3416/J XXIII. GP

Eingelangt am 30.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Fichtenbauer und weiterer Abgeordneter an die

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger

betreffend „“Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof“

Das Bundesministerium für Justiz vertrat in seiner zur Geschäftszahl BMJ- Pr3710/0017-Pr 1/2007 ergangenen Erledigung vom 12. Dezember 2007 die Auffassung, die amtliche Geschäftsverteilung der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof unterliege der Amtsverschwiegenheit. Zur Begründung führte das BMJ ausschließlich an, dass „ein rechtliches Interesse für die Allgemeinheit an der internen Aufteilung der Geschäfte nicht ersichtlich [sei], zumal — anders als beim Richter der einzelne Generalanwalt nicht als Person, sondern jeweils nur als Vertreter der Behörde Generalprokuratur als einheitlich agierende und monokratisch organisierte Behörde auftritt." Der Allgemeinheit sei die Geschäftsverteilung daher nur in Form einer auszugsweisen (unvollständigen) Übersicht zugänglich, während die gesamte Geschäftsverteilung nur dem Bundesministerium für Justiz zur Kenntnis zu bringen sei.

Diese vom Bundesministerium für Justiz in der genannten Erledigung sowie zudem vom Mitglied der Generalprokuratur Gabriele Aicher mündlich vertretene Rechtsansicht, dass die Geschäftsverteilung der Generalprokuratur (als Geschäftsverteilung einer staatlichen Behörde) dem Amtsgeheimnis unterliegen soll, begegnet erheblichen einfachgesetzlichen Bedenken:

Denn gemäß § 2 StAG ist die Generalprokuratur eine staatsanwaltschaftliche Behörde, auf die das StAG anzuwenden ist, und gemäß § 6 Abs 6 StAG ist im Gebäude eine Geschäftsverteilungsübersicht anzuschlagen. Um - unter Beachtung des Gebots, einer gesetzlichen Vorschrift keinen sinnwidrigen Inhalt zu unterstellen - diese Rechtsvorschrift sinnvoll auszulegen, ist es erforderlich, die gesamte Geschäftsverteilung im Gebäude anzuschlagen. Dass die Geschäftsverteilung    überdies auch in Form einer Übersicht gemäß § 22 Geo zugänglich gemacht werden kann, mindert den Regelungsgehalt des § 6 Abs 6 StAG ebenso wenig wie die Vorschrift des § 6 Abs 4 StAG, dass die Geschäftsverteilung auch direkt dem BMJ zur Kenntnis zu bringen sei.


Insbesondere begegnet aber die vom Bundesministerium für Justiz in der genannten Erledigung sowie zudem vom Mitglied der Generalprokuratur Gabriele Aicher mündlich vertretene Rechtsansicht, dass die Geschäftsverteilung der   Generalprokuratur (als Geschäftsverteilung einer staatlichen Behörde) dem Amtsgeheimnis unterliegen soll, erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken: Gemäß Artikel 20 Absatz 4 B-VG haben nämlich alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts über Angelegenheiten ihres  Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht gemäß Artikel 20 Absatz 3 B-VG nur über ausschließlich  aus der amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Daher ergeht an die Bundesministerin für Justiz folgende

Anfrage

1.   Welcher der vorgenannten - in Artikel 20 Absatz 3 B-VG taxativ aufgezählten -

Geheimhaltungsgründe sollte auf die amtliche Geschäftsverteilung der Generalprokuratur zutreffen und weshalb?

2.            Wurde die vollständige amtliche Geschäftsverteilung der Generalprokuratur im Justizpalast durch öffentlichen Anschlag der Allgemeinheit zugänglich gemacht?

3.            Wird die vollständige amtliche Geschäftsverteilung der Generalprokuratur im Justizpalast durch öffentlichen Anschlag der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden?

4.            Verweigert das Bundesministerium für Justiz der Allgemeinheit die Kenntnis der vollständigen Geschäftsverteilung der Generalprokuratur?

5.            Wieso verweigert das Bundesministerium für Justiz der Allgemeinheit die Kenntnis der vollständigen Geschäftsverteilung der Generalprokuratur?

6.            Wieso qualifiziert das Bundesministerium für Justiz die vollständige Geschäftsverteilung der Generalprokuratur entgegen Artikel 20 Absatz 3 B-VG als "geheim"?

7.            Ist dies mit Artikel 20 B-VG vereinbar?

8.            Ist dies mit dem Grundsatz der Transparenz behördlicher Vorgänge vereinbar?

9.            Hält das Bundesministerium für Justiz die vollständige Geschäftsverteilung der Generalprokuratur auch vor dem zur Kontrolle der Vollziehung berufenen Parlament geheim?

10.    Wie lautet die aktuelle amtliche Geschäftsverteilung der Generalprokuratur im vollen Wortlaut?