wie Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch von Unmündigen mit Todesfolge unterstützen?
20. Wenn nein, warum erscheint Ihnen z.B. für das gewaltsame und qualvolle Sterben eines Mädchens eine maximale Strafdrohung von zehn Jahren Freiheitsstrafe wie nach § 92 StGB angemessen?
21. Ist Ihnen bekannt, dass die Bevölkerung ganz vordringlich bei sexuellem Missbrauch von Kindern, Drogenhandel und Gewalt in der Familie strengere Strafen fordert?
22. Meinen Sie in Ihrer Funktion als Justizministerin nicht, dass ein Straftäter, der ein Mädchen sexuell missbraucht und dessen Tod verursacht, auf der tiefsten Stufe des Unrechts steht und daher ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden sollte?
23. Wenn nein, warum nicht?
24. Unterstützen Sie den Beschluss des Schweizer Nationalrats, dem Volkswillen in der Frage einer lebenslangen Verwahrung von extrem gefährlichen, nicht therapierbaren Gewalt- und Sexualtätern ohne Haftprüfung zu folgen?
25. Wenn nein, warum lehnen Sie diese vom Schweizer Volk verlangte Änderung, die wahrscheinlich auch der Meinung einer Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher entspricht, ab?
26. Ist es richtig, dass Sie eine deutliche Reduktion der Strafdrohung für gewerbsmäßigen Suchtgifthandel planen?
27. Wenn nein, welche Auswirkungen haben die geplanten Änderungen des Suchtmittelgesetztes im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit Ihrer Ansicht nach?
28. Wieso werden nicht alle Ziffern des § 27 Abs. 2 in § 27 Abs. 3 SMG Ihres Entwurfes (119/ME) bei gewerbsmäßiger Begehung aufgenommen?
29. Welche Reduktion des durchschnittlichen Häftlingsstandes und welche Gesamtzahl begünstigter Straftäter wird Ihr Haftentlastungspaket jährlich bewirken?
30. Wieso ergreifen Sie statt der bedenklichen generellen Erleichterung der bedingten Entlassung keine Maßnahmen, die nur das evidente West-Ost-Gefälle in der praktischen Anwendung beseitigen?
31. Wie rechtfertigen Sie die durch die geplante generelle Erleichterung der bedingten Entlassung bewirkte Missachtung des ursprünglichen Richterspruchs?
32. Abgesehen von der vorzeitigen Haftentlassung von Ausländern, wieso sehen Sie bei bedingten Entlassungen keine Differenzierung nach der Natur des Delikts vor?
33. Wieso sollen insbesondere auch Sexualstraftäter, von den Regelungen für Ausländer abgesehen, in den Genuss der erleichterten bedingten Entlassung kommen?
34. Weshalb halten Sie trotz der deutlich höheren Rückfallsquote eine bedingte Entlassung für Sexualstraftäter grundsätzlich für vertretbar?
35. Wie werden nach Ihrem Entwurf unter dem Aspekt der Generalprävention Fälle wie den der Frau Abgeordneten Petrovic behandelt, die sich im Zusammenhang mit dem Verstecken illegal in Österreich aufhältiger Personen öffentlich dazu bekannte, strafbare Handlungen zu begehen und auch weiterhin begehen zu wollen?
36. Hat die Staatsanwaltschaft wegen der Aussage von Frau Abgeordneter Petrovic („Ich gehöre zu denen, die mithelfen, Leute zu verstecken“ Der Standard, 10. Oktober 2007) schon Vorerhebungen eingeleitet? Ist davon auszugehen, dass der Antrag auf Aufhebung der Immunität gestellt wird?
37. Wird die elektronische Fußfessel nach Ihrem Modell geeignet sein, Fälle wie beispielsweise das schreckliche Sex-Attentat auf ein 6-jähriges Mädchen in einer Wiener Schule – der Täter hatte unbegleiteten Ausgang – zu verhindern?
38. Wann kann in Anwendung Ihres Haftentlastungspakets z.B. jener niederösterreichische Arzt, der wegen des über ein Jahr andauernden Missbrauchs seiner 13-jährigen Stieftochter zu lediglich drei Jahren Haft (davon nur acht Monate unbedingt) verurteilt wurde, erstmals bedingt entlassen werden?
39. Wann kann in Anwendung Ihres Haftentlastungspakets jener Vorarlberger Fußballtrainer, der sich jahrelang an 20 Buben vergriffen hatte und zu lediglich zwei Jahren Freiheitsstrafe (davon nur acht Monate unbedingt) verurteilt wurde, frühestens bedingt entlassen werden?
40. Weshalb verzichten Sie zur Gänze, entgegen Ihren Ankündigungen, auf spezialpräventive Voraussetzungen für die vorzeitige Haftentlassung nicht aufenthaltsverfestigter Ausländer?
41. Wie werden Sie auf die „äußerst kritische“ Stellungnahme Ihres Kollegen Minister Platter reagieren, der annimmt, dass die Aussicht im Regelfall (!) auf eine nur zur Hälfte vollzogene Freiheitsstrafe Ausländern als Anreiz zur Begehung von Straftaten in Österreich dienen würde?
42. Werden Sie weitere entsprechende Änderung vorschlagen?
43. Wenn nein, warum nicht?
44. Der Innenminister weist darauf hin, dass sich der Fremde jedenfalls nach Ihren Vorschlägen ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Haft illegal im Bundesgebiet befindet und somit grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Fremdenpolizeibehörden fällt. Die diesbezügliche weitere Handhabung sei nach Meinung des Ministers Platter unklar. Haben Sie dies bei der Erarbeitung des Entwurfes nicht erkannt?
45. Wieso wurde das Innenministerium nicht in die Erarbeitung des Entwurfes – zumindest in dem Bereich, der Fremde betrifft – eingebunden?
46. Innerhalb welcher Frist und in welcher Weise hat der Fremde nach Ihrem Entwurf bei Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Haft auszureisen?
47. In welcher Form ist die Ausreise nach Ihrem Entwurf zu überwachen bzw. die tatsächliche Ausreise des Fremden gesichert?
48. Wie soll ein allfälliges Untertauchen des Fremden nach der Haftentlassung verhindert werden – der Innenminister jedenfalls scheint ratlos?
49. In Ihren Erläuterungen zu dem Entwurf verweisen Sie bezüglich verfassungsrechtlicher Bedenken auf eine Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichts zum Gleichheitssatz. Ist Ihnen bewusst, dass die Staatsgewalt Deutschlands an den österreichischen Grenzen endet und sich österreichisches von deutschem Verfassungsrecht unterscheidet?
50. Fremde können nach Ihrem Entwurf unter bestimmten Voraussetzungen nach der Hälfte der Haft entlassen werden. Österreichern ist dies nicht möglich, bei EU-Bürgern ist es zumindest problematisch. Wie beurteilen Sie – bitte aus österreichischer Verfassungssicht und nicht aus deutscher – die verfassungsrechtliche Problemstellung, da wohl auch der Innenminister von einer Verletzung des Gleichheitssatzes ausgeht?
51. Wie wollen Sie der Gefahr begegnen, dass ausländische Täter, die nach Ihrem Entwurf künftig Anspruch auf eine Haftentlassung nach der Hälfte der verhängten Strafe haben sollen, allein schon durch die modernen Kommunikationsmittel vielfach auch vom Ausland aus weiter in Österreich operieren können?
52. Wie soll die Identifikation ausländischer Täter sichergestellt und damit deren Wiedereinreise und allfällige weitere kriminelle Tätigkeiten nach vorzeitiger Enthaftung wirksam verhindert werden angesichts der praktischen Erfahrungen der Kriminalpolizei, dass bestimmte Personenkreise schon bei der Einreise als Name häufig „Joe Brown“ angeben, und in zahlreichen Ländern Dokumente wie Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis etc. nicht oder nicht in vergleichbarer Qualität bestehen wie in Österreich oder schlichtweg einfach käuflich erhältlich sind?
53. Planen Sie, die DNA dieser Personen zu erfassen?
54. Wenn nein, warum nicht?
55. Im geltenden Regierungsprogramm wurde die Verhinderung des „Kriminaltourismus“ als eines der Ziele der rot-schwarzen Regierung vereinbart; wie steht diese Zielsetzung mit dem Haftentlastungspaket im Einklang, nach dem ausländischen Inhaftierten regelmäßig ein 50 % - Rabatt auf die Haftzeit bei gleichzeitiger Ausreisevereinbarung gewährt wird?
56. Wie rechtfertigen Sie, dass Inländer für eine bedingte Entlassung eine gerichtliche Entscheidung unter Berücksichtigung der Sozialprognose brauchen, ausländische Straftäter aber bei einer Verurteilung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe einen Rechtsanspruch auf Freiheit nach Abbüßung der Hälfte der Strafhaft allein für ihr Versprechen auf Ausreise aus Österreich haben?
57. Der Opferhilfe ist im geltenden Regierungsprogramm ein eigenes Kapitel gewidmet; haben Sie Verständnis dafür, dass Opfer von Straftaten, die mit ansehen müssen, wie ihre Peiniger aufgrund Ihres Haftentlastungspakets vorzeitig entlassen werden den Glauben an den Rechtsstaat verlieren?
58. Wenn nein, warum nicht?
59. In der Anfragebeantwortung vom 17.10.2007 führten Sie aus, dass eine Sexualstraftat für die betroffene Familie „nicht lustig“ ist. Abgesehen von der merkwürdigen semantischen Beurteilung einer Tragödie, wie wollen Sie die Anzeigebereitschaft der Opfer steigern, wenn die Opfer wissen, dass ihr Peiniger mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht seine gesamte Strafe verbüßen muss?
60. Ebenso führten Sie am 17.10.2007 aus, dass die Mittel zur psychosozialen Prozessbegleitung für das Jahr 2008 mehr als verdoppelt werden. Wieso gehen Sie nicht von dem hinlänglich bekannten und bewährten Ansatz „Vorsorge ist besser als Nachsorge“ – also Verhinderung der Straftat vor späterer Schadensbegrenzung – aus?
61. Frau Ministerin, in Ihrer Anfragebeantwortung vom 17.10.2007 haben Sie kein deutliches Wort über die Art, wie Sie und Ihr Haus Sexualdelikte und Delikte an Kindern qualifizieren, verloren. Sehen Sie keinen legistischen Handlungsbedarf in diesem Bereich der Kriminalitätsbekämpfung?
62. Wenn nein, warum nicht?
63. Wenn ja, wie sehen Ihre Vorstellungen konkret aus?
64. Wie viel Zeit wird für die Verhandlungen mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien – nach dem Muster Ihres Vorbildes Broda – zur Verfügung stehen?
65. Am 17.10.2007 sagten Sie, das vorgelegte Bündel von Maßnahmen (das Haftentlassungspaket) stelle bloß einen ersten Schritt für mehr Sicherheit dar; planen Sie über das Haftungsentlassungspaket hinausgehende Entlassungen?
66. Wie sehen Ihre weiteren Pläne für mehr „Sicherheit“ in Österreich aus?
67. Wenn Sie mehr Sicherheit erreichen wollen, warum setzen Sie sinnvolle Schritte für mehr Sicherheit wie ein Berufsverbot für Sexualverbrecher trotz einer vorliegenden Entschließung des Nationalrats vom 3. Mai 2007 nicht um?
68. Wann wird die Bundesregierung, der Sie angehören, dem Nationalrat den in der von vier Parteien unterstützten Entschließung vom 3. Mai 2007 (19/E) bis 1. September 2007 angeforderten Bericht zur Umsetzung eines Berufsverbots für Sexualstraftäter übermitteln?
69. Halten Sie es nicht für eine eklatante Missachtung des Nationalrats, wenn eine Entschließung ohne jegliche Begründung von der Bundesregierung ignoriert wird?
70. Wenn nein, warum nicht?
Wien, am 8. November 2007