2233/J XXIII. GP

Eingelangt am 20.11.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit

 

betreffend Forschungsprojekt „Wohnen morgen“ (Sonnenkollektoren) bei

Wohnanlage in Neumarkt am Wallersee

 

 

 

 

Zwischen 1969 und 1974 erfolgte im Auftrag des Bundesministerium für Bauten und Technik. (jetzt Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) ein nationaler Architektenwettbewerb „Wohnen morgen“, dessen Umsetzung letztlich zu erheblichen Problemen für die WohnungsnützerInnen führte.

 

Aus den Mitteilungen der Betroffenen ergibt sich folgender Sachverhalt:

 

In jedem Bundesland wurde ein Siegerprojekt gekürt. In Salzburg (1975) war dies Neumarkt II, eine Wohnanlage mit vier Bauteilen A-D, zusammen 118 Wohnungen und zwei Tiefgaragen. Wettbewerb, Siegerkürung, Planung und Baubewilligung (Februar 1977) erfolgten ohne Solaranlage!

 

Durch sinkende, zukunftsorientierte Beiträge im Wettbewerb wurde im Anschluss an diesen die Anregung für weitere Wettbewerbsaktivitäten und Musterausschreibungen zum Thema Energieoptimierung und Solarnutzung entworfen.

 

Zur bereits geplanten Fußbodenheizung (ca 7,6 Mio ATS), die konform mit dem Wohnbauförderungsgesetz (WBFG) war, wurde zusätzlich (!) und widersprüchlich zum WBFG eine Solaranlage (Forschungsprojekt) im Wert von ca 18 Mio ATS eingebaut.

 

Das Wohnbauförderungsgesetz normierte: Eine Heizung nach dem Stand der Technik und unter größter Wirtschaftlichkeit!

 

Das Forschungsprojekt Solaranlage als primäre Heizung musste von den geförderten Wohnungskäufern aus dem sozialen Wohnbau zusätzlich zur Fußbodenheizung finanziert werden.

 

Entsprechend der Normierung im WBFG war der Bau der zweiten Heizung (Solar) nicht zulässig!

 

Bauansuchen für die Solaranlage und Bewilligung erfolgten im Jänner 1981. Der Bauteil A mit Solaranlage wurde im Herbst 1979 bezogen, der Bauteil B stand kurz vor der Fertigstellung (Bezug Herbst 1981).

 

Zielsetzung des Forschungsprojektes:

 

1.      Vom durchschnittlichen Jahresverbrauch eines 4-Personenhaushaltes für das Brauchwasser (Bad, Dusche usw) von 2.500 kWh 70% an Energie einzusparen.

 

2.      Erkenntnisse für den Bau von Solaranlagen im künftigen österreichischen sozialen Wohnbau zu gewinnen.

 

Anm zu 1.: Kosteneinsparung ca 169.330,- ATS/Jahr für 118 Wohnungen, Tilgungsaufwand für 18 Mio ATS auf 47,5 Jahre 378.947,- ATS/Jahr ohne Zinsen, Betreuung und Reparaturen.

 

Diese grundsätzlich gute und zukunftsweisende Idee wurde durch die Art und Weise der Umsetzung zu einem riesigen Ärger und wirtschaftlichen Desaster für die Wohnungseigentümer.

 

Die Sonnenkollektoren erwiesen sich als untauglich, unwirtschaftlich und waren mit +/- 20 Jahren am Ende ihrer technischen Lebensdauer (Stand der Technik damals und heute).

 

Den einzelnen Familien entstanden Schäden von 20.000 bis 30.000 Euro pro Wohnung!

 

Einige Bewohner aus dem Bauteil C (!) weigerten sich - nach sukzessiven Zuwachs der Informationen über das Desaster durch eigene Recherchen (ab 2002) - weitere Darlehens-Rückzahlungen zu leisten (2006).

 

Der Bauträger selbst verweigerte alle Informationen, Einsichtnahmen und die Herausgabe der Unterlagen, ebenfalls das BMWA mit der Begründung: „Die Causa fällt unter die privatwirtschaftliche Verwaltung, da besteht für die Wohnungskäufer kein Recht zur Akteneinsicht!“

 

Die Forschungsergebnisse waren wegen grober Mangelhaftigkeit nicht verwertbar, wie ein Gutachter im Auftrag des Bezirksgerichts Neumarkt feststellte. Des weiteren hielt die TU Graz bereits in Ihrer Studie aus 1989 fest:

 

1.      Wegen zu hoher Errichtungs- und Betreiberkosten ist keine der Solaranlagen der Bauteile A-D wirtschaftlich.

2.      Laufende Verteilerverluste und der Betreuungsaufwand sind höher als die Ersparnis durch die eingesparte Energie.

3.      Die Rückzahlung kann nicht innerhalb der Anlagenlebensdauer geleistet werden.

 

Der Sachverständigen des BG Neumarktes bestätigte die festgestellten Mängel der TU Graz vollinhaltlich!

 

Der gemeinnützige Bauträger Salzburger Siedlungswerk, das Wirtschaftsministerium und das Land Salzburg verstießen bei der Errichtung gegen mehrere Gesetze, vernachlässigten Vertrauensschutz- und Informationspflichten zugunsten der späteren Wohnungseigentümer und beachteten selbst die einfachsten wirtschaftlichen Grundregeln nicht.

 

*Lebensdauer der Kollektoren 10 Jahre - Finanzierungszeitraum 47,5 Jahre*

 

Obwohl eine ÖNORM damals für die Kollektoren eine Lebensdauer von nur zehn Jahren erwarten ließ, legte das Ministerium den Rückzahlungszeitraum auf 47,5 Jahre fest (Annuität in den ersten 20 Jahren 1%, danach 3,5%).

 

In einem Rechtfertigungsversuch meinte das Ministerium: Wäre der Finanzierungszeitraum dem kaufmännischen Grundsatz „Tilgungszeitraum deutlich unter der Anlagenlebensdauer“ entsprechend gewählt worden - also cirka acht (8) Jahre -, hätten sich die Wohnungseigentümer das Forschungsprojekt des Ministeriums nicht leisten können. Diese mussten ja auch noch die laufenden Hypothekardarlehen zurückzahlen.

 

Am Beispiel des Bauteiles C zahlten die 26 Eigentümer ohnehin für die bestehende Fußbodenheizung (Kosten ca 1,69 Mio ATS) pro Jahr ca 85.000 ATS (ohne Zinsen) zurück. Wäre die zusätzlich gebaute Solaranlage ordnungsgemäß finanziert worden (8 Jahre und nicht auf 47,5 Jahre), hätten sie alleine dafür jährlich zwischen 475.000 ATS und 570.000 ATS (ohne und mit Betreuungskosten) zusätzlich (ohne Zinsen) zahlen müssen – daher teilte das Ministerium diese Zahlungen auf 47,5 Jahre auf.

 

Der Bauträger hielt in seinem Förderungsantrag fest:

 

1.      Da es sich um einen gemeinnützigen Bauträger handelt, ist ein besonders hoher Anteil an nicht rückzahlbarem Darlehen notwendig. Ansonsten kann das Forschungsprojekt nicht umgesetzt werden.

 

2.      Die Forschungskosten können nicht in der Wohnbauförderung untergebracht werden und sind auch nicht aus sozialen Gründen auf die späteren Käufer zu überwälzen.

 

3.      Anm zur Wohnbauförderung: Im Antrag ist festgehalten ... Errichtung der Anlage durch optimale Ausnützung jener Möglichkeiten, welche durch die Grenzen der Wohnbauförderung gegeben sind.

 

Dh, keinesfalls sollte eine Finanzierung außerhalb der Wohnbauförderung erfolgen (zusätzliche Forschungskosten des Bundes). Dass mit dem Bau der Solaranlage auch die damaligen Förderrichtlinien des Landes Salzburg - Obergrenze der Gesamtbaukosten - überschritten wurden, ist ein weiterer Gesetzesbruch. Die Überschreitung war dem Land Salzburg bekannt!

 

Trotzdem wurde schließlich der Förderungsgedanke „ jungen Familien zu helfen“ umgekehrt, und die Finanzierung auf die späteren Käufer der Wohnungen überwälzt. Man informiert sie nicht über das Forschungsrisiko und den Umstand, dass der Finanzierungszeitraum weit über die Anlagenlebensdauer hinausgeht (die Eigentümer zahlen noch, auch wenn die Anlage bereits am Ende der technischen Lebensdauer und stillgelegt ist, weitere 27,5 Jahre).

 

Das damalige Forschungsförderungsgesetz § 11 (2) hätte das BMBT ermächtigt, Bedingungen an die Gewährung des Darlehens zu knüpfen.

 

ZB: Da das Forschungsprojekt ausschließlich im Interesse der gewerblichen Wirtschaft, des Bundes und der Länder (Förderungsgeber) war, hätte man der Diktion im Förderantrag folgen und normieren können, dass die Forschungskosten keinesfalls auf die Eigentümer überwälzt werden dürfen.

 

Des weiteren hätte das BMBT in seiner Schutzpflicht eine Kosten-Nutzenrechnung verlangen können § 18 (2): Der Forschungsförderungsfonds hat bei einzelnen Fördermaßnahmen auf auffällige Förderungswürdigkeit und Durchführbarkeit Bedacht zu nehmen.

 

Demnach hätte das BMBT in seinen Bedingen zur Darlehensgewährung ausdrücklich § 11 (2) des Forschungsförderungsgesetzes festhalten können: Nur für den Fall, dass das Forschungsprojekt ein wirtschaftlicher Erfolg ist, ist eine finanzielle Beteiligung des Förderwerbers (Bauträger, Salzburger Siedlungswerk) zu leisten, keinesfalls aber von den späteren Eigentümer.

 

Völlig unverständlich ist, dass das BMBT wiederum in seiner - unterlassenen - Verantwortung zum Schutz Dritter die späteren Eigentümer vom desaströsen Ergebnis der Studie der TU Graz aus 1989 (keine der Solaranlagen ist wirtschaftlich) nicht (!) informierte.

 

§ 21 (2) des Forschungsförderungsgesetzes hätte dem BMBT die Rechtsgrundlage geboten, das Darlehen in einem nicht rückzahlbaren Förderbeitrag zu wandeln, wenn der angestrebte Erfolg nur durch eine Umwandlung erreicht werden kann ... oder ohne Verschulden des Förderwerbers nicht erreicht werden konnte.

 

Anm: Für Wohnungskäufer aus dem sozialen Wohnbau ist nur Wirtschaftlichkeit von elementaren Nutzen, aber keinesfalls Forschungsergebnisse!

 

Der Finanzierungszeitraum von 47,5 Jahre bei einer Anlagenlebensdauer von 10 Jahren schloss von Beginn an den wirtschaftlichen Erfolg aus, dies hätten die Sachverständigen des BMBT und deren externe Experten (Wohnbauforschungsrat) erkennen müssen!

 

Nun klagt die Finanzprokuratur im Auftrag des Wirtschaftsministers bei einer Gruppe Wohnungseigentümer - 13 von 118 betroffenen Familien - die Kosten von ca 145.000,- € (offenes Darlehen) plus ca 15.000,- € (Gebühren usw) des gescheiterten ministeriellen Forschungsprojekts ein.

 

Im August veröffentlichte der Bundesrechnungshof einen Bericht zur Prüfung der Finanzprokuratur. Darin finden sich zahlreiche Beanstandungen: Es gibt in der Finanzprokuratur keine Kosten- und Leistungsrechnung, keine Weiterbildungspläne für Mitarbeiter und so fort. Ein ganz wesentlicher Kritikpunkt war, dass die vertretenen Klienten nicht einmal erfahren, wie viel eine Rechtsstreitigkeit kostet. Die „Rechtsschutzversicherung“ Finanzprokuratur erhöht die Bereitschaft von Behörden zu endloser Prozessführung und übt damit massiv Druck auf Bürger aus, „klein beizugeben“ und auf ihre Rechte zu verzichten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.      Werden Sie den betroffenen BewohnerInnen der Anlage in Neumarkt am Wallersee die Rückzahlungen für die nichtfunktionierende Solaranlage erlassen?

 

2.      Wenn nein, warum nicht?

 

3.      Bei welchen anderen vergleichbaren Wohnbauten wurden ähnliche Forschungsprojekte durchgeführt?

 

4.      Zu welchen Ergebnissen kam man dabei?

 

5.      Wie wurde dabei die Finanzierungsfrage gelöst?

 

6.      Kamen dabei auch BewohnerInnen zu Schaden?

 

7.      Welche Vorkehrungen werden Sie in Hinkunft treffen, damit die BewohnerInnen bei Forschungsprojekten nicht zu Schaden kommen werden?