3300/J XXIII. GP

Eingelangt am 16.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Fritz Grillitsch

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Abschaffung der Gemeinderäte in kleinen Gemeinden

Die Hälfte aller 2.359 österreichischen Gemeinden hat weniger als 1.500 Einwohner, allein 600 davon weniger als 1.000 Einwohner. 4,5 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung, leben in kleineren Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern. Der Verantwortungsbereich der Gemeinden reicht von Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft, von der Erhaltung der Straßen bis hin zur Müllbeseitigung, von der Finanzierung von Schulen und Kindergärten bis zu Spitälern und mannigfaltigen Sozialeinrichtungen. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist mit bedeutenden finanziellen Entscheidungen verbunden. Daher haben die Gemeinden schon vor Jahren begonnen, Kooperationen mit anderen Gemeinden einzugehen, die vor allem infrastrukturelle Maßnahmen betreffen.

Insgesamt sind in Österreich rund 40.000 Gemeinderäte aktiv. In jeder Gemeinde gibt es einen Gemeinderat, der zu einem großen Teil von freiwilligem Engagement und Ehrenamt getragen wird. Ausgabeposten des Gemeinderats sind der Bürgermeister, der Vizebürgermeister und in vielen Fällen noch ein Kassier. Für die übrigen Gemeinderäte gibt es im besten Fall Sitzungsgelder, die im Jahresdurchschnitt bei Gemeinden bis 2.000 Einwohnern bei rund 270 Euro liegen. In ganz seltenen Ausnahmefällen übersteigen die Kosten für den eigenen Gemeinderat 5% des Gesamtbudgets. Trotz dieser geringen Kosten, die für die Gemeindemandatare aufgebracht werden, hat Staatssekretär Dr. Matznetter den Vorschlag gemacht, ein neues Gemeinde-Wahlrecht einzuführen, das aus zwei Wahlen besteht. Eine kleinere Gemeinde soll nur mehr einen Bürgermeister ohne Gemeinderat wählen. Die größere Gemeinde übernimmt die Daseinsvorsorge und soll deshalb auch einen Gemeinderat wählen dürfen.


Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

ANFRAGE

1.   Kleine Gemeinden hatten in den letzten Jahren mit einem überproportionalen Kostenanstieg vor allem im Infrastruktur- und im Sozialbereich zu kämpfen.

i. Wurde dieser Entwicklung im Finanzausgleich Rechnung getragen. Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?

ii. Wie haben sich die Personalkosten der Gemeinden in den letzten Jahren im Vergleich zu den Ausgaben für Infrastruktur und den Sozialausgaben entwickelt?

2.             Welche Serviceleistungen erbringen die Gemeinden für ihre Einwohner?

3.             Die Arbeit im Gemeinderat wird zu einem großen Teil von freiwilligem Engagement     getragen.     Ausgabeposten     sind     Bürgermeister     und Vizebürgermeister, die in jeder Gemeinde weiterhin bestehen sollen. Wie hoch sind die Kosten für Bürgermeister und Gemeinderäte österreichweit?

4.             Wie hoch sind die Einsparungen durch die Abschaffung des Gemeinderats nach dem  Matznetter-Vorschlag,  da ja gleichzeitig  neue Kosten für die Erfüllung der diesbezüglichen Aufgaben durch den Gemeinderat der größeren Gemeinden anfallen?

5.             Bei wie vielen Einwohnern soll die Grenze zwischen einer kleinen und großen Gemeinde gezogen werden?

6.             Wird  der Gemeinderat einer Gemeinde  nach  dem  Matznetter-Vorschlag aufgelöst, wenn diese  unter eine bestimmte Einwohnerzahl fällt und  im Gegenzug wieder eingeführt, wenn die Grenze der Einwohnerzahl wieder überschritten wird?


7.             Was  halten  sie  von  der Forderung von  StS  Matznetter betreffend  die Abschaffung der Gemeinderäte in kleinen Gemeinden?

8.             Gibt   es   in   irgendeinem   anderen   Mitgliedstaat   der   EU   allmächtige Bürgermeister, die ohne Konsensfindung mit dem Gemeinderat und ohne demokratische Kontrolle agieren können?

9.             Welche Aufgaben soll ein Bürgermeister einer Gemeinde übernehmen, die keinen Gemeinderat mehr hat?

10.     Bei der Kooperation von Gemeinden geht es um ihre Vergleichbarkeit und um die Anwendung von Best-Practice-Beispielen. Das Lebensministerium hat in den letzten Jahren bereits damit begonnen, ein Modell umzusetzen, das Kooperationen zwischen den Gemeinden vereinfacht (Communal Audit). Wie stehen sie zu einer Fortführung dieses Programms?

11.     Die    Abschaffung    von    Gemeinderäten    birgt    auch    die    Gefahr   der Rückentwicklung von ehrenamtlichem und freiwilligem Engagement in der Gemeinde mit sich. Wie stehen sie dazu?

12.     Der Österreichische Städtebund geht noch einen Schritt weiter und verlangt die Zusammenlegung von kleinen Gemeinden. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?

13.     Welche Möglichkeiten gibt es, um kleinen Gemeinden zu helfen? Wie lauten ihre Ansätze, um die Situation kleiner Gemeinden zu verbessern?