247/J XXIII. GP
Eingelangt am 16.01.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Dringliche Anfrage
der
Abgeordneten Ing. Westenthaler, Haubner
und
Kollegen
an den
Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und
Konsumentenschutz
betreffend
sozialdemokratischen Vertrauensbruch in der Sozialpolitik
Nach
dem Wahlergebnis vom 1. Oktober war die Erwartungshaltung klar: Die SPÖ
würde das
Sozialressort (inkl. Arbeit) für sich reklamieren und alles daran
setzen,
ihre Wahlversprechen
(Pflege, Arbeitslosigkeit, Ausländerbeschäftigung, Pensionen,
Grundsicherung) einzuhalten. Nach bekannt werden der Tatsache, dass der
bisheri-
ge Salzburger Landesrat für Arbeit und
Soziales Erwin Buchinger das Sozialressort
übernehmen
wird wurde auch allgemein angenommen, dass die Arbeitsmarkt- und
Arbeitsrechtsagenden
wieder in das Sozialressort zurückwandern
werden.
Umso erstaunter war daher die Öffentlichkeit, als das Regierungsprogramm
und die
Ressortverteilung bekannt wurden: Die Wahlversprechen wurden ganz überwiegend
gebrochen und das Sozialressort durch die Abgabe der Agenden Familien- und Ge-
nerationenpolitik weiter verkleinert und geschwächt (über den Verbleib des Konsu-
mentenschutzes ist noch gar nicht Genaueres bekannt geworden).
Der neue SPÖ-Sozialminister zeichnet sich in seinen
bisherigen öffentlichen Auftrit-
ten nicht eben durch Wahrheitsliebe aus, wenn
er für Bildung 200 Millionen Euro
jährlich und für den
Sozialbereich 400 Millionen Euro jährlich verspricht. Im Budget-
fahrplan des
Regierungsprogramm sind demgegenüber
nur folgende Mehrausgaben
vorgesehen:
Soziale Absicherung:
2007:
185 Mio. Euro
2008: 260 Mio. Euro
2009: 340 Mio. Euro
2010:
400 Mio. Euro
Bildung:
2007: 35 Mio. Euro
2008: 160 Mio. Euro
2009: 180 Mio. Euro
2010: 200 Mio. Euro
Ansonst
zeichnet sich das sog. Regierungsprogramm durch Allgemeinplätze und An-
kündigungen
aus. Vielfach wird in Kompetenzen der Bundesländer
eingegriffen und
so getan, als ob
deren Einverständnis hierzu bereits vorläge. Oft vermisst man neben der sozial(demokratisch)en Handschrift auch die nötige
Sachkompetenz, wie sie viel früher aus Gewerkschaft und
Arbeiterkammer in die SPÖ
und das Sozialressort eingebracht wurde.
Da dadurch
eine Vielzahl an Fragen offen bleibt, richten die unterfertigten Abgeord-
neten an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und
Kon-
sumentenschutz die
nachstehende
Dringliche Anfrage:
1. Sie
haben in der ORF-Sendung „Offen gesagt" vom 14. Jänner 2007 jährliche
Mehrausgaben
für den
Sozialbereich von 400 Millionen Euro bis 2010 verspro-
chen; im
Budgetfahrplan des Regierungsprogramm sind demgegenüber nur fol-
gende Mehrausgaben vorgesehen:
Soziale Absicherung:
2007:
185 Mio. Euro
2008: 260 Mio. Euro
2009: 340 Mio. Euro
2010: 400 Mio. Euro
Bildung:
2007: 35 Mio. Euro
2008: 160 Mio. Euro
2009: 180 Mio. Euro
2010: 200 Mio. Euro
Haben
Sie vor den Jugendlichen im Studio bzw. vor hunderttausenden TV-
Zusehern
die Unwahrheit gesagt?
2.
Wieviel wird nun tatsächlich jährlich zusätzlich im
Sozial- und Bildungsbereich
veranschlagt
werden?
3.
Welche Agenden und wie viel Budgetmittel verliert das Bundesministerium
für
soziales Sicherheit,
Generationen und Konsumentenschutz künftig
im Vergleich
zur XXII. Gesetzgebungsperiode durch die
Abgabe an andere Ressorts?
4.
Sie haben mehrmals in der Öffentlichkeit in den letzten Tagen über Ihre „Ent-
täuschung"
und Ihre „Betroffenheit" bezüglich des
Verbleibes der Arbeits-
marktagenden
bzw. des Verlusts der Familien- und Jugendagenden geklagt.
Werden
Sie daher bei der Novelle zum Bundesministeriengesetz im Ministerrat
gegen
einen solchen Vorschlag stimmen?
a. Wenn nein: warum nicht?
5. Wäre die
Einbindung der Arbeitsmarktagenden in das Sozialressort aus Ihrer
Sicht sinnvoll
gewesen und wurden diese durch Sie verhandelt?
a. Wenn ja: Warum haben Sie sich nicht durchgesetzt?
6. Wenn nein: Stehen Sie zu diesem Verhandlungsergebnis?
7.
Warum sind bei fünf Milliarden €
Mehreinnahmen im Budget 2006 (Quelle: Fi-
nanzministerium) erst
2010 400 Millionen für Soziales vorgesehen?
8.
Werden Sie etwaige Gebühren im Sozialbereich künftig wie
angekündigt jährlich
anheben
- wie Sie etwa in der Sendung „Offen gesagt" bei den Studiengebüh-
ren
nicht ausgeschlossen haben - oder schließen Sie Gebührenerhöhungen
jetzt plötzlich aus?
9.
Welche Schritte werden Sie setzen, um das angekündigte
Mindesteinkommen
von 1.000 € zu erreichen?
10.
Welcher Nettobetrag verbleibt einem Arbeitnehmer bei dem angekündigten
Mindesteinkommen
von 1.000 Euro nach Abzug der Sozialabgaben?
11.
Welcher Nettomehrbetrag im Vergleich zur bedarfsorientierten
Grundsicherung
- einschließlich deren Zuschläge, Vergünstigungen
und Befreiungen - verbleibt
einem
Arbeitnehmer (der für seine Arbeit regelmäßig Mehrkosten
z.B. für die
Fahrt zur Arbeit und
die notwendige Bekleidung auf sich nimmt) mit einem neu-
en Mindesteinkommen von 1.000 € daher
monatlich?
12. Wie hoch sind bei diesem Einkommen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe?
13.
Welcher Einkommensunterschied zwischen Mindestlohn (für Vollerwerb)
und
bedarfsorientierter
Grundsicherung ist im Sinne des Grundsatzes der im Regie-
rungsprogramm zitierten AMS-Politik „Arbeitslose
aktivieren..." noch angemes-
sen?
14.
Das
Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung kündigt eine bedarfsori-
entierte Grundsicherung an, die aber aus
einer Vereinheitlichung und deutlichen
Erhöhung der Sozialhilfeleistungen der
Länder besteht; wie wollen Sie die Län-
der davon überzeugen, dass sie die vom Bund
angekündigte bedarfsorientierte
Grundsicherung durchführen und
finanzieren sollen?
15.
Sie bezeichneten die geplante bedarfsorientierte Mindestsicherung auf
der
SPÖ-Neujahrskonferenz am 10. Jänner 2007 als Schritt in die richtige
Richtung
und als das wahrscheinlich innovativste
System in der Armutsbekämpfung in
Europa;
ist Ihnen bewusst, dass Sie keine Kompetenz zum Umsetzung dieses
Modells haben, da die
Sozialhilfe im Zuständigkeitsbereich der Länder liegt und
haben Sie daher mit Ihren Aussagen die Öffentlichkeit
bewusst in die Irre ge-
führt?
16.
Welche Mehrkosten werden den Ländern jeweils aus dieser Grundsicherung
nach
derzeitigen Schätzungen entstehen?
17.
Wie hoch
werden die Mehrkosten für den Bund für die verbesserten Notstands-
hilfeleistungen sein?
18.
Wofür werden die von Ihnen im Format angekündigten 118
Millionen Euro im
Jahr
2007 genau eingesetzt werden?
19.
Ist es
richtig, dass der Bund seine Verbesserungen in der Notstandshilfe davon
abhängig macht,
dass die Länder eine bedarfsorientierte Grundsicherung ein-
führen?
20.
Wann wird die
Sozialhilfe gleich hoch sein wie der dann geltende Ausgleichszu-
lagenrichtsatz bzw. Familienrichtsatz?
21.
Wie viele
Menschen werden nach Ihren Schätzungen
künftig eine bedarfsorien-
tierte Grundsicherung erhalten?
22.
Gehen Sie davon aus, dass künftig gekündigte
Lehrlinge vermehrt die bedarfs-
orientierte
Grundsicherung werden in Anspruch nehmen müssen, wenn es
zu
einer
Aufweichung des Kündigungsschutzes für Lehrlinge
kommt?
23.
Wie beurteilen Sie das derzeitige von der letzten Bundesregierung
reformierte
Pensionssystem,
das laut Regierungsprogramm zu den Besten der Welt ge-
hört?
24.
Im
Regierungsprogramm werden regelmäßige Anhebungen des Pensionsalters
im Gleichklang mit den Veränderungen der
Lebenserwartung - seltsamerweise
aber
erst für die Zeit ab 2010 - angekündigt; wie
hoch wird die erste Erhöhun-
gen
des Pensionsantrittsalter im Jahr 2010 nach den derzeitigen Prognosen
auszufallen
haben?
25.
Werden Sie über den von Ihnen angekündigten Solidarbeitrag für Höchstpensi-
onen über der ASVG-Höchstpensionsgrenze,
die im wesentlichen nur Beamte
betrifft,
mit dem zuständigen Bundeskanzler und den Ländern
verhandeln?
26.
Werden Sie die beabsichtigte „Harmonisierung" der
unterschiedlichen Pensi-
onssysteme
in den Bundesländern und Gemeinden selbst in die Hand nehmen
oder
wird diese Zuständigkeit dem Bundeskanzler obliegen?
27.
Werden Sie die Schwerarbeiterregelung abschaffen? Wenn nein - garantieren
Sie
wie versprochen den Pensionsantritt nach der Schwerarbeiterverordnung
zukünftig ohne
Abschläge?
28.
Schließen Sie aus, dass unter Ihrer Beteiligung
in dieser Legislaturperiode eine
Pensionsreform mit Nachteilen für auch nur
einen Österreicher kommt?
29.
Währen gebrochene Wahlversprechen einklagbar, würden Sie als
Sozialminis-
ter eine solche Erhöhung auch für die nächste Gesetzgebungsperiode unter Ih-
rer Regierungsbeteiligung ausschließen?
30.
In welchem Ausmaß sollen die
ASVG-Pensionen im Jahr 2008 angehoben wer-
den (Verbraucherpreisindex oder Pensionistenindex)?
31.
Welche
konkreten Änderungen sind im Bereich der
Invaliditätspensionen ange-
dacht?
32.
Am 16. August haben Sie gemeinsam der SPÖ-Behindertensprecherin
Christine
Lapp
das vom Kompetenzteam Soziales ausgearbeitete SPÖ-Pflegekonzept
präsentiert -
mit dem Versprechen das Pflegegeld zu valorisieren und einen
bundesweiten
Pflegefonds, der jährlich mit 200 Millionen Euro
dotiert ist, einzu-
richten. Wann werden Sie das Pflegegeld erhöhen?
a. Wie hoch wird diese Erhöhung sein?
b. Wie viele Menschen sind davon betroffen?
c. Welche Mehrkosten werden dadurch entstehen?
d. Wie werden diese Mehrkosten finanziert?
33.
Warum lehnen Sie eine sofortige Erhöhung des Pflegegeldes
um fünf Prozent
und
anschließend eine jährliche Valorisierung ab?
34. Wann kommt der von Ihnen versprochene Pflegefonds?
35.
Warum greifen Sie nicht auf die konkreten und umsetzbaren Ergebnisse des
vorjährigen Arbeitskreises zum Thema Pflege im
Sozialministeriums zurück,
sondern
bilden erneut einen Arbeitskreis?
36.
Ist es budgetär gesichert, dass die Beschäftigungsinitiative
für Menschen mit
Behinderung
(„Behindertenmilliarde")
jährlich bis
ins Jahr 2010 als Angebot für
Menschen
mit Behinderung am Arbeitsmarkt vorgesehen ist?
a. Wenn ja, in welchen Budgetkapitel?
b. Wenn nein, warum nicht?
37.
Wie soll die von der Bevölkerung gewünschte
24-Stunden-Pflege zu Hause Ih-
rer
Vorstellung nach legal ermöglicht und finanziert werden?
38.
Sie haben sich als Autor des Pflegekonzepts der SPÖ vom August
2006 noch
dezidiert gegen eine Legalisierung ausländischer Pflegehelfer
ausgesprochen
(„gegen eine
wenig durchdachte Legalisierung ausländischer Pflegekräfte");
wa-
rum
enthält das Regierungsprogramm gerade für die Pflege
eine Durchbre-
chung
der von Österreich geforderten siebenjährigen Übergangsfrist
für den
Zugang von
Arbeitnehmern aus den neuen EU-Mitgliedstaaten zum österreichi-
schen Arbeitsmarkt?
39.
Was gedenken Sie zu tun, um die schwindenden Mittel aus dem Europäischen
Sozialfonds
zu kompensieren?
40.
Werden Sie den Ausgleichstaxfonds neu dotieren, respektive neue Finanzie-
rungen
erstellen?
a.
Wenn ja, wie genau, wie viele Menschen oder Unternehmen sind davon
betroffen?
41.
Wie werden sie die Mittel aus der Beschäftigungsoffensive
für Menschen mit
Behinderungen
zukünftig genau verteilen?
42.
Warum ist der Ausbau des freiwilligen sozialen Jahres nicht im
Regierungspro-
gramm
enthalten, obwohl Sie sich im SPÖ-Pflegekonzept für eine
Verbesserung
der
Bedingungen und die Weiterzahlung der Familienbeihilfe ausgesprochen
haben?
43.
Werden Sie die derzeitige Corporate Identity des Sozialministeriums verändern
und
wenn ja, welche Mittel sind dafür vorgesehen?
44.
Schließen Sie aus externe Berater zu beschäftigen - bzw.
beschäftigen Sie be-
reits
externe Berater?
a. Wenn ja, wofür und in welchem finanziellen Umfang?
45.
Welche Reform
des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger denken Sie
derzeit an?
46.
Was verstehen sie unter der Formulierung im Regierungsprogramm: Das Kon-
sumentenschutzrecht
soll unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorga-
ben
in Richtung eines vertretbaren Ausgleichs der unterschiedlichen Interes-
senslagen
weiter entwickelt werden?
a. Welche konkreten Umsetzungen betrifft dies, was sind
die Kosten und
wann
wird dies umgesetzt?
47.
Welche konkreten Maßnahmen planen Sie im Bereich
Konsumentenschutz tat-
sächlich?
48. Übrigens: Was macht eigentlich Frau Silhavy?
In formeller Hinsicht wird verlangt, die Anfrage gemäß § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.