3498/J XXIII. GP

Eingelangt am 31.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Robert Aspöck
und weiterer Abgeordneter
an den Bundeskanzler

bedreffend "Aktuelle Defizite im Grundrechtsschutz"

Der deutsche Höchstgerichtspräsident Hans-Jürgen PAPIER hat in der Zeitschrift "Der Spiegel" (Nr. 3 /14.1.2008, Seite 26) Folgendes berichtet: „Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat einen sogenannten Sanktionsausschuss eingerichtet. Dieses Gremium verfasst Listen, auf denen natürliche Personen, aber auch Organisationen stehen, die aus der Sicht des Sanktionsausschusses mit den Taliban oder AI-Quaida in Verbindung stehen. Genannt werden derzeit knapp 500 Personen oder Organisationen, die EU hat das in ihr Gemeinschaftsrecht übernommen. Wenn Sie auf einer solchen Terrorliste stehen, können Sie im Grunde gar nichts machen. Dann können Sie weder über Ihre Guthaben verfügen, noch dürfen Sie irgendetwas erwerben. ( ..) Das Interessante ist, dass die Betreffenden, die auf eine solche Liste kommen, weder vorher angehört werden noch dass ihnen die Gründe mitgeteilt werden, weshalb sie aufgeführt sind. Die zugrunde liegenden Beweise werden nicht mitgeteilt, und es gibt keinen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. (..) Aber es ist doch verständlich, dass bei der Aufstellung dieser Listen auch Fehler passieren können. Und wenn Sie als Betroffener dann nicht die Möglichkeit haben, dazugehört zu werden, wenn Sie nicht die Gründe erfahren und auch keinen formalen Rechtsbehelfhaben, dann sind Sie ziemlich schutzlos."

In der EU erließ nämlich der Rat dazu eine Verordnung (Nr. 2580/2001 DES RATES vom 27. Dezember 2001), mit der das Einfrieren von Geldern von Personen angeordnet wurde, die in eine Liste im Anhang der Verordnung aufgenommen sind. Das Europäische Gericht Erster Instanz erklärte dazu, die Gemeinschaftsgerichte seien nicht oder nur eingeschränkt für die Überprüfung zuständig, es werde also vom EU-Gericht kein Rechtsschutz gewährt. So "schützt" die EU die Grundrechte!

Selbst der EuGH-Generalanwalt Poiares MADURO hat laut Bericht in der FAZ vom 17.1.1008 die EU-Verordnung, auf deren Grundlage Gelder mutmaßlicher Terroristen eingefroren werden dürfen, als rechtswidrig qualifiziert, weil die Verordnung das Recht des Betroffenen auf Eigentum, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und sein Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletze. Dass ein Mittel zur vermeintlichen "Wahrung des Weltfriedens" angeblich erforderlich sei, dürfe doch nicht dazu führen, dem Einzelnen seine Grundrechte zu entziehen. Das unbefristete Einfrieren der Vermögenswerte einer Person sei laut Generalanwalt Maduro ein weitreichender Eingriff in deren Recht auf Eigentum, sofern es keine Verfahrensgarantien gebe, die von den Behörden verlangten, solche Aktionen zu rechtfertigen.


Angesichts dieser bestürzenden Nachrichten stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

ANFRAGE:

1.)    Ist Ihnen die vorstehend angesprochene EU-Verordnung bekannt?

2.)    Gilt diese auch für Österreich?

3.)    Wenn ja, welche Rechtsmittel stehen davon potenziell betroffenen Österreichern in

         Österreich zur Verfügung, um sich gegen eine solche Maßnahme zu wehren?

4.)    Welche Rechtsmittel stehen davon potenziell betroffenen Österreichern auf EU-Ebene zur

        Verfügung, um sich gegen eine solche Maßnahme zu wehren?

5.)    Erachten Sie die Möglichkeit von Eingriffen in Grundrechte von Bürgern ohne

        rechtsförmigesVerfahren als verfassungskonform?

6.)    Erachten Sie die angesprochene EU-Verordnung als mit dem österreichischen

        Rechtsstaatlichkeitsprinzip vereinbar?

7.)    Was haben Sie bisher unternommen, um einer Geltung der angesprochenen EU-Verordnung

in Österreich entgegenzuwirken?

8.)    Stärkt eine solche EU-Verordnung Ihr Vertrauen in den Grundrechtsschutz in der EU?

9.)    Erachten Sie angesichts solcher Maßnahmen die durch den "EU-Reformvertrag" (Vertrag von

Lissabon) steigende Kompetenzübertragung auch im Justiz- und Polizeibereich an die EU für

erstrebenswert?