2025/J XXIII. GP

Eingelangt am 12.11.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend umstrittenes Kraftwerksprojekt an der Schwarzen Sulm im Natura 2000 Gebiet

 

Das einzigartige steirische Flussjuwel Schwarze Sulm wird durch zwei Kraftwerksbauten bedroht. Das Projekt wurde im Juli 2006 naturschutzrechtlich, und im Mai 2007 wasserrechtlich genehmigt. Noch im Juni 2007 erhob die Abteilung für Wasserwirtschaft des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung Einspruch gegen den positiven Wasserrechtsbescheid. Die endgültige Entscheidung über die wasserrechtliche Genehmigung liegt jetzt beim Umweltministerium.

 

Die Schwarze Sulm zählt zu den letzten 5,6 Prozent ökologisch intakter Fließgewässer Österreichs. 1998 wurde sie in der gemeinsamen Kampagne „Lebende Flüsse“ als eine von 74 Flussstrecken von nationaler Bedeutung ausgewiesen, die vor jeder Verschlechterung bewahrt werden muss. Zudem ist der Fluss Teil eines Natura 2000-Gebiets („Schwarze und Weiße Sulm“). Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg hat überdies eine Teilstrecke zum Naturdenkmal erklärt (noch nicht rechtskräftig).

 

Eine Genehmigung und Umsetzung des Kraftwerkprojektes würde bedeuten, dass der Druck auf unsere letzten intakten Flüsse weiter steigt. Dies würde nicht nur den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie, sondern auch den von Ihrem Ministerium getroffenen Vereinbarungen im Rahmen der Kampagnen „Lebende Flüsse“ und „Gemeinsam für unsere Flüsse“ zum Schutz von Österreichs letzten Flussjuwelen widersprechen.

 

Zudem hat sich die EU-Kommission am 23.10.2007 im Zusammenhang mit den Kraftwerksplänen an der europarechtlich geschützten Schwarzen Sulm mit einem Mahnschreiben an die Republik Österreich gewandt.

In diesem wird seitens der EU-Kommission zusammenfassend festgehalten, dass die "Republik Österreich durch Erteilung einer naturschutzrechtlichen Genehmigung und einer wasserrechtlichen Genehmigung für das geplante Kraftwerk an der Schwarzen Sulm (...) gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen sowie aus den Artikeln 1a und 4 Absatz 7 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik in Verbindung mit Artikel 10 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verstoßen hat".

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Im Memorandum for Understanding „Gemeinsam für unsere Flüsse“ treten Sie für den Erhalt von Flussstrecken von besonderer ökologischer Bedeutung ein. Zählt die Schwarze Sulm für Sie zu den Flussstrecken von besonderer ökologischer Bedeutung? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

 

2.      Teilen Sie die Einschätzung von ExpertInnen, dass der §104a WRG einen zu großen Interpretationsspielraum zulässt, auch vor dem Hintergrund, dass nicht einmal ein Fließgewässer wie die Schwarze Sulm durch das WRG mit Sicherheit geschützt ist?

3.      Der steirische Umweltlandesrat teilt in einer Anfragebeantwortung mit, dass derzeit zur Interessensabwägung, die letztendlich zu einer Wasserrechtsbewilligung in erster Instanz geführt hat, noch keine Judikatur existiere. Hat das Ministerium zu  §104a WRG Richtlinien verfasst und/oder welche anderen Dokumente sollten nach Ansicht des Ministeriums zur Auslegung des §104a WRG herangezogen werden?

4.      Die Entscheidung, eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot zuzulassen, gründet auf dem Argument, dass das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtverbrauch zu steigern, vorrangig zu beurteilen sei. Sind Sie der Meinung, dass diese Argumentation auf die letzten 5,6 Prozent ökologisch intakter Fließgewässer in Österreich angewendet werden kann und soll?

 

5.      Werden Sie auf Basis dieser Argumentation auch für die Einrichtung eines Wasserkraftwerkes an der Donau unterhalb von Wien eintreten? Wenn nein, wie erklären Sie in europarechtlich nachvollziehbarer Weise den Unterschied zwischen den beiden Projekten hinsichtlich der erwähnten, im Fall „Schwarze Sulm“ vorgebrachten Interessensabwägung?

6.      Sollte der wasserrechtliche Bescheid rechtskräftig werden, wäre der Kraftwerksbau an der Schwarzen Sulm der erste in Österreich, der aufgrund des § 104a WRG ermöglicht wird. Welche Auswirkungen könnte diese Entscheidung Ihrer Einschätzung nach haben?

7.      Wie hat Ihrer Ansicht nach eine Prüfung, ob die „nutzbringenden Ziele“ nicht durch „andere Mittel“, die eine bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können, im Sinne von §104a WRG zu erfolgen?

8.      Eine Teilstrecke der Schwarzen Sulm wurde mit Bescheid vom 24. September 2007 zum Naturdenkmal erklärt. Wird dieser Umstand bei der Entscheidung des Bundesministeriums miteinbezogen? Wenn nein, warum nicht?

9.      Werden Sie bei der Erstellung des „Masterplans Wasserkraft“ dafür sorgen, dass es Tabuzonen der Wasserkraftnutzung für die letzten naturnahen Fließgewässer geben wird?

 

10.    Würde ein Kraftwerksbau an einem der letzten intakten Fliessgewässer Ihrer Meinung nach die weitere Entwicklung im Rahmen des „Masterplans Wasserkraft“ präjudizieren?

 

11.    Die Republik Österreich hat durch Erteilung einer naturschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Genehmigung laut einem Mahnschreiben der EU-Kommission gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Wird das Ministerium als Berufungsinstanz dieser im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens geäußerten Kritik der EU-Kommission Rechnung tragen und den wasserrechtlichen Genehmigungsbescheid für das Kraftwerk an der Sulm aufheben?

 

12.    Die EU-Kommission hat festgehalten, dass die Stromausbeute des Kraftwerks marginal ist und dass kein öffentliches Interesse an dem Kraftwerk bestehen kann. Wird dieser Umstand bei der Entscheidungsfindung des Bundesministeriums berücksichtigt werden?

 

13.     Könnte die Feststellung der EU-Kommission – im Zusammenhang mit der Beurteilung des öffentlichen Interesses – Ihrer Einschätzung nach Signalwirkung für die Beurteilung ähnlicher Kleinwasserkraftwerksprojekte an anderen naturnahen Flüssen in Österreich haben?

 

14.    Was hat die Republik Österreich der EU-Kommission auf das Mahnschreiben im Zusammenhang mit den Kraftwerksplänen an der europarechtlich geschützten Schwarzen Sulm vom 23.10. im einzelnen geantwortet bzw. welches Antwortschreiben der Republik wurde von Ihrem Ressort vorbereitet?