3285/J XXIII. GP

Eingelangt am 16.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Kai Jan Krainer

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend

betreffend "gleichbehandlungswidrige Schnüffelaktion der Finanzämter"

Von einer besorgten Bürgerin wurde berichtet, dass das zuständige Wohnsitzfinanzamt bei ihr
im Dezember 2007 eine Datenüberprüfung für den Anspruch auf Familienbeihilfe vornahm.
Dazu übermittelte das Finanzamt die bereits vorhandenen Datenblätter der Familie zur Über-
prüfung der Korrektheit der Angaben. Neben der Rücksendung der überprüften Datenblätter
wurde die Mutter dreier Kinder aufgefordert Schulbesuchsbestätigungen, Kindergartenbestä-
tigung und Staatsbürgerschaftsnachweise an das Finanzamt zu übermitteln. Auf Nachfrage
warum sie diese Unterlagen übermitteln müsse, obwohl doch alle Daten korrekt beim Finanz-
amt vorlägen, bekam die dreifache Mutter eine bedenkliche Auskunft: Trotzdem alle Famili-
enmitglieder österreichische Staatsbürgerinnen sind, werden sie überprüft, weil die Kinder
"ausländische Namen" tragen[1] .

Mit Jänner 2008 wurden die Familienbeihilfenzahlungen für das älteste Kind (6 Jahre) der
betroffenen Mutter eingestellt. Auf Nachfrage beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt wurde
der Betroffenen erklärt, dass bei ihrem ältesten Kind eine zeitliche Befristung der Familien-
beihilfe bis Dezember 2007 vermerkt war - zu diesem Zeitpunkt sollte der Anspruch geson-
dert überprüft werden. Die Einstellung der Zahlungen sei erfolgt, weil die Überprüfung des
Anspruches noch nicht abgeschlossen, der "Akt noch nicht erledigt" sei. In der Folge wurde
entdeckt, dass auch beim zweiten Kind (4 Jahre) eine Befristung des Anspruchs mit Mai 2009
festgelegt wurde. Lediglich das jüngste Kind wird offensichtlich nicht gesondert überprüft, da
die Familienbeihilfe - wie grundsätzlich üblich - lediglich mit dem 18. Lebensjahr des Kin-
des befristet ist.


Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit,
Familie und Jugend nachstehende

Anfrage

1.       Auf welchen Erlass des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend stützt
sich oben beschriebene Vorgehensweise des Wohnsitzfinanzamtes?

Wie lautet dieser Erlass im Volltext?

2.                          Wie definiert das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend "ausländische
Namen"?

3.                          Unter den 50 häufigsten Neugeborenen-Namen im Jahr 2006 in Österreich befinden sich
"ausländisch klingende" Namen wie beispielsweise Marcel (454), Luca (424), Selina
(387), Elena (356), Jana (325), Alina (264), Kevin (261), Angelina (247), Emily (236),
Chiara (223), Michelle (218), Amelie (214) oder Pascal (184)[2]. Müssen die Trägerinnen
dieser Namen bzw. deren Eltern von den Behörden laut BMGFJ ebenfalls gesondert
überprüft werden?

4.                          Wie müssen die Behörden vorgehen, wenn sie Datenüberprüfungen bei "ausländisch
klingenden Vornamen" von österreichischen StaatsbürgerInnen vornehmen?

5.                          Wie erklären Sie, dass im oben beschriebenen Fall nach Antragstellung auf Familien-
beihilfe von der Mutter die Vorlage von Staatsbürgerschaftsnachweisen für die Kinder
gefordert wurde?

Wird in jedem Fall die Vorlage von Staatsbürgerschaftsnachweisen vom Wohnsitzfi-
nanzamt verlangt?
Wenn Nein, ist eine Refundierung der dadurch entstandenen Kosten vorgesehen?

6.       Mit welcher Begründung werden von Wohnsitzfinanzämtern scheinbar willkürliche Be-
fristungen (5. Lebensjahr; 6. Lebensjahr) des Anspruchs auf Familienbeihilfe erteilt?
Werden oben beschriebene Befristungen bei allen österreichischen StaatsbürgerInnen er-
teilt oder nur bei jenen, deren Kindern "ausländisch klingende" Vornamen gegeben wur-
den?


7.                         Handelt es sich bei dem oben beschriebenen Vorgehen (Sonderüberprüfung, Befristun-
gen) um einen Einzelfall oder um systematisches Vorgehen?

8.                         Laut § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz liegt eine "unmittelbare Diskriminierung"
vor, "wenn eine Person auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in einer vergleichba-
ren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren
hat oder erfahren würde". Der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetz umfasst
gemäß § 30 Gleichbehandlungsgesetz auch Transfer-/Sozialleistungen des Bundes. Ist
das Vorgehen Ihrer Behörden Ihrer Meinung nach mit diesen Bestimmungen des
Gleichbehandlungsgesetzes in Einklang zu bringen?

9.                         Ist Ihnen sowie den MitarbeiterInnen des BMGF das Gleichbehandlungsgesetz bekannt
bzw. wurden in Ihrem Ressort Schulungen hinsichtlich der Vorschriften des Gleichbe-
handlungsgesetzes durchgeführt?

Wenn ja, in welchem Umfang?

Wenn nein, sind solche Schulungen in Planung?

10.                  Bei einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes laut Gleichbehandlungsgesetz ha-
ben Betroffene Anspruch auf Schadenersatz. Was werden Sie tun, um die Betroffenen
angemessen zu entschädigen?

11.                  Gibt es seitens des BMGFJ einen Erlass hinsichtlich der Überprüfung des Anspruches
auf Familienbeihilfe bei Pflegekindern?

Wie lautet dieser Erlass im Volltext?

12.     Nach welchen Kriterien wird der Anspruch auf Familienbeihilfe für Pflegekinder befris-
tet?



[1] In diesem Fall tragen die Kinder slowenische Namen - per Definition sind es damit keine "ausländischen
  
Namen", sondern Namen einer anerkannten österreichischen Volksgruppe.

[2] Klammerausdruck: absolute Häufigkeit im Jahr 2006 laut Statistik Austria