275/J XXIII. GP

Eingelangt am 23.01.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Schubhaft.

 

Der medial thematisierte Fall des Schubhäftlings Geoffrey A. wirft erneut Fragen zum Umgang mit hungerstreikenden Schubhäftlingen auf. Gleichzeitig sind die Auswirkungen des Fremdenrechtspakets auf die Schubhaft laut Bericht in der Schubhaft tätiger NGOs und kirchlichen Einrichtungen (Wahrnehmungsbericht) alarmierend. 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

Zum Fall Geoffrey A.

 

1.      Wann und wem gegenüber hat Geoffrey A. seine Heimreisewilligkeit erklärt?

 

2.      In welcher Form wurde das dokumentiert?

 

3.      Entspricht es der Behördenpraxis, die Enthaftung anzuordnen, wenn der Betroffene gegenüber der konsularischen Vertretung seines Heimatstaates seine Heimreisewilligkeit erklärt?

 

a.        Wenn ja, in wie vielen Fällen kam diese Praxis im Jahr 2006 zur Anwendung?

 

4.      Ist es denkbar, dass der Wille zur freiwilligen Ausreise konstruiert oder zumindest sehr großzügig interpretiert wurde, um dadurch der Anordnung der Zwangsernährung auszuweichen?

 

5.      Für den Fall, dass Geoffrey A keine Ausreisewilligkeit signalisiert hätte.

War im konkreten Fall beabsichtigt, mit Zwangsernährung vorzugehen?

 

6.      Am 2.10.2006 wurde Geoffrey vom PAZ in die Justizanstalt Josefstadt, Krankenabteilung überstellt. Erst am 9.10 gelang es der Ehegattin über den sozialen Dienst zu erheben, dass Geoffrey A in der Justizanstalt Josefstadt ist. Zuvor wurde seine Anwesenheit in der JA auf telefonische Anfrage seiner Ehefrau mehrfach verneint.

Wird die Anhaltung von Schubhäftlingen in der JA dokumentiert?

 

7.      Der Gesundheitszustand des Geoffrey A. wurde dem elektronischen Schriftverkehr des Fremdenpolizeilichen Büros an die Abteilung. II/3 BMI zufolge bis zum 9.10.2006, 15:08 Uhr, als gut eingeschätzt. Im Mail vom 10.10.2006, 8:48 Uhr, wird die Situation als „immer problematischer“ geschildert.

Woraus erklärt sich dieser rasche Umschwung in der Beurteilung des Gesundheitszustandes von Geoffrey A.?

 

8.      Wann erfolgten am 9.10 und am 10.10  ärztliche Untersuchungen?

 

9.      Welche Werte wurden dabei gemessen?

 

10.    Welche medizinischen Faktoren gaben dabei Anlass zur Einschätzung, dass sich der Gesundheitszustand als immer problematischer darstelle?

 

11.    Warum wurde dennoch vom Vorliegen der Haftfähigkeit ausgegangen?

 

12.    Laut Patientenbrief des Kaiserin Elisabeth Spital vom 31.10.2006 musste Geoffrey A. am 10.10.2006, also am Tag seiner Entlassung aus der Schubhaft,  vorübergehend auf die Intensivstation gelegt werden. Wie erklären Sie sich im besonderen vor dieser Tatsache das Vorliegen der Haftfähigkeit?

 

13.    Laut dem Leiter der Fremdenpolizei, Hofrat Dr. Kovarnik, bestand am 10.10.2006 kein Anlass zur medizinischen Sorge. „Er sei geschwächt, aber in einem tadellosen gesundheitlichen Zustand“ wird Dr. Kovarnik  in der Tageszeitung Österreich zitiert. Wie ist dieser Widerspruch zum Mail vom 10.10. 2006, bzw. der daraus offenkundig werdende Informationsunterschied unter den handelnden BeamtInnen zu erklären?

 

14.    Ist es zutreffend, dass ein Besuch der Ehegattin am 9.10.2006 unter Hinweis auf den schlechten Gesundheitszustand ihres Ehemannes verweigert wurde?

 

a.        Wenn ja, wie ist der Widerspruch zum Mail vom 9.10.2006 über den (unbedenklichen) Gesundheitszustand des Schubhäftlings zu erklären?

 

15.    Warum wurde die Ehegattin nicht über die Enthaftung in Kenntnis gesetzt?

 

16.    Stand ein konkreter Abschiebetermin für Geoffrey A. nach Nigeria fest?

 

a.        Wenn ja, welcher und wann wurde dieser Termin von der Behörde vereinbart?

 

17.    War im Zeitraum 2.10. – 10.10.2006 aus ärztlicher Sicht davon auszugehen, dass der Gesundheitszustand des Geoffrey A. eine Abschiebung zum festgesetzten Termin noch zulässt?

 

a.        Wenn nein, warum wurde er bis 10.10.2006, 14:30 Uhr, in Schubhaft gehalten?

 

18.    An welchen Tagen zwischen 30.08.2006 und 10.10.2006 erfolgten klinische Untersuchungen mit Dokumentation der Parameter Pulsoxymetrie, Blutzucker, Hämatokrit und Harnbefund auf Eiweiß und Erythrocytem, CK, Kalium? (Diese Parameter entsprechen dem Rundschreiben vom 7.10.2005, GZ: BMI-OA1320/0065-II/1/b/2005, über die Hungerstreikbetreuung durch Polizeiärzte in den PAZn).

 

19.    Von wem und in welcher Weise wurden diese Untersuchungen dokumentiert?

 

20.    Die nigerianische Botschaft wurde laut Aktenlage um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht. Am 3.10.2006 kam es zu einer Ausführung Geoffreys zur nigerianischen Botschaft. Warum kam es bis zum Entlassungstag und darüber hinaus nicht zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates?

 

21.    Gab es Anhaltspunkte seitens der nigerianischen Botschaft nach dem Termin vom 3.10.2006, wonach die Ausstellung eines Heimreisezertifikates rasch erfolgen wird?

 

a.   Wenn nein, warum wurde Geoffrey A. bis zum 10.10.2006 in Schubhaft belassen?

 

22.    Zu welchen Zeitpunkten fand eine psychologische oder psychiatrische Betreuung des Geoffrey A. statt?

 

23.    Wurde dabei ein Dolmetscher beigezogen?

 

24.    Zu welchen Zeitpunkten fand ein Besuch durch die MitarbeiterInnen der Schubhaftbetreuung statt?

 

25.    Was wurde dazu jeweils im Wortlaut dokumentiert?

 

 

Zu den allgemeinen Auswirkungen des Fremdenrechtspakets

 

26.    Wie viele Personen befanden sich im Jahr 2006 im Hungerstreik?

 

27.    Wie oft wurde im Jahr 2006 ein Hungerstreik begonnen?

 

28.    In wie vielen Fällen fand eine Überstellung von Hungerstreikenden in eine Justizanstalt im Rahmen der Anwendung des § 78 Abs. 6 FPG statt?

 

29.    Welche Maßnahmen wurden in diesen Fällen im Sinne einer Heilbehandlung gesetzt?

 

30.    In wie vielen Fällen wurde eine Zwangsernährung des Betroffenen durchgeführt?

 

a.        Wenn ja, auf welche Weise?

 

31.    Ist Zwangsernährung aus Sicht des BMI eine prinzipiell rechtlich zulässige und damit praktikable Maßnahme bei hungerstreikenden Schubhäftlingen? 

 

 

32.    Ist das gesetzliche, durch das Fremdenrechtspaket geschaffene, Instrumentarium dafür ausreichend? (§ 78 Abs. 6 FPG, § 79 Abs. 1 FPG i.V. m. § 53 d VStG, § 69 StVG).

 

33.    Steht die Zwangsernährung von Schubhäftlingen nicht generell in bezug auf Anlass und Dauer des Freiheitsentzuges außer Verhältnis? (§ 53 d Abs. 1 VStG).

 

a.        Wenn nein, wer nimmt die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall vor und nach welchen Kriterien erfolgt diese?

 

34.    Die Ärztekammer hat in ihrer Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf des Fremdenrechtspakets Zwangsernährung und Zwangsbehandlung während der Schubhaft als einen „ radikalen Eingriff in das Leben des Einzelnen“, als „problematisch und mit der ärztlichen Ethik unvereinbar“ bezeichnet.

Das deutet auf einen generellen Vorbehalt der Ärzteschaft hin.

 

a.        Wenn ja, warum wird die Zwangsernährung den hungerstreikenden Schubhäftlingen dann in Aussicht gestellt?

 

b.        Wenn nein, in welcher Form ist das ärztliche Personal der Justizanstalt über das Zusammenwirken mit der verfahrensführenden Behörde bei Durchführung einer Zwangsernährung instruiert?

 

35.    Gelten Erlässe und Richtlinien, insbesondere die Richtlinien für den polizeiärztlichen Dienst vom 20.2.2006, GZ: BMI-OA1300/0011-II/1/b/2006, auch für den ärztlichen Dienst in der Justizanstalt, wenn Schubhäftlinge die Wege

§ 78 Abs. 6 FPG überstellt werden?

 

a.        Wenn nein, wird es für vertretbar erachtet, in Justizanstalten überstellte Schubhäftlinge damit geringeren Standards zu unterwerfen als in Polizeianhaltezentren?

 

b.        Wenn nein, werden diese Richtlinien und Erlässe für den amtsärztlichen Dienst in den Justizanstalten bald verbindlich gemacht?

 

36.    In wessen Kompetenzbereich lag/liegt es, Standards für jene Hungerstreikende festzulegen und mittels Erlass anzuordnen, die von Polizeianhaltezentren aufgrund § 78 Abs. 6 FPG in eine Justizanstalt überstellt wurden?

 

37.    Wie verhält es sich mit den sonstigen Standards, insbesondere mit jenen, die aufgrund von Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates (per Erlass) für Polizeianhaltezentren verbindlich festgelegt wurden, gelten diese Standards auch für Schubhäftlinge, die im Wege des § 78 Abs. 6 FPG in eine Justizanstalt überstellt werden?

 

38.    Wie viele AsylwerberInnen befanden sich im Jahr 2005 in Schubhaft?

 

39.    Wie viele AsylwerberInnen befanden sich im Jahr 2006 in Schubhaft?

 

40.    Wie viele dieser AsylwerberInnen befanden sich davon in einem sogenannten Dublin-Verfahren?

 

41.    Wie viele AsylwerberInnen wurden im Jahr 2006 aufgrund Dublin II an andere Mitgliedstaaten der EU überstellt?

 

42.    Wie viele AsylwerberInnen wurden im Jahr 2006 aufgrund Dublin II von anderen EU-Mitgliedstaaten an Österreich überstellt?

 

43.    Wie viele Minderjährige wurden im Jahr 2006 in Schubhaft genommen?

 

44.    Wie viele Personen wurden über 6 Monate hinausgehend in Schubhaft genommen?