3514/J XXIII. GP

Eingelangt am 04.02.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Pilz, Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Strafrechtliche Verfolgung einer Richterin am LG Korneuburg

 

 

 

In der Ausgabe 2 des Mediums „Profil“ vom 7. Jänner 2008 findet sich ab Seite 32 unter dem Titel „Die Schattenmacht“ ein Artikel über die Richterin Mag. Karin Santa vom LG Korneuburg, die sich zur Zeit wegen des Verdachts des Amtsmissbrauch zu verantworten hat.

 

Santa steht am vorläufigen Endpunkt einer Reihe von Richtern und Staatsanwälten, die sich mit Firmen und Firmengruppen, die auf Grund von Delikten im Zusammenhang mit dem öffentlichen Beschaffungswesen gerichtlich verfolgt wurden, befassten. Richter, die versuchten, strafrechtlich relevanten Vorgängen im Bereich der Bauwirtschaft und des militärischen Beschaffungswesens nachzugehen, haben in den letzten Jahrzehnten immer dieselben Erfahrungen gemacht: Sie wurden von ÖVP-nahen Anwälten und von Politikern der ÖVP verfolgt und in der Regel in ihrem beruflichen Fortkommen schwer geschädigt. Die ÖVP hat sich so bis heute erfolgreich dafür eingesetzt, dass Kartelle bzw. manipulierte Großbeschaffungen ungestört bleiben konnten.

 

Bekannt wurden die Fälle von

 

·        Untersuchungsrichter Heinrich Gallhuber, der die Verwicklung von ÖVP-Verteidigungsminister Lichal in die Oerlikon-Affäre untersuchen wollte und in die „Dienstunfähigkeit“ gezwungen wurde;

 

·        Staatsanwalt Michael Klackl, der vom damaligen Justizminister der Regierung Schüssel zur Abwürgung aller Verfahren in der Spitzel-Affäre genötigt wurde;

 

·        Untersuchungsrichter Manfred Hohenecker, der bei der Aufklärung der Baukartell-Affäre behindert und für unzuständig erklärt wurde.

 

Nach jahrelangen Verfolgungen seitens der Interessensvertreter des illegalen Baukartells soll nun der Richterin Mag. Santa der Prozess gemacht werden. Damit sollen die wenigen Richter und Staatsanwälte, die bereit sind, politische brisante Fälle im Dunstkreis der ÖVP zu verfolgen, nachhaltig eingeschüchtert werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.             Trifft es zu, dass die Richterin des LG Korneuburg Mag. Karin Santa von ihrer Ernennung im Jahr 1980 bis zu ihrer Tätigkeit in den sogenannten Bauskandal-Verfahren um Bieterabsprachen zum Nachteil öffentlicher Auftraggeber und der Flughafen Wien AG, in den Jahren 1998 bis 2002, stets tadellose, auf „sehr gut“ und auf „ausgezeichnet“ lautende Dienstbeschreibungen hatte sowie, dass bis dahin gegen sie keine Anzeigen aus der Anwaltschaft oder von Seiten der Justizverwaltung erstattet worden sind?

 

2.             Hat Mag. Karin Santa als Vorsitzende in den sogenannten Bauskandalverfahren rund 1.350 Seiten Urteile ausgefertigt, in 33 Verfahren mehr als 50 Verantwortliche diverser Tiefbaufirmen, Beamte der Stadt Wien und Manager der Flughafen Wien AG verurteilt?

 

3.             Waren Angeklagte in diesen Verfahren unter anderem durch die Wiener Rechtsanwälte Dr. Michael Graff, Dr. Manfred Ainedter und Dr. Karl Bernhauser vertreten?

 

4.             Haben die vom Landesgericht bzw von der Staatsanwaltschaft Korneuburg zur StA Wien abgetretenen Verfahren, wenn auch nur in einem einzigen Fall, zu einer Verurteilung von Angezeigten wegen Betruges durch das LG für Strafsachen Wien geführt?

 

5.             Hatte die Rechtsmeinung des Schöffensenates unter Vorsitz von Mag. Karin Santa, wonach Bieterabsprachen den Betrugstatbestand erfüllen können, vor dem Obersten Gerichtshof Bestand?

 

6.             Trifft es zu, dass die unter Frage 2 genannten Verteidiger zunächst die Delegierung bzw Abtretung von Verfahren aus dem Bauskandalkomplex vom LG Korneuburg zur Staatsanwaltschaft Wien erfolglos beantragt haben?

 

7.             Haben die genannten Verteidiger in weiterer Folge begonnen, gegen die Vorsitzende der Bauskandalverfahren Beschwerden zu erheben und Anzeigen zu erstatten?

 

8.             War Mag. Karin Santa bis zu ihrer Sperre zur Durchführung der sogenannten „Bauskandalverfahren“ Mitglied der Rechts­mittelsenate in Straf­sachen des Landesgerichtes Korneuburg?

 

9.             Wenn ja, hat Mag. Santa diese Tätigkeit nach Erledigung der Bauskandalverfahren wieder ausüben können oder wurde ihr via Geschäftsverteilung im Februar 2004 bis dato ein dienstjüngerer Kollege vorgezogen?

 

10.        Trifft es zu, dass in weiterer Folge auch die Justizverwaltung gegen Mag. Karin Santa Straf- und Disziplinaranzeige erstattet hat?

 

11.        Hat der Präsident des Landesgerichtes Korneuburg am 20.4.2004 zu Jv 1645-11/04 gegen Mag. Santa Strafanzeige erstattet, weil sie unter anderem eine Bestimmung der Geschäftsverteilung missachtet hätte, wonach ein Akt nach Beendigung des Vertretungsfalles wieder in die Zuständigkeit des vertretenen Richters zurückfällt?

 

12.        Wenn ja, hat die Geschäftsverteilung des LG Korneuburg zum Zeitpunkt der Anzeige, im April 2004, eine derartige, mit den Bestimmungen der §§ 32 Abs 1 GOG und 17 Abs 6 Geo in unauflöslichem Widerspruch stehende Regelung überhaupt enthalten, oder erfolgte die – allenfalls falsche - Anzeige wider besseres Wissen?

 

13.        Ist es in diesem Zusammenhang zur Einleitung von straf- oder disziplinarrechtlichen Verfahren gegen die Anzeiger gekommen?

 

14.        Hat sich der Präsident des LG Korneuburg inhaltlich seiner Anzeige­behauptungen auf einen Bericht des damaligen Vizepräsidenten Dr. Wilhelm Tschugguel vom 19.4.2004 gestützt und hat Dr. Tschugguel nach Anzeigeerstattung noch selbst einen derartigen, zuvor von ihm gegen Santa angezeigten „Amtsmissbrauch“ begangen, indem er im Verfahren 612 Hv 1/05m als Beisitzer an einer Hauptverhandlung am 2.3. und dann auch noch am 9.5.2005 teilgenommen hat, obgleich der zuständige Beisitzer sich am 9.5.2005 bereits wieder im Dienst befunden hatte?

 

15.        Wurde diese Vorgangsweise Dris. Tschugguel, nämlich Anzeigeerstattung wider besseres Wissen, zum Anlass für die Einleitung eines Straf- oder Disziplinarverfahrens genommen bzw ist dies nach Bekanntwerden des beschriebenen Sachverhaltes beabsichtigt?

 

16.        Wurde in weiterer Folge vom Personalsenat des LG Korneuburg eine Bestimmung in die Geschäftsverteilung aufgenommen, derzufolge die Zuständigkeit des Vertreters über das Ende des Vertretungsfalles hinaus nicht fortdauert?

 

17.        Findet sich in der Geschäftsverteilung eines anderen Gerichtshofes in Österreich eine gleichartige Bestimmung, die in der Praxis dazu führt, dass anverhandelte Prozesse wiederholt werden müssen, mit Kostenfolgen für die Parteien und den Bund?

 

18.        Wurden aufsichtsbehördliche Maßnahmen gegen diese, nach Anzeigeerstattung gegen Mag. Santa geschaffene Bestimmung der Geschäftsverteilung des LG Korneuburg ergriffen?

 

19.        Das Verfahren gegen Mag. Santa wurde von der StA Wien am 20.10.2004 nach Vorerhebungen eingestellt (14 St 401/03v). Wurde sodann vom Bundesministerium für Justiz im Jahr 2005 eine Weisung erteilt, wonach „zum Zwecke einer allfälligen Wiederaufnahme“ gegen Mag. Santa erneut Vorerhebungen geführt werden und war eine derartige Vorgangsweise im Gesetz vorgesehen, üblich und welchem Zweck hat sie gedient?

 

20.        Der OGH hat mit Urteil vom 13.7.2004, 14 Os 72/04-7, ausgesprochen, dass der Angeklagte in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dadurch verletzt worden ist, dass der Personalsenat des LG Korneuburg ein Geschworenenverfahren gegen einen unter 21-Jährigen (703 Hv 1/04d) mittels eines „weder in einem Gesetz noch in der Geo vorge­sehenen“, sohin gesetzlos ergangenen Beschlusses, einem für junge Erwachsene nicht zuständigen Senat, dem Mag Santa angehörte, zugeteilt hat. Mag. Santa, die dadurch widerrechtlich mit diesem Verfahren belastet wurde, hat diesen Sachverhalt dem Leitenden Visitator des OLG Wien am 27.10.2004 zur Kenntnis gebracht; der Geschworenenprozess musste wiederholt werden. Wurde gegen die den – laut OGH gesetzlosen – Zuteilungsbeschluss Jv 98-7b/04 fassenden Mitglieder des Personalsenates des LG Korneuburg, die damit den Angeklagten wissentlich in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt haben, Anklage erhoben bzw wurden gegen sie disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet?

 

21.        Wenn nein, weshalb wurde davon Abstand genommen, wenn wegen einer vergleichsweise verständlicheren objektiven Rechtsverletzung gegen Mag. Karin Santa zuletzt Anklage erhoben wurde?

 

22.        Hat die dienstälteste Richterin des LG Korneuburg Mag. Karin Santa sich am 22.12.2005 um die zu Jv 17472-4a/05 ausgeschriebene Stelle eines/einer VizepräsidentIn des LG Korneuburg beworben?

 

23.        Wurde kurz vor Beginn der Ausschreibungsfrist, am 16.11.2005, vom Personalsenat des LG Korneuburg zu Jv 4512-4a/05 die Dienstbeschreibung von Mag. Karin Santa vom Kalkül „ausgezeichnet“ auf „sehr gut“ herabgesetzt?

 

24.        Wurden zu dieser außerregulären Dienstbeschreibung gesetzwidriger Weise auch Verfahren herangezogen, die nicht im Beurteilungszeitraum abgeführt worden sind?

 

25.        Haben sich tatsächlich aus jenem Personalsenat, der die Herabsetzung der Dienstbeschreibung beschlossen hat, die drei gewählten Mitglieder Dr. Braitenberg-Zennenberg, HR Dr. Lackner und Mag. Bausback ebenfalls um die vakante VizepräsidentInnen-Stelle beworben?

 

26.        Mag. Karin Santa hat ihre dagegen erhobene Beschwerde vom 27.12.2005 auch der Frau Bundesminister für Justiz Mag. Karin Gastinger übersandt. Hat das BMJ die Ausführungen der Richterin zum Anlass genommen, aufsichtsbehördliche Maßnahmen zu ergreifen, zumal Mag. Santa die Vorkommnisse, wie zu den obigen Fragen 5. bis 7. beschrieben, darin explizit angeführt hat?

 

27.        Im Verfahren 274 Ur 262/06z des LG für Strafsachen Wien wurde nunmehr am 17.9.2007 von der StA Wien, aufgrund einer Anzeige des bereits erwähnten Rechtsanwaltes Dr. Bernhauser vom 11.5.2006 – also nach 16-monatiger Verfahrensdauer – gegen Mag. Karin Santa Anklage wegen Amtsmissbrauchs erhoben. Weshalb wurde die Beschuldigte zur beabsichtigten Delegierung dieses Verfahrens von Korneuburg zum LG für Strafsachen Wien, entgegen der Bestimmung des § 590 Abs 1 Geo, nicht angehört?

 

28.        Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs wird erhoben, weil Mag. Santa einen vom Bezirkshauptmann entsandten Ersatzschöffen zu einer Hauptverhandlung beigezogen hatte, obgleich dieser nicht zum Schöffenamt geeignet war, damit die Verhandlung, zu der Zeugen aus Deutschland angereist waren, nicht platzt. Aus welchen strafrechtlichen oder politischen Überlegungen werden in diesem Verfahren der Bezirkshauptmann Dr. iur. Norbert Haselsteiner, der ex lege zur Erstellung der Schöffenlisten berufen ist und einen Ungeeigneten schickte, und der Ad-hoc-Schöffe Mag.iur. Albert Maca, der über seine persönlichen Verhältnisse naturgemäß am besten informiert war, lediglich als Zeugen geführt?

 

29.        Wer oder was schützt Dr. Norbert Haselsteiner, einen Studienfreund des Korneuburger LG-Präsidenten Dr. Tschugguel, vor strafrechtlicher Verfolgung, wenn schon davon ausgegangen wird, dass hier überhaupt strafwürdiges Fehlverhalten vorliegt, das eine Anklageerhebung rechtfertigt?

 

30.        Wie lautete der erste Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Wien an die OStA Wien über die beabsichtigte Enderledigung des Verfahrens gegen Mag. Karin Santa?

 

31.        Sollte dieser Bericht eine Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen haben, wie und weshalb kam es sodann zur Anklageerhebung?

 

32.        Wie verträgt es sich mit dem erforderlichen äußeren Anschein von Unabhängigkeit von Justizfunktionären, wenn der Präsident des LG Korneuburg HR Dr. Wilhelm Tschugguel

 

-          mit dienstlichem e-mail an alle Richter vom 5.9.2007 und unter Vergabe einer eigenen Justizverwaltungsaktenzahl (Jv 3636-1b/07), zusammen mit Dr. Josef Höchtl, zu einer Parteiveranstaltung der ÖVP-NÖ, bei der BM DI Josef Pröll über das justizfremde Thema „Soziale Marktwirtschaft und Umwelt“ in der Raiffeisenbank Klosterneuburg referiert, einlädt und als Antwortadresse an eine Sekretärin der ÖVP-NÖ, Christine.Prendl@vpnoe.at, verweist?

-          im Anschluss an die alljährliche Richterbesprechung des LG Korneuburg am 17.10.2007 zu einer Parlamentsführung und anschließenden Diskussion bloß mit dem Justizsprecher der ÖVP, Mag. Donnerbauer, einlädt und die Richter wissen lässt, dass er sich über zahlreiche Teilnahme an der Parlamentsführung, die zu einer Parteiveranstaltung der ÖVP ausartete, freuen würde (Jv 1193-9a/07)?

-          einen Leserbrief – abgedruckt in der Ausgabe 5 des Mediums „Profil“ vom 28. Jänner 2008 Seite 6 – verfasst, in welchem er seine „aufrecht konservative“ Gesinnung, gleichsam als Sprecher eines politischen Lagers, bekundet?

 

33.          Welche Möglichkeiten hat die Bundesministerin für Justiz im Rahmen des Rechtsstaats, eine Richterin vor juristischen Racheakten zu schützen?