3481/J XXIII. GP
Eingelangt am 31.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Steier und GenossInnen
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Vorwurf der Tarifmanipulation durch das ARA-System
Die Tätigkeit des
ARA-Systems (Altstoff Recycling Austria AG plus acht Branchenre-
cycling-Gesellschaften, BRGs) im Bereich der Verpackungsbewirtschaftung (Samm-
lung und Verwertung von Verpackungsabfällen aus Haushalt,
Gewerbe und Indust-
rie) wird schon seit
einigen Jahren immer wieder hinterfragt: die Kritik an systemati-
schen Fehlkalkulationen des ARA-Systems bei der Festlegung der Tarife hält sich
ebenso hartnäckig wie die Frage, wie ein
Non-Profit-Unternehmen finanzielle Über-
schüsse in
dreistelliger Millionenhöhe anhäufen kann.
Auch mögliche Quersubventi-
onierungen zwischen
Haushalts- und Gewerbebereich und die unzureichende Kon-
trolle des ARA-Systems wurden mehrfach
thematisiert.
Eine
aktuelle Sachverhaltsdarstellung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB,
01.2008) kommt zum
Schluss, dass das Verhalten des ARA-Systems als miss-
bräuchlich einzustufen ist, weil
unter anderem Überschüsse absichtlich erzielt wur-
den, um WettbewerberInnen zu verdrängen;
Lizenzentgelte seien bewusst mittels
eines zweiten, unrichtigen Planungsbriefes höher als zur Kostendeckung notwendig
und damit auch höher als in
den Genehmigungsbescheiden für die BRG des ARA-
System vorgesehen angesetzt worden. Weiters sind die Tarife im Gewerbereich
(Wettbewerb) stärker als im Haushaltsbereich
(Monopolbereich) gesenkt worden; mit
dem strategischen Einsatz von Überschüssen würde die Präsenz von
Mitbewerbern
am Markt erschwert.
Medienberichten
zufolge haben die ARA und die acht involvierten Branchengesell-
schaften nun bis Ende Februar Zeit, Stellung zum Papier der Bundeswettbewerbs-
behörde zu
nehmen. "Können die Vorwürfe nicht
entkräftet werden, ist das Kartellge-
richt am Zug", wird der Sprecher der BWB zitiert.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Land-
und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende
Anfrage:
1. Liegt Ihrem
Ressort die Sachverhaltsdarstellung der Bundeswettbewerbsbehör-
de vor? Wenn ja,
welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Nachdem in
dieser
Sachverhaltsdarstellung nicht nur
wettbewerbsrechtliche, sondern auch steuer-
liche und zum Teil möglicherweise
strafrechtlich relevante Kritikpunkte enthalten
sind: werden Sie die
Unterlage dem BMF und dem BMJ zur Prüfung
zur Verfü-
gung
stellen?
2.
„Die ARA AG finanziert die
ordnungsgemäße Sammlung, Sortierung und Ver-
wertung gebrauchter Verpackungen aus den
Lizenzentgelten ihrer Kunden.
Diese Lizenzentgelte werden von den Lizenzpartnern selbst durch Multiplikation
der erhobenen Packstoffmengen mit den für jede Packstoffart verursacherge-
recht kalkulierten Tarifen errechnet. Die Lizenztarife werden von den zuständi-
gen
Branchenrecycling-Gesellschaften aufgrund der Bekanntgabe von Lizenz-
mengenprognosen durch die ARA AG nach betriebswirtschaftlichen Gesichts-
punkten kalkuliert. Sie richten sich im
Sinne der Kostenwahrheit stets nach dem
Aufwand, den die einzelnen Packstoffe im Sammel- und
Verwertungskreislauf
verursachen. Die so berechneten Tarife pro
Kilogramm werden dem BMLFUW
entsprechend den Auflagen in den jeweiligen Genehmigungsbescheiden vorge-
legt" ist
zur Tarifgestaltung im ARA-Geschäftsbericht
2006 nachzulesen. Wer-
den bzw. wurden seitens Ihres Ressorts die vorgelegten Tarife einer Überprü-
fung auf Plausibilität unterzogen? Wenn ja, durch wen und in
welcher Form?
3.
Welche Vorgaben und Auflagen sehen die Genehmigungsbescheide der jewei-
ligen BRGs zur Tarifgestaltung
vor?
4.
„Die ARA setzte jedenfalls in den
ARGEV betreffenden Planungsbriefen für
2003 und 2004 die Planlizenzmengen absichtlich zu niedrig an - dh es wurden
geringere Mengen prognostiziert als
aufgrund der Berechnungen ...zu erwarten
waren, um höhere Lizenzentgelte
festsetzen zu können" ist der
Sachverhalts-
darstellung der BWB
zu entnehmen. In der Praxis dürften
in einem offiziellen
Planungsbrief der ARA kleinere als zu
erwartende Mengen angeführt gewesen
sein, auf deren Basis die BRGs höhere Lizenzentgelte berechnen
konnten. Ein
inoffizieller Planungsbrief der ARA enthielt die tatsächlich zu
erwartenden (grö-
ßeren) Mengen, damit die BRGs auf
Basis realistischer Zahlen finanzielle Vor-
sorge für die
Sammlung und Verwertung der anfallenden Mengen treffen konn-
ten. In welchen BRGs des ARA-Systems wurde diese Praxis seit wann gehand-
habt? Werden Sie diese Vorwürfe untersuchen lassen?
5.
Der Vorwurf
der Verwendung unterschiedlicher Planungsmengen durch die
ARA ist ja nicht wirklich neu; bereits in einer parlamentarischen Anfrage aus
dem Jahr 2005 (3293, XXII. GP) wurde Ihr Ressort auf dieses
Problem hinge-
wiesen. Seinerzeit haben Sie in 3204/AB ausgeführt, dass die Planlizenzmen-
gen der ARA AG nachvollziehbar und
plausibel sind. Hat Ihr Ressort zumindest
seit damals Aktivitäten
zur Untersuchung dieser Hinweise gesetzt und wenn ja
welche?
6.
Es gibt Hinweise, dass die Planlizenzmengen teilweise ab 1997, fast
durchgän-
gig aber ab 1999
absichtlich zu niedrig ansetzt wurden; dies, um Reserven bei
den BRGs zu bilden und gleichzeitig den eigenen Overhead-Anteil der ARA
(4,5% der Lizenzentgelte) erhöhen
zu können. Die dadurch erzielten Über-
schüsse wurden
2005 mit 80 Mio € angegeben und dürften
aktuell bei rund 100
Mio € liegen. Verfügen Sie über aktuelle
Daten, wie hoch der Schaden durch
überhöhte Lizenzentgelte für die KonsumentInnen anzusetzen ist?
7.
Die Systeme legen Ihrem Ressort auf Basis der Berichtspflichten des AWG
und
gemäß § 11 (8) Verpackungsverordnung (VVO) ja schon seit mehreren Jahren
regelmäßig Tätigkeitsberichte
und Berichte der Wirtschaftstreuhänder vor. Wer-
den diese Berichte auf Richtigkeit und Plausibilität der Daten
seitens Ihres Res-
sorts
geprüft?
8.
Falls ja, durch wen? Zu welchen Schlüssen ist man
gekommen? Welche Kon-
sequenzen haben Sie
daraus gezogen?
9.
Falls nein: wäre eine Überprüfung dieser
Berichte aus Ihrer Sicht für eine Auf-
sichtsbehörde nicht unabdingbar - vor allem
angesichts der seit Jahren am
ARA-System geäußerten Kritik
(Monopolstellung, Tarifpolitik und Rückstellun-
gen,
Quersubventionierungen, wettbewerbsbehindernde Praktiken,....)?
10.
Die BWB kommt zum Schluss, dass die Tarife im Gewerbesystem, wo die ARA
in Konkurrenz zu
anderen Systemen steht, so gestaltet wurden, dass Über-
schüsse im wesentlichen abgebaut
wurden. Im Haushaltbereich, wo die ARA
(mangels genehmigter MitbewerberInnen) eine
Monopolstellung hat, waren die
Tarife deutlich überhöht. Wie hoch sind die aktuellen Überschüsse im Haus-
haltssystem (bitte nach BRGs und Tarifgruppe gegliedert anführen)?
11 .„Die Senkung der
Tarife im Wettbewerbsbereich Gewerbesystem in einem hö-
heren Ausmaß als im
Monopolbereich Haushaltssystem führt zu einer Verdrän-
gung der
Wettbewerber im Gewerbebereich unter Ausnützung des breiteren
Angebotspektrums des ARA-Systems im
Vergleich zu den direkten Konkurren-
ten. Das strategische Einsetzen der ungeplanten Überschüsse wird dazu ge-
nützt,
Wettbewerbern die Präsenz am Markt zu
erschweren", so die BWB in ih-
rer Sachverhaltsdarstellung. Welche administrativen oder aufsichtsrechtlichen
Maßnahmen plant
Ihr Ressort, um derartige wettbewerbswidrige Vorgänge zum
Nachteil
von Mitwerbern wirksam zu unterbinden? Sind die derzeitigen gesetzli-
chen Grundlagen dafür ausreichend? Wenn nein, welche
legistischen Maßnah-
men plant Ihr Ressort?
12.
Seit Jahren
hat die Arbeiterkammer darauf hingewiesen, dass es zur Gewähr-
leistung eines fairen Wettbewerbs insbesondere zur Vermeidung solcher nur
schwer unkontrollierbarer Quersubventionen - wie nun offenbar hervorgekom-
men - unbedingt erforderlich ist, dass die
Sammelsysteme verpflichtet werden,
klar und durchgehend - nach Haushalts- bzw Gewerbebereich - getrennte Tari-
fe mit entsprechend getrennten Rechnungskreisen anzubieten. Ihr Ressort
hat
diese Anregungen immer angelehnt und ist
den Argumenten der ARA gefolgt.
Werden Sie nun dafür sorgen, dass die Systeme völlig
getrennte Tarife anbieten
werden? Sind die
derzeitigen gesetzlichen Grundlagen dafür ausreichend?
Wenn nein, welche legistischen Maßnahmen
plant Ihr Ressort?
13.
Die Gutachten des Expertengremiums zu den Gesellschaften des ARA-Systems
sind dem
Missbrauchsbeirat betreffend haushaltsnahe Sammel- und Verwer-
tungssysteme zuzuleiten. Wann und wie oft
hat der Beirat dazu getagt? Zu wel-
chen Schlussfolgerungen und Empfehlungen ist der Beirat gelangt? Sind
diese
Empfehlungen auch umgesetzt worden? Wenn ja
mit welchem Ergebnis? Sind
die Empfehlungen des Beirats auf der Homepage des BMLFUW veröffentlicht
worden? Wenn ja welche? Wenn nein, warum nicht?
14.
Das
Expertengremium hat betreffend haushaltsnahe Sammel- und Verwer-
tungssysteme spätestens alle
vier Jahre ein Gutachten zu erstellen. Das letzte
Gutachten stammt aus
dem Jahr 2005 - das nächste wäre daher spätestens
2009 vorzulegen. Wird an der Erstellung dieses Gutachtens bereits gearbeitet?
15.
Werden Sie angesichts der in der Sachverhaltsdarstellung der BWB
enthaltenen
Kritikpunkte eine
entsprechende Untersuchung beauftragen, die vor allem die
Überprüfung der Plausibilität der Entwicklung der Plan- und Ist-Mengen
sowie
der Überschüsse sowie
deren Abbau im ARA-System in den Jahren 1993-2007
zum Inhalt hat?
16.
In 1765/AB (XXIII. GP) haben Sie angeführt, dass im Abfallrecht keine gesetzli-
che Grundlage besteht, die Herkunft der Gelder der ARA AG für deren Beteili-
gung an den genehmigten BRGs des ARA
Systems zu überprüfen. Nun besitzt
die ARA als Nonprofit-System ja nur Treuhandgelder bzw. 4,5% der Lizenzent-
gelte
als Overhead-Anteil - und dürfte diese Mittel (wie die BWB-
Sachverhaltsdarstellung
aufzeigt) auch noch durch Tarifmanipulationen erhöht
haben. Werden Sie sich für
die Änderung des AWG zur Schaffung
einer ent-
sprechenden Regelung einsetzen, um künftig
bei Bedarf auch Mittelherkunft
und Mittelflüsse von Systemen überprüfen zu können?
17. Unter den Abgeordneten im
Parlament kursiert ein von der ARA in Umlauf ge-
brachte Entwurf für einen Abänderungsantrag zu der in Verhandlung
befindli-
chen AWG-Novelle Batterien. Dieser ähnelt
inhaltlich den Vorschlägen für die
Verpackungsverordnungsnovelle 2005 bzw der AWG-Novelle 2006 aus ihrem
Ressort, die darauf abgezielt haben, dass
alle Verpackungen, die nach ihrer Art
und Beschaffenheit in Haushalten anfallen können, nur von Sammelsystemen
mit Genehmigung für den
Haushaltsbereich lizenziert werden können. Nicht zu-
letzt wegen der
vehementen Kritik aus der Bundeswettbewerbsbehörde sind
diese Vorschläge nie
umgesetzt worden. Ist Ihrem Ressort dieser Entwurf eines
Abänderungsantrages bekannt? Wie beurteilt
ihr Ressort diese Vorschläge?
Haben an diesen Vorschlägen auch Mitarbeiter ihres
Ressorts mitgewirkt?
Wenn ja, wurde die BWB um Stellungnahmen ersucht bzw das Einvernehmen
mit der BWB
gesucht?