3564/J XXIII. GP
Eingelangt am 13.02.2008
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ANFRAGE
der Abgeordneten Lichtenecker, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Altlastensanierung - Effekte und Ausblick
Im Auftrag des Bundesministeriums haben die Kommunalkredit Public Consulting GmbH und das Umweltbundesamt gemeinsam eine Studie zu Stand und Funktionsweise der Altlastensanierung in Österreich, die auch Empfehlungen für legistische und sonstige Maßnahmen für die Zukunft enthält, im Spätherbst 2007 fertiggestellt. Die Studie gibt einen sehr guten Überblick über den Verwaltungsbereich Altlastensanierung und ist von daher jedenfalls zu begrüßen. Hervorgehoben werden muss auch die sehr gute Veranschaulichung der Umwelteffekte bei erfolgten Sanierungen.
Es wird, wie schon im 8. Umweltkontrollbericht, auch die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Altlastensanierung aufgezeigt.
Das Altlastensanierungsgesetz ist seit 1. Juli 1989, in Kraft. Nach 18 Vollzugsjahren und 1,1 Mrd Euro Förderungsausgaben für Sanierungen ist noch immer festzuhalten:
· Erst rund 10% der Altlasten in Österreich sind bekannt (hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit geprüft und ausgewiesen),
· der Erfassungsgrad bei den Altstandorten und Altablagerungen beläuft sich zwischen 60 und 67% (48.678 von geschätzten rd 79.500 Altstandorten und Altablagerungen sind erfasst),
· erst 78 Altlasten wurden als saniert bewertet, bei 66 Altlasten ist die Sanierung im Gange (8. Umweltkontrollbericht, S 141 ff).
Die zur Sanierung aller Altlasten erforderlichen Geldmittel werden im 8. Umweltkontrollbericht auf 3,7 Mrd Euro geschätzt (S 143), die Studie schätzt den Gesamtkostenaufwand bei gleichbleibender Rechtslage auf 12,3 Mrd Euro (S 159). Gemäß der Studie würde es bei Fortschreibung der bisherigen Verfahrensdauer
· rund 50 Jahre dauern bis alle Verdachtsflächen vollständig erfasst sind,
· mehr als 100 Jahre dauern bis alle Altlasten identifiziert sind und
· weit mehr als 100 Jahre dauern bis alle Altlasten saniert sind (S 163).
Demgegenüber hätte sich das BMLFUW in den „Umweltqualitätszielen 2005“ vorgenommen, dass bis 2025 alle Altlasten erhoben sind und bis 2050 alle Altlasten saniert sind.
Die Studie schlägt nun eine Reihe von Maßnahmen zur Effizienzsteigerung vor, aber auch eine grundsätzliche Änderung der Zielsetzung der Altlastensanierung:
„Vorsorgeprinzip versus Reparaturprinzip
Rund 90 % der bisherigen Sanierungsmaßnahmen an Altlasten erfolgten aus dem Titel des Wasserrechtsgesetzes, das nach dem Prinzip des vorsorgenden Umweltschutzes ausgerichtet ist. Als unmittelbare Folge davon wurden häufiger Sanierungsmaßnahmen mit oft zusätzlich höherem Aufwand gesetzt, als dies aus Sicht der Gefahrenabwehr unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Schutzes der Umwelt erforderlich wäre.
Die Erfahrungen der letzten Jahre machen deutlich, dass ein ausreichendes Maß an Gesundheits- und Umweltschutz auch bei der Sanierung von Altlasten mit dem Ziel der Abwehr und Reduktion von Gefahren gegeben sein kann. Im Sinne eines „Managements“ von kontaminierten Standorten wären die Aspekte Qualitätsanforderungen aus Sicht des Gesundheits- und Umweltschutzes und Anforderungen aus Sicht der Flächennutzung bei der Ausrichtung von Sanierungsmaßnahmen in Einklang zu bringen. Die Schaffung rechtlicher und technischer Grundlagen für Sanierungsmaßnahmen, die sich an die aktuelle oder geplante Nutzung einer Altlast anpasst, würde den Behörden Rechtssicherheit für weniger aufwändige Maßnahmen unter Beibehaltung eines hohen Standards an Gesundheits- und Umweltschutz geben und beträchtliche Sanierungskosten einsparen.“
Auf diese Weise würden sich die Kosten der Altlastensanierung halbieren lassen (S 170).
Gegen eine gesetzliche Verankerung des Reparaturprinzips ist aus unserer Sicht selbst bei Einnahme eines sehr pragmatischen Standpunktes jedoch vorzubringen:
· Schon bei gegebener Rechtslage (Vorsorgeprinzip) handelt die Praxis in hohem Maße nach dem Reparaturprinzip. Indiz dafür ist die Prioritätenklassifizierung. Es ist zu beobachten, dass bei fehlender Nutzung eines kontaminierten Grundwasserkörpers für Trinkwasserzwecke niedere Prioritäten zuerkannt werden. Dies bedeutet einen geringeren Fördersatz und natürlich die geringere Chance zur Sanierung bzw jedenfalls eine zeitliche Verzögerung der Sanierung. Viele Sanierungsprojekte beinhalten nur eine Sicherung bzw Begrenzung des Schadstoffeintrags, aber keine Beseitigung der Schadensquelle sprich des kontaminierten Materials. Werden nun die gesetzlichen Anforderungen gelockert, so ist abermals ein Niveauverlust zu befürchten.
· Die Fernwirkung auf die Kriterien für die Zulassung von neuen Betrieben ist nicht zu unterschätzen, so schreibt das Umweltbundesamt selbst im Umweltkontrollbericht warnend: „Eine Anwendung des Reparaturprinzips muss sich allerdings rigoros auf die Sanierung von alten Schadensfällen beschränken und darf nicht zur Aufweichung des Vorsorgeprinzips zum Schutz von Wasser und Boden für künftige Schadensfälle führen.“
· Bevor die Zielsetzungen geändert werden, müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, den Mitteleinsatz zu erhöhen. Zur Förderung von Sanierungsmaßnahmen stehen derzeit jährlich rd 50 Mio € zur Verfügung (Umweltkontrollbericht S 143). Die Studie diskutiert die Möglichkeiten zur Mittelerhöhung nicht.
· Die Studie gesteht selbst ein, dass in vielen Fällen auch jetzt schon die Umweltmedien nicht wiederhergestellt sondern bloß eine auf die zukünftige Nutzung des Areals abgestellte Gefahrenabwehr durchgeführt wird. Diese Vorgangsweise sei allerdings laut Studie mit Rechtsunsicherheit behaftet, da die Behörde jederzeit wieder auf die Rechtslage Vorsorgeprinzip abstellen könnte. Diese Gefahr ist aber – und hier widerspricht sich die Studie doch etwas – eine theoretische. Denn wie auf anderer Stelle ausgeführt wird, erfolgt die Sanierung kaum aufgrund von behördlichen Aufträgen: „Die Behörden gehen naturgemäß mit Auftragsbescheiden sehr sensibel um, weil im Falle einer Nichtdurchsetzbarkeit eine Vollstreckung eingeleitet werden muss, wofür auf Behördenseite zumeist die entsprechenden Ressourcen fehlen.“ (S 168). Auch ist bekannt, dass der Rechtsschutz gegen Auftragsbescheide sehr gut ausgebaut ist und seitens der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts an derartige Bescheide sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Insofern schätzen wir die Gefahr, dass eine „schwache“ freiwillige Sanierung durch einen späteren strengeren Sanierungsauftrag übertroffen wird, als sehr gering ein.
· Die Studie lässt die Verursacherfrage völlig unberührt. Inwiefern könnte das Rechtsinstrumentarium verbessert werden, um zumindest VerursacherInnen mit entsprechenden finanziellen Ressourcen für die Kosten der Sanierung heranzuziehen? Zumindest wäre darzulegen, warum dieser Weg nicht weiter verfolgt wird.
· In der Frage der Rückforderungen geht die Studie einen kontraproduktiven Weg. Die derzeitige Regelung, wonach im Fall der Veräußerung des Grundstücks innerhalb von 7 Jahren eine Wertsteigerung, die über dem Eigenmittelanteil liegt, in der Höhe des Fördersatzes zurückzahlen ist (§ 13 Abs 5 Förderungsrichtlinien 2002) wirke sich dämpfend auf das Verwertungsinteresse und damit auch Sanierungsinteresse aus. Ob die Studienautoren daher den Entfall der Rückforderung fordern oder eine Abschwächung bleibt in Schwebe, beide Varianten würden jedoch auf eine Minimierung der Einnahmen des Bundes hinauslaufen. Hier wird zu stark der betriebswirtschaftliche Standpunkt eingenommen. Mit den Mitteln der Umweltförderung sollen ja nicht Gewinne in der Immobilienbranche finanziert werden (der Anteil der Immobilienbranche an den Förderungsnehmern, die auch Nachnutzer sind, beträgt 11%, siehe S 145).
Weiters schlägt die Studie ein Einheitliches Altlastensanierungsgesetz vor (S 169). Wesentlicher Motor eines solchen eigenen Materien- und Verfahrensgesetzes für die Altlastensanierung ist wohl die Einführung des Reparaturprinzips und damit die Entkoppelung von den Kriterien für die Neuzulassung von Betrieben.. Aus grüner Sicht muss jedoch das Vorsorgeprinzip sowohl für Neuzulassung und Sanierung von Betriebsstandorten gelten. Die Grünen haben in der Vergangenheit schon etliche Initiativen für ein Einheitliches Anlagenrecht gesetzt, allerdings vergeblich.
Das Auseinanderklaffen der Sanierungs- und Betriebszulassungsregime zeitigt schon jetzt völlig wahnwitzige Ergebnisse. So wurde unlängst in der Altlastensanierungskommission der Tontaubenschießplatz Treffling beraten. Durch die verwendete Munition ist eine Fläche von ca 2,5 ha mit Blei, Antimon und Arsen sehr hoch belastet. In der Prioritätenklassifizierung finden sich nur Aussagen zur Belastung des Bodens und des Wassers, inwiefern die belastenden Tätigkeiten aber noch immer stattfinden, bleibt im Unklaren („Der ‚Tontaubenschießplatz Treffling’ besteht seit rund 45 Jahren. Als Munition wird Bleischrott verwendet.“) . Aus gesamtöffentlichen Interesse wäre natürlich genauso sicherzustellen, dass der umweltbelastende Betrieb eingestellt wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Teilen Sie unsere Auffassung, dass die Praxis der Gefährdungsabschätzung und Altlastensanierung schon jetzt in nicht unbeträchtlichem Maße nach dem Reparaturprinzip handelt und ein Nachlassen bei den gesetzlichen Anforderungen, sprich ein Ersatz des Vorsorgeprinzips durch das Reparaturprinzip, zu einem weiteren Niveauverlust führen würde und außerdem die Gefahr beinhalten würde, dass auch bei Neuzulassung von Betrieben nicht nach dem Vorsorgeprinzip entschieden würde?
2. In welcher Weise wäre eine Änderung des Sanierungsziels der Altlastensanierung kompatibel mit den Sanierungszielen gemäß der Umwelthaftungsrichtlinie, die ja grundsätzlich auf eine Wiederherstellung der natürlichen Ressourcen (Zurückversetzen in den Ausgangszustand) abstellt?
3. Da die rechtlichen Ausführungen der Studie nur schematisch sind: a) Welche Regelungen des Wasserrechtsgesetzes und des Abfallwirtschaftsgesetzes stehen gemäß den Anhängern des Reparaturprinzips diesem Prinzip entgegen? b) Liegen dem Ministerium konkrete Vorschläge zur Änderung vor?
4. Inwiefern machen Überlegungen zu einem Einheitlichen Altlastensanierungsgesetz Sinn, wenn die Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz für Bodenschutz bei den Ländern liegt und - wie der Österreich-Konvent gezeigt hat – die Bereitschaft der Länder, Kompetenzen abzutreten, gleich Null ist?
5. Wie beurteilen Sie die Funktionstüchtigkeit der Rechtsinstrumente, behördlich eine Sanierung zu erzwingen (Aufträge nach WRG und AWG und Vollstreckungsverfahren), welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie hier?
6. a) Hat das Aufweichen der Rückforderungsregel der Förderungsrichtlinien 2002 gegenüber den FRL 1997 zu einer Zunahme von Ansuchen aus der Immobilienbranche geführt?
b) Inwiefern sind mit der Formulierung des § 13 FRL wirklich alle Fälle von Sanierungsgewinnen, die über den Eigenmittelanteil hinausgehen erfasst (eingedenk dessen, dass diese Regelung bis jetzt nicht zur Anwendung gekommen ist)?
7. Wie erklärt sich die große Divergenz in Einschätzung der für die weitere Altlastensanierung notwendigen Mittel durch den Umweltkontrollbericht (3,7 Mrd €) einerseits und die Studie (12,3 Mrd €) andererseits?
8. a) Die Untersuchungen von Schießplätzen im Rahmen der Altlastensanierung führen die Umweltkontamination durch den verwendeten Bleischrott drastisch vor Augen. Verpflichten diese Untersuchungsergebnisse nicht, derart umweltgefährdenden Bleischrott nach § 17 Abs 1 und 2 Chemikaliengesetz, wie dies bei den PAK-hältigen Tontauben seit 2003 der Fall ist, zu verbieten?
b) Wie viele Schießplätze in Betrieb gibt es in Österreich und wo liegen diese?
c) Wie viele Schießplätze wurden bereits als Altlasten eingestuft und wie viele Schießplätze werden ihrer Einschätzung nach in den nächsten 5 Jahren als Altlasten eingestuft werden?
d) Wie hoch sind die Kosten für die Sanierung von Schießplätzen anzusetzen?
e) Welcher Kostenverteilungsschlüssel zwischen öffentlicher Hand und Verursachern (Schützen) ist bei derartigen Sanierungen zu erwarten?
g) Durch welche Regelungen im Wasserrechtsgesetz werden Schießplätze erfasst und sollen Gefahren für das Wasser vermieden werden?
h) Welche Regulative wollen Sie forcieren und welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um die Umweltgefährdung durch Bleischrott (Sport und Jagd) zu vermeiden?