1986/J XXIII. GP

Eingelangt am 09.11.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Graf
Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend „Die Österreichische Kapitalmarktaufsicht und die Aufsicht des Börsehandels — ein Versagen der österreichischen Kapitalmarktpolitik am Beispiel Meinl European Land Ltd (MEL)"

Nach den Skandalen rund um die BAWAG Affäre und den Anlegerbetrugsskandal „Amis" erschüttert mit den Geschehnissen rund um die börsennotierte Immobiliengesellschaft Meinl European Land (Jersey) Ltd. (MEL) erneut ein Skandal den heimischen Finanz- und Kapital-markt.

Die einst als Musterbeispiel für erfolgreiche und tüchtige Geschäftspolitik gefeierte Meinl Bank AG und ihr Vorstandsvorsitzender Julius Meinl V. sind durch die zu Tage tretenden Ungereimtheiten rund um die MEL, die Meinl International Power (MIP) und die Meinl In-ternational Airport (MIA) und ihre offensichtliche Verbindung zu diesen Gesellschaften ins Strudeln geraten. Dabei zeigt sich nicht nur die persönliche Involvierung von Julius Meinl V. sondern auch, dass wieder einmal die heimische Kapitalmarkt- und Börseaufsicht versagt hat. Sowohl die Finanzmarktaufsicht (FMA) als auch das Bundesministerium für Finanzen haben jahrelang tatenlos zugesehen, wie die österreichischen Bestimmungen des Aktiengesetzes sowie des Kapitalmarktrechtes umgangen und ausgehebelt wurden.

Das Konzept all dieser Gesellschaften rund um Julius Meinl V. ist dabei immer dasselbe: Zu-nächst werden höchst undurchsichtige, für den durchschnittlichen Anleger kaum nachvoll-ziehbare Firmenkonstrukte mit Sitzen der Gesellschaften in diversen Off-Shore-Steuerparadiesen wie Jersey, Antigua oder Liechtenstein aufgebaut, um wahre Eigentümer-strukturen zu verbergen. Danach erfolgt mit einer dieser nach ausländischem Recht gegründe-ten Gesellschaften der Börsegang an der Wiener Börse.

In den Börseprospekten wird nicht - wie vom KGM vorgeschrieben - eine Information für Anleger geboten, sondern auf bis zu 250 Seiten in Englisch „Verschleierung" betrieben.

 

Nun werden über Jahre hinweg Gelder von diesen börsenotierten Gesellschaften an die Meinl Bank AG transferiert, die in beinahe allen Belangen diese Gesellschaften zu lenken scheint:

In einem Managementvertrag mit der Meinl European Real Estate (Jersey) Ltd. werden laut Geschäftsberichten der MEL sämtliche operative Tätigkeiten der MEL an diese Management-gesellschaft, die wiederum eine 100%ige Tochter der Meinl Bank AG ist, übertragen. Da- durch konnte die Meinl Bank AG die MEL über die Jahre beeinflussen und leiten. Auch wur-de über Personalunionen sichergestellt, dass die Meinl Bank AG wesentlichen Einfluss auf die Gestion der MEL hat. So ist etwa MMag. Peter Weinzierl sowohl Vorstand der Meinl Bank AG als auch Mitglied des Board of Director der MEL (bis 20.06.2005) und er ist aktuell Mitglied des Boards of Director der Meinl European Real Estate Ltd.

Besonders vor diesem Hintergrund der Beherrschung der MEL durch die Meinl Bank AG sind die Geldflüsse zur Meinl Bank AG zu betrachten. Die Zahlungen wurden dabei über mehrere Finanzinstrumente abgewickelt:

Bei all diesen im Raum stehenden Vorwürfen stellt sich die Frage, in welcher Weise die Wie-ner Börse AG, die FMA und das BMF zu welchem Zeitpunkt worüber Bescheid gewusst ha-ben.

Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der jetzige Vorstand der FMA Dr. Heinrich Traumüller in den Jahren 2000 bis 2002 Kabinettchef Ihres Vorgängers Mag. Karl Heinz Grasser war, bevor er in die FMA-Chefetage aufstieg. Dazu kommt, dass Traumüller bis zum 31.03.2005 (also noch als Vorstand der FMA) Staatskommissär in der Meinl Bank AG war. Ab dem 01.04.2005 folgte ihm in dieser Position der Generalsekretär des Finanzministeriums Dr. Peter Quantschnigg, ebenfalls ein enger Vertrauter des ehemali-gen Finanzministers, der nun in Ihrem unmittelbaren Umfeld tätig ist.

Nach einem Bericht des Wochenmagazins Profil (Nr. 38, 17.09.2007) wurde die Meinl Bank AG zuletzt im Jahre 1997 im Rahmen einer sogenannten Vorortprüfung nach dem Bankwe-sengesetz geprüft. Obwohl bei Instituten in der Größe der Meinl Bank AG ein Rhythmus von 2 bis 3 Jahren vorgesehen ist, wurde die Meinl Bank AG laut Informationen dieses Wochen-magazins seit 1997 keiner umfassenden Prüfung unterzogen.

Im Hinblick auf die Verantwortung der Finanzmarktaufsicht, auf Ihre Verantwortung als Bundesminister für Finanzen und in Hinblick auf mögliche Amtshaftungsansprüche gegen die Republik stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

ANFRAGE

1.              Wer ist für die Kapitalmarktaufsicht zuständig und wie ist diese Tätigkeit geregelt?

2.              Wer ist für die Börseaufsicht zuständig und wie ist diese Tätigkeit geregelt?

3.              Wie sind Sie als Bundesminister für Finanzen im Lichte ihrer Ministerverantwortlichkeit in die Kapitalmarkt- und Börseaufsicht eingebunden?


4.              Welche Verantwortlichkeiten bestehen gegenüber dem Parlament?

5.              Welche gesetzlichen Bestimmungen gelten für ausländische Börseunternehmen, die an der Wiener Börse AG notieren?

5.1.       Gilt das österreichische Aktienrecht?

5.2.                  Gilt das österreichische Börserecht?

5.3.                  Gilt das österreichische Kapitalmarktgesetz?

5.4.       Sind Ihrer Ansicht nach sämtliche dem Anlegerschutz dienenden Publizitätsvor-schriften von ausländischen Unternehmen einzuhalten?

5.5.                  zu 5.1. bis 5.4. wenn nein: Warum jeweils nicht?

6.    Unter welchen Voraussetzungen ist es Unternehmen mit ausländischem Sitz und ausländi-schem Gesellschaftsstatut möglich, an der Wiener Börse AG zu notieren?

6.1.   Welche gesetzlichen Bestimmungen müssen dabei eingehalten werden?

6.2.   Gibt es bei ausländischen Unternehmen Unterschiede im Zulassungsverfahren, in den

Folgepflichten des Unternehmens bzw. bezüglich der Publizitätsvorschriften im Ge-gensatz zu heimischen börsennotierten Aktiengesellschaften?

7.              Wer prüft bei der Notierung ausländischer Unternehmen an der Wiener Börse AG die Kompatibilität der ausländischen Rechtsordnung, der ein Unternehmen unterliegt, hin-sichtlich der österreichischen bzw. internationalen Standards betreffend Publizität und An-legerschutz?

8.              Nach welchen gesetzlichen Bestimmungen erfolgte der Börsegang der Meinl European Land Ltd. im Jahr 2002 und mit welcher Begründung?

9.              Nach welchen gesetzlichen Bestimmungen erfolgte die Aufnahme der MEL in den gere-gelten Markt der Wiener Börse AG und mit welcher Begründung?

10.       Nach welchem Verfahren wurde die Zulassung der MEL zum Börsehandel abgewickelt?

11.       Nach welchem Verfahren wurde die MEL in den geregelten Markt der Wiener Börse AG aufgenommen?

12.       Wann und mit welcher Begründung wurde die MEL in den „Prime-Market" der Wiener Börse AG aufgenommen?

13.       Werden Sie die Anträge der Meinl European Land Ltd.  sowie die Bescheide zur

 

a)   Börsezulassung und

b)  Aufnahme in den geregelten Markt

der MEL veröffentlichen? (Bitte schließen Sie diesen der Anfragebeantwortung an!)

14.       Werden Sie den Vertrag über die Aufnahme über die MEL in den „Prime-Market" der Wiener Börse AG vorlegen? (Bitte schließen Sie diesen der Anfragebeantwortung an!)


15.  Halten Sie es in ihrer Funktion als Aufsichtsorgan der FMA für vertretbar, dass der amtie-rende FMA - Vorstand Dr. Heinrich Traumüller für die Prüfung der Meinl Bank AG ver-antwortlich zeichnet, in deren Kontrollgremium er jahrelang als Staatskommissär gesessen ist und somit nunmehr über seine eigene verantwortliche Tätigkeit befinden muss?

16.       In welchen anderen Banken, Versicherungsunternehmen oder sonstigen Unternehmen sind bzw. waren Dr. Heinrich Traumüller bzw. sein Vorstandskollege Dr. Kurt Pribil als Staatskommissär entsandt?

17.       Welche Aufsichtsratfunktionen (und/oder andere Organfunktionen) haben die beiden Vor-stände der FMA Dr. Heinrich Traumüller und Dr. Kurt Pribil in börsenotierten Unterneh-men?

18.       Wer war seit dem Jahr 1997 als Staatskommissär in den Aufsichtsrat der Meinl Bank AG entsandt und wer waren jeweils seine Stellvertreter?

19.       Ist es üblich, dass der (unabhängige) Vorstand der Finanzmarktaufsicht als Staatskommis-sär des Bundesministers für Finanzen entsandt wird?

20.  Seit wann waren

 

a)                   Ihnen,

b)        der Wiener Börse AG

c)                   der FMA

folgende Sachverhalte bekannt:

20.1.   Die Rückkäufe von rund € 88,8 Mio. eigener Aktien durch die MEL im Gesamtvo-lumen von rund € 1,8 Milliarden?

20.2.   Die Platzierungs- und Market Maker Vereinbarungen zwischen MEL und Meinl Bank AG?

20.3.   Die „Underwriting Fee" zwischen MEL und Meinl Bank AG?

20.4.   Die Lizenzverträge zwischen der MEL und der Meinl Bank AG?

20.5.   Das Commercial Paper Programm der MEL bei der Meinl Bank AG, obwohl die MEL nach eigener Darstellung mehrere Milliarden EUR an liquiden Mitteln zur Ver-fügung hatte?

 

21.       Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die MEL 150 Mio. Partly Paid Shares (teil einbe-zahlte Aktien) ausgab, die lediglich zu € 0,01 pro Aktie einbezahlt wurden aber rund 30 % der Stimmen in der Hauptversammlung vermitteln? Entspricht dies dem Österreichischen Rechtssystem?

22.       Wie beurteilen Sie, dass nicht einmal die Eigentümer dieser Partly Paid Shares offen ge-legt wurden?


23.  Welcher rechtliche Unterschied besteht Ihrer Ansicht nach zwischen „Aktien" und „Zerti-fikaten, die die Stammaktien vertreten"?

24.       Welche Aufgabe hat die Kontrollbank, bei der die Aktien der MEL im Depot liegen?

25.       Sind Inhaber von „Zertifikaten, welche die Stammaktien vertreten" bei einer Hauptver-sammlung der Meinl European Land Ltd. stimmberechtigt oder werden dies Stimmrechte durch die österreichische Kontrollbank vertreten?

25.1. Wenn die Stimmrechte durch die österreichische Kontrollbank vertreten werden: Nach welchen Richtlinien werden diese Stimmrechte ausgeübt?

26.       Stimmt es, dass die Bücher der Meinl Bank AG zuletzt im Jahre 1997 im Rahmen einer so genannten Vor-Ort-Prüfung nach dem Bankwesengesetz von Grund auf untersucht wur-den?

27.       Wann wurden welche Prüfungen bei der Meinl Bank AG durch welche Aufsichtsorgane durchgeführt?

28.       Gibt es allgemeine Richtlinien, in welchem zeitlichen Abstand Prüfungen von Bankunter-nehmen durch Aufsichtsorgane durchgeführt werden?

29.       Wenn ja, wie sehen diese aus?

30.       Können Sie ausschließen, dass es zu einer Bevorzugung der Meinl Bank AG aufgrund des Naheverhältnisses ihres Vorstandsvorsitzenden Julius Meinl V. und Ihrem Amtsvorgänger Mag. Karl Heinz Grasser (Stichwort: Gemeinsamer Yacht Ausflug mit Wolfgang Flöttl) gekommen ist?

31.       Welche Rolle bei der Banken- und Börsenaufsicht spielt die österreichische National-bank?

32.       Welche Prüfteams sind bei der Meinl Bank AG derzeit tätig?

 

32.1.                   Liegen von diesen Prüfungsteams schon Zwischenerkenntnisse vor?

32.2.                   Wenn ja, welche?

 

33.       Seit wann sind diese Prüfungsteams bei der Meinl Bank tätig?

34.       Wie und in welcher Form werden Sie die Ergebnisse der Prüfungen der Meinl Bank AG durch die verschiedene Institutionen veröffentlichen?