2593/J XXIII. GP
Eingelangt am 05.12.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Ruth Becher
und GenossInnen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend „Platter weiß nichts von Personalmangel" bei Wiener Polizei
Vor rund zwei Monaten veröffentlichte die „Kronen Zeitung" ein internes Schreiben aus der Wiener Polizeidirektion an einen Donaustädter Exekutivbeamten. Darin wird dem Polizisten beschieden, man könne seinem Antrag auf Herabsetzung der Wochendienstzeit nicht näher treten. Grund: der enorme Personalmangel bei der Wiener Polizei. Ein Defizit von 785 Exekutivbeamten sei in Wien zu verzeichnen, das Stadtpolizeikommando Donaustadt weise einen Personalunterstand von 40 Polizisten aus. Massive Überstundenbelastung sei die unmittelbare Folge der „angespannten Personalsituation". Alles im allen eine für die im exekutiven Außendienst tätigen Polizisten unhaltbare Situation - nunmehr erstmals auch von behördlicher Seite mit Daten und Fakten untermauert. Grund genug, den verantwortlichen Innenminister mit dieser alarmierenden Entwicklung im Wege einer Anfrage zu konfrontieren. Die Antwort (1439/AB XXIII. GP.-NR) fiel kurios aus: Von den vom Personalbüro der Wiener Polizei festgestellten fehlenden 785 Beamten könne keine Rede sein. „Den Personalmangel kann ich nicht bestätigen", widerspricht der Innenminister der Polizeidirektion, vielmehr seien „im April 2007 von allen dem Bundesland Wien zugewiesenen 6.459 Exekutivplanstellen 6.446 Planstellen auch tatsächlich besetzt" gewesen.
Platter weiß nichts von Personalmangel", titelte die Krone Zeitung (28.11.2007) daraufhin. Keine Personalknappheit also? Der negative Bescheid zu den beantragten herabgesetzten Wochendienstzeiten hinfällig, weil ohnedies genug Polizisten vorhanden? Schenkt man den Ausführungen des Innenministers in der Anfragebeantwortung Glauben, ist man versucht, dies auf den ersten Blick anzunehmen. Eine genauere Analyse der Beantwortung beweist jedoch das Gegenteil. So lässt sich durch ein wenig Rechenarbeit zeigen, dass selbst auf Basis der vom Innenministerium erhobenen Personalstandszahlen hunderte Exekutivbeamte fehlen. Addiert man nämlich die systemisierten Planstellenstände der einzelnen Stadtpolizeikommanden im Monat April 2007 und bringt davon die tatsächlichen Personalstandszahlen der vierzehn Wiener Bezirkskommanden in Abzug, tritt eine Differenz
von 796 Beamten zutage. Diese 796 Polizisten fehlen in den Stadtpolizeikommanden Wiens. Laut Anfragebeantwortung des Innenministers beträgt somit der Personalmangel bei der Wiener Polizei nicht 785 Beamtinnen und Beamte, wie das Personalbüro der Wiener Polizeidirektion auflistete, sondern sogar um 11 Personen mehr.
Auch ein Vergleich der den Stadtpolizeikommanden zugewiesenen Iststände (besetzte Planstellen mit Personen) mit den auch tatsächlich besetzten Personalständen (abzüglich der Zu-/Abkommandierungen, Suspendierungen, Karenzierungen usw.) gibt keinen Anlass zur Entwarnung. Demzufolge sind es 586 Ordnungshüter, die im exekutiven Außendienst in den Wiener Bezirken fehlen.
Ist der Innenminister nicht schon aufgrund dieser Angaben der Widersprüchlichkeit überführt, lässt sich aus zwei weiteren in der Beantwortung angeführten Statistiken auf den Personalunterstand in Wiens Polizeiinspektionen schließen. Hier wäre zuvorderst die durchschnittliche Überstundenbelastung der Dienst versehenden Beamten zu erwähnen. Im August 2007 betrug selbige pro Exekutivbeamten 30,4 Stunden. Spitzenreiter dabei ist neben dem Stadtpolizeikommando Innere Stadt jenes in der Donaustadt mit 35,8 Überstunden/Beamten. Innerhalb von sechs Jahren hat sich damit die Überstundenbelastung der Donaustädter Polizisten um sage und schreibe rd. 249 Prozent erhöht. Es liegt der Schluss nahe: Würde es die Aufzeichnung der Überstundenbelastung nicht geben, gäbe es wohl auch keinen Personalmangel.
Zweitens: Im August 2007 wurden laut Anfragebeantwortung 29.022 Einsätze in der Landesleitzentrale vorgemerkt, aufgrund fehlender Einsatzkapazitäten im exekutiven Außendienst konnten davon aber 1.651 zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden. In den Stadtleitstellen fielen im selben Zeitraum 3.432 Einsätze an, 202 Vormerkungen wurden dabei verspätet aufgearbeitet. Es liegt der Schluss nahe: Würde es diese sogenannten „Mangeleinsätze" nicht geben, gäbe es wohl auch keine Personalknappheit.
Ein nicht nur vom Personalbüro der Polizeidirektion amtlich, sondern nunmehr auch vom Innenminister indirekt bestätigter Personalmangel, der bei näherem Hinsehen noch viel besorgniserregender auffällt. Am Beispiel des Stadtpolizeikommandos Donaustadt lässt sich dies besonders eindrücklich veranschaulichen: Dort waren im Oktober 2007 256 Planstellen systemisiert. Abzüglich der an andere Dienststellen abkommandierten Exekutivkräfte,
Polizeischüler, Karenzierter, Kriminalsachbearbeiter und Beamte mit herabgesetzten Wochendienstzeiten sind hingegen nur 166 Polizisten im exekutiven Außendienst tätig. Somit ergibt sich eine Differenz zwischen den tatsächlich vor Ort auf der Straße Dienst versehenden Polizistinnen und Polizisten und der Planstellenzahl von 90 Personen.
Die erwiesenermaßen völlig unzureichende personelle Ausstattung der Wiener Polizei nehmen die unterzeichneten Abgeordneten zum Anlass für eine an den Bundesminister für Inneres gerichtete
Anfrage:
1. In der Anfragebeantwortung 1439/AB XXIII. GP.-NR widersprechen Sie dem Personalbüro der Wiener Polizeidirektion und dementieren den Personalmangel von 785 Exekutivbeamten. Wie erklären Sie sich die Auffassungsunterschiede zwischen dem Zentralen Personalbüro der Polizeidirektion Wien und Ihnen, was die Personalsituation der Wiener Stadtpolizeikommanden wie auch des Landespolizeikommandos anbelangt?
2. Da Sie den Personalmangel von 785 Exekutivbeamten nicht bestätigen können: Ist der vom Zentralen Personalbüro abgelehnte Antrag auf Herabsetzung der Wochendienstzeit eines Donaustädter Exekutivbeamten damit obsolet? Welche rechtlichen Schritte stehen dem Exekutivbeamten zur Anfechtung des abgelehnten Antrags zur Verfügung?
3. Laut Anfragebeantwortung 1439/AB XXIII. GP.-NR beläuft sich die Differenz zwischen den den Stadtpolizeikommanden zugewiesenen Istständen und den tatsächlichen Personalständen mit 30.4.2007 auf 586, mit 30.6.2007 auf 549 und mit 31.8.2007 auf 416 Planstellen. Mit anderen Worten wurden zwar 3.728, 3.816 bzw. 3.729 Planstellen in den SPKs mit Exekutivbeamten besetzt, ihren Dienst versehen diese jedoch an einem anderen Ort. An welche Dienststellen wurden die mit Stichtag 30.4., 30.6. und 31.8.2007 fehlenden 586, 549 und 416 Beamten, jeweils nach Stadtpolizeikommanden gegliedert, zugewiesen?
4. Wie lauten die tatsächlichen Personalstände der Stadtpolizeikommanden Innere Stadt, Landstraße, Margareten, Josefstadt, Favoriten, Simmering, Meidling, Fünfhaus, Ottakring, Döbling, Brigittenau, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing mit Stichtag 30.4., 30.6. und 31.8.2007 unter Abzug der an andere Dienststellen abkommandierten Exekutivkräfte, Polizeischüler, Karenzierter, Kriminalsachbearbeiter und Beamte mit herabgesetzten Wochendienstzeiten?
5. In der Beantwortung der Anfrage 1391/J XXIII. GP.-NR führen Sie die Abgänge durch Versetzungen, Austritte, Ruhestand und Ableben einzig im Gesamten an, eine nach Wiener Stadtpolizeikommanden wurde leider unterlassen. Die Anfragestellerin erlaubt sich daher nachstehende Frage ein weiteres Mal an den Innenminister zu adressieren: Wie hoch sind die Abgänge durch Versetzungen, Austritte, Ruhestand und Ableben in den jeweiligen Stadtpolizeikommanden mit 30.6. und 31.8.2007, wie hoch sind diese mit Stichtag 30.6. und 31.8.2000?
6. Laut Anfragebeantwortung 1439/AB XXIII. GP.-NR betrug im August 2007 die durchschnittliche Überstundenbelastung pro Dienst versehenden Wiener Exekutivbeamten 30,4 Stunden. Welche Personalstände (systemisierter Planstellenstand, zugewiesener Iststand oder tatsächlicher Personalstand) liegen der in der oben erwähnten Beantwortung angeführten Statistik zugrunde?
7. Werden in die Berechnung der durchschnittlichen Überstundenbelastung pro Exekutivbeamten auch jene Beamte mit Dienstzeitverkürzungen (herabgesetzte Wochendienstzeiten), Tagdienst, Freistellungen etc. miteinbezogen?
8. Wenn ja, wie stellt sich die durchschnittliche Überstundenbelastung der jeweils bei den Stadtpolizeikommanden Innere Stadt, Landstraße, Margareten, Josefstadt, Favoriten, Simmering, Meidling, Fünfhaus, Ottakring, Döbling, Brigittenau, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing Dienst versehenden Beamten mit Stichtag 30.6.2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006 und 2007 unter Abzug der unter Frage 7. angeführten Exekutivbeamten dar?
9. Laut Anfragebeantwortung 1439/AB XXIII. GP.-NR steht die nächste Ausmusterung von Polizeischülern erst mit 1.6.2008 bevor. Wie viele E2c-AbsolventInnen werden zum angeführten Ausmusterungstermin den Stadtpolizeikommanden zugewiesen?
10. Wie viele Einsätze wurden im Monat Jänner, Juni und August 2004, 2005 und 2006 in Wien insgesamt vorgemerkt, wie viele davon konnten aufgrund mangelnder Einsatzkapazitäten im exekutiven Außendienst erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden?
11. Wie viele Einsätze wurden im Monat Jänner, Juni und August 2004, 2005 und 2006 in den einzelnen Stadtpolizeikommanden vorgemerkt, wie viele davon konnten aufgrund mangelnder Einsatzkapazitäten im exekutiven Außendienst erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden?