1939/J XXIII. GP
Eingelangt am 09.11.2007
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Vorstandsvergrößerungen und Bahnhofs-Manager-Karrieren
Derzeit wird der Vorstand der ÖBB Holding auf 4 Personen vergrößert, weitere Vorstände in der ÖBB-Unternehmensgruppe werden auf 3 statt bisher 2 Personen erweitert.
Damit wird die bereits bisher sehr großzügige und kostspielige und daher in der letzten Gesetzgebungsperiode wiederholt auch von SPÖ-Vertretern lautstark kritisierte Ausstattung der ÖBB-Unternehmensgruppe weiter fortgesetzt statt eingedämmt.
Dies fügt sich nahtlos in eine unselige und für die ÖBB-Kunden und in letzter Konsequenz für die österreichischen SteuerzahlerInnen teure Tradition ein. So wurde nach längerer Geheimhaltung im Sommer bekannt, dass der bisherige Leiter der Eisenbahnbehörde im Verkehrsministerium, GL MR Dr. K. J. Hartig, auf einen lukrativen Job der ÖBB-Infrastruktur Bau AG als neuer Generalmanager des Wiener Zentralbahnhofes wechselt.
Damit musste das größte Eisenbahnprojekt Mitteleuropas nach der „Zwischendurch-Versorgung“ eines vormaligen BMVIT-Sektionschefs auf demselben Posten ein weiteres Mal als gut dotiertes Abstellgleis für bisherige BMVIT-Mitarbeiter herhalten. Zugleich ist jedoch für das Beheben täglicher Unzulänglichkeiten für die Pendlerinnen und Pendler, für zeitgemäßes Rollmaterial, für die Reaktivierung von Regionalbahnen und dergleichen mehr angeblich nicht ausreichend Geld im Eisenbahnwesen aufzutreiben, sodass entsprechende Vorhaben jahrelang gestreckt bzw. auf Eis gelegt werden.
Erneut handelt es sich auch um einen Parteifreund des jeweiligen Verkehrsministers.
Zahlreiche Rückmeldungen von Fahrgästen und von ÖBB-MitarbeiterInnen der „operativen Ebene“ an die Grünen unterstreichen, dass diese Vorgänge nicht als Beitrag zur dringend nötigen stärkeren Orientierung von Bahn und Bahnpolitik auf Kundenbedürfnisse wahrgenommen werden. Folgerichtig dauert die zu FPÖ/BZÖ-Zeiten vehemente Kritik an fragwürdigen bahnpolitischen Prioritäten wie zB Postenvergaben an - trotz Wechsels der politischen Zuständigkeit zur SPÖ, die traditionell in Bahnkreisen einen guten Stand hatte und Vorschußlorbeeren genoss.
Die vergangenen Jahre waren von Fehlentwicklungen und Vollzugsschwächen in wesentlichen Bereichen des Eisenbahnwesens gekennzeichnet, für die neben der jeweiligen politischen Spitze des BMVIT die Spitze der Eisenbahnbehörde verantwortlich ist. Genannt sei die – wie vom Rechnungshof belegt – in wesentlichen Teilen missglückte und in der Praxis vielfach nicht gelebten oder konterkarierten „ÖBB-Reform“, die misslungene Eisenbahngesetz-Novelle 2006, fehlende, mit fragwürdigen Methoden und Aktionen der Behördenleitung „überbrückte“ Regelungen im Eisenbahnbereich, eine neuerliche dramatische Verschlechterung der Unfallbilanz an den seit vielen Jahren im Vollzug mangelhaft behandelten Eisenbahnkreuzungen, nicht nachvollziehbare Aufgabenstellungen für gut bezahlte Staatskommissäre, Mängel bei der Berücksichtigung der Erfordernisse von Menschen mit Behinderungen, Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen radbenutzender Fahrgäste sowie laufende RH-Kritik an der Eisenbahnfinanzierung. Es bleibt ungeklärt, warum eine derartige Bilanz offenbar dennoch eine Empfehlung für erneut wichtige, noch weit höher dotierte Funktionen im Eisenbahnwesen ist.
Eine dramatische Fehlentwicklung der letzten Jahre muss im Zusammenhang mit dieser jüngsten Personalentscheidung besonders hervorgehoben werden, nämlich die wiederholten Probleme der Eisenbahnbehörde bei Genehmigungsverfahren für Eisenbahn-Großbauvorhaben. Diese in der Presse u.a. als „Pfusch-Bescheide“ bezeichneten Verfahrenspannen haben den SteuerzahlerInnen auch ansehnliche Zusatzkosten durch mehrfaches Arbeiten und vermeidbare Beschäftigung der Höchstgerichte verursacht. Mit der Entscheidung, ausgerechnet den hiefür jahrelang federführend verantwortlichen Spitzenbeamten mit der Koordination des komplexesten und wichtigsten Genehmigungsverfahrens des österreichischen Bahnwesens in den nächsten Jahren zu betrauen, zeigen Unternehmen und politisch Verantwortliche beträchtliche Risikobereitschaft zu Lasten der SteuerzahlerInnen.
Gleichzeitig muss die bisherige Baustelle Eisenbahnbehörde jetzt rasch saniert und die bisherigen Fehlentwicklungen rasch und nachhaltig korrigiert werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie begründen Sie die Aufstockung der Vorstände der ÖBB Holding und mehrerer Unternehmen der ÖBB-Unternehmensgruppe, insbesondere im Lichte der heftigen Kritik auch der SPÖ an der Postenvermehrung im ÖBB-Bereich unter der Vorgängerregierung?
2. Waren Sie über die Bestellung des bisherigen Leiters der Eisenbahnbehörde als neuer Generalmanager des Wiener Zentralbahnhofes informiert oder wurden auch Sie durch diese Personalentscheidung der ÖBB überrascht?
3. Waren Sie in die Personalentscheidung der Bestellung des bisherigen Leiters der Eisenbahnbehörde als neuer Generalmanager des Wiener Zentralbahnhofes eingebunden? Wenn ja, in welcher Weise und welche Position haben Sie in dieser Frage eingenommen?
4. Wie beurteilen Sie das Avancement des bisherigen Leiters der Eisenbahnbehörde zum neuen Generalmanager des Wiener Zentralbahnhofes vor dem Hintergrund der Performance der Eisenbahnbehörde und ihrer Leitung in den letzten Jahren?
5. Wurde der Posten des Generalmanagers des Wiener Zentralbahnhofes a) bei dieser Besetzung, b) bei der letzten Besetzung dieses Postens mit einem BMVIT-Spitzenbeamten ausgeschrieben oder ist die Betrauung mit dieser gut dotierten Funktion „freihändig“ erfolgt? Wer oder welches Gremium ist für eine „freihändige“ Vergabe einer derartigen Funktion zuständig und damit verantwortlich?
6. Unter dem nun vorteilhaft „umgestiegenen“ Leiter der Eisenbahnbehörde wurde Anfang des Jahres 2005 eine missglückte „ÖBB-Reform“ der Regierung schwarz/blau/orange durchgedrückt, die die Weiterentwicklung des Verkehrsträgers Eisenbahn insbesondere durch Interessenskonflikte und Streitereien zwischen den einzelnen Teilgesellschaften nachhaltig behindert.
a) Welche Maßnahmen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gesetzt?
b) Welche Maßnahmen werden Sie bis wann zur Korrektur dieser Fehlentwicklung setzen?
c) Welche Konzepte wurden bisher zur Korrektur dieser Fehlentwicklung erarbeitet?
d) Welche legistischen Maßnahmen sind zur Korrektur dieser Fehlentwicklung vorgesehen?
e) Welche Vorgaben zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gaben bzw. geben Sie dem neuen Leiter der Eisenbahnbehörde?
7. Unter dem nun vorteilhaft „umgestiegenen“ Leiter der Eisenbahnbehörde wurde im Jahr 2006 eine Eisenbahngesetznovelle umgesetzt, die von nahezu allen Beteiligten einhellig abgelehnt wurde. Dennoch wurde die Gesetzesänderung buchstäblich in letzter Minute der Regierung schwarz/blau/orange mit aller Kraft durchgedrückt. Nach Auffassung vieler ExpertInnen wurden die Befürchtungen aus dem Begutachtungsverfahren seither eindrucksvoll bestätigt. So haben sich unter anderem die Genehmigungsverfahren im Eisenbahnbereich durch die zwingende Hereinnahme externer (und damit teurer) GutachterInnen insgesamt massiv verteuert. Als einziger unbestrittener Nutznießer der letzten Eisenbahngesetznovelle kann heute wohl nur die Lobby der PlanerInnen, BeraterInnen und GutachterInnen ausgemacht werden.
a) Welche Maßnahmen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gesetzt?
b) Welche Maßnahmen werden Sie bis wann zur Korrektur dieser Fehlentwicklung setzen?
c) Welche Konzepte wurden bisher zur Korrektur dieser Fehlentwicklung erarbeitet?
d) Welche legistischen Maßnahmen sind zur Korrektur dieser Fehlentwicklung vorgesehen?
e) Welche Vorgaben zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gaben bzw. geben Sie dem neuen Leiter der Eisenbahnbehörde?
8. Unter dem nun vorteilhaft „umgestiegenen“ Leiter der Eisenbahnbehörde wurden über viele Jahre hinweg brauchbare Regelungen für die Eisenbahn verschleppt, z.B. über Eisenbahnkreuzungen oder über die behindertengerechte Gestaltung von Eisenbahnfahrzeugen und Eisenbahnbauwerken. Ein absolutes Negativbeispiel stellt hier die Eisenbahnkreuzungs-Verordnung dar, an deren zeitgerechter Adaptierung bereits seit fast zehn Jahren ohne brauchbares Ergebnis herumgedoktert wird. Es ist schwer nachvollziehbar, ob diese Stagnation auf mangelnden Regelungswillen oder auf Unvermögen zurückzuführen ist, jedenfalls aber muss hier seitens der Ressortleitung endlich etwas unternommen werden.
a) Welche Maßnahmen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gesetzt?
b) Welche Maßnahmen werden Sie bis wann zur Korrektur dieser Fehlentwicklung setzen?
c) Welche Konzepte wurden bisher zur Korrektur dieser Fehlentwicklung erarbeitet?
d) Welche legistischen Maßnahmen sind zur Korrektur dieser Fehlentwicklung vorgesehen?
e) Welche Vorgaben zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gaben bzw. geben Sie dem neuen Leiter der Eisenbahnbehörde?
9. Die Unfallrate auf den österreichischen Eisenbahnkreuzungen ist dramatisch höher als in vergleichbaren Nachbarländern (z.B. Deutschland) und hat sich in den letzten Jahren teilweise sogar verschlechtert, ohne dass dagegen von BMVIT und Eisenbahnbehörde wirksame Maßnahmen entwickelt worden wären. Die letzte Änderung der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung liegt fast zwanzig Jahre zurück. Auch der ÖAMTC hielt zuletzt fest: „Jedenfalls wird es aber notwendig sein, die seit 1964 unveränderten Bestimmungen der Eisenbahnkreuzungsverordnung zu aktualisieren und den Erfordernissen des modernen Verkehrs anzupassen.“ Als einzige zusätzliche Regelungsmaßnahme der letzten Jahre wird seit Monaten das Blechtaferl mit Dampflokomotive abgefeiert, das vor einigen Eisenbahnkreuzungen zusätzlich zu den anderen Verkehrszeichen angebracht wird. Die Maßnahme erweist sich bisher als unwirksam, gab es doch gerade zuletzt zahlreiche Tote und Schwerverletzte auf Eisenbahnkreuzungen.
a) Welche Maßnahmen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gesetzt?
b) Welche Maßnahmen werden Sie bis wann zur Korrektur dieser Fehlentwicklung setzen?
c) Welche Konzepte wurden bisher zur Korrektur dieser Fehlentwicklung erarbeitet?
d) Welche legistischen Maßnahmen sind zur Korrektur dieser Fehlentwicklung vorgesehen?
e) Welche Vorgaben zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gaben bzw. geben Sie dem neuen Leiter der Eisenbahnbehörde?
10. An wie vielen Eisenbahnkreuzungen werden Sie bis Mitte 2008 für die Umsetzung konkreter Schritte zur Verbesserung der Sicherheit – so geänderte/verbesserte Verkehrszeichen, zusätzliche Bodenmarkierungen, zusätzliche technische Sicherungen durch Lichtsignalanlagen/Schranken, zusätzliche Niveaufreimachungen, zusätzliche sonstige Auflassungen, zusätzliche Überwachungsmaßnahmen wie zB Rotlichtkameras – sorgen?
11. Welche Mittel werden für die Umsetzung dieser Maßnahmen eingesetzt und aus welchen Budgettiteln stammen diese Mittel?
12. Unter dem nun vorteilhaft „umgestiegenen“ Leiter der Eisenbahnbehörde wurde die Funktion des „Staatskommissärs“ im Eisenbahngesetz hartnäckig verteidigt. Diese Funktion, die mit Zusatzeinkommen für auserwählte Behördenangehörigen verbunden ist, erscheint jedoch nicht mehr zeitgemäß. Im Gegensatz aber etwa zu den Eisenbahnkreuzungen, wo längst überfällige Sicherheitsregelungen jahrelang kein Thema waren, wurde die Anzahl der Staatskommissäre unter der Regierung schwarz/blau/orange durch eigene Gesetzesnovellen zum Eisenbahngesetz (2004) sogar noch ausgebaut.
a) Welche Maßnahmen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gesetzt?
b) Welche Maßnahmen werden Sie bis wann zur Korrektur dieser Fehlentwicklung setzen?
c) Welche Konzepte wurden bisher zur Korrektur dieser Fehlentwicklung erarbeitet?
d) Welche legistischen Maßnahmen sind zur Korrektur dieser Fehlentwicklung vorgesehen?
e) Welche Vorgaben zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gaben bzw. geben Sie dem neuen Leiter der Eisenbahnbehörde?
f) Welche Ausgaben sind seit Ihrem Amtsantritt bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung für die Bezahlung von Staatskommissären erfolgt?
g) Über welche Wahrnehmungen berichteten Ihnen die Staatskommissäre der Eisenbahnbehörde seit Ihrem Amtsantritt?
13. Seitens der VertreterInnen der Behinderten wird seit Jahren darüber geklagt, dass unter dem nun vorteilhaft „umgestiegenen“ Leiter der Eisenbahnbehörde keine konstruktive Zusammenarbeit mit der Behörde im Eisenbahnbereich aufgebaut werden konnte. So gibt es aus Sicht der BetroffenenvertreterInnen auch bis zum heutigen Tag keine brauchbaren Regelungen über die behindertengerechte Gestaltung von Eisenbahnfahrzeugen und Eisenbahnbauwerken.
a) Welche Maßnahmen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gesetzt?
b) Welche Maßnahmen werden Sie bis wann zur Korrektur dieser Fehlentwicklung setzen?
c) Welche Konzepte wurden bisher zur Korrektur dieser Fehlentwicklung erarbeitet?
d) Welche legistischen Maßnahmen sind zur Korrektur dieser Fehlentwicklung vorgesehen?
e) Welche Vorgaben zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gaben bzw. geben Sie dem neuen Leiter der Eisenbahnbehörde?